von Charlotte Roth
Erschienen am 12. Januar 2021 im Droemer-Verlag
ISBN: 978-3426308028
https://www.droemer-knaur.de/buch/charlotte-roth-grandhotel-odessa-die-stadt-im-himmel-9783426308028
Das Buch „Grandhotel Odessa – Die Stadt im Himmel“ von Charlotte Roth ist der erste Teil einer zweibändigen Reihe um ein luxuriöses Hotel in der Stadt Odessa am Schwarzen Meer zwischen 1886 und 1918.
Oda Liebenthal wächst im Grandhotel Odessa auf – ein Hotel, welches ihr Vater allen Widrigkeiten zum Trotz gegründet hat.
Als kleines Kind lernt Oda durch ihren Vater die gleichaltrige Belle aus Berlin kennen, die Patentochter ihres Vaters. Den beiden so unterschiedlichen Kindern wird eine Freundschaft geradezu aufgenötigt, diese Freundschaft entwickelt sich über die Jahre dann aber doch noch zu einer Art der Verbundenheit. Odas Vater schätzt Belle sehr, erfüllt ihr alle Wünsche. Seine eigene Tochter Oda scheint für ihn, neben der wunderschönen Belle, wie unsichtbar zu sein. In Oda erwächst das Gefühl, dass ihr Vater Belle viel lieber hat.
Auch an Odas 21. Geburtstag, der im Grandhotel Odessa gefeiert wird, ist Belle mit von der Partie. Oda möchte diesen Tag aber anders nutzen, als alle anderen vermuten: Sie möchte mit ihrer heimlichen Liebe Karel, einem gefeierten Balletttänzer, durchbrennen. Alles ist penibel durchgeplant, Oda möchte endlich ihrem lieblosen Vater, der die Liebe seiner Tochter als nicht standesgemäß erachtet, entfliehen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Doch es kommt anders als geplant: Karel erscheint nicht am vereinbarten Treffpunkt. Enttäuscht und verletzt stürzt sie sich in die Arbeit, um jedem Gast einen unvergesslichen Aufenthalt im Grandhotel Odessa zu ermöglichen.
Ich mag die Bücher von Charlotte Roth sehr gerne und ich warte immer gespannt auf ihre Neuerscheinungen. Charlotte Roth entführt mich mit ihrer intensiven Sprache und starken Charakteren immer wieder in vergangene Zeiten und lehrt mich sehr oft Neues.
Als die Autorin Mitte des Jahres 2020 ihr neues Buchprojekt vorstellte, war mein Interesse gleich geweckt – zum einen wegen des wunderschönen Covers, aber auch wegen des Klappentextes. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg interessiert mich sehr, hier kommt noch ein eher ungewöhnlicher Handlungsort hinzu. Davor hatte ich noch nie etwas über die Stadt Odessa gelesen.
Das Buch habe ich mir direkt am Erscheinungstag gekauft und ein paar Tage später mit der Lektüre begonnen.
Das Buch hat eine Vielzahl von Charakteren, die aber alle facettenreich und liebevoll beschrieben sind. Sie alle haben ihre Eigenheiten und Eigenschaften, gute Seiten, aber auch Schattenseiten.
Oda, die Hauptfigur dieses Werkes, ist ein Charakter, der mir sehr in Erinnerung bleiben wird. Von Anfang an wird klar, dass sie sich von ihrem Vater ungeliebt und zurückgesetzt fühlt. Sie tut sich schwer damit, sich selbst zu mögen, hat Komplexe und vergleicht sich oft mit, der in ihren Augen perfekten, Belle. Doch ihr Herz möchte lieben und so läuft sie direkt in die Arme des begehrten Junggesellen Karel. Er gibt ihr ein Stück Selbstbewusstsein und Stärke zurück. Vom Personal des Grandhotel Odessa, aber auch von vielen Gästen erhält Oda Anerkennung, die sich aber hart erarbeiten muss. Das alles kann die Übergehung von Seiten ihres Vaters nicht ungeschehen machen. Oda möchte in ihrem Leben Eines erreichen: Sie möchte auf der selben Stufe mit ihrem Vater stehen und das Hotel übernehmen.
Belle, ein verträumter Charakter, ist, nicht nur äußerlich, das komplette Gegenteil zu Oda: Ihr scheint im Leben alles zuzufliegen, von allen Seiten bekommt sie Liebe entgegen. Sie bekommt alles im Leben, was sie sich wünscht, ohne dabei etwas zu tun. Aber wer hoch fliegt, kann auch sehr tief fallen.
Philipp Liebenthal, Odas Vater, ist ein Charakter, der es dem Leser/ der Leserin von Anfang an schwer macht, ihn sympathisch zu finden. Es wird schnell klar, dass er für sein Hotel alles Mögliche getan hat, sich allen Widrigkeiten widersetzt hat und ein Kämpfer ist. Sein Umgang mit Oda und auch anderen Menschen, ist aber eher abstoßend und teilweise schwer zu ertragen. Im Laufe der Geschichte, die auch in seine Jugend zurückführt, wird aber auch einiges klar und sein Verhalten nachvollziehbarer.
Es gibt neben diesen Hauptfiguren noch eine Vielzahl an Charakteren, die mich alle mit ihren Lebensgeschichten und ihrer tiefen Charakterzeichnung überzeugt haben. Da wäre zum Beispiel der Balletttänzer Karel zu nennen. Er scheint in seinem Leben angekommen zu sein, ist aber eigentlich eine gequälte Seele. Er traut sich nicht, Wahrheiten auszusprechen, wird von vielen nicht für voll genommen und scheitert dann an seinen Entscheidungen.
Die russische Fürstin Lidija Petrowna, die für Oda eine enge Vertraute wird, findet ihren Platz in der Geschichte und spricht vieles direkt aus, was andere sich nicht trauen. Ein Charakter, den man einfach gerne haben muss.
Eine andere Figur, die am Rande mitspielt, aber trotzdem wichtig ist die Kaltmamsell Katjuša. Sie wird mir mit ihrem Schicksal in Erinnerung bleiben.
Viele Charaktere erscheinen erst wenig, ihre Geschichte wird dann aber rückblickend wichtig und unentbehrlich für weiteren Verlauf der Geschichte. Sie alle agieren lebensecht und fügen sich perfekt in die Geschichte ein.
Die Handlung findet größtenteils in der Stadt Odessa statt. Aber auch Berlin und Rom sind wichtige Handlungsorte. Später im Buch wird auch von der Kriegsfront berichtet.
Das Buch beginnt 1893 in Odessa, springt dann vor in das Jahr 1910 und von da zurück in das Jahr 1886. Diese Erzählstränge werden nach und nach gekonnt miteinander verflochten. Viele Fragen werden mit Begebenheiten aus der Vergangenheit beantwortet und damit einiges klarer, was der Leser vorher nicht zuordnen konnte.
Charlotte Roth hat sich der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges angenommen und erzählt über eine Zeit, die mit dem Ersten Weltkrieg untergegangen und nie wieder zurückgekehrt ist. Eine Epoche, in der alles möglich war und der Luxus in vollen Zügen genossen werden konnte.
Den Alltag eines Luxushotels zu dieser Zeit hat Charlotte Roth perfekt recherchiert und sie nimmt uns mit in dieses Hotel. Für eine kurze Zeit wurde dieses Hotel auch mein Zuhause.
Die Siedlungen rund um Odessa waren Siedlungen der sogenannten ‚Schwarzmeerdeutschen‘. Odas Familie stammt aus einer dieser Familien, die das Bild Odessas prägten.
Ab der ersten Seite konnte mich Charlotte Roth mit in ihre Geschichte nehmen. Ihre intensive und bildhafte Sprache ließen den Handlungsort, die wunderbare Stadt Odessa und das Luxushotel, vor meinen Augen lebendig werden.
Ich konnte das Buch teilweise sehr schwer aus der Hand legen, da gerade zum Ende hin, alle Fäden zusammenlaufen.
Und: Ich habe ein weiteres Reiseziel gefunden: Irgendwann möchte ich auch mal nach Odessa reisen. Irgendwann…
Fazit: Ein opulentes Buch, welches mich sehr gut unterhalten hat. Starke und facettenreiche Charaktere, ein perfekt recherchierter geschichtlicher Hintergrund und eine intensive und bildhafte Sprache machen dieses Buch zu einem wahres Erlebnis. Absolut lesenswert!
Hinweis: Das Buch habe ich mir selbst gekauft. Es gab für diese Rezension keine Gegenleistung des Verlages oder der Autorin.