von Lilly Bernstein
[Werbung*]
Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 28. Juli 2022
Verlag: Ullstein
ISBN: 978-3-548-06568-7
Seitenanzahl: 592 Seiten
Klappentext:
„Köln 1955: Die 15-jährige Helga und ihr Bruder Jürgen leben endlich wieder bei ihrem aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Vater. Von der Mutter fehlt seit Kriegsende jede Spur. Der Vater baut sich mit einem Büdchen eine neue Existenz auf, Jürgen beginnt bei Ford. Helga aber, die sich nichts sehnlicher wünscht, als aufs Gymnasium zu gehen, soll sich in der Haushaltungsschule auf ein Leben als Ehefrau vorbereiten. Während eines Praktikums im Waisenhaus muss sie entsetzt mitansehen, wie schlecht die Kinder dort behandelt werden. Schützend stellt sie sich vor ein sogenanntes »Besatzerkind«. Und sie verliebt sich. Doch die Schatten des Krieges bedrohen alles, was sie sich vom Leben erhofft hat …“
https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/findelmaedchen-9783548065687.html
– Das Buch habe ich freundlicherweise über vom Ullstein-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
– Das Buch ist der zweite Teil um die ‚Trümmerkinder‘, kann aber durchaus auch als eigenständige Geschichte gelesen werden.
_
Das Buch „Findelmädchen – Aufbruch ins Glück“ von Lilly Bernstein zeigt das schwierige und teils sehr ungerechte Leben eines jungen Mädchens in Köln der 1950er Jahre.
Ende des Jahres 1954 leben die 15jährige Helga und ihr älterer Bruder in Jürgen in Frankreich. Dort haben sie bei ihren Pflegeeltern Claire und Albert ein liebevolles und sicheres Zuhause auf einem Weingut gefunden, nachdem sie sich in Köln als Trümmerkinder durchschlagen mussten.
Als ihr leiblicher Vater aus der russischen Kriegsgefangenschaft heimkehrt, holt er Helga und Jürgen zu sich zurück nach Köln und gemeinsam wohnen sie in dem Haus ihrer Mutter, von welcher seit Kriegsende jede Spur fehlt. Mit im Haus wohnen Tante Meta, eine sehr strenge, verbitterte und ungerechte Frau, und die junge und lebensfrohe Fanny.
Während ihr Vater sich mit einem ‚Büdchen‘ eine neue Existenz aufbaut und Jürgen bei Ford beginnt, wünscht Helga sich so sehr, ein Gymnasium zu besuchen und ihre Liebe zum Wort ausleben zu dürfen. Doch ihr Vater verweigert ihr diesen Wunsch schickt sie auf eine Haushaltungsschule, in der sie sich auf ein Leben als Ehefrau und Mutter vorbereiten soll. Ein Praktikum führt sie in ein Waisenhaus und Helga muss mit Entsetzen ansehen, wie furchtbar die Kinder dort behandelt werden. Allen voran ein sogenanntes »Besatzerkind« namens Bärbel. Schützend stellt sie sich vor das Kind und gefährdet damit nicht nur ihre Zukunft, sondern rührt auch an der Vergangenheit und bringt damit Schreckliches ans Tageslicht.
Anfang des Jahres 2021 habe ich das Buch „Trümmermädchen – Annas Traum vom Glück“ von Lilly Bernstein mit großer Begeisterung innerhalb weniger Tage gelesen.
Als ich die Ankündigung für das neue Buch sah, war mir sofort klar, dass ich auch dieses Buch unbedingt lesen muss und auch den Sozialen Medien fand das Buch begeistertes Echo.
Freundlicherweise bekam ich ein Exemplar des Buches als Rezensionsexemplar vom Ullstein-Verlag zugesendet, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 15-jährige Helga, welche bereits aus dem Vorgängerband „Trümmermädchen – Annas Traum vom Glück“ bekannt ist. Durch ihre Perspektive wird der Roman „Findelmädchen – Aufbruch ins Glück“ geschildert.
Helga ist ein sehr wissbegieriges und gescheites Mädchen, welches zu ihrer Meinung steht und sich nicht so schnell unterkriegen lässt. Trotz ihrer bewegten und dramatischen Vergangenheit, verliert sie nicht ihren Lebensmut und steht für andere ein. Mich hat Helgas mutiger, selbstloser und absolut lebensechter Charakter sehr beeindruckt und auch ihre authentische Entwicklung konnte mich absolut überzeugen. Sie ist nicht rundum perfekt, muss auch Rückschläge und Ungerechtigkeiten einstecken und begeht auch den ein oder anderen Fehler.
Neben Helga steht die kleine Bärbel im Fokus der Geschichte, welche unter entsetzlichen Bedingungen in einem Waisenhaus aufwachsen muss. Bärbel ist ein sogenanntes »Besatzerkind«, also ein Kind mit dunkler Hautfarbe. Im Nachkriegsdeutschland ist sie alles andere als gerne gesehen und wird im Heim immer wieder erniedrigt und misshandelt. Bärbels Geschichte nahm mich sehr mit und trieb mir oft die Tränen in die Augen und ließ mich teilweise auch sehr wütend werden. Bärbels aufwühlende Geschichte werde ich noch lange in meinem Herzen tragen.
Helgas Vater war in russischer Kriegsgefangenschaft und kehrt nach vielen Jahren aus dieser zurück. Er verschließt sich seiner Vergangenheit und möchte nur in die Zukunft blicken. Mit einem kleinen Kiosk (‚Büdchen‘) baut er sich eine neue Existenz auf. Er ist ein sehr in sich gekehrter Charakter mit großen Geheimnissen, wodurch er sehr undurchsichtig wirkt.
Helgas Fels in der Brandung ist ihr Bruder Jürgen. Die beiden Geschwister mussten in ihrem Leben schon so einiges zusammen durchstehen, was die Beiden eng zusammengeschweißt hat. Jürgen ist ein absoluter Macher und ein anpackender und selbstsicherer Charakter, welchen ich sehr in mein Herz geschlossen habe.Helgas Mutter lernt der Leser/ die Leserin an Hand von Tagebucheinträgen kennen und diese zeigen einen ehrlichen, liebevollen aber auch völlig verzweifelten Charakter. Eine Mutter, die für ihre Familie, vor allem für ihre Kinder alles in Bewegung setzt und nichts unversucht lässt. Zu Beginn der Geschichte lernt der Leser/ die Leserin noch die junge und lebensfrohe Fanny kennen, welche dem Vater von Helga und Jürgen unter die Arme greift. Auch ihre Vergangenheit liegt im Verborgenen und auch sie gibt alles, um sich eine sichere Zukunft aufzubauen. Mit ihrer freundlichen und sehr schwungvollen Art bildet sie einen Kontrast zu der stets strengen und verbitterten Tante Meta. Deren völlig ungerechter Charakter machte mich während des Lesens immer wieder unglaublich wütend und auch fassungslos.
Ein Charakter, welchen ich sehr in mein Herz geschlossen habe, ist der junge Konradin, welchen Helga kennen- und lieben lernt. Er ist ein sehr warmherziger Charakter, aber auch vieles aus seiner Vergangenheit gibt Helga und somit auch dem Leser/ der Leserin große Rätsel auf.
Um diese Figuren agieren noch einige andere Charaktere, welche mich alle, wie auch die Hauptfiguren und egal ob gut oder böse, völlig mit ihren Geschichten und Handlungen überzeugen konnten.
Die Handlung des Buches setzt Ende des Jahres 1954 an und läuft ab diesem Zeitpunkt chronologisch fort. Unterbrochen wird die Erzählung von den Tagebucheinträgen der Mutter aus dem Jahr 1945, welche sich direkt an ihren Mann richten, der zu dieser Zeit schon an der Front und später in Kriegsgefangenschaft war.
Durch diese eingestreuten Tagebucheinträge bekommt die Geschichte noch einmal eine große Authentizität und es ist absolut spannend und mitreißend, wie Lilly Bernstein die Vergangenheit und die Gegenwart der Geschichte zusammenführt.
Wie schon im Vorgängerband „Trümmermädchen – Annas Traum vom Glück“ hat mich der angenehme und doch auch rasante Sprachstil der Autorin direkt mit in die Geschichte genommen und die Seiten flogen nur so dahin. Ihre authentische und völlig ungeschönte Sprache bildet unter anderem den damals alltäglichen Rassismus und seine Niederträchtigkeit in seiner furchtbaren Gänze ab.
Den geschichtlichen Hintergrund des Buches „Findelmädchen – Aufbruch ins Glück“ bildet die Stadt Köln im Jahre 1955. Noch immer prägen Ruinen das Stadtbild, aber es weht auch der Wind des Aufbruchs und Neubeginns durch die Stadt. Doch das nationalsozialistische Regime und der Zweite Weltkrieg haben tiefe Narben in der Bevölkerung hinterlassen. Teils sind es noch offene Wunden und der alltägliche Rassismus entlädt sich an den »Besatzerkindern«, also den Kindern, welche von amerikanischen oder britischen Soldaten gezeugt wurden. Diese Kinder wurden den ledigen und jungen Müttern weggenommen und in Waisenhäuser gesteckt, in denen sie oft unter furchtbarsten Bedingungen leben mussten und als minderwertige Menschen angesehen wurden.
Ein weiteres Thema ist die Bildung der Frau und ihre Stellung in der Gesellschaft. Zwar konnten junge Mädchen auch Gymnasien besuchen und danach studieren, aber eigentlich sah man sie lieber auf einer Haushaltungsschule, auf der sie auf ihr späteres Leben als Hausfrau und Mutter eingestimmt werden sollten. Außerdem waren sie in vielen Bereichen weiterhin unmündig und wurden gerne bevormundet. Zudem hatte eine ledige Mutter keinerlei Rechte, wurde noch immer von dieser noch immer sehr konservativ eingestellten Gesellschaft geächtet.
Diese geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründe hat Lilly Bernstein akribisch recherchiert und verbindet diese wunderbar mit den Geschichten und Handlungen ihrer fiktiven Charaktere.
Die Beschreibungen des alltäglichen Rassismus trieben mir des Öfteren die Tränen in die Augen und ließen meinen Atem stocken und ich las das Buch teilweise mit feuchtgeschwitzten Händen.
Danke liebe Lilly Bernstein, für dieses mitreißende und grandiose Lese-Erlebnis, welches ich mit seinen unvergesslichen Charakteren noch lange Zeit in meinem Herzen tragen werde.
Fazit: Dieses Buch hat die Bezeichnung „Highlight“ einfach mehr als verdient. Ein absolutes Lese-Muss, welches beste Unterhaltung von der ersten bis zur letzten Seite bietet und auch sehr unter die Haut geht. Top!
*Ich habe für diese Rezension vom Verlag oder von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.