von Rena Rosenthal
Erschienen am 22. März 2021 im Penguin-Verlag
ISBN: 978-3328106807
https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Die-Hofgaertnerin-Fruehlingstraeume/Rena-Rosenthal/Penguin/e574886.rhd
Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar über das Bloggerportal.de zur Verfügung gestellt bekommen .
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Die Zitate beziehen sich auf die Seitenzahl und Zeilenzahl der Printausgabe
Das Buch „Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume“ von Rena Rosenthal ist der Auftakt einer Familiensaga, die im ausgehenden 19. Jahrhundert in und um Oldenburg spielt und von einer jungen Frau erzählt, die für ihren Traum Gärtnerin zu werden, alles riskiert.
Der Prolog des Buches setzt im Oktober 1881 an: Die junge Marleene liebt Pflanzen und Blumen und möchte einmal in die Fußstapfen ihres Vaters treten und eine Ausbildung zur Gärtnerin machen.
Zehn Jahre später ist von Marleenes Träumen nicht mehr viel übrig: Als Zimmermädchen fristet sie ein armseliges Leben und muss unter einer kontrollsüchtigen Chefin arbeiten. Mit ihrer gutmütigen Cousine Frieda teilt sie sich ein winziges Zimmer in einer Herberge.
Doch sie träumt noch immer, mit Pflanzen und Blumen zu arbeiten und versucht in der nahegelegenen Hofgärtnerei, in der auch hier Vater arbeitete, eine Ausbildungsstelle zu bekommen – doch vergebens. Als Frau hat sie keine Chance.
Da trifft sie eine Entscheidung, die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt: Marleene verkleidet sich als junger Mann und versucht wieder ihr Glück.
Währenddessen verliebt sich Frieda in Manilo, einem Angestellten der Hofgärtnerei.
Auf das Buch bin ich über die sozialen Medien aufmerksam geworden: Das Cover und auch der Klappentext haben mich direkt angesprochen und ich bewarb mich im ‚Bloggerportal‘ um ein Rezensionsexemplar. Da ich selbst gelernte Gärtnerin bin, war ich auf die Geschichte sehr gespannt und freute mich auf die Kombination Garten und Buch.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Penguin-Verlag für die Zusendung des Buches.
Fangen wir mit der Hauptfigur Marleene an: Ich mochte sie ab der ersten Zeile des Buches, da sie gleich so sympathisch und auch authentisch beschrieben wird. Sie ist taff, aber auch innerlich zutiefst verletzt. Marleene macht alles, um sich ihren Traum zu erfüllen – sie gibt sogar ihre Identität auf. Das fand ich so bewundernswert, aber auch einfach so erschreckend, dass sie sich gezwungen sah, sich als junger Mann zu verkleiden. Sie möchte sich nicht damit zufrieden geben, dass Männern alle Türen offen stehen, Frauen hingegen nicht.
„Marleene hat es nie verstanden, warum Männern in dieser Welt so viel mehr Rechte zugestanden wurden. Als wären sie bessere Menschen. Als hätten sie mehr verdient, nur weil sie von Natur aus höher gewachsen und kräftiger waren. Dabei hatten Frauen ganz andere Vorzüge, und eigentlich ergänzten sich Männer und Frauen doch hervorragend. Warum also sollte ihr weniger zustehen, nur weil sie zufällig als Frau geboren worden war?“
[S. 38, Z.30-31, S.39, Z. 1-6]
Frieda, Marleenes Cousine, nimmt auch eine zentrale Rolle in der Geschichte ein. Sie ist für Marleene der ruhende Pol, der ihr Halt gibt und sie auch immer wieder bestärkt und auch beschützt. Auch wenn Frieda selbst kein einfaches Leben führt, eine furchtbare Chefin hat und von einem Mann böse sitzengelassen wurde, gibt sich Frieda selbst und auch Marleene nicht auf.
Die beiden Brüder Konstantin und Julius Goldbach, die Söhne des Hofgärtnerei-Besitzers Alexander Goldbach, könnten gegensätzlicher nicht sein: Konstantin ist ein sehr extrovertierter Charakter, sein jüngerer Bruder ist sehr in sich gekehrt und ruhig. Dem Älteren wird natürlich alles ermöglicht, Julius hingegen muss immer wieder zurückstecken. Rosalie, die Schwester der Beiden ist ein sehr anstrengender Charakter. Marleene mochte ich ab der ersten Zeile, Rosalie hingegen mochte ich sehr schnell überhaupt nicht. Alexander Goldbach entwickelt sich im Laufe der Geschichte eher zum Negativen, anfangs hat er noch ein paar gute Seiten.
Die Belegschaft der Gärtnerei besteht aus einem bunten Haufen unterschiedlichster Charaktere – wie ein bunter Blumenstrauß hat jede Figur ihren Platz. Auch wenn nicht alle direkt sympathisch sind, jede einzelne Figur ist authentisch und lebensecht gezeichnet. Manch eine Figur wuchs mir schneller ans Herz als andere, bei anderen wurde man aber auch von ihren Handlungen überrascht. Sie geben einen guten Einblick in die Struktur der Gesellschaft und in das Gesellschaftsbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Es gibt noch zahlreiche andere Figuren, die, auch wenn sie nur am Rande eine Rolle spielen, die Geschichte sinnvoll weiterbringen und mich das ein oder andere Mal sehr überraschten. Mit ihren Ecken und Kanten und auch mit ihren begangenen Fehlern geben sie der Geschichte eine sehr gute Authentizität.
Die Autorin Rena Rosenthal stammt aus einer Gärtnerfamilie und hat mit diesem Buch ihre zwei großen Leidenschaften zusammengeführt: Ihre Liebe zu Pflanzen und dem gedruckten Wort.
Sie hat eine Menge Fachwissen im Bereich der Arbeiten in Gärtnereien eingebracht, aber auch viel zu der damaligen Gesellschaft recherchiert. Mit ihrer flotten und sehr bildhafter Sprache lässt sie die Seiten nur so dahinfliegen und ich konnte mich voll in die Geschichte und Handlung fallenlassen. Schon ab der ersten Seite konnte und wollte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen.
Die Handlung ist gut strukturiert und logisch aufgebaut. Bemerkenswert finde ich, dass Rena Rosenthal auch einige Szenen aus verschiedenen Blickwinkeln beschreibt und so alles noch einmal eindrücklicher wird.
Die Ausstattung des Buches ist wunderschön: Das bezaubernde Cover, die liebevoll gestalteten Buchklappen, das ausführliche Nachwort, ein Glossar und die tollen Tipps im hinteren Teil des Buches lassen keine Wünsche offen.
Das große Thema in diesem Buch ist der Kampf um die Gleichberechtigung der Frau im ausgehenden 19. Jahrhundert. Es ist unfassbar, dass Frauen mit dem Argument, sie hätten ja keine Familie zu ernähren, einen um vielfach geringeren Lohn bekamen, als Männer. Aber nicht nur das: In der Schulbildung wurden schon junge Mädchen benachteiligt. Wenn sie überhaupt in die Schule gehen durften, dann kürzer als ihre Mitschüler. Danach war es schwer bis unmöglich eine Ausbildungsstelle zu finden oder zu studieren. All diese Möglichkeiten wurden ihnen systematisch verwehrt und standen nur den Männern offen. Ohne Ausbildung bzw. Studium blieb vielen Frauen nur die niedrig bezahlte Hilfsarbeit. Den bürgerlichen Frauen (‚höhere Töchter‘) blieben zwar noch ein paar Möglichkeiten mehr an Bildung zu kommen, wie in dieser Geschichte beschrieben, der Besuch der ‚Gartenbauschule für höhere Töchter‘, aber ob sie danach auch tatsächlich eine Anstellung als Gärtnerin fanden, war sehr unwahrscheinlich.
«Und möglicherweise gibt es da draußen noch sehr viel mehr Frauen, die gerne Gärtnerin werden würden oder andere Berufe ergreifen möchten, was ihnen jedoch nicht erlaubt ist.«“
[S. 335, Z. 21 – 24]
Wie viele junge Mädchen und Frauen in dieser Zeit wohl ihre Identität geändert haben und ihre Röcke gegen Hosen getauscht haben, wird wohl schwierig herauszufinden sein.
All diese gesellschaftlichen Konflikte finden sich in „Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume“ wieder und werden von einer sehr starken und mutigen Hauptfigur zum Leben erweckt. Vieles wird klarer, aber längst nicht für den Leser einleuchtend – was für eine schreckliche und ungerechte Zeit für Frauen.
Jetzt freue ich mich auf den zweiten Teil, der im Frühjahr 2022 erscheinen soll.
Fazit: Rena Rosenthal ist ein spannungsreicher Auftakt zu einer großen Familiensaga gelungen. Ganz großes Kopfkino und mitreißend von der ersten bis zur letzten Seite. Liebe Rena – weiter so!
Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise als kostenloses Rezensionsexemplar vom Penguin-Verlag über das Bloggerportal.de erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen – meine Meinung wurde nicht beeinflusst.