Michael Paul

  • Zum Autor: Leben und Werk:

Biographie:

„Es zu verstehen ist nicht dasselbe wie vergeben.
Ich sehe es als meine Verantwortung an, zu verstehen.
Es ist die Pflicht und Aufgabe eines Jeden, der es wagt,
über dieses Thema etwas zu Papier zu bringen.“

Hannah Arendt

„Die Worte von Hannah Arendt beschreiben für mich perfekt, warum ich Romane schreibe und diese sich mit der deutschen Geschichte so auseinandersetzen.
Ich bin Schriftsteller und lebe mit meiner Frau und unseren Hunden im Rheintal am Fuße des Schwarzwalds zwischen Offenburg und Freiburg, 
Als Dozent und Lehrbeauftragter bin ich an der Uni Freiburg und der Hochschule Offenburg tätig, berate Start-ups und Unternehmen.
Meine historischen Romane, die sich in spannender, emotionaler und gut recherchierter Weise mit der Zeit des Nationalsozialismus und der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts auseinandersetzen, sollen unterhalten, zu einer Auseinandersetzung mit einer Zeit führen. Eine Zeit, die unser Land, unsere Demokratie und die Menschheit auf so interessante wie insbesondere schreckliche Weise geprägt hat. Daraus zu lernen und mehr darüber zu wissen ist unsere Verpflichtung.
Neben Lesungen zu meinen Romanen halte ich sehr gerne Vorträge zu den damit verbundenen Themen. Schulen liegen mir dabei ganz besonders am Herzen.“ (Quelle: https://www.michael-paul.eu/über-mich/)

Homepage:
https://www.michael-paul.eu

Bibliografie:

  • Interview:

Ich wünsche euch viel Spaß mit diesem Interview, beachtet aber bitte: Die Copyrights der verwendeten Fotos und Cover liegen ausschließlich bei Michael Paul/ Christina Boersch. Jegliche weitere Nutzung ist untersagt. Noch ein Hinweis: Da wir Beide schon lange in Kontakt stehen, nutzen wir in diesem Interview das ‚Du‘.

Hallo lieber Michael, ich danke dir, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst und uns damit spannende Einblicke in deine Bücher und dein Autoren-Leben gibst.

Michael Paul: „Das mache ich gerne. Hallo Christina!“

Wie würdest du selbst deine Bücher beschreiben?

Michael Paul: „Sie sind ein wenig für mich wie Kinder. Beim nächsten Roman kennt man den Ablauf ja schon und doch wird es jedes Mal anders. Und wenn es dann auf der Welt ist, du es in Händen hältst, ist das ein tolles Glücksgefühl.“

Viele deiner Bücher spielen größtenteils zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Warum hast du dich dieser düsteren Zeit und schweren Thematik verschrieben?

Michael Paul: „Das ist wohl eine der mir am meisten gestellten Fragen, auch bei Lesungen. Und genau kann ich das tatsächlich gar nicht sagen. Schon als 6-jähriger Bub habe ich bei Oma und Opa in Lahr Bildbände zum Zweiten Weltkrieg immer wieder angeschaut. Die Bilder haben bei mir eine merkwürdiges, aber nicht militärisches Interesse hervorgerufen. Mein Großvater war im Krieg, geriet in Königsberg für drei Jahre in russische Gefangenschaft. Aber darüber gesprochen hat er nie. Erst viel später zu meinem ersten Roman habe ich über ihn recherchiert und ein paar persönliche Details sind in „Wimmerholz“, meinem ersten Roman 2014, versteckt.
Diese Zeit, beim nächsten Roman beginne ich schon 1919, mit dem Versailler Vertrag, ist meine Zeit. Sie ist unfassbar spannend, aufregend, natürlich auch grausam gruselig und düster. Ich war fünf Tage in Auschwitz und habe dort trotzdem keine Antwort auf das „Warum?“ gefunden. Und gerade heute, wo so viele wieder auf rechte Rattenfänger reinfallen, ist es wichtig, zu erzählen, was geschah und wohin es führt. In Verbindung mit spannenden Geschichten sind die Leser besser zu erreichen als mit einem Geschichtsbuch.“

Wie gehst du bei der Recherche zu deinen Büchern vor? Welche Recherchemittel stehen dir zur Verfügung? Warst du auch an den Orten deiner Geschichten?

Michael Paul: „Die Recherche ist bei immer sehr umfangreich. Ich muss zunächst die historischen Fakten klären. Denn die bleiben in meinen Romanen immer originalgetreu, da wird nichts an den Roman angepasst. Dann suche ich die Spielorte, in der Regel alle real. Für Wimmerholz war ich 14 Tage in Schweden, für „Das Haus der Bücher“ eine Woche in Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg in Ostpreußen. Das leer stehende Kloster von „Die Trostbriefschreiberin“ kenne ich in- und auswendig, es steht oberhalb von Ahrweiler. Aber auch eine emotionale Erarbeitung kann wichtig sein. Für meinen Thriller TABUN habe ich eine Woche lang blind gelebt und mich intensiv damit auseinandergesetzt, weil meine Protagonistin eben blind ist. Für meinen nächsten Roman war ich schon viele Tage in Archiven in Hamburg, Frankfurt und Freiburg. Da stehen nun noch rund 6.000 fotografierte Dokumente zur Auswertung an, neben diversen schon einmal durchgearbeiteten Büchern. Nur kann daraus dann ein historisch und zeitlich richtiger Plot entstehen.“

– Wie behältst du beim Schreiben den Überblick über deine Figuren und deren Hintergründe?

Michael Paul: „Meine Figuren werden sehr genau entwickelt. Oft suche ich mir – nur für mich – ein mir passend erscheinendes Gesicht, Schauspieler, Sportler, Politiker oder auch jemand „ganz normales“ mit einem interessanten Gesicht. Dann arbeite ich eine Vita und einen Charakterbogen aus, viele Seiten, viele Details. Nur so bleiben die Figuren auch glaubwürdig. Meine Frau meint dann immer etwas spaßig, ich würde wieder „Menschen erfinden“. Aber genauso ist es auch.“

– Wie schwer fällt es dir, nach dem du unter eine Geschichte ‚Ende‘ geschrieben hast, Abschied von den Figuren und dem Buch zu nehmen?

Michael Paul: „„Ende“ schreibe ich nie darunter. Und nach dem Buch ist vor dem Buch. OK, eine Phrase … Aber tatsächlich ist es so. Wenn man buchstäblich den Schreibprozess, der ja nach dem Schreiben der ersten Fassung sehr viel Überarbeitung, Lektorat etc. nach sich zieht, wirklich fertig ist, der Text an die Druckerei geht, fühlt man einen Abschiedsschmerz. Wobei ich ja sehr viele Lesungen mache, meine Figuren begleiten mich also viele Jahre noch weiter. Und während der Text im Lektorat ist, dann bei der Druckerei, kümmere ich mich ums Marketing, aber auch schon z.B. um Recherche für die nächste Romanidee. Das läuft immer etwas parallel.“

– Neben vielen historischen Figuren spielen in deinen Büchern auch sehr viele fiktive Figuren mit. Wie wichtig empfindest du fiktive Figuren in einem historischen Roman?

Michael Paul: „Sehr wichtig. Mit Ihnen kann ich dramaturgisch arbeiten, bin nicht an den strengen historischen Rahmen gebunden und kann Spannung aufbauen. Es ist wie bei Titanic. Ohne Kate und Leonardo wäre das Ereignis schnell erzählt.“

– Wenn du rückblickend auf deine veröffentlichten Bücher schaust: Magst du alles an deinen Geschichten oder denkst du manchmal: „Uff, das hätte ich auf andere Art schreiben müssen/ können …“?

Michael Paul: „Das ist tatsächlich, also glücklicherweise nicht so. Ich liebe immer noch alle meine Romane, auch den ersten, der übrigens der Lieblingsroman meiner Frau ist. Manchmal nehme ich eins aus dem Regal, lese einen Absatz uns denken dann mit einem Lächeln: “Wow, echt mitreißend geschrieben!“ Aber im Ernst, ich mag sie alle wie am ersten Tag des Erscheinens.“

– Wie sieht dein Schreib-Alltag/ deine Schreib-Routine aus? Was sind deine Störfaktoren beim Schreiben?

Michael Paul: „Da ich nicht hauptberuflich schreibe, muss ich meine Dozententätigkeit an der Uni und Hochschule, etwas Unternehmensberatung und ein Projektmanagement unter einen Hut bringen. Fordert mich z.B. ein Lehrauftrag, bleibt wenig Zeit zum Schreiben oder daran arbeiten. Recherche kann man auch aufteilen, Schreiben hingegen tue ich lieber am Stück. Deshalb ziehe ich mich dann oft in eines der wunderbaren Klöster hier in der Region zurück und schreib mal zwei, drei Wochen am Stück. Ich liebe diese Atmosphäre dort und bin dreimal so produktiv wie zu Hause im Arbeitszimmer. Ansonsten schreibe ich gerne mal in einem Café oder tatsächlich, wenn ich mit dem ICE auf Reise bin. Da sprudelt es nur so aus mir raus, kaum dass wir den Bahnhof verlassen haben. Warum weiß ich auch nicht.“

– Wie kamst du zum Schreiben von Romanen? Und wie hat dein Umfeld reagiert?

Michael Paul: „Das Schreiben war Alltag in meinem Elternhaus. Mein Vater war Journalist und hat in den 19760er Jahren Fortsetzungsromane geschrieben, meine Mutter hat für eine Münchner Lektorin Manuskripte abgetippt. Die Liebe zu Musik und dem Schreiben dürfte ich vom Vater geerbt haben.
Ich habe 2011 dann ein Schreibprojekt fertiggestellt, eine Autobiografie über die ersten 47 Jahre meines Lebens. 450 Seiten, viele Bilder und eine CD mit der Musik meines Lebens. Aber davon gab es nur sieben Exemplare für die Familie. Damit war aber die Leidenschaft geweckt und ich habe mich an den ersten Roman gemacht.“

– Das Genre „Historischer Roman“ hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt, der typische „Mittelalter-Roman“ ist eine Nische. Wie siehst du die Zukunft des Historischen Romans?

Michael Paul: „Insgesamt habe ich da gar keinen richtigen Überblick, weil ich ja selbst in einer Nische stecke. Und mich Mittelalter, Schwert und Degen, Königshäuser und so gar nicht interessiert. Wobei es auch da tolle Geschichten gibt, die ich mir dann aber eher als Film anschauen.
Aber ich erlebe ein großes Interesse an historischen Themen, gerade auch, wenn die eigenen Ur- oder Großeltern das vermutlich noch selbst erlebt haben. Hier verlassen uns ja gerade die letzten Zeitzeugen. Ich glaube, dass der Historische Roman immer seinen Platz haben wird, egal in welcher Epoche er spielt. Und diese unsägliche Krimi-Überflutung hat ja hoffentlich auch irgendwann mal ein Ende.
😉

– Über welche Epoche/ welches Land/ Thema könntest du dir überhaupt nicht vorstellen, einen Roman zu schreiben? Warum?

Michael Paul: „Also meine Epoche für Romane, außer den Thrillern (Tabun) ist ja definiert mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit dem nächsten Roman greife ich die Zeit der Weimarer Republik auf, weil ich die Lebensgeschichte zweiter deutscher Industriefamilien nachzeichne. Die Serie „Babylon Berlin“ hat ja großartig gezeigt, wie viel diese für Deutschland spannende und aufregende Zeit für Geschichten hergibt.“

– Wie wichtig ist dir der Austausch mit anderen Autoren und deinen Leser und Leserinnen?

Michael Paul: „Sehr viel. Es gibt Kontakte über die Netzwerke, zu Messen und bei dem einen oder anderen Treffen. Erfahrungsaustausch ist wichtig und bringt einen weiter, auch wenn jeder seinen eigenen Weg finden muss.“

– Welche Autoren/ Autorinnen sind deine Vorbilder? Warum?

Michael Paul: „Ich bin eigentlich kein Freund von Vorbildern. Aber wenn, dann würde ich sicher Peter Prange dazuzählen. Historisch schreibt er wie ich, aber sein Sprachstil ist großartig. Und ein wenig Susanne Abel, die ja hier aus der Region kommt. Leider habe ich sie bisher nicht kennengelernt, aber das wäre spannend. Im Radio habe ich sie gehört und sie arbeiten exakt so in der Recherche und beim Schreiben wie ich, oder ich wie sie? Sogar gleiche Musik hören wir dabei. Und ihre Geschichten sind auch wirklich klasse.“

– Was liest du gerne zu deinem eigenen Vergnügen?

Michael Paul: „Ja, ja, als junger Autor hört man immer „Lesen, lesen, lesen!“ Wann denn? Ich lese enorm viel und bin bedauerlicherweise ein Langsamleser. Die Bücher, die ich normalerweise lese, haben hinterher viele Leuchtmarker-Stiche und sind Teil meiner Recherche. Einen Roman zur reinen Unterhaltung schaffe ich nur im Urlaub.“

– Als ich im Mai 2022 eine Lesung von dir besucht habe, war ich selbst, aber auch die anderen Menschen im Publikum sehr betroffen, da du auch während der Lesung viele historische Bilder zeigst. Wie kommt die Stimmung des Publikums bei dir an? Was war für dich das heftigste Erlebnis auf einer deiner Lesungen?

Michael Paul: „Ja, ich liebe es, meine Gäste mit auf einen emotionale Berg- und Talfahrt zu nehmen. Sie sollen nicht nur hören, sondern auch empfinden. Und das geht oft wirklich über die Gänsehaut hinaus. Wenn ich beim „Haus der Bücher“ mit Büchern um mich werfe, empfinden meine Gäste körperlichen Schmerz, wenn sie auf den Boden knallen. Und die Bilder der behinderten Kinder zu Beginn meiner aktuellen Lesung zum Thema Euthanasie lassen meine Gäste ebenso erschauern wie die Rede von Charlie Chaplin aus „Der große Diktator“.

Ein persönliches Highlight herauszugreifen, ist tatsächlich bei den unglaublichen Dingen, die ich schon erleben durfte, schwer. Aber bei einer Lesung in München war, als ich ein Bild aus dem echten „Haus der Bücher“ zeigte, drei Kinder sitzen da in der Buchhandlung und blättern in Kinderbüchern, stand eine ältere Dame auf, meldete ich und erklärte mir, dass das Kind in der Mitte ihre Mutter sei.
Meine Lesung in Russland im Königsberger Dom am 9. November 2018 vor „vollem Haus“ werde ich auch nie vergessen. In dem Raum im Turm des Doms hatte Immanuel Kant schon gelehrt! Der Raum war rappelvoll und ich hatte so großartige Gespräche mit meinen russischen und deutschen Gästen. Niemand hat damals geahnt, wie sich unsere Zeit verändert.

– Neben deinen Schreibprojekten hast du auch deinen eigenen Verlag „Bunte Hunde“ gegründet. Wie kam es zu dieser Gründung? Warum war es für dich keine Option, in einem großen Publikumsverlag zu publizieren?

Michael Paul: „Na ja, ich war 50 Jahre alt, hatte meinen ersten Roman über die Nazizeit geschrieben. Ich hatte nicht erwartet, damit einen Verlag hinter dem Ofen vorzulocken. Außerdem bin ich ja durch und durch Freiberufler und diese frustrierende Ochsentour der Bewerbung bei Verlagen wollte ich mir einfach ersparen. Damals kam das Selfpublishing gerade auf und das habe ich dann aber gleich „richtig“ mit dem eigenen Verlag gemacht.“

– Welche Arbeiten stehen für dich als Autor und Selbstverleger an? Welche Vor- und Nachteile siehst du mit deinem eigenen Verlag?

Michael Paul: „Ja, das ist das Spannende. Ich bin Schriftsteller und Verleger zugleich. Nach dem Schreiben geht es um die Vermarktung. Da bin ich recht aktiv, aber mehr geht da immer, auch eine Frage der Zeit (und der Kosten). Alles hat man in der eigenen Hand, muss aber auch alles organisieren, machen und vorfinanzieren.“

– Trotz hoher Druckkosten bringst du deine Bücher als (wunderschöne) Hardcover heraus – wofür ich sehr dankbar bin. Warum hast du dich dafür entschieden und gibst nicht nur E-Books heraus?

Michael Paul: „Ja, da bin ich vermutlich oldschool. Ein Buch ist für mich zunächst ein Hardcover. Gerade bei historischen Romanen wird das auch sehr gerne gekauft. Die jungen, hippen E-Book-Verschlinger sind ja nicht meine Zielgruppe. Den gestiegenen Produktionskosten fiel das Taschenbuchformat leider zum Opfer. Als Alternative zum Buch gibt es aber natürlich das E-Book. Ich verkaufe über die eigene Website, bei Lesungen und den stationären Buchhandel. Diese Partnerschaft hat sich in den letzten beiden Jahren toll entwickelt.
Eigentlich wollte ich meine Hardcover deshalb auch nicht mehr bei Amazon anbieten und tue das derzeit bewusst nicht. Doch seit ich den Buchhandel über Umbreit und Libri (Großhandel) beliefere, bieten einige Schlaule meine Bücher dort an. So war das natürlich nicht gedacht und zum neuen Jahr werde ich das wohl dann wieder ändern müssen.“

– Was kannst/ darfst du uns über dein nächstes Schreibprojekt verraten?

Michael Paul: „Na ja, manches konnte man schon wegen meiner Recherche in der Zeitung lesen. Ich werde die dramatische und aufregende Geschichte des jüdischen damaligen Eigentümers der bekannten Zigarettenfabrik Roth-Händle, Ernst Feist erzählen. Dazu kommt seine spannenden Freundschaften u.a. zu einem Reichskanzler und dem Zigarettenkönig Philip Reemtsma. Und über die Erlebnisse meines fiktiven Protagonisten, seinem Chauffeur Emil, werde ich noch nichts verraten. Vielleicht gibt das sogar einen eigenen kleinen Roman vorab. Mal schauen. Aber das wird auf jeden Fall 2025, bis der Roman kommt. Bis dahin gibt es für mich Lesungen (Termine auf meiner Website www.michael-paul.eu), Recherche und Schreiben …“

Vielen Dank lieber Michael Paul für die sehr interessanten Einblicke und alles Liebe und Gute für dich.

Liebe Grüße,

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