„Fräulein Gold – Der Himmel über der Stadt“

von Anne Stern

Erschienen am 21. April 2021 im Rowohlt-Verlag
ISBN: 978-3499004315
https://www.rowohlt.de/buch/anne-stern-fraeulein-gold-der-himmel-ueber-der-stadt-9783499004315

Klappentext:
„Berlin, 1924. Hulda Gold arbeitet in der neuen Frauenklinik in Berlin-Mitte und versorgt dort die Frauen und ihre Neugeborenen. Die Geburtshilfe ist modern, Berlin am medizinischen Puls der Zeit. Doch es kommt zu einem tragischen Todesfall: Eine junge Schwangere stirbt bei einer Operation, die ausgerechnet der ehrgeizige Chef-Gynäkologe Egon Breitenstein durchführt.
Zufällig stößt Hulda auf Ungereimtheiten, die einen üblen Verdacht keimen lassen. Die Mauer des Schweigens, die sich in der Klinik aufbaut, ist für die Hebamme aber kaum zu durchdringen. Ein Dickicht aus Ehrgeiz und falschen Ambitionen umgibt die Ärzte, die bereit sind, ihr männliches Imperium zu verteidigen – wenn nötig, bis zum Äußersten.“

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen .
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und/ odervom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Falls ihr den ersten beiden Teile „Fräulein Gold – Schatten und Licht“ und „Fräulein Gold – Scheunenkinder“ noch nicht kennt, aber lesen möchtet, solltet ihr diese Rezension zum dritten Teil nicht lesen – ‚Spoilergefahr‘!
– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier: https://buechertanz.de/?p=1330, zum zweiten Teil hier: https://buechertanz.de/?p=1690

Das Buch „Fräulein Gold – Der Himmel über der Stadt“ von Anne Stern ist der dritte Teil einer Reihe, in welcher die Hebamme Hulda Gold im Berlin der 1920er Jahre immer wieder auf tragische Todesfälle stößt und mit eigenen Ermittlungen beginnt.

Der Prolog des Buches setzt im Jahr 1922 an. Bei einer jungen Frau kommt es während der Geburt ihres Wunschkindes in einer Berliner Klinik zu schweren Komplikationen.
Zwei Jahre später tritt die ehemals freischaffende Hebamme Hulda Gold eine Stelle in der neuen Frauenklinik Berlin-Mitte an. Da die Hausgeburten immer mehr zurückgehen und zudem feste Arbeitszeiten winken, hat sich Hulda entschieden, ihrer Selbstständigkeit den Rücken zu kehren und diesen neuen Lebensweg einzuschlagen. Leicht fällt ihr es nicht, da sie sich nun den Ärzten der Klinik unterordnen muss und nur noch in Ausnahmefällen eine Geburt leitet.
Doch da stößt Hulda auf Ungereimtheiten und mysteriöse Todesfälle in der Klinik und beginnt eigenmächtig nachzuforschen. Sie stößt innerhalb und außerhalb der Klinik auf eine Mauer des Schweigens.
Aber auch in ihrem Privatleben muss Hulda kämpfen: In ihrer Beziehung mit dem Kommissar Karl North kriselt es zunehmend, da dieser immer öfter dem Alkohol zu spricht. Es droht zum Zerwürfnis der Beiden zu kommen, da sie Beide nicht wissen, wie sie ihre Zukunft gestalten möchten.

Vor einem Jahr habe ich den ersten Teil der Reihe um die Hebamme Hulda Gold gelesen und war direkt begeistert. Huldas eigenwilliger Charakter, ihre Spürnase und ihr Dickschädel, zusammen mit jeder Menge spannender Zeitgeschichte, machen für mich eine ideale Kombination aus.
Im Oktober 2020 erschien der zweite Teil und seit dem wartete ich ungeduldig auf den dritten Teil. Ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Hulda und Karl weitergeht… und endlich war es soweit und ich konnte den lang ersehnten dritten Teil in den Händen halten.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Rowohlt-Verlag und die Autorin, für die Zusendung des Buches als kostenloses Rezensionsexemplar.

Hulda Gold ist ein Charakter mit vielen Gesichtern: In diesem Teil hat sie sich von ihrem Leben als freie Hebamme verabschiedet und bekommt durch ihre Arbeit in der Klinik zwar geregelte Arbeitszeiten und Sicherheit, allerdings muss sie sich unterordnen – wer Hulda kennt weiß, wie schwer ihr das fallen kann. Und wenn sie dann auch noch auf die Spur von Unrecht und tragischen Todesfällen kommt, kann sie sich Nichts und Niemand zurückhalten. Sie kämpft für ihre Prinzipien und für schwächere Personen. Dabei vergisst sie sich auch immer mal wieder selbst und bringt sich dadurch in Gefahr.
Sie hadert aber auch immer wieder mit ihrer Entscheidung, ihre Selbstständigkeit aufgegeben zu haben.

Sie stellte sich vor, wie die Geburt verlaufen wäre, wenn sie Frau Bogenmüller in deren Wohnung entbunden hätte […] Mit klammen Handtüchern, Kindergeschrei von nebenan und dem ewigen Geruch nach gekochtem Kohl und Briketts, der die Berliner Mietshäuser tränkte, ja, der die Steine der Häuser zusammenzuhalten schien wie Zement. Eine unerklärliche Sehnsucht nach dieser Welt überfiel Hulda. Diese Welt war nicht immer schön, sie zeigte ihren Bewohnern nur allzu oft ihr grausames Antlitz. Doch sie, Hulda, hatte dort etwas bewirken können. Sie war dort Fräulein Gold gewesen, die Hebamme, die jeder kannte! Hier aber, in der peinlich sauberen, modernen Klinik, war sie einfach nur ein Fräulein ohne Namen, das zufällig Schicht hatte.“
[S. 148, Z. 16-30]

Mit ihrer Sturheit, aber auch mit ihren Selbstzweifeln, ist Hulda Gold einer der faszinierendsten und authentischsten fiktiven Figuren, die ich in meiner Lese-Laufbahn kennenlernen durfte und nie vergessen werde. Wie gerne würde ich mit Hulda durch das Berlin der 1920er Jahre flanieren und mit ihr einen Kaffee trinken.

Huldas Freund, Karl North, macht in diesem Teil leider eine nicht so gute Figur: Er hadert mit sich und seiner Vergangenheit. Als Waisenkind in grausamen Verhältnissen und ohne Liebe aufgewachsen, ohne Wurzeln, weiß er nicht, wo sein Platz im Leben ist. Auch wenn er als Kommissar bei der Kriminalpolizei angesehen wird, so richtig geht er nicht in seiner Arbeit auf. Er flüchtet sich immer mehr in den Alkohol und streitet sich mit Hulda über ihre gemeinsame Zukunft. Er ist ein trauriger und verunsicherter Charakter, den man ab und zu einfach nur in den Arm nehmen und kräftig drücken möchte.
Um Hulda und Karl finden sich noch eine Vielzahl an verschiedensten Figuren. Sie alle haben mich durch ihre Vielschichtigkeit und ihre Eigenheiten begeistert. Hier möchte ich an erster Stelle Huldas Vermieterin Frau Wunderlich und den Kioskbesitzer Bert nennen. Seit dem ersten Teil habe ich diese warmherzigen Charaktere ins Herz geschlossen, die für Hulda oft der Fels in der Brandung sind und immer ein offenes Ohr für sie haben. In jedem Teil erfährt man Neues über diese beiden starken Charaktere.
In der Klinik trifft Hulda auf Personen, die sie, aber auch der Leser/ die Leserin erst noch kennenlernen müssen. Sie alle geben ein gutes Bild der Gesellschaft der 1920er Jahre ab. Ich möchte nicht näher auf die einzelnen Charaktere eingehen, da ich sonst einiges der Spannung vorwegnehmen würde.
Huldas Freundin, die Apothekerin Frau Martin, brachte noch einmal Wärme und Authentizität in die Geschichte. Sie ist die Person, um die sich Hulda sorgt und für die sie da ist. Aber auch andersrum kann sich Hulda immer auf ihre Freundin verlassen und hat mir ihr eine Ansprechpartnerin auf Augenhöhe.

Wie bei den vorherigen Bänden konnte ich ab dem ersten Kapitel wieder tief in die Geschichte abtauchen. Mit ihrer wunderbaren, detaillierten, bildgewaltigen und flüssigen Sprache, lässt Anne Stern auf keiner Seite Langeweile aufkommen und entführt den Leser mit viel Ortskenntnis in das Berlin der 1920er Jahre.

Die Handlung des Buches konnte mich auch wieder ab der ersten Seite begeistern, machte mich teilweise aber auch wieder fassungslos, wie die Lebensverhältnisse waren, wie mit Frauen umgegangen und wie schwer es ihnen die Gesellschaft damals machte. Diesmal lag der Schwerpunkt des Buches nicht komplett auf der Aufklärung eines Verbrechens, die Entwicklung der Charaktere wurde mehr in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt. Ganz verzichten müssen wir aber auf Huldas Spürnase nicht, da sie in der Klinik auf Ungereimtheiten stößt, die ihren Nachforschungen bedürfen.

Das Hauptthema des Buches „Fräulein Gold – Der Himmel über der Stadt“ ist die Veränderung der Geburt: Die Hausgeburten rückten damals in den Hintergrund, immer mehr Geburten fanden in Kliniken statt. Damit wurde aber auch die Arbeit der Hebammen weniger geschätzt und geachtet, die Geburten wurden männliches Hoheitsgebiet und sollten kalkulierbarer werden. Erschreckend fand ich, wie wenig die Privatsphäre von Frauen aus den ärmeren Gesellschaftsschichten in der Klinik geachtet wurde.
Der geschichtliche Hintergrund bildet das Berlin der 1920er Jahre. Die Inflation ist überwunden, die Wunden des Ersten Weltkrieges klaffen allerdings noch immer im Leben der Menschen. Am Horizont ziehen die dunklen Vorboten des Dritten Reiches auf, das Gedankengut eines Adolf Hitler nehmen immer mehr Raum ein.

Und ganz große Freude: Wir dürfen uns noch auf einen weiteren Teil mit unserer Hulda freuen – am 16. November erscheint der vierte Teil. Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich freue!

Fazit: Der dritte Teil um Hulda Gold ist eine lesenswerte Fortsetzung der Reihe um die neugierige und dickköpfige Hebamme, die sich von Niemanden etwas vorschreiben lässt. Ich fühlte mich stets gut unterhalten, lernte noch einiges dazu und konnte das Buch stellenweise nur schwer aus der Hand legen. Mit ihrer wunderbaren, detaillierten, bildgewaltigen und flüssigen Sprache hat mich Anne Stern direkt in das Berlin der 1920er Jahre katapultiert. Absolute Lese- Empfehlung!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt-Verlag als Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.



„Das Kaffeehaus – Falscher Glanz“

von Marie Lacrosse

Erschienen am 13. April 2021 im Goldmann-Verlag
ISBN: 978-3442205981


https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Das-Kaffeehaus-Falscher-Glanz/Marie-Lacrosse/Goldmann/e561596.rhd

Klappentext:
„Die junge Sophie von Werdenfels tritt ihre Stelle als Kaiserin Sisis Hofdame an. Doch im Hofstaat hat sie es schwer. Insbesondere die Gräfin Marie Festetics, Sisis Favoritin, verfolgt jeden ihrer Schritte mit Eifersucht und Argwohn. Sophie erlebt das vordergründig glamouröse, hinter den Kulissen jedoch zutiefst bigotte Leben am Kaiserhof mit. Als Hofdame muss sie auch an der Hochzeit ihrer großen Liebe Richard mit Amalie von Thurnau teilnehmen. Als sie selbst gegen ihren Willen mit einem viel älteren Adeligen verheiratet werden soll, flieht sie vom Hof ins Kaffeehaus ihres mittlerweile schwer kranken Onkels. Dort übernimmt sie die ersten Leitungsaufgaben … „

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Goldmann-Verlag und der Autorin als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen .
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Falls ihr den ersten Teil „Das Kaffeehaus – Bewegte Jahre“ noch nicht kennt, aber lesen möchtet, solltet ihr diese Rezension zum zweiten Teil nicht lesen – ‚Spoilergefahr‘!
– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier: https://buechertanz.de/?p=1642

Meine Rezension:
Das Buch „Das Kaffeehaus – Falscher Glanz“ von Marie Lacrosse spielt im ausgehenden 19. Jahrhundert in Wien und beschreibt die Nachwirkungen der ‚Affaire Mayerling‘.

Der Prolog des Buches setzt Ende Februar im Jahr 1889 an: Ein Monat ist seit dem tragischen Tod des Kronprinzen Rudolf und seiner Geliebten Mary Vetsera vergangen. Die junge Sophie von Werdenfels, Marie Vetseras beste Freundin, verfügt über einen Abschiedsbrief ihrer Freundin und damit über Wissen in der ‚Affaire Mayerling‘, welches das Ansehen der gesamten österreichische Monarchie ins Wanken bringen könnte. Um sich Sophies Schweigens zu versichern, nimmt Kaiserin Sisi sie als Hofdame in ihre Dienste.
Sophie eröffnet sich mit diesem Dienst einen Blick hinter die Kulissen des glamourösen Kaiserhauses. Dort ist nichts, wie es nach außen hin scheint : Kaiserin Sisi ist noch immer in tiefer Trauer um ihren Sohn gefangen und unterliegt immer mehr dem Schönheitswahn. Aber auch von den anderen Mitgliedern des Hofstaates wird Sophie nicht mit offenen Armen empfangen. Missgunst und Intrigen beherrschen ihren Alltag. Sophie unternimmt mit Sisi Wanderungen, bereist Teile Europas und findet zu der unnahbaren Kaiserin langsam einen Draht. Aber auch zu Richard von Löwenstein, Sophies großer Liebe, hält sie weiterhin Kontakt, auch wenn sie seiner Hochzeit mit einer anderen Frau beiwohnen muss.
Doch als ihr geliebter Onkel und Patenonkel Stephan Danzer, der Inhaber des Kaffeehauses schwer erkrankt und Sophie an einen Adligen verheiratet werden soll, muss sich Sophie entscheiden: Kaiserlicher Hof oder Kaffeehaus, Kaiserin oder Familie.

Mit großer Begeisterung habe ich im Oktober 2020 den ersten Teil „Das Kaffeehaus – Bewegte Jahre“ gelesen und freute mich seit dem auf den zweiten Teil dieser fantastischen und wunderbaren Reihe. Zum einen finde ich die Zeit, in der dieses Buch spielt unglaublich spannend, aber auch die Charaktere sind mir schon sehr ans Herz gewachsen und ich wollte unbedingt wissen, wie es mit ihnen und ihrer Geschichte weitergeht.
Freundlicherweise bekam ich das Buch als Rezensionsexemplar vom Goldmann-Verlag zugesendet, da Marie Lacrosse mich auf ihrer „Bloggerliste“ aufnahm.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Goldmann-Verlag und an Marie Lacrosse für die Zusendung des Buches.

Am Anfang des Buches befindet sich ein umfangreiches Personen-Register. Auch wenn viele Figuren schon im ersten Teil eine Rolle spielten, war es gut, diesen Überblick zu haben. Trotzdem verlangten die vielen Personen, ihre Ränge und Titel einiges von mir ab. Ich blätterte anfangs immer wieder zum Personen-Register zurück, nach einer Weile hatte ich dann aber wieder alle bisherigen und neuen Charaktere auf dem Schirm und konnte voll und ganz in die Geschichte abtauchen.
Sophie von Werdenfels ist eine fiktive Figur, die eine zentrale Rolle in der Handlung einnimmt. Im ersten Teil stand ihre beste Freundin Mary Vetsera neben ihr, welche eine historische Persönlichkeit ist. Im zweiten Teil ist Sophie nun alleine, ihre Freundin ist tot und für Sophie beginnt ein neues Leben am Kaiserhof. Ein Leben, welches sie sich so nicht vorgestellt hat. Halt findet sie aber in ihrem Patenonkel Stephan Danzer, ihrer Mutter und einer anderen Hofdame. Sophie wirkt des Öfteren verloren, dann aber wieder setzt sie sich durch, packt mit an und beweist größten Mut in schwierigen Zeiten. Ich mochte Sophie schon im ersten Teil sehr gerne, da sie sich nicht unterkriegen lässt und sehr vielschichtig gezeichnet ist.
Richard von Löwenstein, Sophies große Liebe, spielt in diesem Teil auch wieder eine tragische Rolle. In seinem beruflichen Leben ist er ein starke und selbstsichere Persönlichkeit, er deckt mit viel Fingerspitzengefühl Missstände in der Armee auf, im Privaten muss er sich unterordnen und eine Frau heiraten, die er überhaupt nicht liebt.
Stephan Danzer, Sophies Patenonkel und Inhaber des Kaffeehauses ist eine meiner Lieblingsfiguren geworden. Seine herzliche, aber auch störrische Art mochte ich von Anfang an sehr gerne. Er ist für Sophie der Fels in der Brandung. Er empfängt Sophie immer mit offenen Armen und hat immer ein offenes Ohr für sie und gibt Sophie damit Wärme und Geborgenheit.
Ich habe mich sehr gefreut, dass auch Sophies engere Familie wieder eine Rolle gespielt hat – auch wenn nicht alle Mitglieder positiv in Erinnerung bleiben werden. Ich bin sehr gespannt, wie sich ihre jüngere Schwester im dritten Teil entwickeln wird.
Kommen wir nun zu den Mitgliedern des Hofstaates: Hier ist an erster Stelle natürlich Kaiserin Sisi zu nennen. Ja, mein Bild von ihr war durch die Klischee-behafteten „Sissi-Filme“ geprägt, die zuhause mindestens einmal im Jahr geschaut wurden. Mit der ‚Sissi‘ aus den Filmen hat die in diesem Buch historisch korrekter beschriebene Sisi nicht viel gemeinsam. Was für eine anstrengende, aber auch faszinierende Frau und Persönlichkeit. Marie Lacrosse erweckt sie zum Leben, wir laufen mit ihr über Berge, durch Wälder, lauschen ihren Gedichten und bekommen ihre Stimmungsschwankungen und ihre Trauer um ihren Sohn hautnah mit. Ein wacher und großer Geist, aber leider in tiefer Trauer, Verzweiflung und Schönheitswahn gefangen.
Um die Kaiserin wirken und leben noch viele andere Figuren. Sie alle sind lebensecht und authentisch gezeichnet. Einige Charaktere mochte ich auf Anhieb, einige mochte ich von Anfang an nicht. Sie alle tragen, ob positiv oder negativ durch die Geschichte und geben ein wunderbares Bild vom kaiserlichen Hof Ende des 19. Jahrhunderts ab. Viele Figuren sind historische Persönlichkeiten und durch Marie Lacrosse für mich viel greifbarer geworden. Fiktive Charaktere agieren hier neben historischen Persönlichkeiten und wurden perfekt miteinander verwoben.

Marie Lacrosse hat eine sehr lebendige, authentische und detaillierte Sprache, die niemals langatmig ist. Ich war schnell wieder in der Geschichte angekommen und wollte das Buch ungern aus den Händen legen. Langweile kam nie auf.
Durch die Einstreuung des Wiener Dialekts und vielen Details der Stadt und des Hofstaates hatte ich das Gefühl, vor Ort zu sein und alles zu mitzuerleben.
Die Autorin hat akribisch und intensiv recherchiert und zeichnet ein farbenfrohes und lebendiges Bild einer längst vergangenen Epoche. Wie der erste Teil fühlt sich auch der zweite Teil wie eine Zeitreise an. Ich saß im Kaffeehaus, war mit Sophie in der Wiener Hofburg und lief mit ihr an der Seite von Sisi bei starken Unwettern durch Wälder, tanzte auf pompösen Bällen und verweilte in der Wiener Innenstadt.
Ein ausführliches Nachwort der Autorin rundet das Buch perfekt ab.

Das große Thema des Buches ist die Zeit nach der ‚Affaire Mayerling‘, welche die kaiserliche Familie noch immer beschäftigte und die es auch zu vertuschen galt. Der Kronprinz Rudolf, der seine Geliebte erst seine junge Geliebte erschoss und sich dann selbst richtete, durfte auf keinen Fall als Mörder präsentiert werden. Ganz besonders fasziniert war ich, wie bildlich der Palast und seine Bewohner beschrieben wurden und wie allmählich der ‚falsche Glanz‘ zum Vorschein kam und in meinem Kopf das glanzvolle und glamouröse Bild der Kaiserfamilie und des Palasts ablöste.
Spannend fand ich das Thema des Streiks der Tramway- Kutscher. Diese mussten bis zu 19 Stunden täglich arbeiten und für Schäden an den Fahrzeugen selbst aufkommen. Mit dem Arzt, Journalisten und Politiker Victor Adler fanden diese Missstände Gehör und es kam zu Aufständen. Aber nicht nur die Tramway- Kutscher mussten für ein besseres Arbeitsleben kämpfen – auch Fabrikarbeiter mussten für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Mitten in diesen Unruhen und Aufständen treffen wir auch wieder auf eine gute Bekannte: Irene Gerban, bekannt aus der Reihe „Das Weingut“.

Fazit: Das Buch „Das Kaffeehaus – Falscher Glanz“ ist eine wunderbare Mischung aus großer Geschichte, Einzelschicksalen, Fiktion und großen Gefühlen. Ein wahrer Schmöker, den man nur noch ungern aus den Händen legt. Absolut empfehlenswert.
Ich freue mich schon so sehr auf den dritten Teil der Reihe, der im Herbst 2021 erscheinen wird.

Hinweis: Dieses Buch habe ich vom Goldmann-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Die Hofgärtnerin -Frühlingsträume“

von Rena Rosenthal

Erschienen am 22. März 2021 im Penguin-Verlag
ISBN: 978-3328106807
https://www.penguinrandomhouse.de/Taschenbuch/Die-Hofgaertnerin-Fruehlingstraeume/Rena-Rosenthal/Penguin/e574886.rhd

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar über das Bloggerportal.de zur Verfügung gestellt bekommen .
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Die Zitate beziehen sich auf die Seitenzahl und Zeilenzahl der Printausgabe

Das Buch „Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume“ von Rena Rosenthal ist der Auftakt einer Familiensaga, die im ausgehenden 19. Jahrhundert in und um Oldenburg spielt und von einer jungen Frau erzählt, die für ihren Traum Gärtnerin zu werden, alles riskiert.

Coverrechte: Penguin-Verlag

Der Prolog des Buches setzt im Oktober 1881 an: Die junge Marleene liebt Pflanzen und Blumen und möchte einmal in die Fußstapfen ihres Vaters treten und eine Ausbildung zur Gärtnerin machen.
Zehn Jahre später ist von Marleenes Träumen nicht mehr viel übrig: Als Zimmermädchen fristet sie ein armseliges Leben und muss unter einer kontrollsüchtigen Chefin arbeiten. Mit ihrer gutmütigen Cousine Frieda teilt sie sich ein winziges Zimmer in einer Herberge.
Doch sie träumt noch immer, mit Pflanzen und Blumen zu arbeiten und versucht in der nahegelegenen Hofgärtnerei, in der auch hier Vater arbeitete, eine Ausbildungsstelle zu bekommen – doch vergebens. Als Frau hat sie keine Chance.
Da trifft sie eine Entscheidung, die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt: Marleene verkleidet sich als junger Mann und versucht wieder ihr Glück.
Währenddessen verliebt sich Frieda in Manilo, einem Angestellten der Hofgärtnerei.

Auf das Buch bin ich über die sozialen Medien aufmerksam geworden: Das Cover und auch der Klappentext haben mich direkt angesprochen und ich bewarb mich im ‚Bloggerportal‘ um ein Rezensionsexemplar. Da ich selbst gelernte Gärtnerin bin, war ich auf die Geschichte sehr gespannt und freute mich auf die Kombination Garten und Buch.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Penguin-Verlag für die Zusendung des Buches.

Fangen wir mit der Hauptfigur Marleene an: Ich mochte sie ab der ersten Zeile des Buches, da sie gleich so sympathisch und auch authentisch beschrieben wird. Sie ist taff, aber auch innerlich zutiefst verletzt. Marleene macht alles, um sich ihren Traum zu erfüllen – sie gibt sogar ihre Identität auf. Das fand ich so bewundernswert, aber auch einfach so erschreckend, dass sie sich gezwungen sah, sich als junger Mann zu verkleiden. Sie möchte sich nicht damit zufrieden geben, dass Männern alle Türen offen stehen, Frauen hingegen nicht.

Marleene hat es nie verstanden, warum Männern in dieser Welt so viel mehr Rechte zugestanden wurden. Als wären sie bessere Menschen. Als hätten sie mehr verdient, nur weil sie von Natur aus höher gewachsen und kräftiger waren. Dabei hatten Frauen ganz andere Vorzüge, und eigentlich ergänzten sich Männer und Frauen doch hervorragend. Warum also sollte ihr weniger zustehen, nur weil sie zufällig als Frau geboren worden war?“
[S. 38, Z.30-31, S.39, Z. 1-6]

Frieda, Marleenes Cousine, nimmt auch eine zentrale Rolle in der Geschichte ein. Sie ist für Marleene der ruhende Pol, der ihr Halt gibt und sie auch immer wieder bestärkt und auch beschützt. Auch wenn Frieda selbst kein einfaches Leben führt, eine furchtbare Chefin hat und von einem Mann böse sitzengelassen wurde, gibt sich Frieda selbst und auch Marleene nicht auf.
Die beiden Brüder Konstantin und Julius Goldbach, die Söhne des Hofgärtnerei-Besitzers Alexander Goldbach, könnten gegensätzlicher nicht sein: Konstantin ist ein sehr extrovertierter Charakter, sein jüngerer Bruder ist sehr in sich gekehrt und ruhig. Dem Älteren wird natürlich alles ermöglicht, Julius hingegen muss immer wieder zurückstecken. Rosalie, die Schwester der Beiden ist ein sehr anstrengender Charakter. Marleene mochte ich ab der ersten Zeile, Rosalie hingegen mochte ich sehr schnell überhaupt nicht. Alexander Goldbach entwickelt sich im Laufe der Geschichte eher zum Negativen, anfangs hat er noch ein paar gute Seiten.
Die Belegschaft der Gärtnerei besteht aus einem bunten Haufen unterschiedlichster Charaktere – wie ein bunter Blumenstrauß hat jede Figur ihren Platz. Auch wenn nicht alle direkt sympathisch sind, jede einzelne Figur ist authentisch und lebensecht gezeichnet. Manch eine Figur wuchs mir schneller ans Herz als andere, bei anderen wurde man aber auch von ihren Handlungen überrascht. Sie geben einen guten Einblick in die Struktur der Gesellschaft und in das Gesellschaftsbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Es gibt noch zahlreiche andere Figuren, die, auch wenn sie nur am Rande eine Rolle spielen, die Geschichte sinnvoll weiterbringen und mich das ein oder andere Mal sehr überraschten. Mit ihren Ecken und Kanten und auch mit ihren begangenen Fehlern geben sie der Geschichte eine sehr gute Authentizität.

Die Autorin Rena Rosenthal stammt aus einer Gärtnerfamilie und hat mit diesem Buch ihre zwei großen Leidenschaften zusammengeführt: Ihre Liebe zu Pflanzen und dem gedruckten Wort.
Sie hat eine Menge Fachwissen im Bereich der Arbeiten in Gärtnereien eingebracht, aber auch viel zu der damaligen Gesellschaft recherchiert. Mit ihrer flotten und sehr bildhafter Sprache lässt sie die Seiten nur so dahinfliegen und ich konnte mich voll in die Geschichte und Handlung fallenlassen. Schon ab der ersten Seite konnte und wollte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen.
Die Handlung ist gut strukturiert und logisch aufgebaut. Bemerkenswert finde ich, dass Rena Rosenthal auch einige Szenen aus verschiedenen Blickwinkeln beschreibt und so alles noch einmal eindrücklicher wird.

Die Ausstattung des Buches ist wunderschön: Das bezaubernde Cover, die liebevoll gestalteten Buchklappen, das ausführliche Nachwort, ein Glossar und die tollen Tipps im hinteren Teil des Buches lassen keine Wünsche offen.

Das große Thema in diesem Buch ist der Kampf um die Gleichberechtigung der Frau im ausgehenden 19. Jahrhundert. Es ist unfassbar, dass Frauen mit dem Argument, sie hätten ja keine Familie zu ernähren, einen um vielfach geringeren Lohn bekamen, als Männer. Aber nicht nur das: In der Schulbildung wurden schon junge Mädchen benachteiligt. Wenn sie überhaupt in die Schule gehen durften, dann kürzer als ihre Mitschüler. Danach war es schwer bis unmöglich eine Ausbildungsstelle zu finden oder zu studieren. All diese Möglichkeiten wurden ihnen systematisch verwehrt und standen nur den Männern offen. Ohne Ausbildung bzw. Studium blieb vielen Frauen nur die niedrig bezahlte Hilfsarbeit. Den bürgerlichen Frauen (‚höhere Töchter‘) blieben zwar noch ein paar Möglichkeiten mehr an Bildung zu kommen, wie in dieser Geschichte beschrieben, der Besuch der ‚Gartenbauschule für höhere Töchter‘, aber ob sie danach auch tatsächlich eine Anstellung als Gärtnerin fanden, war sehr unwahrscheinlich.

«Und möglicherweise gibt es da draußen noch sehr viel mehr Frauen, die gerne Gärtnerin werden würden oder andere Berufe ergreifen möchten, was ihnen jedoch nicht erlaubt ist.«“
[S. 335, Z. 21 – 24]

Wie viele junge Mädchen und Frauen in dieser Zeit wohl ihre Identität geändert haben und ihre Röcke gegen Hosen getauscht haben, wird wohl schwierig herauszufinden sein.
All diese gesellschaftlichen Konflikte finden sich in „Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume“ wieder und werden von einer sehr starken und mutigen Hauptfigur zum Leben erweckt. Vieles wird klarer, aber längst nicht für den Leser einleuchtend – was für eine schreckliche und ungerechte Zeit für Frauen.

Jetzt freue ich mich auf den zweiten Teil, der im Frühjahr 2022 erscheinen soll.

Fazit: Rena Rosenthal ist ein spannungsreicher Auftakt zu einer großen Familiensaga gelungen. Ganz großes Kopfkino und mitreißend von der ersten bis zur letzten Seite. Liebe Rena – weiter so!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise als kostenloses Rezensionsexemplar vom Penguin-Verlag über das Bloggerportal.de erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen – meine Meinung wurde nicht beeinflusst.

„Josephine Baker und der Tanz des Lebens“

von Juliana Weinberg

Erschienen am 29. März 2021 im Ullstein-Verlag
ISBN: 978-3548064987
https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/josephine-baker-und-der-tanz-des-lebens-ikonen-ihrer-zeit-3-9783843724906.html

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise von der Autorin als kostenloses Rezensionsexemplar (eBook) zur Verfügung gestellt bekommen . Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Die Zitate beziehen sich auf das eBook (deshalb ohne Seiten- und Zeilenangabe).

Das Buch „Josephine Baker und der Tanz des Lebens“ von Juliana Weinberg erzählt die Lebensgeschichte der berühmten Sängerin und Tänzerin Josephine Baker (1906 – 1975), die ein aufregendes Leben zwischen weltweiter Ikone und Segregation führte.

Coverrechte: Ullstein-Verlag

Der Prolog des Buches setzt im Jahr 1917 in der Stadt East St. Louis an: Hier lernen wir die elfjährige Josephine kennen, die mit ihren drei Geschwistern, ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in einem sogenannten ‚Schwarzenviertel‘ der Stadt lebt. Das Leben ist hart und entbehrungsreich. In einer Nacht wird das Viertel überfallen, die Häuser in Brand gesetzt und ein Großteil der afroamerikanischen Bevölkerung von weißen Arbeitern getötet. Josephine und ihre Familie überleben, die Bilder dieser Nacht werden sie aber ihr Leben lang verfolgen.
Der erste Teil des Buches setzt im Jahr 1925 an: Josephine ist inzwischen 19 und arbeitet in einem Club in New York als Hintergrund-Tänzerin. Sie träumt von einer großen Bühnenkarriere und diese scheint zum Greifen nah, als die Pariserin Caroline Regen sie entdeckt und sie für ein „Revue Nègre“ (schwarzes Revue) mit nach Paris nimmt.
Doch die Welt steht vor einer großen Katastrophe: Der Zweite Weltkrieg bricht aus und dringt auch in das Leben von Josephine.

Ende des letzten Jahres habe ich das Buch „Audrey Hepburn und der Glanz der Sterne“ von Juliana Weinberg gelesen und war von dieser Geschichte und dem lebendigen Sprachstil total begeistert. Als mich die Autorin fragte, ob ich ihr neues Buch vorab lesen möchte, musste ich nicht lange überlegen, da dieses Buch auf meiner „Unbedingt-Lesen-Liste“ stand.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an die Autorin Juliana Weinberg für die Zusendung des eBooks.

Bereits als kleines Mädchen, als sie in Großmutters alten Roben und Hüten für die Nachbarschaft aufgetreten war, wusste sie, dass dies ihr vorgezeichneter Weg war. Sie war geboren, um zu tanzen.“
[Teil 1, Kapitel 1]

Der Name Josephine Baker war mir schon länger ein Begriff, aber so richtig auseinandergesetzt hatte ich mich mit ihr bisher nicht.
Dank dieses Buches konnte ich nun völlig in dieses spannende Leben abtauchen.
Josephine ist eine Frau, die genau weiß, was sie will. Für sie ist klar, dass sie auf die Bühne gehört. Sie lässt Freunde, Familie und ihre Heimat zurück, um sich diesen Traum zu erfüllen. Selbst den Umzug auf einen anderen Kontinent scheut sie nicht.
Sie ist ein exzentrischer Mensch, die ihre Ziele nie aus den Augen verliert, dabei aber ihre Wurzeln und ihre Familie nie vergisst.
Sie arbeitet sich von ganz unten nach ganz oben. Halt in ihrem mittlerweile chaotischen Leben geben ihr ihre Tiere, ihre Garderobe gleicht einem Zoo.

»Und des halb sind Tiere mir so wichtig. Sie sind liebevolle und dankbare Geschöpfe. Ihnen ist es egal, wie ich aussehe. Tiere machen keine Unterschiede zwischen den Menschen.«“
[Teil 1, Kapitel 3]

Im Zweiten Weltkrieg ermutigt sie in Nordafrika französische Soldaten, welches ihr die Auszeichnung mit dem „Lothringer Kreuz“ (ein Symbol des freien Frankreichs) einbringt.
Einen Kampf trägt Josephine aber ihr komplettes Leben aus: Der Kampf gegen Rassismus. Als dunkelhäutige Frau hat sie es, vor allem in den USA, immer wieder schwer. Sie darf dort nicht in Hotels einchecken, die Weißen vorbehalten sind. Da hilft auch ihre Berühmtheit nicht weiter. Neben Martin Luther King ist sie eine der tragenden Rollen auf dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung im August 1963.

»Auf jeden Fall muss sich etwas ändern – warum sollen dunkelhäutige Menschen schlechter angesehen sein, als weiße? Wieso wird uns, zumindest in den USA, der Zutritt zu Cafés und Restaurants und zu den meisten Berufen verwehrt? Sind wir nicht alle gleich, gehören wir nicht alle zur gleichen Familie – dem Menschengeschlecht?«“
[Teil 1, Kapitel 9]

Juliana Weinberg beschreibt Josephines Leben detailliert, aber ohne Langweile aufkommen zu lassen. Ich konnte völlig in dieses spannende und ereignisreiche Leben abtauchen und habe eine Menge Neues gelernt. Josephine ist mit richtig ans Herz gewachsen: Was für eine tolle, bewundernswerte Frau. Eine wahre Wunderfrau, auch wenn sie manches Mal egoistisch handelt und sich schlecht auf die Gefühle anderer Menschen einstellen kann.
Es gibt in diesem Buch noch einige Figuren, die um und neben Josephine agieren. Sie sind alle wunderbar und lebensecht beschrieben, haben Ecken und Kanten und leben in ihr Leben in ihrer Zeit. Alle zusammen geben ein tolles Gesellschaftsbild dieser Zeit ab. Ich möchte in dieser Rezension aber nicht zu sehr auf einzelne Personen eingehen, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme.

Die bildhafte und lebendige Sprache von Juliana Weinberg hat mich von der ersten Seite an gleich in die Geschichte mitgenommen. Auf keiner Seite kam Langeweile auf, die Geschichte rund um Josephine Baker geht immer weiter und trägt den Leser durch viele spannende und ereignisreiche Zeiten.
Leider endet das Buch ziemlich plötzlich, es wäre noch einiges spannendes aus Josephines Leben zu erzählen gewesen. Aber das hätte wahrscheinlich den Umfang des Romans gesprengt und somit finden sich diese Ereignisse im ausführlichen Nachwort der Autorin wieder.

Das große Thema dieses Buch ist der Lebensweg der berühmten Josephine Baker. Anhand ihres Lebens wird das Thema „Segregation“ (Rassentrennung) in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt und der Kampf dagegen. Unvorstellbar, dass eine der berühmtesten Sängerinnen Frankreichs in den USA Hotels nicht betreten durfte, weil sich sonst andere Gäste gestört hätten fühlen können und die Hotel um ihre Lizenz bangen mussten. Oder sie einfach in Clubs nicht bedient wurde. Das Thema hat mich schon immer fassungslos gemacht. Und leider ist Rassismus ein Thema, welches uns bis heute begleitet.

Fazit: Das Buch ist ein absolutes Highlight. Die Lebensgeschichte der Josephine Baker machte mich an einigen Stellen fassungslos, an anderen Stellen einfach glücklich, Eine tolle, einzigartige und starke Frau. Juliana Weinberg hat diese Lebensgeschichte wunderbar und lebhaft beschrieben. Unbedingt lesen!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise als kostenloses Rezensionsexemplar von der Autorin erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen – meine Meinung wurde nicht beeinflusst.

„Das Grand Hotel – Die mit dem Feuer spielen“

von Caren Benedikt

Erschienen am 15. März 2021 im Blanvalet-Verlag
ISBN: 978-3764507084
https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Das-Grand-Hotel-Die-mit-dem-Feuer-spielen/Caren-Benedikt/Blanvalet/e554884.rhd

Hinweise:
– Dies ist der zweite Teil einer Reihe, von daher bitte diese Rezension nicht lesen, wenn ihr den ersten Teil „Das Grand Hotel – Die nach den Sternen greifen“ noch nicht kennt und lesen möchtet, da diese Rezension Spoiler enthält.

– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier.
– Das Buch habe ich als kostenloses Rezensionsexemplar vom Blanvalet-Verlag über das Bloggerportal.de erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen. Diese Rezension spiegelt mein persönliches Lese-Empfinden wieder.
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die Seiten- und Zeilenzahl der gedruckten Ausgabe.

Das Buch „Das Grand Hotel – Die mit dem Feuer spielen ist der zweite Teil einer Reihe, die in Binz und Berlin in den 1920er Jahren angesiedelt ist und über die fiktive Hoteliers-Familie von Plesow und ihre Geheimnisse erzählt.

Coverrechte: Blanvalet-Verlag

Das Buch beginnt mit einem Brief von Karl von Plesow aus dem Jahre 1912. Er beichtet hier seiner Frau Bernadette ein großes Geheimnis, welches auf keinen Fall aufgedeckt werden darf.
Dreizehn Jahre später, im Mai 1925, steht Bernadette vor drei Gräbern: Das ihres Ehemannes Karl und die ihrer Söhne Maximilian und Alexander. Neun Monate sind seit dem plötzlichen Tod von Alexander vergangen und Bernadette kann sich nicht verzeihen, dass sie damals im Streit mit ihm auseinander gegangen ist.
Bernadette führt das Grand Hotel in Binz weiterhin mit ruhiger und strenger Hand, auch wenn der Verlust und die Trauer tiefe Spuren hinterlassen haben.
Da steht plötzlich ihre Tochter Josephine vor der Tür und möchte mit ihr zusammen im Hotel arbeiten. Ihre Schwiegertochter Margrit macht ihr das Leben nicht leicht und als dann auch noch der ihr unbekannte Johannes Blumberg im Hotel eincheckt, wird Bernadettes Leben komplett auf den Kopf gestellt.
Ihr Sohn Constantin in Berlin, der sich ein Leben zwischen Macht und organisierter Kriminalität aufgebaut hat, sucht die Versöhnung mit seiner Mutter Bernadette.
Doch eine Gefahr schwebt immer über der Familie: Die Aufdeckung eines großen Geheimnisses, welches das Leben der Familie von Plesow zum Einstürzen bringen könnte.

Vor etwa einem Jahr habe ich den ersten Teil dieser Buchreihe gelesen und mir war nach Beendigung des ersten Teiles klar, dass ich auch den zweiten Teil unbedingt lesen muss. Diese Mischung aus Geheimnissen, Intrigen, Insel-Feeling, Großstadt-Flair und jeder Menge Geschichte machen diese Reihe besonders und versprechen eine ausgezeichnete Unterhaltung.
Das Buch habe ich freundlicherweise vom Blanvalet-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar erhalten – an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.

«Ich meine es ernst Bernadette. Auf den ersten Blick wirkst du so unnahbar, ja fast schon kalt. Doch in Wahrheit liegt in jeder deiner Entscheidungen mehr Mitgefühl und Verständnis, als ich je bei einem Menschen erlebt habe.«“
[S. 200, Z. 11 -14]

Bernadette ist eine der Hauptfiguren in diesem Buch und ich bin von diesem kantigen Charakter absolut begeistert. Im ersten Teil wirkt Bernadette einfach nur streng und kalt – in diesem Teil hat sie sich authentisch weiterentwickelt, wirkt nicht mehr ganz so kühl. Sie bleibt sich aber selbst treu und steht zu ihren Prinzipien, ist aber trotzdem von tiefer Trauer gezeichnet. Gefühle offen zu zeigen, vor allem in der Öffentlichkeit, fällt ihr noch immer sehr schwer, aber immerhin kann sie sich im privaten Umfeld ihren Kindern und Johannes Blumberg öffnen. Der plötzliche Tod von Alexander gibt ihr immer wieder zu denken und sie kann sich nicht verzeihen, dass sie im Streit auseinander gegangen sind. Auch wenn Bernadette nach außen hin noch immer die große Dame von Binz ist und eine harte Schale nach außen trägt, so ist sie im inneren doch eine sensible und feinfühlige Person, die große Schicksalsschläge verkraften muss.
Wie schon im ersten Teil spielen ihre Kinder Josephine und Constantin eine große Rolle: Josephine hat auch eine große Wandlung durchgemacht, sie ist erwachsen geworden, möchte nun etwas aus ihrem Leben machen. Constantin, der noch immer die Berliner Unterwelt regiert, möchte sich mit seiner Mutter aussprechen und gesteht sich damit auch Fehler ein. Die beiden haben sich, wie ihre Mutter Bernadette, auch authentisch weiterentwickelt, was mir sehr gefallen hat.
Johannes Blumberg ist eine Figur, die ich nie vergessen werde. Er hat eine ganz besondere Geschichte, die unter die Haut geht und einen feinen Charakter, den man so schnell nicht mehr vergisst.
Margrit, Bernadettes Schwiegertochter ist eine sehr schwierige, durchtriebene und falsche Person. Während des Lesens habe ich einen regelrechten Hass auf sie entwickelt.
Alle Figuren in diesem Buch sind authentisch und lebensecht gezeichnet, sie haben Ecken und Kanten, machen Fehler und leben ihr Leben in einer aufregenden Zeit. Sie sind mir sehr ans Herz gewachsen und ich bin sehr gespannt, wie es mit ihnen im dritten Teil weitergeht.

Ich hatte anfangs etwas Bedenken, ob ich wieder in die Geschichte rein finde, da seit dem Lesen des ersten Teil schon fast ein Jahr vergangen war und ich in der Zwischenzeit viele Bücher gelesen habe, die in dieser Epoche spielen. Diese Bedenken waren aber schnell vom Tisch – ich war sofort wieder in der Geschichte angekommen und konnte den Charakteren und den Ereignissen gut folgen.
Die flotte und bildhafte Sprache von Caren Benedikt ließen mich in vergangene Zeiten abtauchen und diese lebendig werden. Sie beschreibt detailliert, aber trotzdem mit hohen Tempo, auf keiner Seite kam Langeweile auf. Teilweise konnte und wollte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Caren Benedikt hat hervorragend den geschichtlichen Hintergrund recherchiert und ihre Geschichte gekonnt hineingesetzt. Nachgespürt hat die Autorin auch dem Aufbau und der Organisation der Unterwelt und reist den Leser/ die Leserin mit in diesen Strudel aus Intrigen und Gewalt.

Die Ausstattung des Buches ist, wie beim ersten Teil auch, wieder eine sehr hochwertige Klappbroschur. Das Cover passt wunderbar zum ersten Teil und sie sehen wunderschön zusammen im Regal aus.

Jetzt freue ich mich sehr auf den dritten Teil, der im Frühjahr 2022 erscheinen soll und bin schon sehr gespannt, wie es mit der Familie von Plesow weitergeht.

Fazit: Eine spannende und bildgewaltige Fortsetzung. Ein Buch, welches man unbedingt zu Ende lesen möchte, aber nicht möchte, dass es endet. Das Buch, und damit auch die Reihe, bekommt eine absolute Lese-Empfehlung!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise als kostenloses Rezensionsexemplar vom Blanvalet-Verlag über das Bloggerportal.de erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen – meine Meinung wurde nicht beeinflusst.

„Klaras Schweigen“

von Bettina Storks

Erschienen am 08. März 2021 im Diana-Verlag
ISBN: 978-3453360471
https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Klaras-Schweigen/Bettina-Storks/Diana-Verlag/e554402.rhd

Hinweise:
– Das Buch habe ich als kostenloses Rezensionsexemplar (Leseexemplar) vom Diana-Verlag erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen. Diese Rezension spiegelt mein persönliches Lese-Empfinden wieder.
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die Seitenzahl der gedruckten Ausgabe.

Das Buch „Klaras Schweigen“ von Bettina Storks spielt auf zwei Zeitebenen und begleitet zwei Frauen in ihren Leben. Eine hütet ein großes Geheimnis, die andere begibt sich auf die Suche nach ihren familiären Wurzeln.

Coverrechte: Diana-Verlag

Der Prolog des Buches beginnt im Jahr 1944 in Freiburg im Breisgau. Die junge Klara, die mit ihrer Familie dort wohnt, erlebt die schreckliche Bombennacht vom 27. November 1944. Ein großer Teil der Stadt wird zerstört, etwa 2.800 Bewohner werden getötet.
Kurz nach Ende des Krieges ist das Leben für Klara nicht mehr das Selbe: Ihre Lehre zur Schneiderin konnte sie nicht beenden, sie möchte aber dennoch etwas zum Lebensunterhalt beitragen. Sie findet eine Anstellung in einem französischen Supermarkt, einem sogenannten Économat. Doch bei ihrem Vater stößt sie mit ihrer Arbeit auf Ablehnung, er sieht darin eine Verbrüderung mit dem Feind. Als Klara sich dann auch noch den französischen Soldaten Pasquale verliebt, bringt sie ihren Vater vollends gegen sich auf.
Der zweite Erzählstrang setzt im März 2018 an: Klara, inzwischen hochbetagt, hatte einen Schlaganfall. Zum Erstaunen ihrer Enkeltochter Miriam beginnt Klara französische Worte zu sprechen. Auf ihre Nachfragen bekommt Miriam keine Antworten, ihre Großtante Lotte, aber auch Klara selbst, schweigen. Miriam beginnt mit ihren Nachforschungen und kommt einem großen Familiengeheimnis auf die Spur, welches ihr Leben verändern wird.

Ich muss gestehen, dass ich bisher kein Buch von Bettina Storks gelesen habe. Auch wenn mir ihre Bücher immer wieder in den sozialen Medien begegnet sind und mich die Klappentexte und die Cover verzauberten, schafften sie es nie in mein Bücherregal. Warum das so ist, kann ich leider gar nicht genau sagen. „Klaras Schweigen“ hätte wahrscheinlich ein ähnliches Schicksal ereilt, wenn mich die Autorin nicht angeschrieben hätte. Sie nahm mich auf eine Bloggerliste auf und ich bekam das Buch mit wundervollen Goodies als Rezensionsexemplar zugesendet.
An dieser Stelle möchte ich nochmal ein herzliches Dankeschön an die Autorin und an den Diana-Verlag aussprechen, die mir das Buch und die Goodies zugesendet haben.

Wie schon gesagt, spielt dieses Buch auf zwei Zeitebenen. In der ersten Zeitebene lernen wir Klara als junge Frau kennen. Trotz der Zerstörung um sie herum, gibt sie sich nicht auf und hat den Kopf voller Ideen und Träume. Auch wenn ihr egozentrischer Vater ihr das Leben schwer macht und sie schließlich in eine Flucht treibt, kämpft sie für ihr Glück und für ihr Leben.
74 Jahre später ist Klara eine alte Frau, die in ihrem Leben Höhen und Tiefen erlebt hat und ein großes Geheimnis in sich trägt.
Ich mochte Klara sehr gerne. Sie ist kein perfekter Charakter, sie hat ihre Stärken und ihre Schwächen. Klara lebt ihr Leben, so gut es in den schwierigen Zeiten eben geht und hat stets versucht das Beste aus Allem zu machen. Auch hochbetagt hat sie ihre Willensstärke behalten.

«Die Wahrheit macht dich nicht frei, sondern kaputt.«“
[S. 362, Z. 1-2]

In der zweiten Zeitebene spielt Miriam die tragende Rolle: Sie ist Mitte 40, hat gerade eine langjährige Beziehung beendet und ist die Enkeltochter von Klara. Zu ihrer Großmutter Klara pflegt sie einen sehr vertraulichen Umgang – Klara ist fast wie eine Mutter für sie. Doch Miriam hat die Vermutung, dass es in ihrer Familie ein Geheimnis gibt, ein Geheimnis, welches das Vertrauen zu ihrer Großmutter auf eine harte Probe stellt.
Ich mochte Miriam auf Anhieb sehr gernr. Sie ist eine Frau, die sich ihren Traumberuf erfüllt hat, sie arbeitet als Doktorin der Literatur an der Universität Freiburg. Sie ist, ähnlich wie ihre Großmutter Klara, ein sehr starker Charakter, der auch schwach werden kann, dann aber auch bereitwillig Hilfe von außen annehmen kann. Was Miriam sich in den Kopf gesetzt hat, setzt sie auch durch, auch wenn sie sich selbst damit verletzt.

„Nichts mehr war wie vorher, aber beim Wissen gab es kein Zurück, denn Miriam hatte den Brief ihres Großvaters gelesen, und sein Inhalt ließ sich nicht auslöschen. Weder in ihrem Kopf noch in ihrem Herzen.“
[S. 96, Z. 1 – 4]

Lotte, Klaras Schwester und damit Miriams Großtante, spielt eine eher kleine, aber doch wichtige Rolle. Sie wirkt sehr unzufrieden mit sich und ihrem Leben, scheint immer wieder an sich zu zweifeln. Lotte empfand ich als etwas anstrengend, aber sie trägt einen großen Teil zur Geschichte bei.
Als eine wichtige Figur sei noch der Vater von Klara und Lotte genannt: Ein Kind seiner Zeit. Ein unzufriedener und mürrischer Mann, gezeichnet vom Krieg. Er ist so starrsinnig in seinem Blickwinkel. Auch seine Frau ist nicht viel besser. Beide leben in ihrer Welt, in der nicht jeder willkommen ist.
Es gibt noch einige Charaktere in diesem Buch, auf die jetzt nicht eingehen möchte, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme. Eines möchte ich aber zu allen Charakteren sagen: Sie sind alle authentisch und lebensecht gezeichnet und tragen zu der Geschichte und dem großen Geheimnis bei. Sie wuchsen mir größtenteils so sehr ans Herz, dass ich bei einigen Szenen weinen musste. So sehr nahmen sie mich mit in ihre Geschichte.

Schon ab der ersten Zeile hat mich die Sprache von Bettina Storks mit in die Geschichte genommen. Sie beschreibt Freiburg und die anderen Orte mit so einer bildhaften Sprache, dass ich immer weiter lesen wollte. Auf keiner Seite kam Langeweile auf, die Geschichte ging mit einem gleichbleibenden Tempo immer weiter und spitze sich dann gegen Ende zu. Teilweise waren einige Begebenheiten und Ereignisse etwas knapp gehalten, diese werden aber dann am Ende der Geschichte noch einmal etwas vertieft. Man erfährt, ähnlich wie Miriam, nach und nach die ganze Geschichte.
Da ich selbst in Freiburg wohne, kenne ich auch die örtlichen Begebenheiten sehr gut, konnte ich noch lernte einiges über die Freiburger Geschichte dazu lernen. Das Buch spielt aber nicht nur in Freiburg, es entführt den Leser/ die Leserin von Freiburg, über Konstanz bis in die Bretagne.
Ich empfand beide Erzählstränge als absolut gleich hochwertig: Ich konnte in der Vergangenheit mit Klara mitfiebern, in der Gegenwart war ich an Miriams Seite und litt mit ihr mit.

Die großen Themen des Buches sind die Suche nach den eigenen Wurzeln und die Vergebung von Schuld. Das sind Themen, die Menschen immer beschäftigen. Es ist ein Grundbedürfnis des Menschen zu wissen, woher man kommt, was vor einem passiert ist und wieso. Miriam lässt sich auf diese Suche ein und muss lernen, mit Geschehnissen und Geheimnissen aus der Vergangenheit klar zu kommen und auch zu vergeben. Aber auch Klara und ihre Schwester Lotte müssen sich und anderen vergeben. Ungeschehen kann man Dinge nicht machen.

Die Ausstattung des Buches ist sehr hochwertig: Es handelt sich um eine Klappbroschur, die im inneren ein wunderschönes Bild bereithält. Das Cover passt sehr gut zum Inhalt des Buches und macht gleich neugierig.

Die geschichtlichen Hintergründe bilden das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Nachkriegszeit in Freiburg.
Am 27. November 1944 fand der mit schwerste Luftangriff auf Freiburg durch die Royal Air Force statt. Bei dieser sogenannten „Operation Tigerfish“ wurden über 14.500 Bomben auf Freiburg abgeworfen, fast 2.800 Menschen fanden den Tod. Dazu wurde der historische Stadtkern Freiburg wurde fast gänzlich zerstört.
Ich habe auf Wikipedia ein gemeinfreies Bild gefunden, welches euch die Zerstörung Freiburgs vor Augen führt. Das Münster wurde, wie durch ein Wunder, nur wenig in Mitleidenschaft gezogen, während alles andere drum herum zerstört war. Ein Bild, welches mir immer wieder Gänsehaut bereitet.

Der andere geschichtliche Hintergrund ist die Nachkriegszeit. Freiburg war französisch besetzt, einem Großteil der der Bevölkerung fehlte es noch an fast Allem. Französische Soldaten prägten das Stadtbild, Verbindungen zwischen diesen und deutschen Frauen waren nicht gerne gesehen – diese galten als Verbindung mit dem Feind (Fraternisierung).
Bettina Storks hat diese geschichtlichen Hintergründe akribisch recherchiert und bettet ihre Geschichte und die fiktiven Charaktere perfekt ein. Mit ihrer fiktiven Familiengeschichte und lebensechten Charakteren wird die reale Geschichte der Stadt Freiburg erleb- und spürbar.

Fazit: „Klaras Schweigen“ hat mich von der ersten Seite an begeistert und mich auf eine turbulente Zeitreise durch meine Heimatstadt mitgenommen. Die Charaktere wuchsen mir sehr ans Herz und es flossen auch mal Tränen. Eine atemberaubende Erzählung, die ich euch sehr ans Herz lege. Unbedingt lesen!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise als kostenloses Rezensionsexemplar vom Diana-Verlag und der Autorin erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen – meine Meinung wurde nicht beeinflusst.

„Die Farbe des Nordwinds“

von Klara Jahn

Erschienen am 08.März 2021 im Heyne-Verlag als Hardcover
ISBN: 978-3-453-27313-9
https://www.penguinrandomhouse.de/Buch/Die-Farbe-des-Nordwinds/Klara-Jahn/Heyne/e573627.rhd

Hinweise:
– Das Buch habe ich als kostenloses Rezensionsexemplar (Leseexemplar) vom Heyne-Verlag erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen. Diese Rezension spiegelt mein persönliches Lese-Empfinden wieder.
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die Seitenzahn der gedruckten Ausgabe.

Das Buch „Die Farbe des Nordwinds“ von Klara Jahn ist ein Roman, der auf zwei Zeitebenen auf den Halligen in der Nordsee spielt und von Neuanfängen und der Suche nach Heimat erzählt.

„Die Farbe des Nordwinds“
von Klara Jahn
Coverrechte: Heyne-Verlag

Das Buch beginnt mit dem Erzählstrang im „Damals“:
Hier schreibt ein Mann, welcher Ende des 18. Jahrhundert auf der Hallig geboren wurde und dort ein entbehrungsreiches Leben führt. Nach dem Tod der Eltern verlässt er die Hallig und damit auch seinen jüngeren Bruder und geht aufs Festland. Dort genießt der begabte Junge eine gute Ausbildung. Jahre später kehrt er als Lehrer zurück, kommt aber nicht mehr richtig in seiner Heimat an. Die Menschen der Hallig, auch sein Bruder, sind ihm fremd geworden, aber auch er ist den Menschen fremd geworden. Dann steht die große Halligflut im Jahre 1825 vor der Tür und bedroht die Menschen und die Halligen.
Der zweite Erzählstrang setzt im Jetzt an: Ellen, eine junge Frau reist auf eine der Halligen. Aber nicht um Urlaub zu machen – sie möchte bleiben und wagt den Neuanfang. Seit sie als Kind mit ihrer Mutter für kurze Zeit auf der Hallig lebte und diese wieder überstürzt verlassen musste, sind die Halligen für sie ein Sehnsuchtsort. Als Lehrerin kehrt sie zurück, doch bleibt sie Liske, ihre damalige Stiefschwester, und auch den anderen Halliglüd fremd. Ellen findet heraus, dass die Inseln schon damals in Gefahr waren, heute aber mehr den je. Der Kampf um die Halligen eint und trennt Liske und Ellen gleichermaßen, verbindet sie aber mit der Vergangenheit.

Durch eine Mail des Verlages bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden. Das Cover zog mich direkt in seinen Bann, der Klappentext machte mich neugierig und als ich dann noch erfuhr, dass der Name Klara Jahn ein Pseudonym von Julia Kröhn ist, war klar, dass ich dieses Buch lesen muss. Julia Kröhn gehört für mich schon seit vielen Jahren zu meinen Lieblingsautorinnen, da sie mich mit ihrer bildhaften Sprache und den vielfältigen Themen ihrer Geschichten immer wieder überzeugen kann.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an den Heine-Verlag für die Zusendung des Buches als Rezensionsexemplar.

Der Haupt-Handlungsort ist in diesem Buch ist sehr überschaubar: Eine Hallig. Auch die Charaktere, die Klara Jahn dort angesiedelt hat, sind von der Anzahl her überschaubar. Das alles führt dazu, dass mit alle Figuren sehr nahe kamen, ich ihre Eigenheiten und Feinheiten spüren konnte.
Ellen, die in ihrem Leben nie richtig angekommen ist: Als junges Mädchen wird sie von ihrer Mutter immer wieder mitgezogen, kann nirgendwo Wurzeln schlagen, nirgendwo fühlt sie sich zuhause. Bis der Weg auf die Hallig führt – dort bekommt die damals 16 jährige Ellen eine Idee von Heimat. Doch kaum beginnt sie Fuß zu fassen, muss sie wieder gehen. Als Mittdreißigerin kommt sie nach einer gescheiterten Beziehung und Jobverlust wieder zurück auf die Hallig. Ellens Charakter hat mich sehr überzeugt, da sie zwar neue Impulse auf die Hallig bringt, sich aber auch anpassen möchte und eine realistische Entwicklung durchlebt. Sie ist eine Frau, die auf der Suche nach Heimat ist, sich selbst dabei treu bleibt und sich nicht unterkriegen lässt.

Liske hat ihre Heimat, ihre Wurzeln, aber glücklich ist sie nicht. Noch nie hat sie die Hallig verlassen. Sie ist sauer auf Ellen und enttäuscht darüber, dass diese damals einfach gehen konnte und sie zurückgelassen wurde.

»„Manchmal fühle ich mich wie an einem Bahnhof“ gestand sie. „Das Meer kommt und geht, die Vögel kommen und gehen, nur ich bleibe.“«
[S. 203, Z. 20-22]

Liske wirkt ganz oft verbittert, öffnet sich dann etwas, verschließt sich dann aber sehr schnell wieder. Ich mochte ihren Charakter trotzdem sehr gerne, da Liske eben nicht sehr schnell zu durchschauen war und sie sich auch sehr positiv entwickelt hat.

Um Ellen und Liske leben und handeln noch zahlreiche weitere Figuren, mit ihren Eigenheiten und ihren, teils tragischen, Geschichten. Sie alle denken und handeln unterschiedlich, aber sie alle werden durch das Leben auf der Hallig geeint.
Jasper, Liskes Sohn hat eine leicht verschrobene Art an sich, konnte mich aber trotzdem für sich einnehmen. Jakob Heinemann und seine Tochter Metha, die eine tragische Geschichte auf die Hallig brachte, haben mich sehr berührt.
Arjen Martenson, ist die Hauptfigur im „Damals“. Dadurch, dass er aus der „Ich-Perspektive“ erzählt, kam ich ihm und seiner Geschichte nochmal sehr viel näher. Teilweise sehr bedrückend aber auch immer mit viel Hoffnung erzählt er vom Alltag auf den Halligen im 19. Jahrhundert. Die Personen, die neben ihm agieren, haben mir durch ihre authentische Charakterzeichnung ebenfalls sehr gut gefallen und geben ein gutes Bild dieser Zeit ab.

Eine weitere Hauptfigur ist die Natur. Hier sind es vor allem der Wind und das Meer. Die Halligen sind kein lieblicher Ort, eher herb aber trotzdem schön.

» Während sie die Haare festhielt, betrachtete sie die Landschaft, die zu Meer und Himmel und Hallig geronnene Gleichung, in der auf beiden Seiten die Unendlichkeit steht. Das Land war unzählige Male von Stürmen und Fluten zerklüftet worden; die Weite, die es umgab, war eine Primzahl: Nicht teilbar. Spektakulär war das, was man fühlte, nicht das, was man sah.«
[S. 58, Z. 22 – 29]

Durch die vielen unterschiedlichen Charaktere, das Erzählen auf zwei Zeitebenen und durch Klara Jahns dichte und intensive Sprache, wurde das Buch für mich zu einem wahren Pageturner. Schon nach den ersten Seiten war ich in der Geschichte angekommen und konnte mich ganz auf die Geschichte und die Figuren einlassen. Vor allem haben mich die Beschreibungen der Fluten, des sogenannten „Landunter“ sehr mitgenommen. Erstaunlich, wie die Menschen schon immer mit dieser Gefahr lebten und leben.
Julia Kröhn, alias Klara Jahn, hat akribisch über die Geschichte der Halligen recherchiert und bringt ihre Entstehung, ihre Geschichte, ihre Bewohner und die Lebensweise dem Leser sehr nahe. Man merkt, wie sehr sich die Autorin mit den Halligen verbunden fühlt. Durch die Einstreuung des Dialektes wurden die Menschen noch lebendiger und authentischer.

Ein Hauptthema des Buches ist die Suche nach Heimat und das Ankommen im eigenen Leben. Aber auch das Thema Neuanfang steht sehr im Mittelpunkt des Geschehens. Diese Themen wurden von Klara Jahn sehr gut beschrieben.

» Welche Farbe der Wind selbst wohl hat?, überlegte Ellen. Grau war zu alt für diesen frischen Sturm, Gelb zu giftig für das dumpfe Dröhnen, Blau zu banal. Rot war zu warm, Braun lies an Rost denken, der Sturm aber verweilte nirgendwo, um welchen anzusetzen. Als weißes Nichts erschien er ihr auch nicht. Vielleicht war er silbrig wie der Klang einer Panflöte.« [S. 39, Z. 1 – 7]

Fazit: Ein Buch mit tollen Figuren, einer sehr dichten Atmosphäre und einer bildhaften und lebendigen Sprache. Sehr empfehlenswert für alle, die das Meer genauso vermissen und sich dort hin entführen lassen möchten. Lesenswert!
Und ja: Irgendwann möchte ich die Halligen auch einmal besuchen.

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Heyne-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Glückskinder“

von Teresa Simon

Erschienen am 08.Februar 2021 im Heyne-Verlag
ISBN: 978-3-453-42406-7
https://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Glueckskinder/Teresa-Simon/Heyne/e564766.rhd

Hinweise:
– Das Buch habe ich als kostenloses Rezensionsexemplar vom Heyne-Verlag erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen. Diese Rezension spiegelt mein persönliches Lese-Empfinden wieder.
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die Seitenzahn der gedruckten Ausgabe

Das Buch „Glückskinder“ von Teresa Simon erzählt die Geschichte zweier Frauen, die in München nach Ende des Zweiten Weltkriegs zwischen Trümmern und großen Entbehrungen einen Neuanfang suchen.

Coverrechte: Heyne-Verlag

Der Prolog des Buches setzt in Haarlem (Niederlande) im Oktober 1942 an: Eine junge Frau, sie ist Jüdin, muss sich auf dem Dachboden vor den Nazis verstecken. Eine Frau, deren Namen sie nicht kennt, bietet ihr Schutz – doch diese Frau ist kurze Zeit später tot.
Zweieinhalb Jahre später, im April 1945, befindet sich die junge Frau mit dem Namen Griet auf einem Gewaltmarsch vom KZ Giesing in Richtung Wolfratshausen. Sie hat eine schreckliche Zeit hinter sich und ist am Ende ihrer Kräfte. Kurz darauf ist der Krieg zu Ende, Griet und die anderen Frauen werden von Angehörigen der US-Armee befreit. Griets Weg führt sie nach München. Doch große Teile dieser einst prächtigen Stadt liegen in Trümmern.
Währenddessen in München: Hier wohnt die junge Antonia, von allen Toni genannt, mit ihrer Schwester, Mutter, Tante und Cousin bei ihrer Großtante Vev. Die Wohnverhältnisse sind beengt, das Essen ist rar. Tonis Mutter bangt zudem um ihren Mann und ihren Sohn, die irgendwo im Krieg sind.
Als die US-Armee München befreit, dauert es nicht lange, bis die Wohnverhältnisse in der Wohnung noch beengter werden. Eine junge Frau wird bei ihnen einquartiert, Toni und ihre Familie sind voller Vorurteile. Aber auch die junge Frau kann und will ihren eigenwilligen Vermietern nicht trauen.

Teresa Simon ist das Pseudonym der erfolgreichen Autorin Brigitte Riebe. Ich lese, egal ob unter dem Namen Teresa Simon oder Brigitte Riebe, die Bücher der Autorin sehr gerne. Sie packt Geschichte in so wunderbare Romane und erschafft immer wieder wunderbare Figuren, die man so schnell nicht vergisst.
Bisher habe ich alle Bücher unter dem Namen Teresa Simon gelesen, daher wollte ich auch das neue Buch „Glückskinder“ unbedingt lesen.
An dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön an den Heyne-Verlag, die mir das Buch als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben.
Dies ist das erste Buch von Teresa Simon, welches nicht auf zwei Zeitebenen spielt, sondern nur in der Vergangenheit. Anfangs war ich etwas skeptisch, ob mich das Buch genau so begeistern kann, wie die vorherigen Bücher. Ich liebe es sehr, wenn Vergangenheit und Gegenwart in Büchern aufeinandertreffen. Die Skepsis war aber schnell verflogen und ich kam direkt in der Geschichte an.

Griet, eine der Hauptfiguren in „Glückskinder“ ist ein zutiefst verletzter Charakter. Sie verbrachte Monate in Konzentrationslagern, wurde gedemütigt und nicht mehr als Mensch gesehen. All ihre Träume und Wünsche sind nicht mehr.

[…] ‚Wo waren ihre Hoffnungen und Träume? Wo war das Leben, das sie sich als Kind in den schönsten Farben ausgemalt hatte?‘ […]
(Seite 101, Zeilen 12-1)

Doch Griet gibt nicht auf. Auch wenn sie ein großes Geheimnis in sich trägt, kämpft sie sich durch, immer auf der Suche nach sich selbst, einem Neuanfang und ihrem persönlichen Glück. Sie ist in einem Land, deren Bewohner eigentlich ihre Feinde sind, die ihr alles genommen haben. Sie hegt gegen die Deutschen einen tiefen Groll, möchte das Land aber trotz allem erst mal nicht verlassen. Griet empfand ich einen sehr interessanten Charakter, da sie zwar schreckliches erlebt hat, ein großes Geheimnis mit sich führt, sich aber nie aufgibt.

Toni Brandl, ebenfalls eine junge Frau, ist Münchnerin mit Leib und Seele. Hier ist sie aufgewachsen, hat aber auch die Zerstörung ihrer geliebten Stadt miterlebt. Sie richtet sich ihr Leben zwischen Trümmern und Nahrungsmittelknappheit und dem erblühenden Schwarzmarkt ein. Ihr Beruf bei einem Verlag und ihre Familie geben ihr Halt und Zuversicht, auch wenn es in der Wohnung ihrer Großtante Vev sehr beengt ist. Doch als nach Ende des Krieges die junge Griet bei ihnen einquartiert wird, weiß Toni nicht recht, wie sie mit der jungen Frau umgehen soll. Sie und ihre Familie sind zersetzt von Vorurteilen gegenüber Griet. Dabei sind Toni und Griet, die grundverschieden sind, sich ähnlicher als sie sich anfangs zugestehen möchten.

[…] ‚ „Ihr Deutsche beklagt euch über kalte Wohnungen und zu wenig Essen. Was sollen erst die sagen, die ihr in euren KZs gequält und ermordet habt?“ Er räusperte sich. „Vergangenes kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Aber starten Sie wenigstens mit dem Ansatz einer Wiedergutmachung – hier in dieser Wohnung.“ ‚ […]
(S. 241, Z. 28- 30, S. 242 Z. 1-4)

Auch Toni hat mich mit ihrer Charaktertiefe sehr überzeugt, sie ist eine wahre Kämpferin, die ihre Träume und Ziele verfolgt und sich nicht unterkriegen lässt.
Neben Griet und Toni gibt es noch viele Figuren, die eine große Rolle in diesem Buch spielen:
Captain Walker, ein Angehöriger der US-Armee und ein herzensguter Charakter, der immer zur Stelle ist, wenn Hilfe benötigt wird.
Die Familie Brandl, mit Großtante Vev als Familienoberhaupt, Tonis Mutter Rosa, Bibi, Tonis jüngerer Schwester, Tante Annemie Lochner nebst Sohn Benno. Ein bunter Haufen Menschen, die notgedrungen zusammen leben und überleben müssen. Hierbei habe ich Großtante Vev ganz besonders ins Herz geschlossen. Sie ist noch immer respekteinflößend aber trotz Krieg und Zerstörung eine Dame geblieben. Sie ist der Fels in der Brandung für die Menschen um sie herum.
Jede Figur ist lebensecht und authentisch gezeichnet, sie haben alle ihre Eigenheiten und leben ihr Leben in einer schweren und entbehrungsreichen Zeit. Sie machen teilweise große Entwicklungen durch und verändern ihre Sicht- und Denkweisen. Man leidet mit den Figuren mit und sie kommen dem Leser mit ihren Geschichten sehr nah. Und eines treibt alle an: Die Hoffnung auf einen Neuanfang.
Tonis Freund Louis ist ein Charakter, der mir sehr viele Rätsel aufgab und durch das gesamte Buch hindurch schwer zu durchschauen ist. Er hat zudem etwas Geheimnisvolles an sich. Seine persönliche Geschichte ist aber auch äußerst spannend und tragisch, was ihm eine tiefe Charakterzeichnung gibt.
Es spielen noch einige Figuren mehr mit, auf die ich aber nicht näher eingehen möchte, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme.

Die Sprache von Teresa Simon ist, wie auch in den vorherigen Büchern, lebendig und äußerst bildhaft. Sie konnte mich mit den Beschreibungen des zerbombten Münchens und dem Aufbau des Schwarzmarkts in die Handlung mitnehmen. Ich nahm das Buch immer wieder gerne in die Hand und konnte es dann nur schwer wieder zur Seite legen. Von der ersten Seite hat mich das Buch begeistert und ich wurde in die Zeit kurz vor Ende und nach Ende des Zweiten Weltkrieges gezogen.

Der geschichtliche Hintergrund bildet das Ende des Zeiten Weltkrieges mit dem Schwerpunkt München. Gut die Hälfte des Wohnungsbestandes dieser Stadt war vernichtet, die Nahrungsmittel knapp. Doch das Leben musste weitergehen und so entstand der Schwarzmarkt in der Münchener Möhlenstraße. Hier war alles Nötige zu bekommen war, teilweise auch im Tausch gegen andere Güter. Ich fand es sehr spannend zu erfahren, wie dieser Schwarzmarkt damals entstand und wie dort und mit was gehandelt wurde. Er war zwar illegal, wurde aber geduldet und sorgte für einen Großteil der Versorgung der Bevölkerung.
Grausam waren die Beschreibungen, wie es den Menschen in KZs erging und wie sie behandelt wurden. Sie wurden nicht mehr als Menschen gesehen.

Fazit: Das Buch „Glückskinder“ ist ein Buch, welches sehr authentisch die Nachkriegszeit beschreibt. Durch facettenreiche und lebensechte Charaktere bringt uns Teresa Simon die Nachkriegszeit näher und beschreibt sie eindrücklich. Es ist eine Geschichte die zeigt, wie wichtig es ist, Vorurteile zu überwinden und seine Träume und Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Unbedingt lesen!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Heyne-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.


„Grandhotel Odessa – Die Stadt im Himmel“

von Charlotte Roth

Erschienen am 12. Januar 2021 im Droemer-Verlag
ISBN: 978-3426308028
https://www.droemer-knaur.de/buch/charlotte-roth-grandhotel-odessa-die-stadt-im-himmel-9783426308028

Das Buch „Grandhotel Odessa – Die Stadt im Himmel“ von Charlotte Roth ist der erste Teil einer zweibändigen Reihe um ein luxuriöses Hotel in der Stadt Odessa am Schwarzen Meer zwischen 1886 und 1918.

Coverrechte: Droemer-Verlag

Oda Liebenthal wächst im Grandhotel Odessa auf – ein Hotel, welches ihr Vater allen Widrigkeiten zum Trotz gegründet hat.
Als kleines Kind lernt Oda durch ihren Vater die gleichaltrige Belle aus Berlin kennen, die Patentochter ihres Vaters. Den beiden so unterschiedlichen Kindern wird eine Freundschaft geradezu aufgenötigt, diese Freundschaft entwickelt sich über die Jahre dann aber doch noch zu einer Art der Verbundenheit. Odas Vater schätzt Belle sehr, erfüllt ihr alle Wünsche. Seine eigene Tochter Oda scheint für ihn, neben der wunderschönen Belle, wie unsichtbar zu sein. In Oda erwächst das Gefühl, dass ihr Vater Belle viel lieber hat.
Auch an Odas 21. Geburtstag, der im Grandhotel Odessa gefeiert wird, ist Belle mit von der Partie. Oda möchte diesen Tag aber anders nutzen, als alle anderen vermuten: Sie möchte mit ihrer heimlichen Liebe Karel, einem gefeierten Balletttänzer, durchbrennen. Alles ist penibel durchgeplant, Oda möchte endlich ihrem lieblosen Vater, der die Liebe seiner Tochter als nicht standesgemäß erachtet, entfliehen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Doch es kommt anders als geplant: Karel erscheint nicht am vereinbarten Treffpunkt. Enttäuscht und verletzt stürzt sie sich in die Arbeit, um jedem Gast einen unvergesslichen Aufenthalt im Grandhotel Odessa zu ermöglichen.

Ich mag die Bücher von Charlotte Roth sehr gerne und ich warte immer gespannt auf ihre Neuerscheinungen. Charlotte Roth entführt mich mit ihrer intensiven Sprache und starken Charakteren immer wieder in vergangene Zeiten und lehrt mich sehr oft Neues.
Als die Autorin Mitte des Jahres 2020 ihr neues Buchprojekt vorstellte, war mein Interesse gleich geweckt – zum einen wegen des wunderschönen Covers, aber auch wegen des Klappentextes. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg interessiert mich sehr, hier kommt noch ein eher ungewöhnlicher Handlungsort hinzu. Davor hatte ich noch nie etwas über die Stadt Odessa gelesen.
Das Buch habe ich mir direkt am Erscheinungstag gekauft und ein paar Tage später mit der Lektüre begonnen.

Das Buch hat eine Vielzahl von Charakteren, die aber alle facettenreich und liebevoll beschrieben sind. Sie alle haben ihre Eigenheiten und Eigenschaften, gute Seiten, aber auch Schattenseiten.
Oda, die Hauptfigur dieses Werkes, ist ein Charakter, der mir sehr in Erinnerung bleiben wird. Von Anfang an wird klar, dass sie sich von ihrem Vater ungeliebt und zurückgesetzt fühlt. Sie tut sich schwer damit, sich selbst zu mögen, hat Komplexe und vergleicht sich oft mit, der in ihren Augen perfekten, Belle. Doch ihr Herz möchte lieben und so läuft sie direkt in die Arme des begehrten Junggesellen Karel. Er gibt ihr ein Stück Selbstbewusstsein und Stärke zurück. Vom Personal des Grandhotel Odessa, aber auch von vielen Gästen erhält Oda Anerkennung, die sich aber hart erarbeiten muss. Das alles kann die Übergehung von Seiten ihres Vaters nicht ungeschehen machen. Oda möchte in ihrem Leben Eines erreichen: Sie möchte auf der selben Stufe mit ihrem Vater stehen und das Hotel übernehmen.
Belle, ein verträumter Charakter, ist, nicht nur äußerlich, das komplette Gegenteil zu Oda: Ihr scheint im Leben alles zuzufliegen, von allen Seiten bekommt sie Liebe entgegen. Sie bekommt alles im Leben, was sie sich wünscht, ohne dabei etwas zu tun. Aber wer hoch fliegt, kann auch sehr tief fallen.
Philipp Liebenthal, Odas Vater, ist ein Charakter, der es dem Leser/ der Leserin von Anfang an schwer macht, ihn sympathisch zu finden. Es wird schnell klar, dass er für sein Hotel alles Mögliche getan hat, sich allen Widrigkeiten widersetzt hat und ein Kämpfer ist. Sein Umgang mit Oda und auch anderen Menschen, ist aber eher abstoßend und teilweise schwer zu ertragen. Im Laufe der Geschichte, die auch in seine Jugend zurückführt, wird aber auch einiges klar und sein Verhalten nachvollziehbarer.
Es gibt neben diesen Hauptfiguren noch eine Vielzahl an Charakteren, die mich alle mit ihren Lebensgeschichten und ihrer tiefen Charakterzeichnung überzeugt haben. Da wäre zum Beispiel der Balletttänzer Karel zu nennen. Er scheint in seinem Leben angekommen zu sein, ist aber eigentlich eine gequälte Seele. Er traut sich nicht, Wahrheiten auszusprechen, wird von vielen nicht für voll genommen und scheitert dann an seinen Entscheidungen.
Die russische Fürstin Lidija Petrowna, die für Oda eine enge Vertraute wird, findet ihren Platz in der Geschichte und spricht vieles direkt aus, was andere sich nicht trauen. Ein Charakter, den man einfach gerne haben muss.
Eine andere Figur, die am Rande mitspielt, aber trotzdem wichtig ist die Kaltmamsell Katjuša. Sie wird mir mit ihrem Schicksal in Erinnerung bleiben.
Viele Charaktere erscheinen erst wenig, ihre Geschichte wird dann aber rückblickend wichtig und unentbehrlich für weiteren Verlauf der Geschichte. Sie alle agieren lebensecht und fügen sich perfekt in die Geschichte ein.

Die Handlung findet größtenteils in der Stadt Odessa statt. Aber auch Berlin und Rom sind wichtige Handlungsorte. Später im Buch wird auch von der Kriegsfront berichtet.
Das Buch beginnt 1893 in Odessa, springt dann vor in das Jahr 1910 und von da zurück in das Jahr 1886. Diese Erzählstränge werden nach und nach gekonnt miteinander verflochten. Viele Fragen werden mit Begebenheiten aus der Vergangenheit beantwortet und damit einiges klarer, was der Leser vorher nicht zuordnen konnte.
Charlotte Roth hat sich der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges angenommen und erzählt über eine Zeit, die mit dem Ersten Weltkrieg untergegangen und nie wieder zurückgekehrt ist. Eine Epoche, in der alles möglich war und der Luxus in vollen Zügen genossen werden konnte.
Den Alltag eines Luxushotels zu dieser Zeit hat Charlotte Roth perfekt recherchiert und sie nimmt uns mit in dieses Hotel. Für eine kurze Zeit wurde dieses Hotel auch mein Zuhause.
Die Siedlungen rund um Odessa waren Siedlungen der sogenannten ‚Schwarzmeerdeutschen‘. Odas Familie stammt aus einer dieser Familien, die das Bild Odessas prägten.

Ab der ersten Seite konnte mich Charlotte Roth mit in ihre Geschichte nehmen. Ihre intensive und bildhafte Sprache ließen den Handlungsort, die wunderbare Stadt Odessa und das Luxushotel, vor meinen Augen lebendig werden.
Ich konnte das Buch teilweise sehr schwer aus der Hand legen, da gerade zum Ende hin, alle Fäden zusammenlaufen.
Und: Ich habe ein weiteres Reiseziel gefunden: Irgendwann möchte ich auch mal nach Odessa reisen. Irgendwann…

Fazit: Ein opulentes Buch, welches mich sehr gut unterhalten hat. Starke und facettenreiche Charaktere, ein perfekt recherchierter geschichtlicher Hintergrund und eine intensive und bildhafte Sprache machen dieses Buch zu einem wahres Erlebnis. Absolut lesenswert!

Hinweis: Das Buch habe ich mir selbst gekauft. Es gab für diese Rezension keine Gegenleistung des Verlages oder der Autorin.

„Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals“

von Maria Nikolai

Erschienen am 12. Oktober 2020 im Penguin-Verlag
ISBN: 978-3-328-10407-0
https://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Die-Schokoladenvilla-Zeit-des-Schicksals/Maria-Nikolai/Penguin/e544571.rhd

Hinweise:
– Bitte lest diese Rezension nicht, wenn ihr die ersten beiden Teile der Reihe noch nicht gelesen habt, es besteht sonst Spoiler-Gefahr!
– Meine Rezensionen zu den ersten beiden Teilen findet ihr hier:
„Die Schokoladenvilla“
„Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre“

– Alle angegebenen Zitate beziehen sich auf die Seitenzahl der gedruckten Ausgabe
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Penguin-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar erhalten, dies hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

Das Buch „Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals“ von Maria Nikolai ist der dritte Teil um die Familie Rothmann/ Rheinberger, die in Stuttgart während der 1930er Jahre um ihre Schokoladenfabrik kämpfen muss.

Coverrechte: Penguin-Verlag

Anfang Juni 1936: Viktoria, die Tochter von Judith und Victor, weilt in Frankreich. Dort ist sie eine gefragte Chocolatière und sie geht völlig in ihrer Arbeit auf. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters Victor, erreicht sie aus ihrer Heimatstadt Stuttgart einen Hilferuf ihrer Mutter Judith. Victoria macht sich auf den Weg, um ihrer Mutter beizustehen und zusammen mit ihr die Schokoladenfabrik Rothmann zu führen. Doch das neue Regime in Deutschland duldet das ‚Mutter-Tochter-Gespann‘ absolut nicht an der Spitze eines Unternehmens. Der Familie droht der Verlust ihres Lebenswerkes.
Da taucht plötzlich der Amerikaner Andrew Miller auf. Er zeigt der Familie einen Ausweg aus ihrer Misere und bringt das komplette Leben, vor allem von Victoria, gehörig durcheinander.
Währenddessen befürchtet Judith, dass ein lang gehütetes Familiengeheimnis ans Licht kommen könnte und damit alles Dagewesene in Frage stellt.


Vor zwei habe ich den ersten Teil „Die Schokoladenvilla“ von Maria Nikolai gelesen. Vor einem Jahr dann den zweiten Teil „Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre“. Ich freute mich schon seit einiger Zeit auf den dritten Teil, da ich unbedingt wissen wollte, wie es mit der Familie Rothmann/ Rheinberger weitergeht. Endlich konnte ich das Buch in den Händen halten.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Penguin-Verlag, für die Zusendung des Buches als Rezensionsexemplar.

Seit dem ersten Teil sind mir die Charaktere sehr ans Herz gewachsen. Da immer einige Jahre nach dem Ende des vorherigen Bandes zum Anfang des neuen Bandes vergangen sind, bekommt man einen sehr breiten Einblick in das Leben der Charaktere.
Judith, zu Beginn des ersten Teils noch eine junge Frau, im zweiten Teil eine liebende Mutter, aber auch gute Geschäftsfrau, im dritten Teil eine trauernde Witwe, die um das Lebenswerk der Familie bangt. Aber eines begleitet Judith in allen drei Bänden: Die Leidenschaft für Schokolade und die tiefe Liebe und Verbundenheit zu ihrer Familie. Sie ist der Anker der Familie und immer für andere da. In diesem letzten Teil muss sie aber auch lernen, Hilfe anzunehmen. Die Hilfe, die sie Jahre zuvor jedem zu Teil gelassen hat, bekommt sie nun zurück, sie muss nicht alleine kämpfen. Auch wenn Victor nicht mehr da ist, ist er trotzdem noch sehr präsent. Immer wieder erinnert sich Judith liebevoll an die glücklichen Zeiten mit ihm.
Ihre Tochter Victoria hat sehr viel von ihrer Mutter: Sie lässt sich nicht unterkriegen und kämpft für ihre Träume und Ideen. Immer wieder wird sie sich dem plötzlichen Verlust des Vaters bewusst, aber auch ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Mutter.
Als der Amerikaner Andrew Miller Victoria kennenlernt, erkennt er schnell eine Tatsache, mit der er sich auch auseinander setzen muss. Er führt zwar auch eine Süßwaren-Fabrik in New York, sein Großvater traut ihm aber nicht viel zu. Ähnlich ist bei Victoria: Auch sie stößt mit ihren Ideen und Vorschlägen des Öfteren mit ihrer Mutter Judith zusammen.

„Andrew erkannte eine unerwartete Gemeinsamkeit zwischen Viktoria und sich selbst. Es schien das Los jener zu sein, die aus der Familie heraus in die Unternehmensnachfolge eintraten, dass sie zu lange als Kind betrachtet wurden.“
[S. 161 Z. 24 – 28]

Andrew ist ein Charakter, der anfangs sehr schwer zu durchschauen ist: Einerseits wirkt er bedrückt, die Reise nach Deutschland ist für ihn sehr wichtig. Da er aber auch nicht immer alles erzählt, umgibt ihn etwas geheimnisvolles.
Viele Charaktere kennt der Leser schon aus den vorherigen Bänden, zum Beispiel Judiths Zwillingsbrüder Anton und Karl und Victorias großer Bruder Martin. Serafina, die im zweiten Teil die Hauptrolle spielte, kommt auch in diesem Teil wieder vor. Es fühlte sich wunderbar an, diese vielfältigen und liebenswerten Charaktere wieder zu treffen, sie wieder ein Stück in ihrem Leben zu begleiten. Alle Charaktere agieren authentisch, sie haben ihre Ecken und Kanten. Sie sind alle an ihrem Leben und an ihren Aufgaben gewachsen, aus Kindern sind Erwachsene geworden.
Es gibt auch weniger gute Charaktere, die aber auch einen großen Teil der Geschichte mittragen.

Von der ersten Seite an war ich wieder in der Geschichte angekommen. Zum einen, weil es sich wie ein ‚nach Hause kommen‘ angefühlt hat, zum anderen aber auch durch die wunderbare bildhafte Sprache von Maria Nikolai. Auf keiner Seite kam Langeweile auf. Als Leser/in merkt man, wie sehr die Autorin ihre Geschichte, aber auch ihre Charaktere und das Thema liebt.
Ich habe wieder einiges zum Thema Schokoladenherstellung dazu gelernt. Ein wunderbares, süßes Lesevergnügen.
Maria Nikolai lässt ihre Charaktere vor einem gut recherchierten geschichtlichen Hintergrund agieren und nimmt den Leser damit mit auf eine Zeitreise. Durch die liebgewonnen Charaktere wird Geschichte leicht zugänglich und einfühlsam erzählt. Auch wenn die Zeit, in der das Buch spielt, alles andere als schön war, versprüht das Buch eine Leichtigkeit, ohne aber kitschig zu sein. Die Charaktere leben ihr Leben in einer Zeit, als alle bisherigen Werte und Ansichten in Frage gestellt wurden. Hitler an der Macht, der drohende Krieg, Judenhass, drohende Enteignung und Emigration: Die Familie Rothmann/ Rheinberger nimmt die großen Themen dieser Zeit mit und der Leser erlebt sie durch die Charaktere hautnah.

War das wirklich die Zukunft? Die völlige Unterdrückung durch ein Regime, das jede Menschlichkeit vermissen ließ?“
[S. 220, Z. 22 – 23]

Ein zentrales Motiv in diesem Buch ist die Vergebung von Schuld. Wie und wann kann man Menschen vergeben? Und kann man das überhaupt?

Fazit: Das Buch „Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals“ ist ein wunderbarer Abschluss einer Trilogie, die mich seit dem ersten Teil in ihren Bann gezogen hat. Mit Wehmut denke ich, dass ich die lieb-gewonnen Charaktere nun nicht weiter begleiten kann. Bild-gewaltig, mit vielen Details und einem tollen Nachwort der Autorin. Ganz wunderbar. Eine wertvolle, lesenswerte Buchreihe. Danke an Maria Nikolai für die wunderbaren und lehrreichen Lesestunden.

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Penguin-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.