Das Kronprinzenpalais

„Die Kronprinzessin wohnte gar nicht im Schloss, erfuhr Dr. Haurowitz von den Wachen, die vor dem großen Portal postiert waren, sondern im Kronprinzenbau, und der lag dem Schloss direkt gegenüber.“

[„Die russische Herzogin“ v. Petra Durst-Benning, S. 27]

Ich muss euch dieses Gebäude leider in der Vergangenheit beschreiben, da das Kronprinzenpalais bei Luftangriffen 1944 schwer beschädigt wurde. Die verbleibende Ruine fiel nach einer umstrittenen Entscheidung im Jahr 1963 den Abrissbaggern zum Opfer. Aber von Anfang an …

Die Vorgeschichte:

Nach der Thronbesteigung König Wilhelms I. 1816 wurde das von ihm bisher bewohnte alte Kronprinzenpalais an der Königstraße 46 der Sitz des Auswärtigen Ministeriums, des Geheimen Rats und des Staatsministeriums. Nun fehlte seinem herangewachsenen Sohn Karl und damit dem jungen Kronprinzen ein standesgemäßer Wohnsitz, der ihm nach den Landesgesetzen zustand. An der Stelle, an der das Kronprinzenpalais entstehen sollte, stand bis dato das sogenannte Fürstenhaus, welches nach Wilhelms Ansicht ungeeignet als Wohnsitz eines Kronprinzen war. Somit fasste fasste Wilhelm 1843 den Beschluss, „auf der Stelle in der Königs-Straße, auf welcher gegenwärtig der Fürstenbau steht, ein entsprechendes Palais für Seine königliche Hoheit neubauen zu laßen“.
Ludwig Friedrich Gaab, der Hofkammerbaumeister, wurde mit der Planung des Bauwerks beauftragt. Seinen Entwurf lehnte Gaab teilweise an das Herzog-Max-Palais von Leo von Klenze in der Münchener Ludwigstraße an.
Mitte 1845 bewilligte die Kammer den Kostenvoranschlag von 400.000 Gulden für den Bau, die Vorgängerbauten wurden abgerissen und die Bauarbeiten zum Neubau des Kronprinzenpalais begannen. Diese wurden 1850 abgeschlossen, der Innenausbau wurde 1854 vollendet.

Das Kronprinzenpalais:


Am 02. Dezember 1854 zogen der Kronprinz Karl und seine Frau Olga unter großen Jubel der Bevölkerung in das Kronprinzenpalais in der Königstraße 32 ein. Zuvor bewohnten die Beiden unter anderem die Villa Berg.
Der Gebäudekomplex des Kronprinzenpalais bestand aus einem dreistöckigen Hauptgebäude an der Königstraße und einem zweistöckigen Nebengebäude an der Fürstenstraße – beide Gebäude waren dreiflügelig angelegt.
Das Hauptgebäude erstreckte sich auf fast 80m entlang der Königstraße. Im Erdgeschoss des rechten Flügeltrakts residierte der der spätere König in insgesamt sieben Zimmern, Olga wohnte im Stock darüber.
Der linke Trakt beherbergte im Erdgeschoss ebenfalls acht Zimmer, die ursprünglich als Gästezimmer und später als Dienstzimmer dienten. Der linke Teil des ersten Obergeschosses war für den zweigeschossigen Tanzsaal mit zwei Nebensälen, Gesellschaftszimmern und Büffet reserviert. 
Die 20 Zimmer im dritten Stock waren für die Hofdamen und das weitere Dienstpersonal bestimmt.

Die weitere Nutzung:


Als Karl seinem Vater nach dessen Tod 1864 auf dem Königsthron nachfolgte, zog er mit seiner Frau in den Gartenflügel des Neuen Schlosses. Das Kronprinzenpalais wurde nun von der Königinwitwe Pauline bis zu ihrem Tod 1873 bewohnt. Ab 1876 wohnte Kronprinz Wilhelm, der spätere König Wilhelm II., in dem Palais. Er selbst zog 1887 in das Wilhelmspalais, während sein Hofstaat bis 1892 im Kronprinzenpalais verblieb. Von 1893 bis 1918 residierten als letzte fürstliche Bewohner Herzog Albrecht von Württemberg und seine Frau Margarete Sophie in dem Palais.
Ab 1919 nutzte die Stuttgarter Handelshof AG, eine Vorgängerin der heutigen Messegesellschaft, einen großen Teil des Palais als Ausstellungsgebäude, in dem zahlreiche Messen veranstaltet wurden. Ab 1930 bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1944 war das Palais Sitz der Staatlichen Kunstsammlungen und nahm Bestände aus der Württembergischen Staatsgalerie auf. Die im Krieg ausgelagerte Sammlung hat größtenteils überlebt – ganz im Gegensatz zum Gebäude selbst.

Die vollständige Zerstörung:


Das ehemalige Kronprinzenpalais wurde bei den Luftangriffen 1944 erheblich beschädigt, die Außenmauern blieben stehen – damit wäre ein Wiederaufbau möglich gewesen. Doch es sollte anders kommen:
Zugunsten einer Neuordnung der Verkehrswege musste die Ruine 1963 weichen. Eine Fehlentscheidung, wie sie schlimmer nicht hätte sein können, denn mit dieser Entscheidung wurde ein Stück Zeitgeschichte unwiederbringlich zerstört – für ein, wie sich später zeigte, nutzloses Verkehrskonzept:
An der Stelle des Kronprinzenpalais wurden sechs Tunnelröhren gebohrt, fünf für den Autoverkehr und eine für die Straßenbahn. Die Röhren wurden 1968 mit einer Platte überdeckt, die als Kleiner Schlossplatz bezeichnet wurde. Wenige Jahre danach gingen „Teile des riesigen Verkehrsbauwerks wieder außer Betrieb, weil sich zeigte, dass dieser Funktionalismus gar nicht funktionierte und die Anlagen eigentlich auch nicht gebraucht wurden“. 1980 wurde die Straßenbahn in den Untergrund verlegt, und 1993 verschwanden auch die Fahrstreifen unter der Erde. Die Eingänge der nunmehr nutzlosen Tunnelröhren wurden durch eine große Treppe verdeckt.
Vor Stuttgart 21 wurde über kein anderes Thema in Stuttgart so heftig gestritten und diskutiert wie über den Abriss des Kronprinzenpalais.

Auf den Spuren des Kronprinzenpalais:

An der Stelle an der das Kronprinzenpalais stand, erinnert nichts mehr an diesen prachtvollen Bau und die Zeitgeschichte, die damit verbunden war.
Ein Rundbogenfenster des Kronprinzenpalais kann dennoch besichtigt und bewundert werden: Es steht im städtischen Lapidarium an der Mörikestraße.

„Die Erhaltung ist dort sinnvoll, wo die die geschichtlich gewordene Gegenwart, die Zukunft befruchtet, dort aber nicht, wo sie die gegenwärtige und künftige Entwicklung überwiegend hemmt.“

[Paul Bonatz in einem Brief an den Oberbürgermeister Arnulf Klett]

Wie geht es euch mit dieser Geschichte? Mich macht es sehr traurig, dass es heute nicht mehr möglich ist, diesen geschichtsträchtigen Ort zu besuchen.
Im Internet findet ihr auf zahlreichen Seiten noch einige Bilder des Kronprinzenpalais – in voller Pracht und dann auch als Ruine.

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