Wenn Bücher tanzen …

... oder Bücher uns zum Tanzen bringen!

Ihr Lieben,
Welcher Bücherwurm kennt dieses Gefühl nicht: Man schlägt ein Buch auf, atmet den Duft des Buches ein, liest die ersten Worte, den ersten Satz, den ersten Abschnitt – und da passiert es: Die Gedanken beginnen zu Tanzen, die Geschichte nimmt in unserem Kopf immer mehr Gestalt an. Figuren werden zu Freunden, manch andere Figuren auch zu Feinden.
Das Buch bittet uns zum Tanz, und wir tanzen mit.

Ich wünsche euch auf meinem Blog „Büchertanz“ ganz viel Vergnügen


Eure



Ihr möchtet wissen, was ich gerade lese? Dann bitte HIER entlang… dort findet ihr mein Lesetagebücher.


„Die Reporterin – Zwischen den Zeilen“

von Teresa Simon

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 15. März 2023
Verlag: Heyne
Ausgabe: Taschenbuch mit Klappen
ISBN: 978-3-453-42407-4
Seitenanzahl: 416 Seiten
Preis: 12€

Klappentext:
„Mai 1962: Marie Graf ist Anfang zwanzig und lebt ihr Leben so, wie von den Eltern geplant. Heimlich jedoch hat sie einen Traum: Sie will Reporterin werden. Sie will schreiben, informieren, aufrütteln. Als die neu gegründete Zeitung „Der Tag“ ihr ein Praktikum anbietet, kann sie ihr Glück kaum fassen. Doch Marie muss sich jeden Schritt ihres Weges hart erkämpfen, sich gegen egozentrische Kollegen, schwierige Interviewpartner und ihre eigenen Eltern durchsetzen. Dank der Hilfe ihres Mentors beim „Tag“ bekommt Marie die Gelegenheit, Größen wie Pierre Brice und Hildegard Knef kennenzulernen. Aus ihr wird Malou Graf, Gesellschaftskolumnistin. Doch der Erfolg im Beruf hat Schattenseiten, nicht zuletzt für Malous Liebesleben. Und dann ist da noch ein Familiengeheimnis, das alles zerstören könnte, was sie sich so mühsam aufgebaut hat …“

https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Die-Reporterin-Zwischen-den-Zeilen/Teresa-Simon/Heyne/e564770.rhd

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Heyne Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension vom Verlag oder von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: Heyne Verlag

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Das Buch „Die Reporterin – Zwischen den Zeilen“ von Teresa Simon ist der Auftakt einer Dilogie, welche die Geschichte der jungen Marie zeigt, die in den frühen 1960er Jahren ihren großen beruflichen Traum erfüllen möchte und dafür alles geben muss.

München 1962: Die junge Marie Graf arbeitet in der Drogerie ihrer Eltern mit und studiert Pharmazie – genau so, wie es sich ihre Eltern gewünscht haben. Doch Marie ist unglücklich, da sie beides nicht erfüllt. Sie liebt Worte und Texte mehr als Cremes, Shampoos und Tinkturen und möchte unbedingt Reporterin werden – am liebsten bei der Zeitung „Der Tag“. Marie kann ihr Glück kaum fassen, als ihr tatsächlich dort ein Praktikum angeboten wird.
Ihre Eltern dulden diesen Schritt nicht und es kommt zum großen Streit. Aber auch in der Redaktion muss sich Marie immer wieder gegen teils missgünstige Kollegen behaupten.
Und dann ist da noch ein wohl gehütetes Familiengeheimnis, welches Maries gesamtes Leben durcheinander wirbelt und alles gefährdet, was sie sich erkämpft und aufgebaut hat.

Hinter dem Pseudonym Teresa Simon steht meine Lieblingsautorin Brigitte Riebe, welche mich schon seit vielen Jahren mit ihren vielfältigen Geschichten begleitet und begeistert.
Ende 2022 kündigte sie in den Sozialen Medien ihre neue Dilogie „Die Reporterin“ an und mein Interesse war sehr schnell geweckt. Auch wenn es kein Roman ist, welcher auf zwei Zeitebenen spielt und zeitlich etwas später ansetzt, als die bisherigen Romane unter dem Namen Teresa Simon, war klar, dass ich diese Buchreihe einfach lesen muss. Gerade die 1960er Jahre sind eine solch wichtige und ereignisreiche Zeit, in welche ich immer wieder gerne ‚abtauche‘.
Das Buch habe ich vom Heyne Verlag als Rezensionsexemplar mit einem passenden Lesezeichen zur Verfügung gestellt bekommen – ganz herzlichen Dank dafür an dieser Stelle.
Das stimmungsvolle und passende Cover sprach mich direkt an und weckte meine Lust auf die Geschichte. Hier sehen wir eine junge Frau, welche über die aufgeschlagene Zeitung „Der Tag“ hinweg blickt. Ihr freundlicher, offener und sympathischer Blick geht etwas am Betrachter vorbei. Hinter der jungen Frau befinden sich einige Menschen, welche in einem Straßencafé sitzen. Dahinter ist eine Straße, an der einige VW Käfer stehen. Die komplette Szenerie ist in schwarz-weiß gehalten, darüber steht einem glänzenden violetten Farbton der Name der Autorin und der Titel des Buches. Violette Linien rahmen das Cover zusammen mit dem in weiß geschriebenen und violett unterlegten Untertitel ein.
Bei dem Buch handelt es sich um ein hochwertig gestaltetes Taschenbuch mit Klappen. Auf und in der vorderen Klappe befinden sich schön inszenierte Textausschnitte, auf der hinteren Klappe wird die sympathische Autorin mit einem Foto einer Kurzbiographie vorstellt, in der Klappe werden die beiden Teile der Dilogie nebeneinander präsentiert.
Die Handlung des Buches beginnt im Mai 1962 und endet im September 1965. Insgesamt besteht das Buch aus vierzehn Kapitel, einer Danksagung und einem Quellenverzeichnis. Es gibt leider kein Personenregister und auch kein historisches Nachwort – ich hätte gerne erfahren, welche Figuren fiktiv sind und welche auf realen Persönlichkeiten beruhen.

„Die Welt braucht junge Frauen mit Köpfchen wie Sie.“

[Seite 54, Zeilen 28 und 29]

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Marie, welche zu Beginn des Buches Anfang 20 ist und ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Als Einzelkind verbindet sie einerseits eine sehr enge Bindung zu den Eltern, andererseits lasten aber auch die hohen Erwartungen der Eltern allein auf ihren Schultern. Für die Eltern ist ihre berufliche Laufbahn bereits klar und drängen sie damit in ein Studium, welches überhaupt nicht ihren Fähigkeiten und Leidenschaften entspricht. Marie liebt das geschriebene Wort, Zeitungen und Reportagen. Hier sieht sie ihre Berufs- und Lebenserfüllung. Ich mochte Maries liebenswerte Art ab der ersten Seite und hatte dann im weiteren Leseverlauf immer mehr das Gefühl, dass sie mir zu einer Freundin wurde. Sie ist nicht perfekt – sie macht Fehler, hat ihre Geheimnisse und Probleme, reagiert und handelt mitunter falsch und hat doch stets ihr Herz aber am richtigen Fleck. Sie sieht ihre Fehler ein, ist für andere Menschen da und stellt auch gerne mal ihre eigenen Bedürfnisse hinten an. Auch von Rückschlägen lässt sie sich nicht entmutigen und steht immer wieder auf. Sehr gefallen hat mir zudem ihre sehr authentische Entwicklung und ich bin sehr gespannt, wie es mit ihr und ihrer Geschichte im zweiten Teil weiter gehen wird.
Maries Eltern stehen für eine Generation, deren Leben vom Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg geprägt wurden. Die Mutter wurde aus ihrer alten Heimat Schlesien vertrieben, der Vater ist vom Krieg körperlich versehrt zurück gekehrt. Sie beide möchten ihrer einzigen Tochter ein besseres Leben ermöglichen, als sie es jemals hatten und merken nicht, wie sehr sie einengen und auch bevormunden.
Hier bildet Onkel Julius Maries Fels in der Brandung. Er hat stets ein offenes Ohr für seine Nichte und ist immer für sie da. Auch wenn er zu Beginn etwas undurchsichtig ist, konnte mich dieser sympathische Charakter sehr schnell für sich einnehmen.
Roxy ist Maries beste Freundin und auch sie konnte mich mit ihrer Geschichte voller Wandlungen und Ereignissen sehr überzeugen. Sie ist in dieser Freundschaft der mutigere Part, muss aber auch Rückschläge hinnehmen und ist immer mal wieder auf Maries Hilfe angewiesen.
In der Redaktion und während ihrer Arbeit als Reporterin lernt Marie eine Vielzahl unterschiedlichster Menschen kennen. Einige meinen es sehr gut mit ihr, andere weniger. Viele der Figuren und ihre emotionalen Lebensgeschichten gingen mir teilweise sehr nahe und es floss bei mir auch die ein oder andere Träne. Hier möchte ich nicht zu sehr ins Detail gehen, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme.
Teresa Simon versteht es außerordentlich gut, ihre fiktiven Figuren mit den Geschichten der realen Persönlichkeiten zu verbinden und zu kombinieren und zeichnet mit ihnen ein sehr authentisches Bild der damaligen Gesellschaft. Sie alle konnten mich mit ihren lebensechten Geschichten und Beschreibungen sehr überzeugen.
Zudem zeigt Teresa Simon einen interessanten Blick in das Leben der damaligen Stars und Sternchen, deren Namen vielen Menschen noch immer ein geläufig und sie damit bis heute unvergessen geblieben sind.

„«Im Grunde geht es doch um Menschen und ihre Schicksale, um Hoffnungen und Enttäuschungen, um Aufstieg und Fall, Liebe und Hass – die ganze Skala der Emotionen, die in jedem von uns stecken. Menschen verlieben sich, heiraten, bekommen Kinder, lassen sich wieder scheiden, gehen Geschäfte ein, die mal erfolgreich sind und mal nicht – das ganz normale Leben. Bei den sogenannten celebrities kommt uns das alles nur viel größer und bunter vor, weil wir mit der Lupe auf sie starren. Dabei sind sie eigentlich nicht sehr viel anders als wir – nur eben prominent.«“


[S. 181, Zeilen 16 – 26]

Etwas mehr als drei Jahre umfasst die gesamte Handlung des Buches, welche chronologisch erzählt wird und sich zum Ende des Buches hin zu spitzt. Es bleiben viele Dinge noch unklar und das Ende kommt dann mit einem lauten Knall – damit steigt die Vorfreude auf den zweiten Band der Reihe, welchen ich auf jeden Fall lesen möchte.
Wie auch in ihren bisherigen Büchern, konnte mich Teresa Simon mit ihrem bildhaften, detaillierten, aber auch rasanten Sprachstil wieder schnell mit in die Geschichte nehmen und mich darin abtauchen lassen. Es ist eine wunderbare Geschichte über Träume, Selbstverwirklichung, Freundschaft und Liebe, die auf jeden Fall in meinem Kopf und Herz bleiben wird.
Ich nahm das Buch immer wieder gerne in die Hand und die 416 Seiten flogen nur so dahin.

Den geschichtlichen Hintergrund bilden die frühen 1960er Jahren: Fast 20 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs beherrscht der Generationenkonflikt nach wie vor die Gesellschaft. Die ältere Generation möchte unter der Vergangenheit einen Strich machen und die Themen Drittes Reich, Zweiter Weltkrieg und Holocaust vergessen. Die jüngere Generation legt immer wieder den Finger in die Wunde, welche noch immer nicht gänzlich verheilt ist und möchte die konsequente Aufarbeitung dieser Themen.
Weiterhin zeigt Teresa Simon, dass es auch zu dieser Zeit mit der Gleichberechtigung noch ein langer Weg vor den Frauen lag.
Bedrückend empfand ich, als die Hauptfigur Marie sich als unverheiratete Frau die Anti-Baby-Pille verschreiben lassen möchte und damit auf taube Ohren stößt – sich sogar von dem älteren Frauenarzt erniedrigen und demütigen lassen muss.
All diese geschichtlichen Themen und Hintergründe stellt Teresa Simon sehr authentisch und bildhaft da.
Für mich sehr bemerkenswert und herausragend an diesem Roman ist, dass es eben nicht nur um die große Politik und das große Weltgeschehen geht, sondern es sich viel um die Kultur (Musik, Sänger/ Sängerinnen, Filme und Schauspieler/ Schauspielerinnen) dieser Zeit dreht. Damit kam mir das Lebensgefühl dieser besonderen Zeit sehr nahe.
Auch die spannenden Einblicke in die Arbeit in einer Zeitungsredaktion finde ich sehr gelungen. Hier vor allem, wie sich auf Interviews vorbereitet wird und wie diese geführt werden. Deutlich wird gezeigt, dass die Hauptfigur Marie eben nicht nur auf Effekthascherei aus ist, sondern die Menschen hinter den Prominenten sieht und es mit Leichtigkeit und ihrem untrüglichen Spürsinn schafft, Zugang zu diesen Menschen und ihren spannenden Geschichten zu erhalten.
Mit ihrem immensen Wissen, ihrer akribischen Recherche und ihren liebevoll gezeichneten Figuren hat Teresa Simon einen wunderbaren und unvergesslichen Reihen-Auftakt geschrieben – vielen Dank für dieses tolle Leseerlebnis und auch ein herzliches Dankeschön an die Autorin für die beiden zugesendeten Lesezeichen.

Fazit: Spannend, dramatisch, emotional: Ein sehr stimmungsvoller Roman über Träume, Freundschaft und Liebe, welcher mich ab der ersten Seite gepackt hat und mich direkt mit in die Vergangenheit genommen hat. Zusammen mit den äußerst vielschichtigen Charakteren und ihren mitreißenden Geschichten entsteht ein packendes und farbenfrohes Leseerlebnis, welches im Kopf und Herzen bleibt. Was freue ich mich auf den zweiten Band dieser Buchreihe.

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung, der Gegenleistung von Lesezeichen und des Links zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

„Das Lachen der Pinguine“

von Arabella Meran

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 14. Februar 2023
Verlag: Tinte & Feder
Ausgabe: Taschenbuch
ISBN: 978-2496713107
Seitenanzahl: 495 Seiten
Preis: 9,99€

Klappentext:
Frederikshavn 1931: Im Fischhandel ihrer Familie lernt die neugierige, lebenslustige Caroline den charmanten Kapitän Klarius Mikkelsen kennen. Von seiner Stimme und seinen blauen Augen fühlt sie sich in eine Welt der Entdeckungen in weiter Ferne getragen. Sie folgt ihm in den norwegischen Walfanghafen Sandefjord und setzt durch, dass sie ihn auf seiner nächsten Expedition begleiten darf. 1935 betritt Caroline Mikkelsen als erste Frau das ewige Eis der Antarktis. Doch dieser Meilenstein erregt kaum Aufsehen. Zurück in Sandefjord begnügt sich Caroline nicht damit, zu Hause auf ihren Mann zu warten, sondern baut ihre eigene Nähschule auf. Erst 60 Jahre später sucht die erfolgreiche, aber unglückliche Journalistin Jesse Brubaker nach der vergessenen Pionierin und will ihre Geschichte erzählen. Als sie die Südpolreisende endlich aufspürt, verändert die Begegnung Jesses eigene Zukunft.“


http://www.ulrikearabella.de/meine-buecher/

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise von der Autorin als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension vom Verlag oder von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: Tinte&Feder

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Das Buch „Das Lachen der Pinguine“ von Arabella Meran erzählt die Geschichte von Caroline Mikkelsen, welche im Februar 1935 als erste Frau die Antarktis betrat.

Frederikshavn, Dänemark im Jahr 1931: Während ihrer Tätigkeit im Fischhandels ihres Onkels lernt die junge Caroline den um einiges älteren und lebenserfahrenen Kapitän Klarius Mikkelsen kennen – und lieben.
Nach der Hochzeit zieht sie mit ihm in das norwegische Sandefjord und behält ihre neugierige und aufgeschlossene Art. Sie begleitet ihrem Mann einige Jahre später auf eine norwegische Expedition in Richtung Antarktis und betritt als erste Frau in der Geschichte das ewige Eis.
Australien im Jahr 1995: Jesse Brubaker ist eine erfolgreiche Journalistin, welche in ihrem Berufs- und Privatleben jedoch mehr als unglücklich ist. Sie spürt die Geschichte einer Frau auf, welche vor 60 Jahren als erste Frau in der Geschichte die Antarktis betreten hat – und sie macht sich auf die Suche nach dieser Pionierin. Eine Pionierin, welche von der Welt vergessen wurde.

Anfang Februar fragte die Autorin Arabella Meran auf Instagram an, ob ich ihr Buch gerne lesen und rezensieren würde – sie würde es mir auch als Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen. Da ich das Buch bereits auf meiner Liste hatte, musste ich nicht lange überlegen und sagte der Autorin zu. Geschichten über bedeutende Frauen der Weltgeschichte lese ich sehr gerne.
Das Buch erreichte mich wenige Tage später zusammen mit Tee, zwei Lesezeichen und einer Postkarte. An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an die Autorin für die Zusendung und Bereitstellung des Buches als Rezensionsexemplar.

Bei diesem Buch handelt es sich um ein sehr schön aufgemachtes Taschenbuch, welches direkt mit dem äußerst passenden und stimmungsvollen Cover besticht. Hier steht eine junge Frau, mit einem roten Mantel, Handschuhen, Schal und Fellmütze bekleidet, zwischen einer Schar Pinguine. Um ihre Schultern trägt sie ein Fernglas, ihr Blick und ihre Körperhaltung sind nach rechts ausgerichtet. Im Hintergrund erstreckt sich eine felsige Eislandschaft, ein blauer, leicht bewölkter Himmel überspannt diese friedliche Szenerie, in welcher die Frau wie ein Bestandteil wirkt, nicht wie ein Fremdkörper. Sie ist bei den Pinguinen und die Pinguine sind bei ihr.
Das Buch beginnt mit einer „Einführung in den historischen Hintergrund“ – zusammen mit einer Abbildung der Seereiseroute von Caroline Mikkelsen und einigen historischen Fotos wurde damit meine Lust auf die Geschichte noch größer.
Es folgt der sehr poetisch geschriebene Prolog „Die Stimme der Antarktis“, welcher mich direkt begeistern konnte. Mit dem im Anschluss folgenden ersten Kapitel beginnt der erste Handlungsstrang der Geschichte im Jahr 1941. Das zweite Kapitel setzt dann aber 10 Jahre vor dem ersten Kapitel an und die Handlung arbeitet sich dann stückchenweise bis zur Zeit des ersten Kapitels und die Zeit danach vor.
Der zweite Erzählstrang beginnt im vierten Kapitel und spielt im Februar 1995 in Australien. Dieser Erzählstrang wird immer wieder zwischen dem ersten Erzählstrang kapitelweise fortgesetzt.
Insgesamt besteht das Buch aus 70 Kapiteln, wovon einige in Briefform gehalten sind – hier schreibt die Hauptfigur Caroline an ihre Schwester.
Erwähnenswert finde ich, dass jedes Kapitel mit einer Überschrift und einer Zeit- und Ortsangabe versehen ist. Dies sorgt für eine gute zeitliche und räumliche Orientierung.
An das letzte Kapitel schließt sich ein Epilog an, dann folgt das ausführliche Nachwort der Autorin, in welchem sie auf Wahrheiten und Fiktion eingeht, aber auch erzählt, wie sie auf die Idee kam, diesen Roman über Caroline Mikkelsen zu schreiben.

Das Buch verfügt über kein Personenregister, welches ich aber auch zu keiner Zeit vermisst habe. Alle Figuren werden sehr behutsam in die Geschichte gebracht und beschrieben. Somit hatte ich im Laufe der Handlung keine Probleme, die jeweiligen Figuren und ihre Geschichten zuzuordnen.
Beginnen möchte ich mit Caroline, welche im Mittelpunkt der Geschichte steht. Sie ist eine starke Persönlichkeit, welche auf der Suche nach ihrem Lebensglück ist. Sie wird hier nicht als unerschrockene Forscherin oder gar Heldin dargestellt, sondern mehr als eine sehr genügsame Frau, welche aber trotzdem ihre Träume leben möchte, ohne Ruhm und Ansehen einzuheimsen.

„Sie könnte Caroline zu einer Klischeefigur machen. Zur schüchternen Kapitänsgattin, die von den männlichen Entdeckern vom Ruhm ausgeschlossen wurde: eine schwache Frau, die sich der Dominanz ihrer Männer unterworfen hatte. Aber das stimmt nicht. Caroline ist eine starke Frau. Sie hat ihre Stärke jedoch anders gezeigt, als Figuren in Heldengeschichten es tun. Caroline hat keinen Ruhm für sich eingefordert – damals, 1935, nicht und heute auch nicht.“


[S. 460/ 461, Z. 29-33 und Z.01-03]

Genau diesen starken aber doch auch bescheidenen Charakterzug von Caroline Mikkelsen hat die Autorin Arabella Meran auch in ihrem Roman hervorragend herausgearbeitet und zeichnet ein sehr glaubwürdiges Bild dieser historischen Persönlichkeit. Caroline unterwirft sich niemanden und macht dies auch unter anderem ihren Mann gleich zu Beginn und mehrmals in der Geschichte klar. Ich mochte Carolines wunderbare Entwicklung, aber vor allem, dass sie stets sie selbst geblieben ist, auch wenn ihr das Schicksal mitunter übel mitspielt.
An Carolines Seite steht ihr Mann Klarius: Er ist ein angesehener und routinierter Kapitän in der Walfangflotte und ein sehr gerechter Mann, dem sein Beruf alles bedeutet. Er wirkt zu Beginn der Geschichte sehr undurchsichtig und auch etwas unnahbar, was sich durch die gesamte Handlung zieht. Er scheint vor Caroline immer wieder Geheimnisse zu haben. Doch genau das mag ich an gelungenen Charakteren, wenn sie nicht leicht zu durchschauen sind.
Die beiden zusammen bilden aber trotz ihrer Verschiedenheiten, ihres Altersunterschied und ihrer gesamten Lebenserfahrung eine einträchtige Gemeinschaft – sie ergänzen sich gegenseitig gut. Auch wenn es immer wieder zu einem Wechselbad der Gefühle und zu emotionalen Ausbrüchen kommt und beide die ein oder andere bittere Pille in dieser Ehe schlucken müssen.
In dem Erzählstrang, welcher im Jahre 1995 spielt, steht die fiktive Journalistin Jesse Brubaker im Zentrum der Handlung. Sie ist eine Frau, welche in einem unglücklichen Leben gefangen ist: Verzweifelt in ihrem Job, da sie von ihren männlichen Kollegen und Vorgesetzten immer wieder an ihre persönlichen Grenzen gebracht wird und auch in ihrem Privatleben ist sie alles andere als glücklich. Ähnlich wie Caroline, nur 60 Jahre später, hat auch Jesse mit der männlichen Dominanz und Willkür zu kämpfen und muss ihren Platz im Leben finden. Jesse ist eineFigur, welche mir mit ihrer starken Geschichte auf jeden Fall im Gedächtnis bleiben wird und mich auch zum Nachdenken angeregt hat. Unwillkürlich stellt sich die Frage, wie wichtig beruflicher Erfolg ist und wie dieser mit einem erfüllten Leben in Einklang gebracht werden kann.
Aber auch die vielen anderen Charaktere und ihre vielfältigen Geschichten und Hintergründe hat Arabella Meran wunderbar herausgearbeitet und perfekt mit ihrer Handlung verknüpft. Jede Figur, egal ob historisch oder fiktiv hat ihren Platz in der Geschichte gefunden.
Hier ist beispielsweise noch Carolines Mutter zu nennen, welche mir (und Caroline) mit ihrer Art einem auf die Nerven gehen konnte, trotzdem musste man sie auch irgendwie gerne haben – ähnlich verhält es sich mit Carolines Schwiegermutter. Aber genau solche sperrigen Charaktere braucht eine authentische Geschichte.Elin ist Carolines Schwester und deren Fels in der Brandung. Die beiden Schwestern geben sich in und mit ihren Briefen immer wieder Halt, machen sich Mut und finden neue Wege. Aber auch die Elin außerhalb der Briefe konnte mich mit ihren vielen liebevoll gezeichneten Eigenheiten völlig überzeugen.

Der erste Erzählstrang beginnt im September 1931 und geht bis ins Jahr 1948, der zweite Erzählstrang beginnt im Februar 1995 und endet mit dem Epilog im Mai 1996. Auch wenn im zweiten Erzählstrang die Journalisten Jesse im Mittelpunkt steht, werden beide Stränge durch die Hauptfigur Caroline Mikkelsen und ihre Geschichte und Erlebnisse miteinander verbunden und verknüpft.
Besonders gefallen hat mir, dass ein große Teile des ersten Erzählstrangs in Briefform geschrieben sind: Hier schreibt Caroline ihrer Schwester und lässt sie von Beginn an, an ihrem Leben teilhaben. Somit kam ich Caroline und ihrer Gefühl- und Gedankenwelt direkt sehr nahe. Das empfand ich gerade in den Briefen sehr gelungen, welche sie während ihr Expedition in die Antarktis schreibt. Damit erhält der Leser/ die Leserin die feminine Sicht auf die Eroberung der Antarktis.

„»Wenn Sie die Antarktis mit eigenen Augen sehen würden, würden Sie das verstehen. Dieses Land ist so stark und so einsam – es braucht keine Menschen. Ich habe keine Spuren auf diesem Boden hinterlassen. Nein. Aber die Antarktis hat Spuren in mir hinterlassen.«“

[S. 456, Z. 1 – 5]

Vor allem aber blickt das Buch aus der weiblichen Sicht auf die Ausbeutung der Natur, hier insbesondere auf den systematischen Walfang. Die Erfindung der Margarine war eine der Ursachen für eine Wiederbelebung des Walfangs, da Waltran zunächst essenzieller Bestandteil dieser Erfindung war. Da Waltran auch für die Herstellung des Nitroglycerins verwendet wurde, führte die Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzende Aufrüstung zu einer stark erhöhten Nachfrage und in Folge zu einem weiteren Anstieg des Walfangs. In den 1930er Jahren entstanden große Flotten, die mit Fabrikschiffen monatelang unterwegs waren auf denen die getöteten Wale direkt verarbeitet werden konnten. Allein in den Jahren 1930 und 1931 wurden mehr als 30.000 Blauwale getötet, erst dann beschloss der Völkerbund 1931 ein Abkommen zur Begrenzung des Walfangs, das 1935 in Kraft trat. Im gesamten 20. Jahrhundert wurden schätzungsweise circa drei Millionen Wale erlegt.
Diese furchtbaren Tötungen beschreibt Arabella Meran sehr detailliert aus der Sicht von Caroline, welche mitunter sehr betroffen aber auch entsetzt ist.

„Wenn ich allerdings an die Blutflecke denke, die wir Menschen im weißen Schnee hinterlassen, fürchte ich beinahe eine Strafe Gottes.“

[S. 315, Z. 31 – 33]

Diese Themenkomplexe hat Arabella Meran akribisch recherchiert und sehr gut herausgearbeitet. Dabei erhebt sie nicht den moralischen Zeigefinger, sondern zeigt, dass es damals so war und es für die Menschen damals völlig normal – und lebensnotwendig – war. Auch wenn mich die Schilderungen der Walschlachtungen teilweise sehr mitgenommen haben.
Mit ihrem lockeren, bildgewaltigen und detaillierten Sprachstil konnte mich Arabella Meran sehr schnell mit in die Geschichte nehmen. Ich hätte das Buch gerne am Stück gelesen, aber ich merkte, dass ich mir für diese tiefgehende Geschichte etwas mehr Zeit nehmen wollte – auch um diese richtig auf mich wirken zu lassen.
Äußerst zufrieden habe ich das Buch am Ende zugeklappt und bin mir sicher, dass ich dieses stimmige Buch irgendwann noch einmal lesen werde.

Danke liebe Arabella Meran für dieses gelungene Lese-Abenteuer.

Fazit: Ein sehr stimmiges, aber auch stimmungsvolles Buch, welches zum Mitfühlen und Nachdenken anregt. Dazu konnten mich die sehr facettenreichen und klischeefreien Figuren mit ihren vielfältigen Geschichten und Hintergründen sehr überzeugen. Auch die geschichtlichen Hintergründe und Themen sind sehr gut und intensiv herausgearbeitet. Eine absolute Lese-Empfehlung für dieses bewegende und emotionale Roman-Debüt.

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch die Autorin, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

„Brennnesseln schmecken nur im Frühling“

von Kerstin Groeper

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 15. Februar 2023
Verlag: TraumFänger
Ausgabe: Paperback mit Klappen
ISBN: 978-3-948878-34-4
Seitenanzahl: 560 Seiten
Preis: 16,90€

https://traumfaenger-verlag.de/readerview/brennnesseln-schmecken-nur-im-frühling.html

Klappentext:
Das harte Leben zweier Menschen, die sich unter normalen Umständen gar nicht hätten kennenlernen dürfen: Gredel ist glücklich, als sie in den 20er Jahren eine Ausbildung als Röntgenassistentin beginnen darf und damit ihrem strengen Elternhaus in Ostfriesland entfliehen kann. Nach ihrer Ausbildung arbeitet sie in einem Krankenhaus in Lübeck. Dort verliebt sie sich in Walther, einen gutaussehenden Arzt, der seine Karrierechance bei der SS sieht. Als dieser nach Jüterbog versetzt wird, folgt sie ihm dorthin. Längst sind Verlobung und Hochzeit geplant, doch Walther bittet um einen Aufschub von drei Monaten, weil er noch zu einem Einsatz in Afrika abkommandiert wird. Als Gredel merkt, dass sie ein Kind von ihm erwartet, ist sie überglücklich … doch Walther löst die Verlobung und stürzt Gredel damit in tiefe Verzweiflung. Zur gleichen Zeit schlägt sich Hellmuth, der ursprünglich aus Ostpreußen stammt, mehr schlecht als recht in Berlin durch. Er kümmert sich aufopferungsvoll um seine verwitwete Mutter sowie um seine Schwester und deren uneheliche Tochter. Um dem Kind die Schande zu ersparen, geben sie es als Tochter der Großeltern aus – auch, um ihre jüdische Herkunft zu verschleiern, was in der Folge zunehmend zu einem Problem wird. Hellmuth wünscht sich endlich eine eigene Familie, doch die desolate finanzielle Situation kommt seinen Plänen immer wieder in die Quere. Als die Schulden überhandnehmen, drängt ihn seine Mutter, auf eine Heiratsanzeige zu antworten, in der eine hohe „Mitgift“ versprochen wird. So lernt er Gredel kennen, die verzweifelt versucht, ihre uneheliche Tochter Rosemarie durch eine Heirat behalten zu können. Die Leben der zwei Familien geraten aus den Fugen, als der Zweite Weltkrieg ausbricht …

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise von der Autorin als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension vom Verlag oder von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.

– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: TraumFänger Verlag

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Das Buch „Brennnesseln schmecken nur im Frühling“ von Kerstin Groeper ist ein biografischer Roman und erzählt einen Teil der Lebensgeschichte der Großeltern der Autorin von den 1920er bis in die 1950er Jahre.

Leer, Ostfriesland 1924: Um der Enge der Kleinstadt und ihrem strengen und lieblosen Elternhaus zu entkommen, beginnt die junge Gredel eine Ausbildung zur Röntgenassistentin im fernen Berlin.
Nach der erfolgreichen Beendigung ihrer Ausbildung verschlägt es sie nach Lübeck, wo sie in einem Krankenhaus arbeitet – und sich verliebt: In Walter, einen gutaussehender Arzt, welcher seine Karriere in der SS sieht. Nach Walters Versetzung nach Jüterbog, folgt ihm Gredel dorthin und schon bald soll ihre Beziehung durch eine Hochzeit besiegelt werden. Als Walter jedoch vor der Hochzeit für einige Monate nach Afrika reist, bemerkt Gredl, dass sie schwanger ist. Sie kann ihr Glück kaum fassen. Doch als Walter kurz nach seiner Rückkehr die Verlobung löst, weiß Gredel nicht, wie es weitergehen soll. Sie möchte ihr Kind um jeden Preis bei sich behalten.
Zeitgleich kümmert sich der junge Hellmuth in Berlin aufopferungsvoll um seine Mutter, seine Schwester und deren uneheliches Kind. Die drei mussten nach einem schweren Schicksalsschlag ihre Heimat in Ostpreußen verlassen und schlagen sich nun irgendwie durchs Leben. Doch Hellmuth möchte endlich mehr: Eine eigene Familie. Dies ist allerdings in seiner prekären finanziellen und familiären Lage alles andere als leicht. Da stößt er auf eine Heiratsanzeige, welche sein ganzes Leben verändern wird.

Dieses Buch erreichte mich als Rezensionsexemplar, welches mir die Autorin überraschend zuschickte. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. In ihrem Begleitschreiben erzählt Kerstin Groeper, dass sie sich mit „Brennnesseln schmecken nur im Frühling“ in ein neues Genre begibt, und das Buch in mein „Beuteschema“ fallen könnte. Nach Lesen des Klappentexts war mir direkt klar, dass die Autorin mit dieser Einschätzung absolut ins Schwarze getroffen hatte und ich freute mich schon sehr auf die Lektüre. Es ist somit mein erstes Buch der Autorin.
Neben dem umfangreichen und aussagekräftigen Klappentext weckte auch das stimmungsvolle Cover mein Interesse: Hier steht eine Fotografie der beiden Hauptfiguren im Vordergrund. Den Hintergrund bilden Häuserruinen vor einem blauen, jedoch bewölkten (Nacht-)Himmel, über den mehrere Flugzeuge fliegen. Im unteren linken Bildrand befindet sich das Bild einer Brennnessel. Der Name der Autorin befindet sich im oberen Bereich, der Titel des Buches im unteren Bereich des Covers – beide in weißer Schrift gehalten.
Die Ausgabeform des Buches ist eine Klappbroschur: Auf der vorderen Klappe befindet sich eine Übersicht über die Protagonisten, auf der hinteren Klappe wird die sympathische Autorin mit einem Foto und einer kurzen Biographie vorgestellt.
Die 560 Seiten gliedern sich in einen Prolog, insgesamt 31 Kapiteln, einem Epilog und einem ausführlichen Nachwort auf. Hier möchte ich besonders hervorheben, dass jedes Kapitel eine eigene Überschrift hat, welche mich immer direkt neugierig machte. Diese Kapitel sind in einem Inhaltsverzeichnis, welches sich vor dem Prolog befindet, übersichtlich und mit Seitenangabe zusammengestellt. So etwas findet man leider heutzutage nicht mehr so oft in Büchern.

Die Handlung des Buches beginnt im Jahr 1924 und endet in den 1950er Jahren. Somit umfasst die Gesamthandlung von „Brennnesseln schmecken nur im Frühling“ über 30 Jahre und zeigt eindrücklich, wie die Nationalsozialisten die Macht an sich rissen, die Verfolgung der Juden, den Holocaust, den Beginn, den Verlauf und das Ende des Zweiten Weltkrieges, die Vertreibungen aus den ehemaligen ostdeutschen Gebieten und schlussendlich auch die unmittelbaren Jahre nach dem Krieg: Die Errichtung der Besatzungszonen und Besatzungssektoren in Berlin, die Blockade Berlins, die daraus resultierende Luftbrücke, die Gründung und den wirtschaftlichen Aufschwung der BRD.
Diese geschichtlichen Themenkomplexe stellt Kerstin Groeper sehr lebendig, spannend und außerordentlich beeindruckend da. Sie zeigt das Leben der Menschen zu diesen schwierigen Zeiten, zeigt aber auch, wie der Nationalsozialismus und die Parolen Hitlers erst einmal auf fruchtbaren Boden fielen, dann aber irgendwann doch jedes Verständnis für den Krieg verloren ging und welche tiefen Wunden dieser in die Seelen der Menschen schlug.

„Das ist genug Stoff, um eine richtige Familiensaga zu schreiben. Warum immer Königshäuser und Grafen? Die Geschichte meiner Familie ist mindestens genau so spannend.“

[Prolog, Seite 09, Zeilen 01 – 03]

Dieser Aussage möchte ich auf jeden Fall zustimmen, allerdings noch ergänzen, dass es nicht nur mindestens genau so spannend ist – sondern in meinen Augen sogar noch um einiges spannender. Diese biografische Familiengeschichte voller Wendungen und Drehungen war mitunter bedrückend und beklemmend – trotzdem mochte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Ich war sehr schnell in der Geschichte angekommen und wollte immer wissen, wie es weitergeht.
Auch wenn Kerstin Groeper in ihrem Nachwort schreibt, dass nicht alle Details der Geschichte überliefert sind und sie einiges dazu dichten musste, ist eine sehr eindrückliche und authentische Familiensaga entstanden.
Kerstin Groeper hat einen sehr bildhaften Sprachstil, welcher auf keiner Seite Langeweile aufkommen lässt und mich sehr schnell mit in die Geschichte genommen hat.

Zu den vielfältig beschriebenen Figuren des Buches bekam sehr schnell einen Zugang.
Hier möchte zuerst auf Gredel eingehen: Zu Beginn des Buches ist sie eine junge Frau, welche aus der Kleinstadt und mit einer Ausbildung ihrem strengen Vater entkommen möchte. Mit ihrem Fleiß und ihrer Gelehrsamkeit macht sie sich beliebt, läuft aber mit ihrer anfänglichen Naivität in das ein oder andere Fettnäpfchen. Ihre imposante und sehr authentisch beschriebene Wandlung während der Geschichte beeindruckte mich sehr. Es ist mitunter schwer zu fassen, was diese Frau in ihrem Leben alles mitmachen, erleben und erleiden musste. Ein Leben, welches von Kriegen, Ängsten, Hunger und Verlusten gezeichnet war.
An Gredels Seite steht Hellmuth: Auch er ist ein äußerst tief gängiger Charakter, welcher während der Handlung eine immense Wandlung durchläuft. Auch seine Lebensgeschichte ist von Kriegen, Hunger und Verlusten geprägt. Erwähnenswert ist, wie sehr Hellmuth sich anfangs für seine Mutter, seine Schwestern und deren uneheliche Tochter aufopfert – auch wenn es ihn mitunter an den Rand der Verzweiflung und um seine Karriere bringt. Er gibt so vieles auf und seine Familie dankt es ihm gefühlt wenig – deren rücksichtsloses Verhalten gegenüber Hellmuth machte mich mitunter sehr fassungslos.
Die Geschichte der beiden Töchter von Gredel und Hellmuth nahm mich wohl am meisten mit. Die Beiden stehen stellvertretend für die Kinder, welche im Krieg geboren wurden und/ oder aufwuchsen. Geprägt wurde ihr Leben durch Bombenangriffe, zahllosen Nächten im Schutzbunker und das Erleben von Tod, Verlusten, Flucht und Vertreibung. Aber auch ein normales Familienleben, wie zum Beispiel Geburtstage und Weihnachten feiern und Geschenke zu bekommen, war einfach unmöglich.
Auch die vielen anderen Charaktere und deren Lebensgeschichten hat Kerstin Groeper sehr gut und vor allem ergreifend dargestellt. Alle zusammenergeben ein gutes Bild der damaligen Gesellschaft – eine Gesellschaft, welche tief gespalten und vom Nationalsozialismus, dem Zweiten Weltkrieg und dessen Nachwirkungen geprägt war.

Danke liebe Kerstin Groeper für eine Geschichte, welche im Herzen und im Kopf bleiben wird.

Fazit: „Brennnesseln schmecken nur im Frühling“ ist ein sehr beeindruckendes Buch, welches mich mit den zahlreichen und liebevoll gezeichneten Figuren und deren ergreifenden Schicksalen sehr bewegt hat. Viele geschichtliche Themen werden in die Geschichte integriert und verständlich, aber auch beeindruckend, vermittelt. Absolut lesenswert!

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch die Autorin, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

„Die indische Kugel“

von Matthias Hübener

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 15. September 2022
Verlag: Äquatorkind
Ausgabe: Hardcover
ISBN: 978-3-948959-04-3
Seitenanzahl: 472 Seiten
Preis: 24€

Klappentext:
Das Böse ist nur ein Gedanke. Eine funkelnde Kugel rollt durch die Welt und schlägt die Menschen auf unerklärliche Weise in ihren Bann. Ihr Radius ist weit gespannt und reicht in die verschiedensten Ecken der Welt und der Zeit. Die Kugel verführt ihre Besitzer, entfacht Böses. Und sie rollt in jeden Winkel. Für die meisten ist sie unwiderstehlich, magisch und oft tödlich. Nur wenige erkennen ihre Gefahr und die Notwendigkeit, die Menschen vor ihr zu schützen. Zu ihnen gehört Graham Yeomans, ein ebenso begnadeter Schachspieler wie großer Indienreisender – und außerdem heimlicher Hüter der Kugel und liebevoller Beschützer von Paul und Lynn, den Kindern seiner verstorbenen Schwester. Bis zum Tag seines Unfalls.“

https://www.aequatorkind.de/die-indische-kugel/


Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Äquatorkind Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!

– Ich habe für diese Rezension vom Verlag oder vom Autor keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: Äquatorkind Verlag

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Das Buch „Die indische Kugel“ von Matthias Hübener ist ein Roman, der auf mehreren Zeitebenen spielt und zeigt, wie eine geheimnisvolle, unwiderstehliche, magische und auch tödliche Kugel das Leben vieler Menschen verändert.

New York im Jahr 2002: Eine Vielzahl von unterschiedlichen, doch stets ungewöhnlichen Todesfällen ereignet sich in der Stadt. Immer dabei ist eine geheimnisvolle Kugel. Diese tritt auch in das Leben der völlig verschiedenen Geschwister Paul und Lynn, deren Leben durch eine dramatische Wendung komplett verändert wird. Sie finden sich bei ihrem Onkel Graham in Großbritannien wieder, welcher ein begnadeter Schachspieler ist und einen Schachbuchladen besitzt.
Doch die Kraft der Kugel verfolgt Paul und Lynn weiterhin und Graham kann sie nach einen Unfall nicht mehr beschützen – oder etwa doch?

Dieses Buch war von vorne bis hinten eine Überraschung: Ich bekam es überraschenderweise als Rezensionsexemplar vom Äquatorkind Verlag zugesendet – ganz herzlichen Dank an dieser Stelle – und dazu wurde ich von dieser atemberaubenden Geschichte überwältigt . Ich hatte im Vorfeld nichts von diesem Buch gehört oder gelesen. Nach Lesens des Klappentexts war mein Interesse überraschend schnell geweckt, da es eine etwas andere Art meiner sonst üblichen Lektüre versprach.
Schon allein dieses wunderbare Cover und die hochwertige Gesamtausstattung des gebundenen Buches lassen jedes Buchliebhaberherz höher schlagen: Das Cover ist in ein blau und lila Tönen gehaltenes Mandala, welches sich in seinem Mittelpunkt verdunkelt und wirkt dadurch optisch vertieft und strahlt zudem Harmonie und Ruhe aus.
Der vordere Vorsatz ziert eine in Blautönen gehaltene Karte von England und Schottland und zeigt eine wichtige Handlungsorte der Geschichte. Der hintere Vorsatz zeigt eine (ebenfalls in Blautönen gehaltene) Weltkarte und auch hier werden die wichtigsten Orte gezeigt, welche im Buch eine Rolle spielen.
Es folgt das Inhaltsverzeichnis des Buches, woraus direkt ersichtlich wird, dass sich die gesamte Handlung in insgesamt fünf Teile aufteilt: „Erste Umdrehung“, „Zweite Umdrehung“, „Dritte Umdrehung“, „Vierte Umdrehung“ und „Fünfte und letzte Umdrehung“. Die einzelnen Teile werden mit verschiedenen schwarz-weiß Abbildungen eingeleitet und spalten sich jeweils in viele einzelne Kapitel auf.
Es folgen das ausführliche Glossar, der Bildnachweis und der Dank des Autors. Abschließend wird auf den Debütroman „Vom Libellenflug – Eine Geschichte über den Mut“ von Matthias Hübener hingewiesen, welcher am 10. Oktober 2020 erschienen ist.
Das gesamte Buch ist sehr hochwertig hergestellt: Das Papier hat eine angenehme Dicke und auch das blaue Lesebändchen verstärkt diesen hochwertigen und haptischen Gesamteindruck.

Auf die einzelnen Figuren möchte ich nicht eingehen, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme, möchte jedoch sagen, dass der Autor sehr authentische und lebensechte Figuren geschaffen hat, welche mich mit ihren unterschiedlichsten Geschichten und Hintergründen und auch in ihrer Gesamtheit begeistern konnten. Es sind Figuren, welche mit ihren Geschichten, Hintergründen und ihren unterschiedlichen und lebensechten Charakterzügen in meinem Herzen und im Kopf bleiben werden.
Wie bereits geschrieben, teilt sich die Handlung des Buches in fünf Teile auf. Hierbei wird die Geschichte nicht chronologisch erzählt, sie springt zwischen den Jahren 1973-1976, 2002 und 2015 hin und her. Wobei das Jahr 2015, also der Handlungsstrang, indem die Geschwister Paul und Lynn im Mittelpunkt stehen, den roten Faden der Geschichte bildet. Deren Geschichte baut auf den anderen Handlungssträngen auf, hier läuft schlussendlich alles zusammen. Trotz dieser vielen Handlungsstränge und Zeitsprünge konnte ich der Geschichte immer gut folgen. Ich war von Anfang an in der Geschichte angekommen und es entwickelte sich sehr schnell eine Sogwirkung: Ich las ein Kapitel nach dem anderen, wollte das Buch nur noch ungern aus den Händen legen und war während des Lesen nicht ansprechbar. Die Handlung verfolgte mich sogar bis in meine Träume und ich dachte immer wieder an das Buch, wenn ich nicht lesen konnte. Es ist ein Buch, welches mich emotional sehr mitnehmen konnte und das wie ein Film in meinem Kopf ablief. Die über 470 Seiten flogen nur so dahin. Gegen Ende des Buches zieht die Spannung extrem an und man kann das Buch dann definitiv nicht mehr weglegen.
Aber nicht nur die sich stetig aufbauende Spannung zog mich in die Geschichte, sondern auch der intensive Schreibstil, welcher mich mit seiner unheimlichen Dichte und Brillanz überzeugen konnte und mich niemals langweilte. Jedes Wort steht an seinem richtigen Platz, und auch die unterschiedlichen Handlungsstränge, welche jeweils in anderen Zeiten/ Jahrhunderten angesiedelt sind, haben ihren ganz eigenen ‚Erzähl-Charakter‘.
Matthias Hübener flechtet sein immenses Wissen und seine Begeisterung über Indien mit in die Handlung ein und beschreibt Orte und Figuren so bildhaft und lebensecht, dass ich mitunter das Gefühl hatte, voll und ganz in dieser Geschichte zu sein. In einer Geschichte, in der sich Gier, Hass und Unzufriedenheit der Dankbarkeit und Liebe gegenüber stehen und ich kam nicht umhin, darüber nachzudenken, wie es mit meinen guten und bösen Seiten bestellt ist. Ich werde definitiv den ein oder anderen Denkanstoß in mein Leben mitnehmen und versuchen umsetzen.
Auch zum Thema Schach und die Geschichte dieses Spiels geht Matthias Hübener sehr gut ein, zeigt hier ein großes Wissen, welches er in die Geschichte einfließen lässt – er hat mir dieses komplexe Spiel und die Faszination Schach definitiv näher gebracht.

Ein Buch, welches mich bewegt hat, mit Sicherheit auch meine Gedanken (positiv) verändern wird und meinen Horizont erweitert hat. Es macht aber auch nachdenklich und wirkt sich mit Sicherheit auch nachhaltig auf mich aus. Dieses Gefühl hat ich zuletzt 1998/1999, als ich als 14jährige völlig in „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder abgetaucht bin und aus diesem Buch sehr viel für mein weiteres Leben mitgenommen habe.

„»Was das sogenannte Böse ist, dieser Frage versuchen sich Denker über die Jahrhunderte philosophisch, theologisch oder psychologisch zu nähern. Aber egal, wie man es tut, klar ist, dass das Böse erst mit uns Menschen in die Welt trat. Ohne Menschen gibt es nichts Böses. Allerdings auch nichts Gutes. Und da manche sagen, dass das Böse all das darstellt, was nicht das Gute ist, kann man umgekehrt schlussfolgern, dass wir Menschen das Böse sogar brauchen, um das Gute für uns zu erkennen.«“

[„Die indische Kugel“, Seite 264]

Danke lieber Matthias Hübener für dieses atemberaubende Lese-Erlebnis!

Fazit: Dieses Buch hat einfach alles, was ich mir von einem guten Buch wünsche: Spannung, Tiefgang, Weisheiten. Komplexität , Historie, lebensechte Figuren , Atmosphäre und alles garniert mit einem sehr eindrucksvollen und brillanten Sprachstil. Absolut lesenswert und ein ganz großer Lese-Tipp.

* Ich habe für diese Rezension vom Autor und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

„Die Welt gehört uns – Eine unmögliche Freiheit“

von Julia Kröhn

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 18. Januar 2023
Verlag: Blanvalet
Ausgabe: Paperback mit Klappen
ISBN: 978-3-7341-1099-3
Seitenanzahl: 448 Seiten
Preis: 16€

Klappentext:
Frankfurt, 1965: Zwanzig Jahre hat Ella erfolgreich das »Bücherreich« geführt, doch nun herrscht Zwist: Ihre deutlich jüngere Schwester Luise hat die schnulzigen Bücher satt. Ihr Kopf ist voller neuer, unerhörter Ideen, zu denen sie der charismatische und politisch aktive Student Thilo anstiftet. Zunächst steht Ella diesen ablehnend gegenüber. Doch dann bringt Luise sie dazu, ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit aufzuschlagen. Ella erinnert sich wieder, was sie einst als Verlegerin angetrieben hat: der Glaube, dass Bücher Menschen aufrütteln und die Welt verändern können. Werden sie ihr nun auch helfen, endlich ihr Glück zu finden?

https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Die-Welt-gehoert-uns-Eine-unmoegliche-Freiheit/Julia-Kroehn/Blanvalet/e593029.rhd

Hinweise:
Bitte lest diese Rezension nicht, wenn ihr den ersten Teil („Die Gedanken sind frei – Eine unerhörte Liebe“) noch nicht kennt, diese aber lesen möchtet – Spoilergefahr!
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Blanvalet Verlag über das ‚Bloggerportal‘ als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!

– Ich habe für diese Rezension vom Verlag oder von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: Blanvalet Verlag

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Das Buch „Die Welt gehört uns – Eine unmögliche Liebe“ von Julia Kröhn ist der zweite und abschließende Band der Reihe der ‚Buchhändlerinnen von Frankfurt‘ und handelt unter anderem von der Westdeutschen Studentenbewegung in den 1960er Jahren.

Frankfurt im Jahr 1965: Zwanzig Jahre sind vergangen, seit Ella die Verlagsbuchhandlung „Bücherreich“ ihrer Eltern aus dem Nichts wieder aufgebaut hat – und das mit Erfolg. Ihre deutlich jüngere Schwester Luise geht sogar bei ihr in die Lehre – doch es kommt zu einem großen Streit: Luise hat genug davon, dass in der Buchhandlung nur noch seichte Bücher angeboten werden. Sie möchte etwas bewegen und wird von dem politisch aktiven Studenten Thilo zu neuen Ideen und Denkweisen angestiftet.
Während Luise mit ihren Freunden die politischen und sozialen Verhältnisse verändern will, stellt sich Ella ihrer Vergangenheit: Ari ist nach Frankfurt zurückgekehrt und Ella erinnert sich, dass sie mit ihren Büchern einst die Menschen aufrütteln und damit auch die Welt ein wenig verändern wollte.
Zwischen all diesem Trubel sucht Ella dann auch ihr privates Glück, welches ihr immer wieder entgleitet.

Schon seit einigen Jahren gehört Julia Kröhn zu meinen Lieblingsautorinnen, da sie mich mit ihren tiefgängigen Geschichten immer sehr berührt und bestens unterhält. So konnten mich die „Riviera-Saga“, welche 2020 erschien und auch die „Lehrerin von Hamburg – Reihe“ von 2021 völlig begeistern.
Im Mai 2022 kündigte die Autorin in den sozialen Medien ihre neue Dilogie „Die Buchhändlerinnen von Frankfurt“ an. Schon allein der Titel dieser neuen Reihe weckte sofort mein Interesse, da ich gelernte Buchhändlerin bin. Ebenso empfinde ich die unmittelbare Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und die Zeit der Studentenbewegungen in den 1960er Jahren als sehr wichtige, aber auch spannende Zeiten. Deshalb war klar, dass ich nach dem ersten Band, welcher mich sehr begeistert hat, auch den hier vorliegenden zweiten Band lesen wollte. Im ‚Bloggerportal Randomhouse‘ fragte ich bei erster Gelegenheit beim Blanvalet Verlag ein Rezensionsexemplar an und bekam es genehmigt und zugesendet, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.

Das Cover des zweiten Bandes passt gestalterisch und farblich wunderbar zum ersten Band „Die Gedanken sind frei“. Es ist in den Farbtönen blau und pink gehalten und zeigt eine junge Frau in Sepiatönen, welche ein Buch im Arm hält und mit einem offenen und interessierten Blick zur Seite schaut. Im Hintergrund befindet sich ein Plattenbau und eine Straßenlaterne. Ein sehr schlichtes, aber doch sehr aussagekräftiges Cover.
Die Ausgabeform des Buches ist ein Paperback mit Klappen und insgesamt 448 Seiten. Auf der vorderen Klappe ist ein Textausschnitt des Buches, im inneren befinden sich einige historische Fotografien von Frankfurt am Main aus dem Jahr 1965. Auf der hinteren Klappe gibt es ein Foto der sympathischen Autorin, sowie eine Kurzbiografie. In der hinteren Klappe wird die gesamte Dilogie der ‚Buchhändlerinnen von Frankfurt‘ vorgestellt.
Die Handlung des Buches gliedert sich in insgesamt 15 Kapitel und vier Teile auf: ‚1965‘, ‚1966‘, ‚1967‘ und ‚1968‘. Es folgen die historischen Anmerkungen und eine Leseprobe zu „Das Modehaus – Töchter der Freiheit“ von Julia Kröhn, welches im Februar 2019 im Blanvalet Verlag erschienen ist.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die, noch immer etwas undurchsichtige Buchhändlerin Ella Reichenbach, welche mir viel Herzblut, Engagement und Mut die Buchhandlung ihrer Eltern mit Nichts wieder aufgebaut hat.
Während ihre um einiges jüngere Schwester Luise im ersten Band noch ein kleines Kind war, ist sie in dem hier vorliegenden Band bereits zu einer jungen Frau herangewachsen, welche zu Beginn des Buches ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Sie weiß nicht, welchen beruflichen Weg sie einschlagen soll, fühlt sich auch in der Ausbildung zur Buchhändlerin nicht wirklich wohl und wächst auch etwas isoliert, doch sehr liebevoll bei und mit ihrer Schwester auf. Als sie dann aber auf den jungen charismatischen und politisch aktiven Studenten und seine Freunde trifft, geht ihre Wandlung voran. Von Thilo angestiftet ändert sie ihre Denk- und Sichtweisen und scheint auf einmal eine Aufgabe, einen Sinn in ihrem Leben zu haben. Auch wenn sie sich damit von ihrer Schwester distanziert, zu der sie eigentlich zeitlebens mit einem festes Band verbunden war. Mitunter wirkt Luise in ihrem Handeln und Denken etwas naiv – doch ihre Wandlung hat Julia Kröhn sehr authentisch herausgearbeitet. Auch ihre mitunter etwas chaotische Gefühlswelt und die daraus resultierenden Fehler, machten Luise zu einem sehr eindrücklichen und lebensechten jungen Frau, welche ich gerne ab und zu einfach fest in den Arm nehmen wollte. Sie ist keine blinde Mitläufern und stellt Sachen auch gerne mal in Frage.
Ella ist Luises große Schwester und tritt in diesem Band etwas hinter die Geschichte von Luise. Trotzdem haben mich ihre Geschichte, ihre Gefühle und ihre Entwicklung ebenfalls sehr beeindruckt. Während ich ihr im ersten Band nicht so richtig nahe kam, hatte ich das Gefühl, dass ich hier Ella näher kam und sie noch einmal besser und intensiver kennengelernt habe.
Es gibt noch eine Vielzahl an weiteren Figuren, auf welche ich aber nicht einzeln eingehen möchte, da ich sonst zu viel von der Geschichte vorwegnehme.
Julia Kröhn hat eine immense Vielfalt an unterschiedlichsten Charakteren geschaffen – bei einigen bleibt die Sympathie bis zu Schluss, bei anderen erlischt sie im Laufe der Handlung. Alle Figuren sind mit ihren Schicksalen, ihren Lebenswegen und ihren Entscheidungen eng miteinander verbunden und sie konnten mich alle mit ihrer Authentizität und ihren Weiterentwicklungen sehr überzeugen.

Vor etwa vier Monaten, im Oktober 2022, habe ich den Auftakt der Dilogie gelesen und ich hatte keine Probleme, wieder in den zweiten Band einzusteigen. Die Figuren und ihre teils dramatischen Geschichten waren nach wie vor sehr präsent.
Die Handlung des Buches setzt 16 Jahre nach Ende des ersten Bandes an. Was in diesen 16 Jahren passiert ist, wird auch immer wieder kurz erwähnt – oft hatte ich das Gefühl, dass mir da was fehlt. Über einige Begebenheiten aus Luises Kindheit und Ellas Geschäftsleben hätte ich gerne ausführlicher gelesen – im Prinzip wäre der Gesamtstoff der Dilogie auch für eine Trilogie geeignet gewesen.
Trotzdem war ich aber der ersten Seite wieder in der teilweise sehr spannenden Handlung angekommen und wollte das Buch stellenweise nicht mehr aus der Hand legen. In der chronologisch erzählten Geschichte baut sich zum Ende des Buches hin eine spannende Gesamtstimmung auf, wenn alles zueinander findet.
Mit ihrem detaillierten, farbenfrohen und vor allem poetischen Sprachstil erzählt Julia Kröhn eine mitreißende und intensive Geschichte, welche im Gedächtnis bleiben wird.

Ich empfehle an dieser Stelle unbedingt auch mit dem ersten Band zu beginnen, da man dann einige Geschehnisse und auch die Handlungen der einzelnen Figuren und die Figuren selbst besser einordnen kann.

Den geschichtlichen Hintergrund bilden die Jahre von 1965 bis 1968 und damit die Studentenbewegungen in der Bundesrepublik Deutschland.
Der wirtschaftliche Aufschwung der BRD war zu dieser Zeit bereits vorbei und die Arbeitslosenzahlen stiegen.
Die Studentenvertretungen begannen, die alten Strukturen an den Universitäten zu kritisieren – und das sehr scharf und öffentlich. Sie forderten soziale Chancengleichheit im Bildungswesen, bessere Lernbedingungen, zeitgemäße Lerninhalte und die Entlassung von Lehrkräften mit Nazi-Vergangenheit.
Doch nicht nur die Lehrkräfte mit Nazi-Vergangenheit sorgten bei den jungen Menschen für ordentlich Unmut: Heinrich Lübke wurde trotz seiner braunen Vergangenheit zweimal zum Bundespräsidenten gewählt. Das Vertrauen in die Politik und in die BRD sank.
Wie die Studenten in den USA forderten auch die deutschen Studenten ein Ende des Vietnamkriegs und den Stopp der atomaren Aufrüstung. Die erlassenen Notstandsgesetze schürten die Unruhe unter den Studenten noch mehr, da sie gravierende Einschränkungen der demokratischen Grundrechte befürchteten.
Nach der Gründung der APO (Außerparlamentarische Opposition), nahmen die Studentenbewegungen noch einmal ordentlich Fahrt auf, da die APO diese ab Mitte der 1960er-Jahre in weiten Teilen beeinflusste. Sie sah sich als einzige Gegenkraft zur herrschenden Regierung, denn durch die große Koalition gab es im Parlament praktisch keine Opposition mehr.
Als am 2. Juni 1967 der persische Schah Reza Pahlevi zum Staatsbesuch in Berlin eintraf, demonstrierten die jungen Menschen gegen den offiziellen Besuch des Diktators. Dieser ließ in seiner Heimat Oppositionelle foltern und unternahm zudem nichts gegen die Verarmung der persischen Bevölkerung. Es wurde aber auch gegen die finanzielle und materielle Unterstützung protestiert, die der Schah vor allem von den USA und der Bundesrepublik erhielt.
Während dieser Demonstration wurde der 26-jährige Student Benno Ohnesorg getötet. Bis dahin waren die Demonstrationen noch wenig radikal gewesen. Das änderte sich ab diesem Abend schlagartig: Die Protestaktionen wurden radikaler.
Mit dem Attentat auf Rudi Dutschke – der Galionsfigur der deutschen Studentenbewegung – im April 1968, gab es für die Proteste kein Halten mehr. Es entwickelte sich eine Studentenrevolte, welche sich in fast allen deutschen Universitätsstädten ausbreitete.
Insgesamt waren die Studentenbewegungen aber auch das Ventil eines großen Konflikt der Generationen. Die jüngere Generation warf ihren Eltern die Verbrechen im Dritten Reich vor, fragten nach deren Vergangenheit und ihren Taten. Die ältere Generation wollte einfach nur vergessen, während die jüngere Generation immer wieder an den nie verheilten Wunden riss und zerrte.
Aber auch innerhalb der älteren Generation gab es unterschiedliche Auffassungen, wie man mit der Vergangenheit am besten umgehen sollte. Zwischen vergessen, aufarbeiten und verleugnen des Holocausts war alles dabei.
Ebenso bildet der beginnende Nahostkonflikt – vor allem der ‚Sechtstagekrieg‘ im Juni 1967 – einen weiteren historischen Hintergrund des Romans.
Diese geschichtlichen Hintergründe hat Julia Kröhn sehr akribisch und genau recherchiert und verbindet diese perfekt mit ihren größtenteils fiktiven Figuren und deren Schicksalen. Sie verfügt zusätzlich über ein immenses geschichtliches Wissen und versteht es, dieses in ihre bildgewaltigen Romane einzubauen und damit Geschichte absolut erleb- und fühlbar zu machen.

Vielen Dank liebe Julia Kröhn für dieses lehrreiche und spannende Lese-Erlebnis.

Fazit: Das Buch „Die Welt gehört uns – Eine unmögliche Freiheit“ ist ein sehr guter Abschluss einer äußerst stimmungsvollen Dilogie, die mich sehr begeistert hat.
Mit ihrem poetischen Sprachstil, ihren akribisch recherchierten Hintergründen, ihrem großen geschichtlichen Wissen, einer spannenden Handlung und ihren lebensechten Charakteren, bietet Julia Kröhn mit dieser Reihe alles, was das Leserherz begehrt. Absolut empfehlens- und lesenswert!

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

„Miss Bly und die Wette gegen Jules Verne“

von Eva-Maria Bast

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 18. Januar 2023
Verlag: Blanvalet
Ausgabe: Paperback mit Klappen
ISBN: 978-3-7645-0815-9
Seitenanzahl: 416 Seiten
Preis: 16€

Klappentext:
Als Journalistin mit einem Hang für waghalsige Reportagen hält die junge Nellie Bly das New Yorker Lesepublikum in Atem. Doch als ihr Chefredakteur sie zur Berichterstattung von »Frauenthemen« drängen will, muss zügig eine neue spektakuläre Story her. Nellie will eine Weltumrundung wagen, ohne Begleitung oder schweres Gepäck. Und sie möchte dabei schneller sein als Phileas Fogg, der berühmte Protagonist aus Jules Vernes Roman »In 80 Tagen um die Welt«! Als Nellie am 14. November 1889 den Dampfer nach England besteigt, ahnt sie nicht, dass diese Wettfahrt das wohl größte Abenteuer ihres Lebens sein wird – und dass sie dabei auch ihrer großen Liebe begegnet.“

https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Miss-Bly-und-die-Wette-gegen-Jules-Verne/Eva-Maria-Bast/Blanvalet/e609727.rhd

– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Blanvalet Verlag über das ‚Bloggerportal‘ als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension vom Verlag oder von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: Blanvalet Verlag

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Das Buch „Miss Bly und die Wette gegen Jules Verne“ von Eva-Maria Bast ist ein historischer Roman, welcher im ausgehenden 19. Jahrhundert spielt und die Weltumrundung der berühmten Journalistin Nellie Bly zeigt.

New York im November 1889: Nellie Bly hat es geschafft und sich mit ihren waghalsigen Reportagen einen Namen als anerkannte Journalistin gemacht. Als ihr Chefredakteur sie von fast einem Tag auf den anderen auf eine Weltumrundung schickt, ist sich Nelly Bly noch nicht bewusst, wie sehr diese Reise sie und ihr komplettes bisheriges Leben verändern wird.
Zudem hat sie sich als Ziel gesetzt, noch schneller sein als Phileas Fogg, der Protagonist aus dem berühmten Roman von Jules Verne. Voller Tatendrang und Vorfreude reißt sie gen England, doch sie ahnt nicht, dass sich auch eine andere Frau auf den Weg zu einer Weltumrundung gemacht hat.
Und dann begegnet Nellie auf ihrer Reise völlig unverhofft ihrer großen Liebe. Doch diese Liebe darf nicht sein …

Ich lese die Bücher von Eva-Maria Bast sehr gerne, da sie stets vielfältige Themen und interessante Persönlichkeiten in ihren Büchern behandelt. Zusammen mit ihrem bildhaften und detaillierten Sprachstil kann sie mich immer wieder mit ihren Romanen überzeugen und ist somit eine meiner absoluten Lieblingsautorinnen.
Als ihr neues Buch „Miss Bly und die Wette gegen Jules Verne“ angekündigt wurde, war mein Interesse schnell geweckt und es war klar, dass ich dieses Buch unbedingt lesen musste. Auch wenn ich mich bisher noch nicht intensiv mit Nellie Bly auseinander gesetzt habe, sagte mir ihr Name etwas und gerne wollte ich mehr über sie und ihr Leben erfahren.
Bei erster Gelegenheit fragte ich das Buch im ‚Bloggerportal Randomhouse“ an und bekam dieses dann freundlicherweise nach der Genehmigung vom Blanvalet Verlag zugesendet – an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön dafür.

Das Buch ist eine sehr hochwertiges Paperback mit Klappen. In der vorderen Klappe befindet sich hinter einem Textausschnitt die Darstellung der Reiseroute Nellie Blys anhand einer Weltkarte. In der hinteren Klappe findet sich hinter einer Kurzbiografie und einem Foto der Autorin Eva-Maria-Bast eine kleine, graphisch aufbereitete, wichtige Szene des Buches.
Das stimmige Cover des Buches zeigt einen eingefärbten, aber historische Fotoausschnitt von Nellie Bly, welche mit einem karierten Mantel, einem lila Kleid und mit einer Reisetasche in der einen Hand an einem Hafen steht. Die andere Hand hält eine Mütze, mit welcher sie auf Höhe ihres Kopfes winkt. Links neben ihr stehen einige Fässer, rechts hinter ihr wartet ein Schiff, welches an der Hafenmauer befestigt ist. Der Titel des Buches steht über dieser Szenerie und greift die Farbe des Kleides auf. Die Hintergrundfarbe ist hell, verläuft dann aber zu den Rändern hin ins blau/grün/ türkis und ist noch mit Mustern unterlegt. Insgesamt macht das harmonische Cover große Lust auf die Geschichte und wirkt sehr passend.
Der Prolog des Buches setzt im September 1887 an, das erste Kapitel dann im November 1889 und der Epilog im April 1895. Mit dem Epilog umspannt die gesamte Handlung des Buches also etwa 7 ½ Jahre. Die Haupthandlung umfasst aber vom ersten bis zum letzten Kapitel nur etwa zwei Monate – die Zeit also, die sich Nellie Bly auf ihrer Reise befand.
Abgeschlossen und damit perfekt abgerundet wird das Buch mit einem ausführlichen Nachwort und der Danksagung der Autorin, Literatur- und Quellenangaben und einigen Lesetipps zu anderen Büchern des Blanvalet Verlags.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die völlig unerschrockene Journalistin Nellie Bly. Zu Beginn des Buches erleidet sie den ein oder anderen Rückschlag, doch sie gibt sich und ihren großen Traum nicht auf. Auch auf ihrer Reise läuft nicht alles perfekt, doch sie steht immer wieder auf und entdeckt mitunter auch ganz neue Seiten an sich. Nellie ist sehr kontaktfreudig, baut gerne Freundschaften auf und kümmert sich gerne um die Menschen in ihrer Nähe. Doch die vielen Abschiede während ihrer Weltreise machen sie auch immer wieder traurig. Sie ist eine absolute Kämpferin und sieht in ihrer Reise die Chance und das Zeil, dass in der von Männern dominierten Welt, auch Frauen erhört und gesehen werden.

„Sie hatte die Reise angetreten, um zu zeigen, dass Frauen durchaus in der Lage waren, es mit Männern aufzunehmen. Das Schreiben der Bürger von Dodge City zeigte, dass ihre Reise wirklich zu einem Umdenken hinsichtlich der Rolle und des Ansehens der Frauen in der Gesellschaft führen konnte. Damit war sie ihrem Traum, die Welt zu verbessern, erneut ein Stück nähergekommen.“

[Seite 379, Zeilen 07 – 13]

Wie schon gesagt, habe ich mich bisher noch nicht mit Nellie Bly und ihrem spannenden Leben beschäftigt. Da in diesem Buch ihre Weltumrundung im Mittelpunkt steht, kommt ihr Werdegang zu einer angesehenen Journalistin etwas kurz. Trotzdem mochte ich die Nellie Bly in diesem Roman von der ersten Seite an sehr gerne, da sie ist sehr offen und herzlich beschrieben wird. Sie hat aber auch durchweg ihre Launen, welche sie nochmals authentischer und lebensechter erscheinen lässt.
Auch die vielen anderen Figuren, von denen einige ebenfalls historisch sind, einige aber auch fiktiv, konnten mich sehr überzeugen. Sie alle geben ein gutes Gesamtbild der Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhundert ab. Vor allem bringen die Figuren, welche in den fernen Ländern beschrieben werden mit all ihren verschiedenen Kulturen, so viel Lebendigkeit, Farbe und Energie in diese Geschichte.

In ihrer Danksagung erwähnt die Autorin, dass sie die Welt zwar noch nie selbst umrundet hat, aber doch viel gereist ist. Somit finden sich viele ihrer persönlichen Eindrücke in diesem Buch wieder, welche sie wunderbar in die Geschichte einfließen lässt. Zusammen mit ihrem immensen geschichtlichen Wissen und ihren Recherche-Ergebnissen verbindet sie all dies zu einem sehr gelungen Roman und einem farbenfrohen und intensiven Lese-Erlebnis.
Ab der ersten Seite war ich direkt in der Geschichte angekommen und wollte das Buch nur noch ungern aus den Händen legen. Die etwa 400 Seiten flogen nur so dahin. Mit ihrem detaillierten, bildhaften und niemals langweiligen Sprachstil konnte ich mir alle Begebenheiten und Handlungsorte wunderbar vorstellen und fühle mich manchmal, als wäre ich selbst auf einer Weltreise.
Die Handlung des Buches wird chronologisch erzählt, wirkt zu keiner Zeit überfrachtet oder vorhersehbar und konnte mich von Anfang bis Ende begeistern.

Den geschichtlichen Hintergrund des Buches bildet das ausgehende 19. Jahrhundert. In diesem Roman beschränkt sich dies nicht nur auf ein Land, sondern zeigt ein weltweites Bild eines Jahrhunderts des steten Wandels und der Veränderung:
Die europäischen Großmächte, die eine Vormachtstellung im Welthandel innehatten und ihre Kolonialreiche in Afrika und Asien erweiterten, entwickelten sich zu den dominanten Mächten der Welt.
Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861 – 1865) wurden USA zu einer der stärksten Industrienationen der Welt. Dabei profitierten sie von der starken Einwanderung von Fachkräften, die aus Europa und zu geringeren Teilen aus Asien kamen. Die atlantische Migration war ein Teil weltweiter Migrationsbewegungen, die in diesem Jahrhundert zuvor nicht gekannte Dimensionen erreichten.
Die Industrielle Revolution breitete sich von England im Laufe des Jahrhunderts auf zahlreiche europäische Regionen, die USA und Japan aus. Ihre Strukturveränderungen gingen mit großen sozialen Ungleichheiten einher.
Schlüsseltechnologien wie die Eisenbahn, das Dampfschiff und die Telegrafie führten zu einem starken Anstieg von Ausmaß und Geschwindigkeit der globalen Vernetzung sowie einer Veränderung der Wahrnehmung von Entfernungen. Mit diesen neuen Technologien war es Nellie Bly möglich, die Welt so schnell zu umrunden und die Menschen in ihrer Heimat daran teilhaben zu lassen.
Viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse, unter anderem in der Medizin, brachten zudem Verbesserungen für zahlreiche Menschen.
Doch noch immer standen Frauen gesellschaftlich, politisch und beruflich in weiten Teilen der Welt weit unter dem Mann. Sie durften nicht wählen, sich nicht wählen lassen und auch nicht studieren – den Frauen wurde schlichtweg nichts zugetraut.
Diesen Umständen und Vorurteilen gegenüber Frauen wollte Nellie Bly mit ihrer Weltumrundung, welche sie alleine und mit nur wenig Gepäck antrat, entgegen treten und setzte damit ein Zeichen für die Stärke der Frauen.
All diese genannten und noch weiteren historischen Hintergründe hat Eva-Maria Bast sehr akribisch recherchiert und ihren Roman eingebaut. Sie verbindet große Weltgeschichte gekonnt mit den Schicksalen und Lebenswegen ihrer historischen und fiktiven Figuren.
Eva-Maria Bast hat mir die großartige Nellie Bly und ihre Geschichte auf jeden Fall näher gebracht und ich werde definitiv noch das ein oder andere Buch von und über sie lesen.

Danke liebe Eva-Maria Bast für dieses prächtige Lesevergnügen, welches ich sehr genossen habe.

Fazit: Mit ihrem wunderschönen Sprachstil, ihrem immensen Wissen, ihren persönlichen Eindrücken, ihrer sympathischen Hauptfigur und vielen anderen authentischen Figuren, nahm mich Eva-Maria Bast mit auf eine farbenprächtige, spannende und emotionale Weltreise. Ein absolut empfehlenswerter Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite bestens unterhalten hat und dessen Handlung man sich einfach fallen lassen kann. Top!

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

„Die Hofgärtnerin – Blütenzauber“

von Rena Rosenthal

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 18. Januar 2023
Verlag: Penguin
Ausgabe: Taschenbuch Klappbroschur
ISBN: 978-3-328-10682-1
Seitenanzahl: 656 Seiten
Preis: 12€

Klappentext:
Oldenburg, 1897. Als erste Frau überhaupt hat sich Marleene den Titel der »Hofgärtnerin« erkämpft. Nun möchte sie ihren Erfolg dazu nutzen, auch anderen Frauen den Weg zu einer Lehre zu ebnen. Doch der Aufbau einer eigenen Gärtnerinnenschule birgt viele Hindernisse, denn noch immer herrscht die weitverbreitete Überzeugung, dass Frauen nicht für einen Beruf geeignet sind. Als sich Marleene dann auch noch ihr größter Widersacher in den Weg stellt, steht ihr bisher größter Kampf bevor – für ihre Schülerinnen, ihren Lebenstraum und ihre Liebe!“

https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Die-Hofgaertnerin-Bluetenzauber/Rena-Rosenthal/Penguin/e577227.rhd

Hinweise:
Bitte lest diese Rezension nicht, wenn ihr den ersten Teil („Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume“) und den zweiten Teil („Die Hofgärtnerin – Sommerleuchten) noch nicht kennt, diese aber lesen möchtet – Spoilergefahr!
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Penguin Verlag über das ‚Bloggerportal‘ als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!

– Ich habe für diese Rezension vom Verlag oder von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: Penguin Verlag

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Das Buch „Die Hofgärtnerin – Blütenzauber“ von Rena Rosenthal ist der zweite Teil einer Buchreihe, welche das Leben der fiktiven Hofgärtnerin Marleene zeigt, welche im ausgehenden 19. Jahrhundert in Oldenburg für ihre Träume und die Gleichberechtigung der Frauen kämpft.

Oldenburg im Jahre 1897: Zusammen mit ihrem Mann Julius führt Marleene ihre selbst gegründete Gärtnerei in Rastede und hat sich als erste Frau den Titel „Hofgärtnerin“ erkämpft. Doch nun möchte sie anderen Frauen auch einen Weg in die Ausbildung zur Gärtnerin ermöglichen und gründet eine Gärtnerinnenschule. Schon bald starten dort die ersten jungen Frauen – doch immer wieder werden ihnen von der Gesellschaft Steine in den Weg gelegt: Noch immer herrscht die Überzeugung, dass Frauen generell nicht für einen Beruf geeignet sind – schon gar nicht für den Gärtnerinnen-Beruf. Doch Marleene ist nicht bereit, ihren Traum so schnell aufzugeben.
Als plötzlich ihr größter Widersacher wieder vor ihr steht, droht Marleene und Julius der Verlust ihrer kompletten Existenz.

Im März 2021 bin ich in den Sozialen Medien auf den ersten Teil „Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume“ aufmerksam geworden. Als gelernte Gärtnerin interessieren mich Romane über die Geschichte des Gartenbaus sehr und ich wurde von diesem wunderbaren Reihen-Auftakt nicht enttäuscht. Auch der zweite Teil „Die Hofgärtnerin – Sommerleuchten“, welcher ein Jahr später erschien, konnte mich überzeugen. Ich freute mich schon sehr auf den dritten Teil der Reihe und fragte diesen bei erster Gelegenheit im ‚Bloggerportal von Randomhouse‘ an und bekam diesen nach Genehmigung meiner Anfrage freundlicherweise vom Penguin Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt und zugesendet – an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön.


Das Cover des hier vorliegenden dritten Bandes passt ganz wunderbar zu den vorherigen Bänden. Es zeigt eine junge Frau mit einem roten Rock, welche den Blick und Kopf gesenkt hält, vor einer winterlichen Kulisse. Im Hintergrund befindet sich links ein Gewächshaus, rechts ein Backsteinhaus – über den beiden Gebäuden spannt sich ein blau-weißer Himmel mit einzelnen Schneeflocken. Direkt hinter der Frau steht eine rote Sitzbank, welche von einer leichten Schneeschicht bedeckt ist. Auf dieser Bank steht eine kleine leuchtende Laterne. Rote Blüten zieren den Rand des Covers und greifen damit die rote Farbe des Titels „Die Hofgärtnerin“ und des Rocks der Frau auf. Unter dem Haupttitel steht in grüner Schrift „Blütenzauber“ – beide Titel sind mit einer Art weißen Wolke unterlegt.
Das Buch ist ein sehr hochwertig gestaltetes Taschenbuch mit Klappen. In der vorderen Klappe befindet sich ein liebevoll inszeniertes Rezept zu ‚Marleenes Fliederblütengelee‘ und ein kleiner Textausschnitt, in der hinteren Klappe ist ein Überblick über die ersten beiden Bände der Trilogie, eine Kurzbiografie und ein Foto der sympathischen Autorin Rena Rosenthal.
Der Prolog des Buches setzt im Januar 1896 an, das erste Kapitel beginnt dann im November 1897. Mit dem im Jahr 1907 ansetzenden Epilog umfasst die Gesamthandlung des Romans etwa 10 Jahre.
An den Epilog schließen sich ein ausführliches Nachwort der Autorin, Übersetzungen aus dem Plattdeutsch, ein Quellenverzeichnis, Rezeptideen und eine Leseprobe vom ersten Band an. Dies alles rundet das Buch wunderbar ab und sorgt für ein stimmiges Gesamtbild des Buches.
Es ist absolut empfehlenswert, mit dem ersten Band der Reihe zu beginnen, da immer wieder Bezug auf die Vergangenheit genommen wird und man auch vieles besser zuordnen kann und auch die Figuren und ihre Handlungen besser versteht.

Auch in diesem Teil steht die leidenschaftliche und engagierte Marleene wieder im Mittelpunkt der Geschichte. Mit viel Mut und Kampfgeist stürzt sie sich in das Abenteuer „Gärtnerinnenschule“ und lässt sich auch von ihren Widersachern und den vielen Schwierigkeiten, welche immer wieder ihren Weg kreuzen, nicht unterkriegen. Stets an ihrer Seite ist ihr sympathischer Mann Julius, welcher mich schon seit dem ersten Band mit seiner in sich ruhenden Art sehr überzeugt hat. Die Beiden verbindet ein enges Band der Liebe und Vertrautheit – sie halten stets zueinander und sind immer füreinander da.
Neben Marleene und Julius stehen eine Vielzahl der Figuren, welche bereits aus den ersten beiden Bänden bekannt sind. Ich mag es sehr, wenn ich liebgewonnene Charaktere noch einmal treffen kann und deren weitere Entwicklung mitverfolgen kann.
Sie alle haben ihren Platz in der Geschichte, bringen diese voran und werden von Rena Rosenthal wunderbar authentisch und lebensecht gezeichnet.
Frieda glänzt auch in diesem Roman wieder mit ihrer sehr mitreißenden Geschichte und ihrem gutmütigen Charakter – sie ist nach wie vor Marleenes Fels in der Brandung und der ruhende Pol der Geschichte.
Aber auch Alma konnte mich wieder begeistern: Bereits im zweiten Band hat sie mit ihrer sympathischen und glaubhaften Art direkt den Weg in mein Leseherz gefunden.
Marleene, Frieda, Alma, Rosalie und Dorothea sind – auch wenn sie gesellschaftlich aus völlig verschieden Richtungen kommen, sind sie ganz eng verbunden und müssen erkennen, dass sie nur gemeinsam stark sind und etwas bewegen können.
Nach wie vor sind aber auch die unangenehmen Widersacher von Marleene und Julius dabei: Das ist unter anderem der extrovertierte Bruder von Julius: Konstantin. Er macht den Menschen in seiner Umgebung, vor allem aber seinem Bruder, das Leben nicht leicht. Aber auch mit De Vos hat Rena Rosenthal einen sehr unliebsamen und auch missgünstigen Charakter geschaffen, der Marleene und Julius immer wieder Steine in den Weg legt und sie damit zum straucheln bringt.
Es gibt aber auch einige neue Figuren, welche direkt ihren Platz in der Geschichte finden und zusammen mit den bereits bekannten Figuren ein gutes und authentisches Bild der damaligen Gesellschaft abgeben. Viele konnten mich mit ihrem Verhalten und ihren Taten im Laufe der Handlung positiv und negativ überraschen. Sie alle durchlaufen eine sehr glaubhafte Entwicklung und ich konnte mich gut in ihre Gedankenwelt hineinversetzen.
Neben den größtenteils fiktiven Figuren gibt es auch die ein oder andere historische Figur, die den Roman noch einmal mehr Authentizität verleihen.
Nun heißt es von all den liebgewonnen Charakteren Abschied zu nehmen, was mir nach dieser wunderbaren Reihe wirklich sehr schwer fällt – sie alle sind mir sehr ans Herz gewachsen und haben dort ihren Platz gefunden.

Rena Rosenthal stammt aus einer Gärtner-Familie und hat in ihre Romanreihe eine Menge fachliches Wissen eingebracht. Die vielen verschiedenen Arbeiten in einer Gärtnerei beschreibt sie sehr detailliert, aber auch die Kenntnis über verschiedene Pflanzen lässt sie gekonnt mit einfließen.
Das verbindet sie mit viel historischen Wissen und ihren Recherchen zu den gesellschaftlichen Strukturen des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Mit ihrer flotten und sehr bildhafter Sprache fliegen die über 650 Seiten nur so dahin und ich konnte mich voll in die Geschichte und Handlung fallenlassen. Schon ab der ersten Seite war ich wieder in der Geschichte angekommen und wollte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen.
Die Handlung des Buches wird chronologisch erzählt, berührte mich stellenweise sehr und es zudem wie eine Achterbahnfahrt der Emotionen auf mich wirkte. Mitunter passieren sehr viele Dinge, dadurch empfand ich die Handlung mitunter etwas überfrachtet. Doch es war auch spannend, wie sich all die kleinen Geschichten wieder auflösen und alles wieder zueinander findet und eine große Geschichte daraus wird.
Den geschichtlichen Hintergrund der „Hofgärtnerin-Saga“ bildet das ausgehende 19. Jahrhundert: Ein Jahrhundert, welches in der ersten Hälfte von Restauration und Revolution geprägt war.
Das Deutsche Kaiserreich entstand in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, im Jahr 1871 und verschaffte dem Kaiser einen großen Handlungsspielraum. Zudem vollzog sich der Wandel von einem landwirtschaftlichen geprägten Deutschland zu einem modernen Industriestaat.
Sozialgeschichtlich prägte das Kaiserreich der Aufstieg der Arbeiterschaft – damit stand die Arbeitergesellschaft dem Bürgertum gegenüber.
Aber auch die angehende Frauenbewegung prägte das 19. Jahrhundert: Es war ein Jahrhundert, welches von Männern dominiert wurde, Frauen mussten sich dem Mann unterordnen, durften nur mit der Erlaubnis des Ehemanns arbeiten und mussten sich ansonsten um die Familie kümmern. Lehrerinnen gab es zum Ende des 19. Jahrhunderts bereits, allerdings wurden diese meist nur als Hilfslehrerinnen eingestellt und wurden sofort nach der Heirat entlassen: Stichwort ‚Lehrerinnenzölibat‘. Es wurde Frauen nicht zugetraut, dass sie einen Beruf ausüben können und gleichzeitig Ehefrau und Mutter sind.
Da es schon für Mädchen keine Möglichkeit gab das Abitur abzulegen, wurde ihnen somit auch der Zugang zu den Universitäten verwehrt. Erst mit der Gründung von Mädchengymnasien konnten sie ihr Abitur ablegen. Das hieß aber noch lange nicht, dass sie auch studieren durften – wenn überhaupt, dann durften Frauen als Gasthörerinnen die Vorlesungen besuchen. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts öffneten sich für Frauen der Weg ins Studium.
Aber nicht nur für ein Studium standen Frauen lange Zeit vor verschlossenen Türen: Auch eine Ausbildung war ihnen oft nicht möglich. Gerade in den männlich geprägten Berufen, wie es der Gartenbau lange war, hatten Frauen fast keine Chance. Erst mit der Gründung von speziellen Gärtnerinnen-Schulen änderte sich dies. Doch ein Großteil der Gesellschaft reagierte nicht sonderlich wohlwollend auf die angehenden Gärtnerinnen und stellten diese in Karikaturen und Zeitungsberichten bloß.
Doch der Weg in Richtung Gleichberechtigung war unwiderruflich eingeschlagen und mit Hilfe von Frauenvereinen versuchten Frauen sich Gehör in der von Männern dominierten Welt zu verschaffen. Diese geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründe hat Rena Rosenthal akribisch recherchiert, stellt diese wunderbar erlebbar da und verknüpft sie gekonnt mit ihren größtenteils fiktiven Figuren und deren Schicksalen. Hier wird Geschichte lebendig.
Und ich bin, als ausgebildete Gärtnerin, diesen mutigen und starken Kämpferinnen besonders dankbar, dass sie Frauen den Weg in diesen wunderschönen Beruf bereitet haben.

Danke liebe Rena Rosenthal für dieses mitreißende und emotionsgeladene Lese-Erlebnis.

Fazit: In diesem stimmigen Abschluss passiert unheimlich viel, manchmal gefühlt etwas zu viel. Ein Buch, in welches ich mich fallen lassen konnte, mich auf über 650 Seiten bestens unterhalten hat und eine mitreißende Achterbahnfahrt der Emotionen war. Absolut empfehlenswert – ganz großes (Kopf)-Kino!

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Die komplette „Die Hofgärtnerin-Saga“ von Rena Rosenthal

„Hanne – Die Leute gucken schon“

von Felicitas Fuchs

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 18. Januar 2023
Verlag: Heyne
Ausgabe: Klappbroschur
ISBN: 978-3-453-42620-7
Seitenanzahl: 608 Seiten
Preis: 15€

Klappentext:
Minden 1951: Die Wunden des Krieges heilen langsam, und es gilt, das Beste aus dem zu machen, was in der Euphorie des Wiederaufbaus möglich scheint. In diesen bescheidenen Umständen wächst Hanne heran. Ihre Mutter Minna sorgt dafür, dass alles in geregelten Bahnen verläuft, sogar ein bisschen Glück hält das Leben wieder bereit. Doch als Hanne dem charismatischen Paul Wagner begegnet und sich zum ersten Mal verliebt, muss sie schon bald eine Entscheidung treffen, die nicht nur ihr Leben für immer verändern wird.“

https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Hanne-Die-Leute-gucken-schon/Felicitas-Fuchs/Heyne/e597821.rhd

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Heyne Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar über das ‚Bloggerportal‘ zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Meine ausführliche Rezension zum ersten Teil findet ihr hier: „Minna – Kopf hoch, Schultern zurück“

Coverrechte: Heyne Verlag

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Das Buch „Hanne – Die Leute gucken schon“ von Felicitas Fuchs, ist der zweite Teil einer Trilogie, welche die persönliche Familiengeschichte der Autorin erzählt.

Minden im Jahr 1951: Etwa sechs Jahre sind nach Ende des Zweiten Weltkrieges vergangen, welcher vielen Millionen Menschen den Tod brachte und die gesamte Welt ins Chaos stürzte. Hanne, welche mitten im Krieg geboren wurde, wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihre Mutter Minna, welche von ihrem Mann in Trennung lebt, versucht trotzdem das Beste aus dem Leben heraus zu holen und auch, dass alles in geregelten Bahnen verläuft.
Doch als Minna und Hanne beide kurz hintereinander schwer erkranken, wird ihr Leben auf eine harte Probe gestellt.
Und dann begegnet Hanne dem reizvollen, aber viel älteren Paul Wagner. Sie verliebt sich zum ersten Mal Hals über Kopf und kurz darauf steht nicht nur Hannes Welt völlig auf dem Kopf.

Felicitas Fuchs ist das Pseudonym der Erfolgsautorin Carla Berling, mit der ich schon seit einiger Zeit auf Facebook befreundet bin. Vor einiger Zeit kündigte sie in den Sozialen Medien an, dass sie eine dreibändige Romanreihe veröffentlicht, welche ihre eigene Familiengeschichte erzählt. Der erste Teil der Reihe beschreibt hierbei das Leben ihrer Großmutter, welche von 1905 bis 1978 lebte. Mein Interesse an der Reihe war direkt geweckt. Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg finde ich immens spannend und auch wichtig, um die Zeit des Nationalsozialismus halbwegs zu verstehen. Wenn dann auch noch Historie anhand einer teils wahren Lebensgeschichte erzählt wird, wird für mich alles noch mal greifbarer und lebendiger. Das Buch musste ich einfach lesen – und ich wurde auf keiner Seite enttäuscht: Die Geschichte von Minna hat mich komplett umgehauen und in ihren Bann gezogen.
Es war ganz klar, dass ich auch den zweiten Band „Hanne – Die Leute gucken schon“ auch direkt lesen musste. Dieser stellt Minnas Tochter Hanne in den Mittelpunkt der Geschichte und behandelt das Thema der Nachkriegszeit in Deutschland – ein Thema, über welches ich immer wieder gerne lese. Und natürlich wollte ich auch unbedingt wissen, wie es mit all den Figuren aus dem ersten Band der Reihe weitergeht.
Bei erster Gelegenheit fragte ich den zweiten Band im ‚Bloggerportal‘ an, bekam es genehmigt und vorzeitig zugesendet. An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an den Heyne Verlag.

Das Buch ist, wie auch der erste Band, eine sehr schöne und hochwertige Klappbroschur. Das stimmige Cover passt perfekt zum ersten Band und zeigt ein Foto mit einer Frau und einem kleinen Kind am Strand. Die Beiden schauen nicht in die Kamera, sondern seitlich vorbei in die gleiche Richtung. Das in minzgrün gehaltene Cover zieren Zeichnungen von Lilien, der Titel des Buches prangt in braun-goldener Schrift über dem Foto. Der Name der Autorin steht in schwarzen Großbuchstaben über dem Buchtitel.
In der vorderen Klappe des Buches befinden sich drei Fotos, welche einige Familienmitglieder der Autorin und gleichzeitig die Hauptfiguren des Buches zeigen. In der hinteren Klappe befindet sich eine Übersicht zu den drei Bänden der Familien-Saga.
Der Prolog des Buches setzt im Oktober 1961 und machte mich direkt sehr neugierig auf die Handlung. Mit dem ersten Kapitel geht es dann in den Juli 1951 zurück. Das letzte Kapitel setzt dann im Mai 1978 an – somit umfasst die gesamte Handlung des Buches fast 27 Jahre.

In diesem Band steht Minnas Tochter Hanne im Mittelpunkt der Geschichte: Sie ist ein sehr stilles und in sich gekehrtes Kind, welches selten Widerworte gibt. Doch der zweite Weltkrieg hat auch in ihrer Seele tiefe Wunden hinterlassen.
Zusammen mit ihrer Mutter Minna, aber ohne Vater, wächst Hanne in einer kleinen Wohnung in Minden auf. Eine unbekümmerte Kindheit und Jugend ist dem schüchternen Mädchen nicht vergönnt, da sie schwer erkrankt und viel Zeit in Heilanstalten verbringen muss. So ist es kein Wunder, dass sie nach ihrer Heilung etwas leichtgläubig in die Welt geht.
Die junge, sympathische und etwas naive Hanne erfährt während der Handlung des Buches eine immense Wandlung und entwickelt sich zu einer Frau, welche es mir nicht immer einfach machte, sie zu weiterhin zu mögen. Einerseits tat sie mir unendlich leid, auf der anderen Seite empfand ich sie ganz oft einfach nur ungerecht. Darauf möchte ich nicht mehr eingehen, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme. Aber eines noch: Hanne ist ein absolut glaubhafter und vor allem facettenreich gezeichnete Figur, welche ich so schnell nicht mehr vergessen werde.
Minna, welche im ersten Band den Ton angeben hat, tritt in diesem Teil etwas hinter die Geschichte ihrer Tochter. Doch sie ist noch immer sehr präsent und lenkt die Geschichte. Ihre wechselvolle Lebensgeschichte, ihr Temperament und auch ihr ‚sich nicht unterkriegen lassen‘ haben mir schon im ersten Band sehr gefallen und auch imponiert – in diesem Teil der Geschichte kämpft sie auch immer wieder für ihre Familie und lässt sich auch von einigen Schicksalsschlägen nicht so schnell aus der Bahn werfen.
Neben Hanne und Minna spielen noch einige weitere Figuren große und kleine Rollen. Einige der Figuren sind bereits bekannt, es kommen aber auch einige neue Charaktere hinzu. Sie alle, egal ob sie ein reales Vorbild haben oder fiktiv sind, hat Felicitas Fuchs (Carla Berling) wahnsinnig authentisch, lebensecht und vor allem facettenreich gezeichnet und sie zeigt mit ihnen und ihren Lebensgeschichten ein gutes Bild der vom Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit schwer gezeichneten Gesellschaft.
In Erinnerung bleiben wird mir auf jeden Fall die sehr bewegende Geschichte von Minnas sanftmütigen Bruder Karl, welcher nie seinen Lebensmut verliert – auch wenn seine Lebensumstände mit seiner jähzornigen und rauen Ehefrau Wilhelmine noch so widrig sind.
Und auch die wechselvolle Geschichte von Minnas (fiktiver) Freundin Fannie und deren Familie konnte mich auch in diesem Teil wieder sehr berühren.
Es bleibt auf jeden Fall spannend, wie es mit einigen der Figuren im dritten und letzten Band dieser Buchreihe weitergehen wird.

Wie schon erwähnt, handelt es sich um die Familiengeschichte der Autorin. Während der erste Band der Trilogie die Lebensgeschichte der Großmutter Minna erzählt, welche 1905 geboren wurde und den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, die Inflation, das Dritte Reich, den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit erlebte, zeigt der hier vorliegende Band nun das Leben der Mutter der Autorin: Ein Leben, welches noch immer sehr vom Zweiten Weltkrieg und der entbehrungsreichen Nachkriegszeit gezeichnet war. Felicitas Fuchs (Carla Berling) setzt mit dieser Buchreihe ihrer Großmutter und ihrer Mutter ein großes und unvergessliches Denkmal.
Mit ihrem detaillierten, aber durchaus auch flotten Sprachstil hat mich die Autorin wieder direkt mit in die Geschichte genommen. Die Seiten flogen nur so dahin und innerhalb weniger Tage waren die 600 Seiten weggelesen. Nur äußerst ungern legte ich das Buch aus den Händen und vergaß beim Lesen völlig die Zeit.
Die chronologisch erzählte Handlung des Buches wirkt zu keiner Zeit überfrachtet oder gar unlogisch – alles und jede/r hat seinen/ihren Platz in der Geschichte. Ich konnte der Handlung immer gut folgen und mich völlig in diese mitreißende Geschichte fallen lassen.
Emotional nahm mich die Geschichte wieder sehr mit, und mir schossen das ein oder andere Mal die Tränen in die Augen.
Im Prinzip lässt sich dieser Band auch ohne Kenntnis des ersten Bandes lesen – ich empfehle aber trotzdem, dass man „Minna – Kopf hoch – Schultern zurück“ zuerst gelesen hat, da man dann Begebenheiten, Figuren und ihr Verhalten/ ihre Entwicklung besser zuordnen und verstehen kann.

Den geschichtlichen Hintergrund bilden die Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, welcher mutmaßlich weltweit mehr als 70 Millionen Menschen das Leben kostete. Nach Ende des Krieges liegt die Welt in Trümmern – und auch in vielen deutschen Städten reiht sich eine Ruine an die andere. Nach dem ‚Hungerwinter 1946/ 1947‘, welcher hunderttausenden Menschen den Tod brachte und erst 1948 nach der Stabilisierung der Versorgung der Bevölkerung endete, kam es mit der Währungsreform im Sommer 1948 und der Gründung der BRD 1949 in den westdeutschen Gebieten zu einem Wiederaufbau und wirtschaftlichen Aufschwung.
Doch auch Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges war die Gesellschaft noch immer von den Wunden schwer gezeichnet – Wunden welche auch nicht so schnell verheilen konnten. In vielen Köpfen war der (Alltags)-Rassismus weiterhin fest verankert und viele ehemalige Nationalsozialisten hatten wieder ihren Platz in der Gesellschaft und der Arbeitswelt gefunden. Die Gesellschaft schwankte zwischen ‚Vergessen wollen‘ und der Aufarbeitung des Holocausts.
All diese Themen und Hintergründe stellt Felicitas Fuchs fundiert und kenntnisreich da und verbindet diese gekonnt mit den (größtenteils wahren) Geschichten ihrer Protagonisten. Dadurch wird Geschichte erleb- und greifbar.
Dies ist ein ganz wunderbarer zweiter Band einer temporeichen Familiengeschichte. Ich freue mich schon so sehr auf den dritten Band, welcher am 12. Juli 2023 erscheinen wird.
Herzlichen Dank liebe Felicitas Fuchs für dieses mitreißende Lese-Erlebnis.

Fazit: Was für eine unvergessliche und mitreißende Geschichte, welche ich mit Sicherheit noch einmal lesen werde. Am Ende des Buches brannten meine Augen – ich hatte vor Rührung und auch Traurigkeit die Tränen in den Augen.
Absolut lesens- und empfehlenswert – aber Vorsicht: Absolute Suchtgefahr!

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

„Ginsterhöhe“

von Anna-Maria Caspari

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 29. Dezember 2022
Verlag: Ullstein
Ausgabe: Klappbroschur
ISBN: 978-3-86493-202-1
Seitenanzahl: 400 Seiten
Preis: 16,99€

Klappentext:
1919: Körperlich und psychisch schwer versehrt kehrt der junge Bauer Albert Lintermann in sein Heimatdorf Wollseifen zurück. Seine Frau Bertha begegnet ihm mit Abscheu und Entsetzen. Doch Albert lässt sich nicht unterkriegen, und es gelingt ihm, seinen Platz in der Familie und der Dorfgemeinschaft wiederzufinden, nicht zuletzt, weil ihm Leni, die Verlobte seines im Krieg gefallenen Freundes, dabei hilft. Eine Zeitlang sieht es so aus, als könne das Leben wieder in geordneten Bahnen verlaufen: die Familie wächst, der Hof wird größer und trotz der zunehmenden Inflation hält der Fortschritt Einzug in Wollseifen. Bis die Nationalsozialisten in die karge ländliche Idylle einfallen und das Schicksal der kleinen Eifelgemeinde und ihrer Bewohner für immer besiegeln …“

https://www.ullstein.de/werke/ginsterhoehe/paperback/9783864932021#vorablesen

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: Ullstein-Verlag

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Das Buch „Ginsterhöhe“ von Anna-Maria Caspari ist ein Roman, welcher in der Zeit 1919 bis 1949 spielt und mit fiktiven Figuren die wahre und dramatische Geschichte des Dorfes Wollseifen in der Eifel beschreibt.

1919: Der Erste Weltkrieg hat den jungen Bauer Albert Lintermann schwer an Körper und Seele gezeichnet. Mit einem völlig entstellten Gesicht, welches seine Frau Bertha entsetzt und abstößt, und von Alpträumen geplagt kommt er wieder in sein Heimatdorf Wollseifen in der Eifel zurück. Dort kämpft er sich mühsam ins Leben zurück. Mit Hilfe der jungen Leni, die Verlobte seines im Krieg gefallenen Freundes, findet er wieder seinen Platz in der Familie und in der Dorfgemeinschaft. Albert vergrößert und modernisiert den elterlichen Hof und seine Familie wächst – trotz der voranschreitenden Inflation hält der Fortschritt Einzug in Wollseifen.
Doch dann fallen die Nationalsozialisten in die ländliche Idylle ein und besiegeln Stück für Stück das Schicksal des Dorfes und das Leben der Bewohner. Und auch der Schrecken des Krieges kehrt mit aller Macht in die Dorfgemeinschaft zurück und reißt nicht nur bei Albert alte, nicht verheilte Wunden auf.

Dieses Buch fiel mir schon um die Zeit des Erscheinungsdatums in den Sozialen Medien auf. Das sehr individuelle und stimmungsvolle Cover und auch der Klappentext machten mich direkt sehr neugierig.
Das Cover zeigt eine Frau und einen Mann mit den Rücken vor einer historischen Fotografie eines Dorfes. Die beiden Figuren wirken so, als würden sie auf das Dorf zulaufen, sie bewegen sich auf gezeichneten gelben Linien, welche mich an einen gepflügten Acker erinnern lässt. Über dem Foto des Dorfes (welches eine alte Ansicht von Wollseifen sein könnte), ist der Titel des Buches auf gelben Hintergrund in rötlich-brauner Schrift geschrieben, auf dem gelben Hintergrund sind zudem die gezeichneten Umrisse der Blüten des Ginsters zu sehen, welche den Titel nochmal unterlegen.
Als mir der Ullstein Verlag dieses Buch als Rezensionsexemplar anbot, musste ich nicht lange überlegen und sagte direkt zu. An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an den Ullstein Verlag für die Zusendung und Bereitstellung des Buches.
Indes ich das Buch auspackte, stellte ich mit großer Freude fest, dass es sich um eine sehr hochwertige Klappbroschur handelt: In der vorderen Klappe befindet sich eine Landkarte – hier wird die geographische Lage des Handlungsortes ersichtlich. In der hinteren Klappe befinden sich historische Ansichten des Dorfes Wollseifen wieder.
Die chronologisch, aber immer wieder mit Rückblenden erzählte Handlung des Buches spaltet sich in insgesamt 28 Kapitel auf und wird in drei Teile aufgeteilt: „Teil I: 1919-1928“, „Teil II: 1930-1939“ und „Teil II: 1939-1949“. Zwischen den Kapitel sind immer wieder ‚Aufzeichnungen des Lehrers Martin Faßbender‘ aufgeführt, welche nochmals zusätzlich zu der hohen Authentizität des Buches sorgen. An den dritten und letzten Teil schließen ein historisches Nachwort und die Danksagung der Autorin an. Damit wirkt das gesamte Buch sehr rund und stimmig.

Die Figuren des Buches sind größtenteils fiktiv, sie konnten mich alle mit ihren lebensechten und facettenreichen Darstellungen sehr überzeugen.
Zu Beginn des Buches lernte ich den jungen Bauern Albert kennen. Sein Gesicht wurde an der Front durch eine Granate zur Hälfte zerstört. Der Tod des besten Freundes hat ihm zudem Wunden an der Seele zugefügt, welche ihn immer wieder aus dem Schlaf reißen. Sein soziales Umfeld geht ganz unterschiedlich mit diesen schweren Verletzungen um: Während seine Eltern es hinnehmen, wendet sich Alberts Frau Bertha von ihm ab – sie empfindet Abscheu und vor allem Entsetzen. Im Dorf selbst erfährt Albert Zuspruch, Gleichgültigkeit aber auch Hohn und Spott. Doch Albert gibt nicht auf und mit Hilfe und Rückhalt von Leni kämpft er sich in sein Leben zurück. Mit vielen Ideen und Erneuerungen führt er den elterlichen Hof weiter und ist gleichzeitig noch ein strenger aber auch liebevoller Vater. Der Charakter von Albert konnte mich auf so viele Art und Weisen überzeugen: Zu Beginn ist er ein gebrochener Mann, welcher sich dann im Laufe der Handlung immer weiter entwickelt. Sein Schicksal, seine ganze Familiengeschichte nahm mich sehr mit und ich bewunderte ihn für seine Stärke, seine Ruhe und sein Durchhaltevermögen.
An Alberts Seite stehen viele verschiedene Figuren: Leni ist die Verlobte seines verstorbenen besten Freundes. Schon nach wenigen Sätzen wird klar, dass die Beiden etwas füreinander empfinden – aber nicht dürfen. Albert ist mit Bertha verheiratet, welche eine eher undurchsichtige Frau ist und sehr oft nur mit ihren eigenen Problemen beschäftigt ist. Auch Leni hat viele eigene Probleme, sie vergisst aber nie die Menschen in ihrer näheren Umgebung und hat das Herz am rechten Fleck.
Immer an Alberts Seite ist sein bester Freund Silvio: Dieser sympathische und vielfache Familienvater führt das Wirtshaus des Dorfes – hier trifft sich am Abend nach getaner Arbeit das halbe Dorf.
Es gibt noch einige weitere Charaktere, auf die ich aber nicht näher eingehen möchte, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme.
Wie ich bereits geschrieben habe, konnten mich alle Figuren absolut überzeugen: Sie sind so facettenreich gezeichnet und wirken damit absolut glaubhaft und lebensecht – auch die weniger freundlichen und sympathischen Figuren. Anna-Maria Caspari hat mit ihnen allen ein sehr authentisches Bild der Gesellschaft gezeichnet – eine Dorfgemeinschaft, welche tief gespalten und zerrissen ist: Zerrissen durch den Krieg, aber auch durch den erstarkenden Nationalsozialismus.
Die teils sehr mitreißenden Geschichten und Lebenswege der Figuren verursachten bei mir während des Lesens ein Wechselbad der Gefühle – selten fühlte ich mich mit den Figuren eines Buches so verbunden und litt mit ihnen mit oder freute mich mit ihnen. Es sind Figuren, die sich von Schicksalsschlägen nicht unterkriegen lassen und ich werde diese mitreißenden Lebensgeschichten mit Sicherheit nicht mehr so schnell vergessen.
Und: Da es sich um den Auftakt einer Trilogie handelt, bleibt es spannend, wie es mit den Charakteren noch weitergehen wird.

Anna-Maria Caspari hat einen angenehmen, flüssigen und detaillierten Sprachstil, der zwar manchmal etwas distanziert wirkt, mich aber trotzdem voll in die Geschichte mitnehmen konnte. Sie schildert geschichtliche Begebenheiten so intensiv, dass ich oft das Gefühl hatte, direkt dabei zu sein. Viele Schicksalsschläge nahmen mir mitunter die Luft zum atmen, da diese so intensiv beschrieben werden.
Besonders gelungen fand ich die Tagebucheinträge des Lehrers zwischen den Kapiteln, welche noch einmal eine große Authentizität in die Geschichte bringen.
Es ist definitiv kein Buch, welches man nebenbei liest, es ist eine Geschichte, die einen mitreißt und nicht mehr so schnell loslässt – die 400 Seiten waren im Nu gelesen.

Den geschichtlichen Hintergrund des Buches bilden die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, die Machtergreifung der Nationalsozialisten, das Dritte Reich und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Diese Ereignisse schildert und verbindet die Autorin mit den Lebensgeschichten ihrer fiktiven Figuren.
Es ist absolut spannend aber auch bedrückend und erschreckend zu erfahren, wie der Nationalsozialismus das Dorfleben und das Leben der Menschen einnehmen und verändern.
Die wahre Geschichte des Dorfes Wollseifen, in welches die Nationalsozialisten eindringen, die Bevölkerung spalten und das Schicksal des bis dahin für die Weltgeschichte völlig unbedeutenden Ort für immer besiegeln, hat die Autorin wunderbar herausgearbeitet und mit den Schicksalen ihrer fiktiven Figuren gekonnt verwoben.
Danke für dieses äußerst intensive und emotionale Leseerlebnis! Die weiteren Bände der Buchreihe werde ich auf jeden Fall mit großen Interesse lesen.

Fazit: Dieses Buch ist ein absolutes Meisterwerk, welches reale Historie mit Fiktion verbindet und von der ersten bis zur letzten Seite bestens unterhält. Hier erlebt man Geschichte und Geschichten hautnah und ungeschönt – Schicksalsschläge, Freundschaften, Freude aber auch Tod und Verzweiflung. „Ginsterhöhe“ ist ein Roman, welchen ich so schnell nicht mehr vergessen werde! Unbedingt lesen!

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

„Gut Erlensee – Cäcilias Erbe“

von Juliana Weinberg

[Werbung*]

Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 27. Dezember 2022
Verlag: HarperCollins
Ausgabe: Taschenbuch
ISBN: 978-3-365-00041-0
Seitenanzahl: 400 Seiten
Preis: 12€

Klappentext:
März 1922 bei Kiel. Cäcilia Herringer kann es kaum glauben: Sie hat es geschafft und die Ausbildung zur Lehrerin erfolgreich abgeschlossen. Dass sie für ihren großen Traum auf eine Ehe und Kinder verzichten muss, ist der jungen Frau egal, denn sie will sich auf keinen Fall in die Abhängigkeit eines Mannes begeben. Aber dann trifft Cäcilia den Physiker Jakob Kaltenbrunner, und das erste Mal in ihrem Leben hat sie das Gefühl, dass jemand ihre Begeisterung für Wissen versteht. Und während die Bindung zu ihrer neuen Familie auf Gut Erlensee, zu ihrem Patenonkel und ihren Cousinen auseinanderzubrechen droht, ist Jakob immer an ihrer Seite. Doch Cäcilia kann es sich auf keinen Fall erlauben, sich zu verlieben …“

https://www.harpercollins.de/products/gut-erlensee-cacilias-erbe-9783365000410

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise von der Autorin Juliana Weinberg als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

– Meine ausführliche Rezension zum ersten Teil findet ihr hier: „Gut Erlensee – Margaretas Traum“

Coverrechte: HarperCollins

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Das Buch „Gut Erlensee – Cäcilias Erbe“ von Juliana Weiberg ist der zweite Teil einer Buchreihe, welche in den frühen Jahren nach Ende des Ersten Weltkriegs spielt. Dieser Teil zeigt, wie der strenge Lehrerinnenzölibat das Privatleben und die Zukunft der jungen Cäcilia festschreibt.

Es ist das Jahr 1922 in der Nähe von Kiel: Die junge Cäcilia Herringer hat ihre Ausbildung zur Lehrerin erfolgreich abgeschlossen. Wie es der Zufall möchte, erhält sie eine Anstellung als Lehrerin im Dorf, in welchem auch die Familie ihres Patenonkels lebt. Somit kehrt sie auf das Gut Erlensee zurück und möchte sich ganz ihrem Beruf verschreiben – dieser sieht allerdings die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie vor: Das sogenannte ‚Lehrerinnenzölibat‘. Das schreckt Cäcilia nicht ab, da sie sich auf keinen Fall in die Abhängigkeit eines Mannes begeben möchte. Als Cäcilia dann jedoch völlig unverhofft den Physiker Jacob kennenlernt, stehen all ihre Pläne und Wünsche auf der Kippe. Jacob teilt und versteht Cäcilias Begeisterung für Wissen.
Doch plötzlich ereilt Cäcilia die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Vaters in Nürnberg. Cäcilia reißt nach Nürnberg – was ihr dort offenbart wird, stellt nicht nur ihr komplettes bisheriges Leben auf den Kopf.

Nach den beiden Roman-Biographien „Audrey Hepburn und der Glanz der Sterne“ und
„Josephine Baker und der Tanz des Lebens“ gehört Juliana Weinberg zu meinen Lieblingsautorinnen. Ich mag ihren bildhaften, aber auch ruhigen und aufgeregten Schreibstil sehr gerne und auch ihre Geschichten wissen mich immer zu begeistern.
Als sie in den sozialen Medien ihre neue Trilogie „Gut Erlensee“ ankündigte, war mein Interesse sofort geweckt. Ich mag Buchreihen, die im 20. Jahrhundert spielen und zeigen, wie schwer der Weg der Frauen damals in Richtung Gleichberechtigung war.
Mit großer Begeisterung habe ich den Auftakt „Gut Erlensee – Margaretas Traum“ gelesen und war schon sehr gespannt, wie es im zweiten Teil der Reihe mit all den liebgewonnen Charakteren und ihren interessanten Lebensgeschichten weitergehen sollte.
Diesen zweiten Teil erhielt freundlicherweise direkt von der Autorin als kostenloses Rezensionsexemplar, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte. Auch für den stets freundlichen Kontakt in den Sozialen Medien möchte ich meinen großen Dank ausdrücken.

Das äußerst stimmungsvolle Cover, welches zudem auch noch perfekt zum ersten Teil der Reihe passt, machte mir direkt Lust auf die Geschichte: Hier sehen wir eine junge Frau in einem hellblauen Kleid, welche seitlich zum Betrachter auf einem Holzsteg an einem See steht, ihre Hände sind auf dem Rücken verschränkt. Ihr Blick und auch ihre Körperhaltung richten sich nach rechts aus, so als würde sie auf jemanden warten und diesen bereits außerhalb des Bildes erblicken. Der See liegt spiegelglatt zu ihren Füßen und am gegenüber liegenden Ufer schließt sich eine Wiese an, welche mit ihrem satten grün bis zum Horizont reicht. Über dem in weiß geschriebenen Haupttitel „Gut Erlensee“, welcher mit einem Foto eines Guts hinterlegt ist und sehr dominant wirkt, steht ebenfalls in weißer Schrift der Name der Autorin. Unter dem Haupttitel befindet sich der Untertitel „Cäcilias Erbe“ – dieser ist allerdings in grüner Schrift gehalten.
Es handelt sich um ein einfaches Taschenbuch, ohne Klappen, mit genau 400 Seiten.
Die Handlung des Buches beginnt im März 1922, etwa zwei Jahre nach Ende des ersten Teils und beginnt ohne Prolog direkt mit dem ersten Kapitel. Der Epilog setzt im August 1923 an, demnach umfasst die gesamte, chronologisch erzählte Handlung des Buches etwa eineinhalb Jahre.
Der hier vorliegende zweite Teil lässt sich eigenständig lesen – also ohne Vorkenntnisse des ersten Teil. Allerdings empfehle ich immer, eine Buchreihe komplett zu lesen, da man dann Geschehnisse und Hintergründe besser ein- und zuordnen kann und die Entwicklung der einzelnen Figuren besser sieht und versteht.

In diesem Buch steht die titelgebende Cäcilia im Mittelpunkt der Geschichte: Nach dem Tod ihrer Mutter wurde sie von ihrem Vater zu der Familie ihres Patenonkels Hermann auf das Gut Erlensee geschickt. Nach Ende ihrer Ausbildung im Lehrerinnenseminar kehrt sie auch dorthin zurück, um eine Anstellung als Dorflehrerin anzunehmen. Cäcilia ist eine sehr feinfühlige, aber doch auch starke junge Frau, welche mich mit ihrer mitreißenden und wechselvollen Geschichte begeistern konnte. Ihr werden immer wieder Steine in den Weg gelegt, welche sie zum stolpern bringen, aber Cäcilia lässt sich nicht so schnell entmutigen und versucht tapfer ihren Weg zu finden und zu gehen. An ihrer Seite ist der höchst sympathisch gezeichnete Physiker Jakob, zu welchem sie sich hingezogen fühlt. Doch diese Liebe darf nicht sein, da sich Cäcilia zwischen ihm und ihrem Beruf entscheiden muss: Das Lehrerinnenzölibat schreibt eine Unvereinbarkeit von ihrem Beruf und der Ehe fest.
Auch wenn wieder nicht alle Figuren und ihr Verhalten angenehm sind, freute ich mich, viele der bereits aus dem ersten Teil bekannte Figuren wieder zu treffen und weiter verfolgen zu dürfen.
Margareta, welche im ersten Teil im Zentrum der Geschichte steht, tritt hier hinter Cäcilia zurück und spielt nur noch am Rande eine Rolle. Zusammen mit ihren Geschwistern und ihrer famosen Großmutter Ilsegard Lamprecht bilden sie für Cäcilia den Fels in der Brandung – bei ihnen fühlt sich angenommen und sie alle verbindet ein inniges Band der Vertrautheit. Immer wieder führt sie ihr Weg auf das Gut Erlensee zurück.
Wenn da nur nicht Adelheid Lamprecht wäre, die Frau von Cäcilias Patenonkel Hermann. Mit ihren spitzen Bemerkungen und ihrem Verhalten zeigt sie Cäcilia sehr genau, was sie von ihr hält. Und das ist sehr wenig. Doch auch Adelheids Auftreten gegenüber ihrer jüngsten Tochter Carla und deren Erziehung lässt ihre Sympathie nicht gerade steigen: Adelheid ist, wie auch ihr Ehemann Hermann, in der Zeit stehen geblieben. Den Beiden ist gesellschaftliches Ansehen extrem wichtig und sie möchten für ihre Kinder nur die besten und profitabelsten Verbindungen. Auch wenn Hermann sich im Gegensatz zu seiner Frau etwas positiv weiterentwickelt hat, setzt Adelheid ihre wenig sympathische Gesinnung weiter fort. Auch in diesem Teil hätte ich sie gerne das ein oder andere Mal kräftig geschüttelt, so ungerecht empfand ich ihr Verhalten.
Wie bereits im Reihen-Auftakt konnte mich die Geschichte von Gregor Lamprecht sehr begeistern und mitreißen. Er ist der einzige Sohn von Hermann und Adelheid und konnte seinen Lebenstraum eines eigenen Gestüts verwirklichen. Er könnte so glücklich sein, aber leider muss er einen großen Teils seines Lebens vor den anderen Mitgliedern der Familie verheimlichen.
Auch wenn einige Figuren nicht mit Sympathien glänzten, konnten mich aber alle Charaktere in ihrer Gesamtheit sehr begeistern, da sie sehr facettenreich beschrieben sind und alle zusammen ein gutes und authentisches Bild der zutiefst zerrissenen und gespaltenen Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg abgeben.
Es bleibt spannend, wie es mit ihnen und ihren vielfältigen Lebensgeschichten im dritten und abschließenden Band weiter gehen wird.

Wie auch schon im ersten Teil konnte mich der ruhige, aber doch auch äußerst bildhafte Schreibstil der Autorin wieder sehr schnell in die Geschichte mitnehmen. Ich nahm das Buch immer wieder gerne in die Hände und freute mich sehr auf das weiterlesen. Mitunter ist die Stimmung eher melancholisch, doch es kommen auch immer wieder Momente, in denen sich die Stimmung löst und heiterer wird.

Den geschichtlichen Hintergrund bilden die Jahre 1922 und 1923. Vier Jahre sind nach Ende des Ersten Weltkriegs vergangen und die Weimarer Republik schien langsam in den Köpfen der Menschen angekommen zu sein. Doch leider stand diese Republik wirtschaftlich von Beginn an mit dem Rücken zur Wand: Sie hatte bei den Siegermächten und auch bei der eigenen Bevölkerung hohe Schulden. Die Bevölkerung hatte mit den sogenannten Kriegsanleihen dem Staat Millionen von Mark zugesteckt – diese mussten nun, neben den immensen Reparationszahlungen und dem eigenen wirtschaftlichen Aufbau des Landes, zurückgezahlt werden. Es wurde daraufhin mehr Geld in Umlauf gebracht, womit das Geld immer mehr an Wert verlor: Die Preise und Löhne explodierten zunehmend.
Ein weiteres geschichtliches Thema, welches im Mittelpunkt der Geschichte steht, ist das sogenannte Lehrerinnenzölibat: Dieses wurde 1880 im Deutschen Reich eingeführt und untersagte Lehrerinnen zu heiraten. Falls dies missachtet wurde, folgte die Kündigung – damit erlosch auch der Anspruch auf ein Ruhegehalt.
Der Lehrerinnenberuf diente lediglich der kurzfristigen Versorgung unverheirateter Frauen aus bürgerlichen Familien. Eine Doppelbelastung durch Beruf und Familie traute man Frauen nicht zu. Aber auch arbeitsmarktpolitische Aspekte stellten eine Grundlage des Lehrerinnenzölibats da: Berufstätige Frauen galten als eine unnötige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Damit war der Lehrerinnenzölibat ein Instrument, mit welchem flexibel auf die jeweilige Arbeitsmarktsituation reagiert werden konnte. Bestand ein Lehrermangel, wurde er gelockert, wenn hingegen ein Überangebot bestand, konnten damit Lehrerinnen vom Arbeitsmarkt verdrängt werden.
Erst im Jahr 1957 wurde eine Zölibatsklausel in Arbeitsverträgen vom Bundesarbeitsgericht generell als verfassungswidrig und damit als nichtig erklärt.
Diese vielfältigen geschichtlichen Hintergründe hat Juliana Weinberg äußerst akribisch und genau recherchiert und verknüpft diese mit den spannenden Lebensgeschichten ihrer fiktiven Charaktere.

Auch dieser Teil der Reihe endet so, dass man unbedingt wissen möchte, wie es im dritten Teil mit all den Figuren und ihren Geschichten weitergeht und man am liebsten einfach weitergelesen hätte.
Der dritte und abschließende Teil „Gut Erlensee – Marillas Schicksal“ erscheint am 25. Juli 2023 – dann heißt es leider Abschied von der turbulenten und liebgewonnen Familie Lamprecht zu nehmen.

Ganz herzlichen Dank liebe Juliana Weinberg für dieses großartige und mitreißende Lese-Erlebnis und einen Roman, in den man einfach nur versinken kann und alles um sich herum vergisst.

„ … ihr Leben fühlte sich an, als sei es einem wunderschönen Roman entsprungen, in dem man versank, bis alles andere um einen herum verblasste.“

[Seite 379 , Zeilen 25 – 27]

Fazit: Ich liebe diese Buchreihe und habe all diese unterschiedlichen und größtenteils liebenswerten Figuren tief in mein Leseherz geschlossen. „Gut Erlensee – Cäcilias Erbe“ ist eine wunderbare Fortsetzung, welche dem ersten Teil in Nichts nachsteht und mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistern konnte. Absolute Lese-Empfehlung!

* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch die Autorin, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.