„Fräulein Gold – Scheunenkinder

von Anne Stern

Erschienen am 13. Oktober 2020 im Rowohlt-Verlag
ISBN: 978-3-499-00429-2
https://www.rowohlt.de/paperback/anne-stern-fraeulein-gold-scheunenkinder.html

Hinweise:
– Lest diese Rezension bitte nicht, wenn ihr Teil 1 „Fräulein Gold – Schatten und Licht“ noch nicht kennt
– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier.
– Alle Zitate beziehen sich auf die Seitenzahl der gedruckten Ausgabe.
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt-Verlag als Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

Das Buch „Fräulein Gold – Scheunenkinder“ von Anne Stern ist der zweite Teil einer Trilogie um die Hebamme Hulda Gold, die im Berlin der 1920er Jahre auf der Spur eines unvorstellbaren Verbrechens an Kindern ist.

Coverrechte: Rowohlt-Verlag

Im Oktober 1923 ist für Hulda Gold noch fast alles beim Alten: Noch immer wohnt sie am Winterfeldtplatz, der Kioskverkäufer Bert bildet ihren Fels in der Brandung, ihr Ex-Freund Felix bereitet ihr nach wie vor Kummer und Kommissar Karl North, Huldas neue Beziehung, ist für sie nicht der sicherer Hafen.
Da wird Hulda zu einer Geburt ins Scheunenviertel nach Mitte gerufen. Dort entbindet sie Tamar, die mit ihrem jüdischen Ehemann und ihren Schwiegereltern im Elend wohnt, von einem gesunden Sohn. Doch wenige Tage später verschwindet das Neugeborene und Hulda beginnt ihre Nachforschungen und ist einem furchtbaren Verbrechen auf der Spur.
Karl North, Huldas Freund, steht vor einem großen Fall: Er bekommt es mit Kinderhändlern zu tun und Hulda ahnt, dass es einen Zusammenhang mit dem Verschwinden des Neugeborenen geben könnte.
Kurze Zeit später ist die Inflation auf dem Höhepunkt. Angefacht von rechten Gedankengut wird das Scheunenviertel gestürmt, der Judenhass entlädt sich in einem Pogrom und Hulda selbst gerät als Halbjüdin in große Gefahr.

Im Mai 2020 habe ich den ersten Teil der Reihe um Hulda Gold gelesen und war von diesem starken Charakter sehr angetan. Außerdem empfinde ich die Mischung aus Historie und Krimi sehr interessant. Damit war klar, dass ich den zweiten Teil auch direkt lesen wollte.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Autorin Anne Stern, die mit ein Rezensionsexemplar beim Rowohlt-Verlag vermittelte und auch an den Rowohlt-Verlag für die Zusendung des Buches.

Hulda Gold ist für mich ein äußerst faszinierender Charakter – sie gehört zu den interessantesten fiktiven Charakteren, die ich in meiner Leselaufbahn kennenlernen durfte. Nach außen hin wirkt sie taff und selbstsicher, ist ihrem Beruf eine Konifere und damit die Rettung vieler Frauen und Neugeborenen. In ihrem Inneren sieht es aber anders aus: Sie hadert mit ihrem Leben, mit ihrem Beruf, mit ihrer Liebe und auch mit ihrem Leben. Beruflich hat sie ihren Platz gefunden, privat sieht es da eher weniger nach aus. Ihre vergangene Liebe zu Felix, ihre aktuelle Liebe zu Karl – sie möchte eine Beziehung, fühlt sich jedoch schnell eingeengt. Sie liebt das Feiern, sie ist aber auch gerne mit sich alleine.
Trotz aller Selbstzweifel, eines ist sie immer: Eine starke Frau, die für ihre Überzeugungen und gegen das Unrecht gegenüber anderen Menschen vorgeht. Leider vergisst sie sich dabei oft selbst und bringt sich damit oft in gefährliche Situationen.
Hulda ist ein sehr authentisch gezeichneter Charakter, den ich so schnell nicht vergessen werde.

Huldas Freund Karl, der im Waisenhaus ohne Liebe und Zuwendung aufgewachsen ist, tut sich schwer damit, für Hulda ein Fels in der Brandung zu sein. Auch er hadert mit sich selbst, fühlt sich schnell zurückgesetzt und redet sich selbst gerne klein.

Nun, dachte er grantig, während er Hulda ungeduldig zuwinkte, die über die Pfützen am Straßenrand stakste, vielleicht war eigentlich er es, der über sich selbst so hart urteilte. Doch wie hätte er auch lernen sollen, sich selbst zu mögen? Aufgewachsen in einem lieblosen Heim für Waisenkinder, in der täglichen Angst vor Schlägen und dem Wissen, dass seine Eltern ihn ihrer Fürsorge nicht für würdig gehalten hatten. Nein, er hatte als Kind und als junger keinen Grund gehabt, an sich zu glauben, und heute, da er erwachsen war, ein Mann mit einem angesehenen Beruf und einer hübschen Freundin, schien er dies nicht mehr lernen zu können. [S. 161 Z. 13- 24]

Er wirkt oft sehr kalt und emotionslos – kennt man aber seine Vergangenheit wird klar, warum er so ist. Karl hat in seinem Leben nichts geschenkt bekommen, er hat sich alles selbst erarbeitet.

Es gibt eine Vielzahl an Figuren in diesem Buch, die aber alle mit ihren vielen Facetten überzeugen konnten. Unbedingt zu nennen ist der Zeitungsverkäufer Bert: Schon im ersten Teil ein liebenswerter Mensch, nun erfährt man in diesem Teil ein wenig mehr über ihn. Er ist für Hulda ein väterlicher Freund, zu dem sie immer wieder kommen kann. Er sagt ihr Sachen, die sie nicht unbedingt hören möchte, die sie dann aber doch weiter bringen. Er ist immer für Hulda da.
Frau Wunderlich, Huldas Vermieterin, muss man einfach lieb haben, Auch wenn sie Hulda kontrolliert, sie möchte nur das Beste für sie und sorgt sich beständig um Hulda.
Auch Nebenfiguren wie die Apothekerin Jette oder Tamar, haben mich mit ihren fein gezeichneten und liebenswerten Charakteren sehr überzeugt.
Die Figuren in dem Buch „Fräulein Gold – Scheunenkinder“ sind wie ein bunter Blumenstrauß: Vielfältig, farbenprächtig und jede Figur hat ihren Platz. Einige Charaktere mochte ich nicht direkt, nachdem man aber ihre Geschichte erfahren hat, konnte ich vieles an ihrem Verhalten verstehen.

Ab dem ersten Kapitel konnte ich wieder tief in die Geschichte abtauchen. Anne Stern hat eine wunderbare, detaillierte, bildgewaltige und flüssige Sprache, die auf keiner Seite Langeweile aufkommen lässt. Sie beschreibt Menschen, Gerüche und Geräusche so, dass ich völlig in das Berlin der 1920er Jahre abtauchen konnte.

„Eine nächtliche Bahn fuhr über ihrem Kopf durch den dunklen Himmel. Metall kreischte auf Metall, langgezogen und jammernd – der fortwährende Gesang der Großstadt, der niemals verstummte.“ [S.120, Z. 27 – 30]

Die Handlung des Buches konnte mich, wie auch schon im ersten Teil, wieder überzeugen: Hulda, die Unrecht sieht, erkennt und dagegen vor geht. Auch wenn sie sich damit in Gefahr bringt.
Sehr mitgenommen hat mich die Geschichte um die Kinder, die Kinderhändlern in die Hände fallen. Anne Stern beschreibt das Grauen, sie zeigt es aber nicht in jeder Einzelheit.
Sehr beeindruckt hat mich, wie die Autorin das Scheunenviertel, welches im Jahr 1933 zerstört wurde, vor den Augen des Lesers wieder lebendig werden lässt. Enge, dunkle Wohnungen, aber auf den Straßen tobte das bunte Leben.

Ein großes Thema in „Fräulein Gold – Scheunenkinder“ ist die Inflation, die im Jahr 1923 ihren Höhepunkt erreichte. Die Menschen mussten das Geld säckeweise zum Einkaufen mitnehmen und bekamen trotzdem fast nichts mehr für ihr Geld. Unzufriedenheit und Wut waren die Antwort der Bevölkerung. Diesen Unfrieden nutzten Hetzer, um gegen die „reichen Juden“ zu wettern. Das Scheunenviertel wurde im November 1923 Ziel eines Pogroms: Häuser und jüdische Geschäfte wurden zerstört, Menschen gejagt und verletzt oder getötet. Die Bevölkerung hatte endlich einen Sündenbock gefunden, die Presse spielte das Pogrom gehörig runter.
Es war erschreckend zu lesen, wie leicht es den Hetzern fiel, Gift zu versprühen und auf welch fruchtbaren Boden ihre Saat gefallen und aufgegangen ist.
Spannend fand ich, dass die Autorin viel über den Alltag in jüdischen Familien geschrieben hat. Ich habe viel Neues über Feste und Rituale des Judentums gelernt.
Ein weiteres Thema ist, wie sich die Geburten in dieser Zeit verändert haben: Waren Hausgeburten noch einige Jahre zuvor ganz selbstverständlich, wurde freien Hebammen das Leben immer schwerer gemacht. Geburten in Kliniken und damit unter ärztlicher Aufsicht gewannen immer mehr an Bedeutung.

Fazit: Das Buch „Fräulein Gold – Scheunenkinder“ ist eine lesenswerte Fortsetzung der Reihe um die Hebamme Hulda Gold. Mit einer bildgewaltigen, detaillierten Sprache und einer packenden Handlung bringt uns das Buch zurück in das Berlin von 1923. Unbedingt lesen! Danke an Anne Stern für die unterhaltsamen, aber auch lehrreichen Lesestunden.

Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt-Verlag als Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Weihnachten am Ku’damm“

von Brigitte Riebe

Erschienen am 13. Oktober 2020 im Wunderlich-Verlag
ISBN: 978-3-8052-0073-8
https://www.rowohlt.de/pappbilderbuch/brigitte-riebe-weihnachten-am-ku-damm.html

Hinweise:
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die gedruckte Ausgabe.
– Meine Rezensionen zu den Teilen findet ihr hier:
Teil 1 „Die Schwestern vom Ku’damm: Jahre des Aufbaus“
Teil 2 „Die Schwestern vom Ku’damm: Wunderbare Zeiten“
Teil 3 „Die Schwestern vom Ku’damm: Tage der Hoffnung“

Das Buch „Weihnachten am Ku’damm“ von Brigitte Riebe spielt während des Jahrhundertwinters 1946/1947 in Berlin und ist damit ein kleines Zusatzbuch zu der 50er-Jahre-Trilogie um die Familie Thalheim.

Coverrechte: Rowohlt-Verlag

Das Buch beginnt am 17. Dezember 1946: Berlin liegt, zwei Jahre nach Ende des Krieges, noch immer in Schutt und Asche. Aber nicht nur das belastet die Bevölkerung, auch eine ungewöhnliche Kälte stellt die Menschen vor große Herausforderungen.
Das ‚Modehaus Thalheim‘, einst ein prächtiges und modernes Kaufhaus ist nur noch eine Ruine, Rike führt das Modehaus in einem kleinen düsteren und kalten Ladengeschäft provisorisch weiter. Vom früheren Glanz ist nichts mehr zu spüren.
Kurz vor Weihnachten kochen bei allen Mitgliedern der Familie Thalheim die Emotionen hoch: Jeder möchte ein schönes Weihnachtsfest, Florentine besteht auf einen Weihnachtsbaum. Doch ein opulentes Weihnachtsfest ist für die Familie Thalheim in weiter Ferne.
Da findet Rike einen kleinen Jungen vor der Ladentür. Er heißt Erich und ist der Sohn von Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten. Erich erkrankt schwer und die drei Thalheim-Schwestern Rike, Silvie und Florentine sind sich in einem einig: Er soll ein wunderschönes Weihnachtsfest bekommen, egal wie.

Ich habe die 50er-Jahre-Trilogie von Brigitte Riebe, die in den Jahren 2018, 2019 und 2020 erschien sehr gerne gelesen und war nach dem dritten Teil sehr traurig, dass die Reihe beendet war. Die vielfältigen Charaktere der Familie Thalheim sind mir sehr ans Herz gewachsen.
Als Brigitte Riebe ankündigte, dass es noch mal eine kleine zusätzliche Geschichte über die Familie Thalheim geben sollte, war ich sehr glücklich und es war klar, dass ich dieses Buch direkt lesen wollte.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Wunderlich-Verlag (Rowohlt), die mir ein Exemplar als kostenloses Rezensionsexemplar zugeschickt haben.

Was habe ich die Familie Thalheim vermisst: Ein bunter Haufen Menschen, alle mit Ecken und Kanten. Sie streiten sich, sie lieben sich und sie sind immer füreinander da.
In dieser Geschichte kommt man ihnen allen noch einmal näher und spürt, wie sehr sie sich nach den vergangenen Zeiten sehnen, wie ihnen ihre Villa, aber auch ihr ‚Modehaus Thalheim‘ fehlen.
Rike ist die Vernünftige, Silvie das Herz und Flori ist die Künstlerin in der Familie. Aber auch Miri, eine gute Freundin der Thalheims, trägt ihren Teil zu dieser Familie bei. Das Familienoberhaupt Friedrich, seine Frau Claire und sein Bruder Carl: Alles Charaktere, die man einfach gerne haben muss.
Erich, ein kleiner Junge, den Rike halb erfroren vor ihrem Ladengeschäft findet, erobert das Herz der Familie Thalheim, aber auch des Lesers im Sturm. Ein kleiner Junge, dem seine Kindheit geraubt wurde, er versprüht aber trotzdem eine solch ansteckende Lebensfreude. Seine Geschichte und die seiner Eltern sorgte bei mir für Gänsehaut. Flucht und Vertreibung, die Heimat für immer verloren und nirgendwo wurde man gerne gesehen.

Was haben wir unseren Kindern mit diesem furchtbaren Nazi-Regime, mit Krieg, Bomben, Hunger, Flucht und Vertreibung nur angetan? Die Kindheit haben wir Ihnen gestohlen, ihre jungen Leben ruiniert! Das ist nicht vorbei, sobald man die weiße Flagge hisst, sondern eine Schuld, die schwer auf uns allen lastet. Noch Generationen nach uns werden damit zu kämpfen haben…“
[S. 52, Z. 9-15]

Brigitte Riebe beschreibt ihre Charaktere mit einer beeindruckenden Tiefe und Authentizität, auch die weniger guten Figuren.

Die Sprache von Brigitte Riebe ist detailliert, dabei aber niemals langatmig oder gar langweilig. Sie beschreibt diesen furchtbaren Winter, die Heimatlosigkeit aber auch den Mut und die Zuversicht der Menschen zu dieser Zeit einfühlsam aber auch ungeschönt.
Die Hoffnung auf ein schönes Weihnachtsfest, der Wille, die Stadt wieder aufzubauen und der Glaube, dass alles wieder gut wird – all das beinhaltet dieses Buch. Es geht sehr ans Herz, stellenweise machte es mich sehr traurig, aber die Hoffnung der Menschen überwog und war sehr spürbar .

Wie schon erwähnt, ist das große Thema in diesem Buch der Jahrhundertwinter, der ‚Hungerwinter‘ in den Jahren 1946/1947: In diesem Winter gefror das Wasser in den Leitungen, der Mangel an Heizmaterial ließ viele Menschen in ihren Betten erfrieren. Allein in Deutschland erfroren mehrere hunderttausend Menschen, die durch die Mangelernährung sehr geschwächt waren. In der Sowjetunion starben in den Jahren 1946 bis 1948 etwa zwei Millionen Menschen in der Folge von Hunger und den extremen Wetterbedingungen.
Ein anderes Thema ist die Vertreibung und Flucht aus den ehemaligen Ostgebieten. Diese Menschen kamen mit einem Koffer und den Sachen, die sie am Leib trugen an. Auch sie mussten versorgt werden und wurden in Wohnungen einquartiert, in denen noch andere Familie wohnten. Viele wollten das nicht und stellten sich gegen die Flüchtlinge und machten ihnen das Leben noch schwerer.
Flucht und Vertreibung: Ein (leider) nach wie vor aktuelles Thema.

Fazit: Das Buch ist mit 158 Seiten sehr übersichtlich, geht aber mit einer sehr intensiven Geschichte ans Herz. Es ist unvorstellbar, was die Menschen durchmachen mussten. Mich hat es sehr berührt, dass es aber auch zu dieser Zeit Hoffnung gab und Menschen, die nicht weggeschaut haben.
Danke Brigitte Riebe, dass ich noch einmal zu der Familie Thalheim zurück kehren durfte.

Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt-Verlag als Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre“

von Maria Nikolai

Erschienen am 14. Oktober 2019 im Penguin-Verlag
ISBN: 978-3328104063

Hinweise:
– Das Buch ist der zweite Teil der Reihe „Die Schokoladenvilla“
– Lest diese Rezension bitte nicht, wenn ihr den ersten Teil noch nicht kennt.
– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier.

Das Buch „Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre“ von Maria Nikolai ist der zweite Teil um die Familie Rothmann, die in Stuttgart im Jahre 1926 mit ihrer Schokoladenfabrik vor große Herausforderungen gestellt werden.

Coverrechte: Penguin-Verlag

Das Buch beginnt mit der Handlung einige Jahre nach dem Ende des ersten Teils.
Es ist das Jahr 1926: Wir lernen die junge Serafina kennen, die zu ihrem Halbbruder Victor von Berlin nach Stuttgart zieht. Dort erwartet sie das prächtige Familienanwesen, eine Villa, die alle „Die Schokoladenvilla“ nennen. Ihre Wurzeln zu Berlin kann sie nie ganz vergessen, so richtig heimisch fühlt sie sich nicht.
Mit ihrer Abenteuerlust und ihrem Charme erobert sie sofort die Herzen der Familie Rothmann, aber auch von Anton, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Doch Anton ist auf dem besten Weg, sich mit einer anderen Frau zu verloben.
Währenddessen läuft es für Judith und Victor in ihrer Schokoladenfabrik nicht ganz rund: Maschinen werden sabotiert und damit steht die Produktion und ihr gesamtes Lebenswerk auf dem Spiel.
Da taucht ein dunkles Kapitel aus Serafinas Vergangenheit auf, welches sie eigentlich für immer vergessen wollte…

Vor etwa einem Jahr habe ich den ersten Teil „Die Schokoladenvilla“ von Maria Nikolai mir großer Begeisterung gelesen. Ich liebe Schokolade, und wenn es dann noch einen historischen Roman gibt, der von dieser süßen Versuchung handelt, muss ich dieses Buch einfach lesen.
Klar, dass ich auch den zweiten Teil direkt lesen wollte und meine Vorfreude auf die Fortsetzung war enorm. Und erst die Freude, als ich das Buch endlich in den Händen halten konnte.

Das Cover ist mal wieder ein absoluter Hingucker. Verspielt und mit leichtem Glitzer-Effekt auf Vorder- und Rückseite, dazu im Hintergrund die Villa, die schon im ersten Teil eine Art zuhause wurde.

Ich hatte auch keine Probleme, wieder in die Handlung zu finden, sie zog mich ab der ersten Seite wieder in ihren Bann.
Maria Nikolai hat einen sehr detaillierten Schreibstil, der aber niemals langweilig wird. Man merkt, wie sehr sie recherchiert hat und sich auch in Stuttgart auskennt. Für mich war Stuttgart nie die interessanteste Stadt, durch ihre Bücher bin ich der Stadt doch etwas näher gekommen. Auch zum Thema „Schokoladenproduktion“ hat sie wieder akribisch recherchiert und hat mir so einiges an neuem Wissen vermittelt.

Da doch einige Jahre nach dem Ende des ersten Teils und dem Beginn des zweiten Teil vergangen sind, konnte man die Charaktere noch einmal fast neu kennen lernen. Sie alle haben sich weiter entwickelt, vor allem die kleinen Zwillingsbrüder von Judith.
Victor hat sich zusammen mit Judith zu einem guten Gespann entwickelt, die mit viel Engagement und Wissen ihre Schokoladenfabrik führen und gut zusammen arbeiten, privat aber auch ein gutes Team bilden.
Mit Serafina hat dieser Teil eine neue Hauptfigur, die mich sehr begeistert hat. Schon auf den ersten Seiten wirkt sie sympathisch, auch wenn sie ein Geheimnis zu umgeben scheint.
Alle Charaktere in diesem Buch handeln und agieren authentisch, sie wirken absolut lebensecht. Mit ihren Figuren hat Maria Nikolai das Leben in Stuttgart im 20. Jahrhundert sehr gut eingefangen und lässt es vor den Augen des Lesers lebendig werden.

Fazit: Eine wunderbare Fortsetzung, die dem ersten Teil in Nichts nachsteht. Die sympathischen und lebensechten Charaktere sind in einen akribisch recherchierten Hintergrund eingebettet, der mich sehr fasziniert hat. Ein Buch, welches den Alltag vergessen lässt. Ich freue mich sehr auf den dritten Teil, der im Oktober 2020 erscheinen soll.

„Das Winterkarussell“

von Anna Liebig

Erschienen am 21. September 2020 im Blanvalet-Verlag
ISBN: 978-3734108877
https://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Das-Winterkarussell/Anna-Liebig/Blanvalet/e563048.rhd

Das Buch „Das Winterkarussell“ von Anna Liebig ist ein Roman, der auf zwei Zeitebenen vom Zauber eines alten Karussells auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt erzählt und von Verlust und Liebe handelt.

Coverrechte: Blanvalet-Verlag

Wiesbaden im Jahre 1990: Die 15jährige Antonia hat sich nach dem frühen Tod des Vaters mit ihrer Mutter das Leben neu eingerichtet. Die beiden wohnen in einer kleinen Altbauwohnung und Antonias größte Sorge ist eine erneute 5 in einer Mathematikarbeit.
Doch da verunglückt ihre Mutter tödlich, durch diesen erneuten Verlust verliert Antonia ihren Lebensmut, sie ist nun ganz alleine. Da taucht unverhofft ihr völlig unbekannter Großvater Otto auf, ein mürrischer alter Mann, der nichts von seiner Tochter und damit auch nichts von seiner Enkeltochter Antonia weiß. Antonia zieht zu ihm in das abgelegene Dorf Finsternthal, einem kleinen Dorf im Taunus. Dort entdeckt sie in der Scheune ein altes Karussell. Dieses Karussell scheint für Otto eine große Bedeutung zu haben, denn auch sein Leben ist von großen Verlusten geprägt.
Frankfurt am Main im Jahre 1938: Otto, sein Bruder Gustav und der Vater sind als Schausteller mit ihrem Karussell auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt. Ganz unverhofft tritt plötzlich die junge Lene in Ottos Leben.

Hinter dem Pseudonym Anna Liebig ist die Autorin Nicole Steyer zu finden, die auch unter ihrem richtigen Namen lesenswerte Historische Romane veröffentlicht hat. Unter den weiteren Pseudonymen ‚Linda Winterberg‘ und ‚Anke Petersen‘ hat sie einige Historische Reihen und Einzelbücher veröffentlicht, die ich mit großer Begeisterung gelesen habe. Als die Autorin „Das Winterkarussell“ in den Sozialen Medien ankündigte und damit auch ein neues Pseudonym war mein Interesse durch das wunderschöne Cover direkt geweckt.
Ich meldete mich beim ‚Bloggerportal Randomhouse‘ für ein Rezensionsexemplar und erhielt dieses.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Blanvalet-Verlag für die Zusendung des Buches als Rezensionsexemplar.

Das Buch konnte mich direkt von den ersten Seiten an in seinen Bann ziehen. Im ersten Kapitel lernen wir Antonia kennen, ein typischer Teenager, die sich Sorgen um die Reaktion ihrer Mutter macht, weil sie wieder eine 5 in Mathe kassiert hat.
Als Antonia ihre Mutter gehen lassen muss, zieht es ihr den Boden unter den Füßen weg. Sie fällt und schafft es fast nicht mehr alleine hoch. Immer wieder überfällt sie tiefe Trauer, ihre Erinnerungen gehen zurück, als sie mit ihren Eltern noch ein glückliches, unbeschwertes Leben führen durfte. Doch diese Zeiten sind unwiderruflich vorbei, auch wenn sich Antonia noch so sehr die Vergangenheit zurück sehnt. Als sie dann ihren Großvater trifft, merkt sie sofort, dass auch er von Verlusten geprägt ist. Die beiden finden mit dieser Gemeinsamkeit zueinander und bauen sich damit gegenseitig wieder auf. Antonia ist ehrgeizig und voller Elan. Antonias Elan springt auf ihren Großvater über, aber nicht nur auf ihn. Auch andere Dorfbewohner zeigen plötzlich Interesse an dem Karussells, welches in der Scheune steht.

Es war im Jahr 1900 erbaut worden, jahrelang von Jahrmarkt zu Jahrmarkt gezogen. Wie viele Kinderaugen mochte es zum Strahlen gebracht, wie viele Herzen mit seinen Lichtern gewärmt haben?“
[S. 103, Z. 10-13]

Mir hat der Charakter von Antonia sehr gefallen, da er sehr lebhaft und freundlich gezeichnet ist. Trotz ihres großen Verlusts und tiefer Trauer, nimmt sie ihr Leben wieder in die Hand.
Otto, Antonias Großvater, lernen wir in den ersten Kapiteln als alten, mürrischen und verbitterten Griesgram kennen. Er sitzt in dem Dorf Finsternthal, redet mit seinem Karussell und scheucht jeden, der es wagt seinen Hof zu betreten, fort.
Im Jahre 1938 sah Ottos Leben noch völlig anders aus: Mit seinem Bruder und seinem Vater war er Schausteller, war überall und nirgendwo zuhause. Reibereien mit seinem älteren Bruder gehörten zu seinem Leben dazu. Otto ist eher schüchtern, während der Bruder in fast jeder Stadt mindestens einer Frau das Herz bricht. Doch als die junge Lene in Ottos Leben tritt, ist es um ihn geschehen. Otto schmiedet große Plane, wirkt euphorisch.
1990 ist von diesen großen Plänen nichts mehr übrig. Otto lebt noch sehr in der Vergangenheit, sein aktuelles Leben wirkt trostlos und leer.

Die Zeit lief unerbittlich weiter. Ein Zurück gab es nicht. So gern hätte er jetzt neben seinem Vater gesessen, sich mit ihm den Schnupftabak geteilt, über das Wetter und andere Belanglosigkeiten gesprochen, einfach seine Stimme gehört.“
[S. 241, Z. 10 – 14]

Die Charaktere in dem Buch „Das Winterkarussell“ haben mir sehr gut gefallen. Sie sind alle sehr lebensecht und authentisch beschrieben – sie machen Fehler, strahlen aber trotzdem eine Wärme und Leidenschaft aus.
Gerda, eine Dorfbewohnerin aus Finsternthal, ist mir mit ihrer lebensfrohen Art sehr ans Herz gewachsen. Viele Situationen mit ihr brachten mich zum Schmunzeln, ein Charakter zum lieb haben.
Auch Justus hat etwas ganz Besonderes an sich. Er wirkt des Öfteren wie der ruhende Pol in dieser Geschichte, auch wenn er alles daran setzt, aus dem Schatten seines Vaters hinauszutreten.
Lene spielt vorwiegend im Jahr 1938 eine große Rolle. Sie ist eine hübsche junge Frau, die mit ihren Entscheidungen leider nicht ganz frei ist. Aber sie besitzt viel Leidenschaft – für ihre Heimatstadt Frankfurt und für Otto.

Der Sprachstil von Anna Liebig ist wunderschön flüssig. Viele Details, vor allem zum winterlichen Frankfurt am Main ließen mich in die Geschichte abtauchen. Die Beschreibungen des Frankfurter Weihnachtsmarkts damals und heute, der hessische Dialekt, der immer mal wieder eingestreut wird, machten das Buch zu einem großen Lesevergnügen. Auch wenn ich schon ein paar mal in Frankfurt war, sehe ich die Stadt Dank des Buches nun mit anderen Augen.
Auch die liebevolle Beschreibung des Karussells und der Gefühle, wenn man ein solches Karussell sieht, erfüllten mein Herz mit Wärme.

Das große Thema in dem Buch „Das Winterkarussell“ von Anna Liebig ist die Verbindung der Vergangenheit mit der Gegenwart. Alles hängt miteinander zusammen. Entscheidungen von damals prägen das Hier und Jetzt.
Ein Leben ist geprägt von Verlusten. Jeder Mensch geht damit anders um. Das Buch zeigt, dass es sich aber immer lohnt weiter zu machen, nicht aufzugeben.
Es ist vergleichbar mit einer Karussellfahrt: Man steigt ein, dreht seine Runden, einige Menschen steigen aus, andere ein.
Auch die Veränderung der Stadt Frankfurt am Main nach den Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ist ein großes Thema.

Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern. Sie war gelebt. Aber diese Stadt zeigte ihm, dass man weitermachen musste. Frankfurt hatte am Boden gelegen und war wieder aufgestanden. Die Stadt hatte sich nicht verkrochen, nicht versteckt, war nicht verbittert, sie zeigte ihre Narben, auch wenn sie vieles verloren hatte.“
[S. 267, Z. 3 – 8]

Fazit: Das Buch „Das Winterkarussell“ von Anna Liebig ist wie ein Wintermärchen, welches Mut und Zuversicht verspricht. Es besticht durch authentische und liebenswerte Charaktere, die in eine wundervolle Handlung eingebettet sind. Das Buch liest sich wie eine Liebeserklärung an die Stadt Frankfurt am Main, vor allem aber an den Weihnachtsmarkt. Eine perfekte Weihnachtslektüre, welches Herz und Seele erwärmt. Lesenswert!

Hinweis: Dieses Buch habe ich vom Blanvalet-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Das Kaffeehaus – Bewegte Jahre“

von Marie Lacrosse

Erschienen am 28. September 2020 im Goldmann-Verlag
ISBN: 978-3-442-20597-4
https://www.randomhouse.de/Paperback/Das-Kaffeehaus-Bewegte-Jahre/Marie-Lacrosse/Goldmann/e560711.rhd

Das Buch „Das Kaffeehaus – Bewegte Jahre“ von Marie Lacrosse ist der Auftakt einer Trilogie, die in Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielt und die ‚Affaire Mayerling‘ als Hauptthema hat.

Coverrechte: Goldmann-Verlag

Ende des 19. Jahrhunderts in Wien: Die junge Sophie von Werdenfels leidet unter dem frühen Verlust ihres Vaters, noch mehr aber leidet sie unter dem strengen und lieblosen Regiment des Stiefvaters. Immer wieder flieht sie zu ihrem bürgerlichen Onkel Stephan Danzer, der ein prächtiges Kaffeehaus besitzt. Hier, zwischen Mandelmelage und Prinzentorte, findet Sophie Bestätigung und Anerkennung.
Mit Mary Vetsera, einer Tochter von Adel, verbindet Sophie eine tiefe Freundschaft.
Doch diese Freundschaft wird durch zwei Männer aufgemischt: Richard von Löwenstein und Rudolf, dem Kronprinzen. Richard, ein persönlicher Freund von Rudolf, verliebt sich in Sophie. Mary hingegen beginnt für den verheirateten Kronprinzen zu schwärmen und schlägt alle Warnungen ihrer Freundin in den Wind – sie beginnt sogar eine Affäre mit Rudolf. Diese Affäre, und vor allem das Ende, wird die gesamte Habsburgermonarchie tief erschüttern.

Mit großer Begeisterung habe ich die „Weingut-Saga“ von Marie Lacrosse gelesen. Als sie in den Sozialen Medien vor einigen Monaten ihre neue Buchreihe vorstellte, war mein Interesse direkt geweckt. Die ‚Affäre Mayerling‘ interessiert mich schon sehr lange, genauso wie die Zeit, in der das Buch spielt. Durch die „Sissy-Filme“ mit Romy Schneider bin ich dieser Zeit, aber auch der österreichischen Kaiserfamilie verfallen. Meine Vorfreude auf den Auftakt der Reihe war enorm und ich konnte den Erscheinungstag kaum erwarten.
Freundlicherweise bekam ich das Buch als vorzeitiges Rezensionsexemplar vom Goldmann-Verlag zugesendet, da Marie Lacrosse mich auf ihrer „Bloggerliste“ aufnahm.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Goldmann-Verlag und an Marie Lacrosse für die Zusendung des Buches.

Viele der Figuren in diesem Buch sind historisch belegte Persönlichkeiten. Diesen Figuren, die ich oft nur aus dem Geschichtsbuch kannte, haucht Marie Lacrosse Leben ein. Sie agieren neben fiktiven Figuren, eingebettet in einem akribisch recherchierten geschichtlichen Hintergrund. Alle Figuren, egal ob real oder fiktiv, bestechen durch Tiefe und Authentizität. Sie haben ihre Ecken und Kanten, sie leben ihr Leben in ihrer Zeit, auch wenn es für sie nicht immer leicht ist.
Beginnen wir mit der fiktiven Sophie von Werdenfels, welche aber einer wahren historischen Persönlichkeit nachgestellt wurde: Durch den Tod ihres Vaters und ihres Bruders muss die junge Frau nun ihren strengen Stiefvater erdulden. Diesen hat ihre Mutter aus unerfindlichen Gründen geheiratet und macht damit nicht nur ihre Kinder unglücklich, sondern auch sich selbst. Sophie ist ein gescheite und vernünftige Frau, die aber nicht nur perfekt ist. Ihr unterlaufen Fehler, sie verliebt sich unglücklich, ist aber trotzdem für andere da: Für ihre Freundin Mary ist Sophie eine wichtige Stütze, auch wenn die Freundschaft nie ganz rund läuft. Aber auch Sophies jüngere Schwester kann sich auf Sophie verlassen.
Mary Vetsera, ist eine der vielen historischen Persönlichkeiten ist in dem Buch, und übernimmt eine der Hauptrollen. Sie ist eine junge und äußerst naive Frau, die in ihrem Leben noch nicht angekommen ist, sie weiß nicht recht, wo ihr Platz ist. Was als Schwärmerei für den Kronprinzen Rudolf beginnt, endet in einem Wahn, sie erliegt Rudolf völlig, lässt sich von ihm mitreißen. Marie Lacrosse hat den Charakter der Mary Vetsera sehr genau herausgearbeitet, ihre Geschichte hat mich sehr beeindruckt und ich erlebte mit ihr ein Wechselbad der Gefühle. Marie Lacrosse hat gezeigt, wie es dazu kommen konnte, dass Mary sich Rudolf völlig ergab.
Kronprinz Rudolf wird von Marie Lacrosse ebenfalls sehr lebendig und sehr psychologisch tiefgründig beschrieben. Ein tief verletzter Mensch, der schon früh in seinem Leben auf die Ablehnung seiner Eltern stieß und sich zurückgesetzt fühlte. Zudem noch in einer unglücklichen Ehe gefangen und körperlich und seelisch krank. Auf der einen Seite ein Opfer, auf der anderen Seite wird er dann selbst zum Täter. Rudolf ist, neben Mary, eine Figur, die noch sehr lange nachklingen wird.
Richard von Löwenstein, Rudolfs persönlicher Freund, ist ein fiktiver Charakter, der aber dazu beiträgt, dass der Kronprinz dem Leser noch näher kommt. Richard ist mit sich selbst nicht im Klaren, er wird zu einigem gezwungen, was ihm zu Wider ist. Auch wenn er Konflikte scheut, wirkt er auf mich in vielen Szenen stark und authentisch, da er eher unperfekt ist. Ich bin sehr gespannt, wie es mit ihm im zweiten Teil weitergehen wird.
In diesem Buch gibt es viele, sehr viele Charaktere. Auf jeden einzeln einzugehen, würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Eingehen möchte ich aber noch auf Stephan Danzer, der Onkel von Sophie. Er bringt Wärme und Geborgenheit in das Buch. Auch wenn er selbst einen großen Verlust erlitten hat, fängt er seine Nichte Sophie immer wieder auf, schenkt ihr Zuwendung und vor allem Anerkennung. Ein fiktiver Charakter, der mich sehr beeindruckt hat.
Wirklich alle Charaktere bestechen durch eine außerordentlich facettenreiche und authentische Charakterzeichnung. Historische Persönlichkeiten, wie das Kaiserpaar oder Stephanie von Belgien (Rudolfs Frau), sind für mich greifbarer geworden.
Anfangs war ich mit den vielen Figuren etwas überfordert, aber das ausführliche Personenregister am Anfang des Buches hilft bei Unsicherheit weiter.

Der Sprachstil von Marie Lacrosse ist sehr lebendig und detailliert, ohne jemals langatmig zu sein. Ab der ersten Seite war ich in der Handlung angekommen. Durch Einstreuung des Wiener Dialekts und den vielen Beschreibungen und Details der Stadt und ihrer Menschen, ist das Buch eine wahre Zeitreise. Ich tanzte auf Bällen, bestaunte die Kleider der Frauen, saß in pompösen Theatern, traf die Kaiserfamilie und saß mit Sophie in dem prächtigen Kaffeehaus. Wann immer ich das Buch in die Hand nahm, war ich in der Handlung gefangen und wollte das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Auch wenn ich wusste auf was alles unweigerlich hinausläuft, musste ich immer weiter lesen.

Das große Thema in „Das Kaffeehaus – Bewegte Jahre“ ist die ‚Affäre Mayerling‘, sie sich am 30. Januar 1889 ereignete. Marie Lacrosse hat diesen Sachverhalt akribisch recherchiert, auch wenn sich viele historische Quellen, die sie studiert hat, widersprechen. Im ausführlichen Nachwort geht die Autorin gut auf ihre Recherchen ein.
Die ‚Affäre Mayerling‘ wird wahrscheinlich nie restlos aufgeklärt werden können, da viele Dokumente vernichtet wurden. Der Roman stützt sich auf die neusten Erkenntnisse und zeigt, wie es wohl abgelaufen sein könnte.
Eine Affäre, die die Habsburgermonarchie erschütterte und tiefe Spuren hinterließ. Diese Spuren versuchte man zu verwischen, was aber (zum Glück) nicht komplett gelang.

Fazit: Das Buch „Das Kaffehaus – Bewegte Jahre“ von Marie Lacrosse ist ein facettenreicher und bildgewaltiger Auftakt einer vielversprechenden Trilogie. Mit Authentische Charakteren, die in einen spannenden geschichtlichen Hintergrund eingebettet sind, ist das Buch Kopfkino pur. Ich bin schon sehr gespannt auf den zweiten Teil, der im April 2021 erscheint. Danke für die lehrreichen und unterhaltsamen Lesestunden liebe Marie Lacrosse.

Hinweis: Dieses Buch habe ich vom Goldmann-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Die vergessene Heimat“

von Deana Zinßmeister

Erschienen am 21. September 2020 im Goldmann-Verlag
ISBN: 978-3-442-49100-1
https://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Die-vergessene-Heimat/Deana-Zinssmeister/Goldmann/e568105.rhd

In dem Buch „Die vergessene Heimat“ von Deana Zinßmeister erzählt die Autorin eine dramatische Flucht aus Ostberlin im August 1961 und damit die Geschichte ihrer eigenen Familie.

Der Prolog setzt am 12./13. August 1961 in Ostberlin an: Hier lernen wir das junge Pärchen Ernst und Leni kennen. Sie haben viele Träume und Wünsche, die von jetzt auf gleich in Scherben vor ihnen liegen: Direkt vor ihrer Haustür wird mit dem Bau des „antifaschistischen Schutzwalls“ begonnen. Damit endet nicht nur für sie die Zeit, in der sie völlig unbedarft nach Westberlin durften, sie werden buchstäblich eingesperrt. Schnell wird für die Beiden klar, dass sie fliehen werden.
Der zweite Erzählstrang beginnt im Januar 2014: Britta Hofmeister, eine erfolgreiche Kochbuch-Autorin lebt mit ihrer Familie im Saarland. Ihre Geschwister wohnen nicht weit entfernt, ihre Eltern verbringen viele Monate im Jahr auf Mallorca. Doch dieses geregelte und friedliche Leben bekommt Risse, als ihr Vater Ernst schwer erkrankt. Er erinnert sich an vieles nicht mehr, wird zunehmend aggressiv und erkennt schon sehr bald seine Familie nicht mehr. Die Diagnose Demenz steht im Raum. Doch die Erinnerungen an eine dramatische Flucht im Jahr 1961 werden in Ernst wieder lebendig.

Durch das Buch bin ich über die Sozialen Medien aufmerksam geworden. Da ich die Historischen Romane von Deana Zinßmeister sehr schätze und gerne lese, ist sie auf Facebook auch in meiner Freundesliste zu finden. Als das Cover und der Klappentext veröffentlicht wurden, war mein Interesse direkt geweckt. Ich lese gerne Bücher über Fluchten aus dem Osten und empfinde diese Thematik als sehr spannend – auch wenn es unvorstellbar ist, was diese Menschen damals auf sich genommen und riskiert haben.
Die Autorin vermittelte mir beim Verlag ein Rezensionsexemplar – an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Deana Zinßmeister und den Goldmann-Verlag.

Die Figuren in diesem Buch haben alle reale Personen als Vorbild. Dadurch ist das Buch, sowie die Figuren und die Handlung sehr authentisch und intensiv.
Ich habe alle Figuren sehr ins Herz geschlossen, konnte mich gut in sie hineinversetzen und litt mit ihnen mit.
Im Erzählstrang, der im Jahr 1961 spielt, lernen wir den jungen Ernst kennen. Ein wahrer Kämpfer – was sein Name auch bedeutet. Er möchte sich nicht in der DDR einsperren lassen, er möchte frei sein und vor allem frei denken. Akribisch plant er die Flucht seiner Familie in den Westen. Die Ängste und Bedenken seiner Partnerin Leni kann Ernst gut zerstreuen, auch wenn diese einen Teil ihrer Familie im Osten zurück lassen muss. Er ist ein Macher, der sich von den Machenschaften der DDR nicht unterkriegen lässt.
Leni hat mit Ernst den Mann fürs Leben gefunden. Für sie ist klar, dass sie mit ihm flüchten wird und nicht zu ihrer Familie nach Thüringen zurückkehren wird.
Auch die anderen Figuren in diesem Erzählstrang sind lebendig und stark gezeichnet. Immer wieder kommen sie ins Grübeln, ob ihre Entscheidung zur Flucht wirklich so gut ist. Sie müssen vieles zurücklassen: Ihre Wohnungen, sicherer Arbeitsplätze, Freunde und Familie. Sie flüchten in eine ungewisse Zukunft, wissen nicht, ob sie im Westen Arbeit und Wohnungen finden. Aber sie wissen, was sie „drüben“ finden werden: Freiheit und vor allem Lebensfreude.

Doch nach dem 13. August schien sich ein grauer Schleier über ihr Leben gelegt zu haben. Alles erschien schwer und mühsam. Manchmal, wenn sie beim Frisieren ihrer Kunden sich selbst im Spiegel sah, war sie erschrocken über ihre versteinerte Miene. Doch wenn sie die Gesichter der anderen betrachtete, erkannte sie, dass es vielen im Osten nicht anders erging. Die Lebensfreude wurde vom Stacheldraht ausgegrenzt.“ [S. 280 Z. 25- 29 und S. 281 Z. 1-4]

Im zweiten Erzählstrang, der im Januar 2014 ansetzt, lernen wir die drei Kinder von Ernst und Leni kennen. Diese haben ihren Platz im Leben gefunden, sich eingerichtet und sind mit sich und ihren Leben glücklich. Doch dieses Familienglück wird durch die Erkrankung des Vaters Ernst auf eine harte Probe gestellt. Die drei Geschwister haben völlig andere Ansichten darüber, wie man den Eltern am besten hilft und welche Hilfe sie überhaupt benötigen. Auch hier bestechen die Figuren mit Authentizität und starker Charakterzeichnung.
Als Leser bekommt man den geistigen Verfall von Ernst hautnah mit, aber auch die Not der Angehörigen, die sich in dieser Situation erst einmal zurecht finden müssen. Es muss alles neu organisiert werden. Tagesabläufe, aber auch die Kommunikation unter den Geschwistern.

Die Sprache von Deana Zinßmeister nahm mich von der ersten Seite an mit in die beiden Geschichten. Beide Erzählstränge sind sehr authentisch und emotional, teilweise mochte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen und hatte beim Lesen die Tränen in den Augen.

Das große Thema ist eine Flucht aus der DDR, eine Flucht von vielen, die aber genau so stattgefunden hat. Die Verzweiflung der Menschen, die alles zurücklassen und den Mut aufbringen, wieder ganz von vorne zu beginnen, haben mich sehr beeindruckt. Sie brachten mit der Flucht nicht nur sich in Gefahr, sondern auch Freunde und Verwandte, die zurückblieben. Immer wieder stellte ich mir die Frage, ob ich auch aus einem Staat geflüchtet wäre, in dem man nicht frei reden konnte, weil man Angst haben musste, dass am Nachbartisch jemand mithört. Oder man sich selbst in der eigenen Wohnung nicht mehr sicher fühlen konnte, weil ein zu aufmerksamer Nachbar „große Ohren“ hatte. Hätte ich meine Kinder der Gefahr einer Flucht ausgesetzt? Fragen, die sich heutzutage noch immer viele Menschen stellen müssen. Das Thema Flucht ist nach wie vor hochaktuell.
Die andere große Thematik ist die Demenz-Erkrankung. Eine Krankheit, die eine ganze Familie auf den Kopf und vor große Probleme und Herausforderungen stellt. Ich habe mich persönlich noch nicht mit diesem Thema beschäftigt, da es mir auch etwas Angst macht. Was passiert, wenn ein Mensch seine Geschichte verliert? Deana Zinßmeister schildert den Verlauf dieser Krankheit sehr eindrücklich und auch sehr persönlich. Ich litt sehr mit der Familie aber auch mit Ernst mit. Das Buch berichtet schonungslos, wie das Familienleben fast an dieser Diagnose zerbricht.

Fazit: Ein sehr persönliches und ergreifendes Buch der Autorin. Eine Familie, die zusammen hält und sich nicht unterkriegen lässt – in der Vergangenheit und in der Zukunft.
Denn auch wenn ein Mensch seine Vergangenheit vergisst, in Vergessenheit darf sie nie geraten.

Hinweis: Dieses Buch habe ich vom Goldmann-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“

von Melanie Metzenthin

Erschienen am 14. September 2020 im Diana-Verlag
ISBN: 978-3453292444
https://www.randomhouse.de/Paperback/Die-Hafenschwester-2-/Melanie-Metzenthin/Diana-Verlag/e565629.rhd

Anmerkungen:
– Bitte lest diese Rezension nicht, wenn ihr den ersten Teil der Buchreihe „Die Hafenschwester“ von Melanie Metzenthin noch nicht kennt – ihr könntet euch sonst spoilern.
– Die angeführten Zitate beziehen sich auf die Seitenzahl der gedruckten Ausgabe.
– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier.

Das Buch „Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“ von Melanie Metzenthin ist der zweite Teil um Martha Studt, die mit ihrer Familie in Hamburg wohnt und erlebt, wie der Erste Weltkrieg Chaos und Verderben ins Leben aller Menschen bringt.

Coverrechte: Diana-Verlag

Im April 1913 ist das Leben von Martha Studt und ihrem Ehemann Paul noch in bester Ordnung: Ihre drei gemeinsamen Kinder gedeihen bestens und Paul hat eine gut bezahlte Arbeitsstelle, mit der sie sich eine großzügige Wohnung leisten können. Martha kümmert sich ehrenamtlich um die Menschen, die es im Leben nicht so gut haben und vermittelt Hilfe – sie genießt im Hamburger Gängeviertel einen guten Ruf.
Eine Überfahrt auf dem luxuriösen „Imperator“ nach Amerika zu ihrer Freundin Milli scheint dem Familienglück noch die Krone aufzusetzen doch kaum zurück in Europa bricht der Erste Weltkrieg aus. Paul wird eingezogen und kehrt schwer verwundet zurück. Paul muss sich zurück ins Leben kämpfen und Martha versucht alles, um ihn zu unterstützen und wieder eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.

Den ersten Teil um Martha und Paul „Die Hafenschwester – Als wir zu träumen wagten“ von Melanie Metzenthin (meine Rezension findet ihr hier) habe ich im September 2019 mit großer Begeisterung gelesen und wartete fieberhaft auf die Fortsetzung. Melanie Metzenthin hat einen wunderbaren lebendigen Erzähstil und ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Martha und Paul in Hamburg weitergeht. Auf Facebook machte mich die Autorin auch mit Postings zu ihrem Recherche-Material neugierig. Mittlerweile gehört Melanie Metzenthin zu meinen Lieblingsautorinnen, da mich ihre Bücher immer wieder fesseln und bestens recherchiert sind.
Endlich konnte ich nun die Fortsetzung in den Händen halten und fing gleich an zu lesen.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Diana-Verlag, für die Zusendung des Buches als Rezensionsexemplar.

Auch wenn zwischen dem Ende des ersten Teils und dem Beginn des zweiten Teils einige Zeit vergangen war ich von der ersten Seite an wieder in der Handlung angekommen.
Die Charaktere haben sich weiter entwickelt, bleiben sich und ihren Idealen aber immer treu.
Martha darf als verheiratete Frau zwar nicht mehr als Krankenschwester im Krankenhaus arbeiten, mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit kann sie aber trotzdem den Armen und Kranken der Stadt helfen. Dabei hat sie keinerlei Berührungsängste – sie ist eine Frau der Tat. Für fast jedes Problem hat sie eine Lösung, Sie ist aber auch gleichzeitig eine liebevolle Mutter und Ehefrau, die ihrer Familie ein liebevolles Zuhause bietet. Ihre Wurzeln hat sie nie vergessen.
Paul, Marthas Ehemann, arbeitet viel, fast schon zu viel. Er liebt seine Arbeit, noch mehr liebt er aber seine Kinder und seine Frau. Der Erste Weltkrieg setzt diesem harmonischen Familienleben ein jähes Ende. Paul wird im Gesicht schwer verwundet, aber auch an der Seele. Ohne seine Frau Martha und seine Kinder hätte Paul sich aufgegeben, so kämpft er sich wieder zurück. Er ist überzeugter Sozialdemokrat und kann vor sozialen Ungerechtigkeiten nicht die Augen verschließen. Seine Verwundung lässt ihn stärker werden.
Es kommen noch einige neue Charaktere hinzu, zum Beispiel Li-Ming. Sie ist die Ehefrau von Marthas jüngerem Bruder Heinrich. Li-Ming hat in ihrer Heimat China ein schreckliches Schicksal erfahren, welches sie nie wieder loslassen wird. Mit ihrem kulturellen Hintergrund sorgt sie für einigen Wirbel in der Familie. Heinrich, ein Mann der in seinem Leben schon die halbe Welt gesehen hat, vermittelt zwischen den beiden Kulturen.
Der Vater von Martha und Paul agiert immer sehr im Hintergrund, ist aber für alle Figuren der Fels in der Brandung. Bei Problemen und Unstimmigkeiten wird er aufgesucht und wirkt immer wieder beruhigend auf alle Figuren ein.
Fast alle Charaktere, die man im ersten Teil der Reihe kennen gelernt hat, machen in diesem Buch eine tolle und lebensechte Entwicklung durch. Melanie Metzenthin zeichnet ihre Charaktere mit einer beeindruckenden Tiefe. Immer wieder müssen die Figuren Rückschläge erleiden, sie müssen kämpfen und lassen sich trotz aller Widrigkeiten nicht aus der Bahn werfen und stehen immer wieder auf.
Einzig mit Milli, Marthas Freundin, die in Amerika lebt, kam ich nicht wirklich klar. Sie hat etwas aus ihrem Leben gemacht, ist gesellschaftlich sehr aufgestiegen – allerdings hat sie wohl komplett ihre Wurzeln vergessen (wollen) und kümmert sich nur noch um sich und ihre Familie. Mit der Armut von anderen Menschen möchte sie nichts zu tun haben. Sie ist das komplette Gegenteil zu Martha, die immer für alle da ist.
An der Seite von Martha, Paul und Heinrich erlebt man den Ausbruch, Verlauf und das Ende des Ersten Weltkrieges fast schon so, als wäre man dabei gewesen. Man spürt die Verzweiflung, als der Krieg eben nicht nach ein paar Monaten vorbei ist, sondern über Jahre hinweg tobt und Tod und Verzweiflung mit sich bringt. Das Buch zeigt anhand von einfachen Menschen, wie sie ihr Leben damals lebten und wie sich das Leben dann mit dem Ausbruch des Krieges komplett veränderte.


„Wie weit war es nur mit ihnen gekommen? Was war aus der modernen, glücklichen Stadt geworden, in die Hamburg sich in dem Jahren nach der Cholera verwandelt hatte? Hatte der Krieg ihnen inzwischen jeden Überlebenswillen geraubt?
Wie lange konnte das noch so weitergehen? Was wäre am Ende des Krieges überhaupt noch von der Welt übrig, für die sie immer gekämpft hatte?“
[S.456, Z. 6 – 13]

Melanie Metzenthin hat einen sehr lebendigen und flotten Erzählstil, der auf keiner Seite Langeweile aufkommen lässt. Mit vielen Details zu Hamburg und den Menschen lässt sie eine vergangene Zeit wieder aufleben.
Akribisch recherchiert hat Melanie Metzenthin den Aufbau des Imperator, ein Luxusliner, der im Juni 1913 in See stach. Das Schiff galt bis 1914 als größtes Schiff der Welt. Ich empfand es als sehr spannend, mit Martha und ihrer Familie die Jungfernfahrt zu erleben an Bord zu und das Schiff vor allem durch die Augen der Kinder zu entdecken.
Mit „Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“ konnte ich den Ausbruch, aber vor allem das Ende des Ersten Weltkriegs noch einmal sehr viel bewusster wahrnehmen. Dieser Prozess von der Kriegsfreudigkeit und Siegestaumel zu Kriegsmüdigkeit Revolution wird sehr deutlich nachgezeichnet. Auch wie es zu dem berühmten Matrosenaufstand 1918 kam, erzählt die Autorin ganz wunderbar.
Spannend fand ich auch, welche Fortschritte die Medizin in dieser Zeit machte. Intensiv und einfühlsam beschreibt Melanie Metzenthin diverse Operationen. Hier merkt man, dass die Autorin über ein großes Fachwissen verfügt.
Ebenfalls fand ich das Thema „Frauenvereine“ sehr interessant. Auch wenn Frauen zu dieser Zeit wenig Mitspracherecht in der Politik hatten – den Mund haben sie sich nicht verbieten lassen.

Das Buch „Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“ ist eine sehr gelungene Fortsetzung der Reihe um Martha. Tiefe und feinsinnige Charaktere, die in einen gut recherchierten geschichtlichen Hintergrund eingebettet sind. Ich habe es sehr gerne gelesen und wollte es teilweise nicht mehr aus den Händen legen. Nun freue mich jetzt schon auf den dritten Teil der Reihe, den ich auch direkt nach Erscheinen lesen werde. Ein großes Dankeschön an die Autorin für die vielen neuen Eindrücke und geschichtlichen Erkenntnisse.

Fazit: Absolut lesenswert. Intensiv und lebensecht mit viel geschichtlichem Hintergrundwissen.

Anmerkung:
Das Buch habe ich freundlicherweise vom Diana-Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.


„Großstadtflüstern“

von Karin Joachim

Erschienen am 08. Juli 2020 im Gmeiner-Verlag
ISBN: 978-3-8392-2718-3
https://www.gmeiner-verlag.de/buecher/titel/grossstadtfluestern.html

Hinweis: Dies ist eine Rezension zu dem zweiten Teil der Reihe um Karolina. Lest diese Rezension bitte nicht, wenn ihr den ersten Teil „Domschattenträume“ noch nicht kennt und lesen möchtet. Ihr könntet sonst gespoilert werden!

Das Buch „Großstadtflüstern“ von Karin Joachim ist der zweite Teil um die junge Karolina Offermann, die im Berlin der 1920er Jahre ihren Traum als Schauspielerin verwirklichen möchte.

Coverrechte: Gmeiner-Verlag

Köln und Berlin im Jahr 1927: Karolina Offermann ist ihrem Traum Schauspielerin zu werden ein Stück näher gekommen. Der große Durchbruch in Form einer ersten Hauptrolle lässt aber weiterhin auf sich warten.
Sie pendelt zwischen Köln und Berlin: Köln, ihre Heimatstadt, in der nach wie vor ihre Familie wohnt, und Berlin: Die Stadt, in der ihr Träume Wirklichkeit werden sollen. Karolina steht zwischen den Forderungen ihrer Familie und dem Wunsch, ihren eigenen Weg zu gehen.
Als dann der mysteriöse Tod ihrer Mutter erneut in das Interesse der Polizei rückt und auch die ersten Verdächtigungen gegen ihren Bruder und ihren Vater im Raum stehen, treten Karolinas Träume und Wünsche in den Hintergrund. Die Ermittlungen bringen Unglaubliches ans Tageslicht.
Und dann ist da noch Rudolf, ihre große Liebe. Eine Liebe, die sich Karolina nicht eingestehen möchte und und zu verlieren droht.

Mir hat der erste Teil „Domschattenträume“ schon sehr gefallen, da musste ich den zweiten Teil direkt im Anschluss lesen. Mir ist Karolina mit ihrer Geschichte sehr ans Herz gewachsen und ich wollte unbedingt wissen, wie es mit ihr und ihren Träumen weitergeht.
Meine erste Rezension findet ihr hier.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an die Autorin Karin Joachim für die Vermittlung eines Rezensionsexemplars und an den Gmeiner-Verlag für die Zusendung des Buches.

Alles beginnt wieder mit einem Prolog, der Fragen aufwirft. Wie kam es zu dieser Situation, in der Karolina in diesem Prolog ist.
Ich war sofort wieder in der Geschichte angekommen und freute mich, Karolina und all die anderen Charaktere wieder zu treffen. Das erste Kapitel fängt im August 1927 an: Karolina ist mit ihrer Bekannten Gertrud (Freundin möchte ich sie nicht nennen) auf dem Weg von Köln nach Berlin. Die Beiden möchten einer Filmpremiere beiwohnen, sind aber recht schnell zerstritten. Zu unterschiedlich sind die beiden Charaktere.
Auch wenn sich Karolina weiterentwickelt hat, steht sie nach wie vor sehr unter der Fuchtel ihres Vaters: Sie ist noch nicht volljährig, hat in Sachen Schauspielerei noch nicht sehr viel erreicht und ist mitunter von seinem Geld abhängig. Auch wenn Vater und Tochter Momente haben, die sie wieder näher zueinander bringen, ist das Verhältnis der Beiden eher schwierig. Karolina gibt aber nicht auf – wie im ersten Teil macht sie alles, um ihren Träumen näher zu kommen. Eine Kämpferin. Leider vergisst sie dann auch so manch guten Vorsatz, bleibt sich selbst nicht immer treu und gerät in eine andere, gefährliche, Abhängigkeit. Den Verlust ihrer Mutter hat sie nie überwunden, deshalb macht sie auch alles, um ihren Tod aufzuklären und Licht ins Dunkle zu bringen. Ihre Seele ist verwundet, auch wenn sie es nach außen hin gut verbergen kann.
Karolinas Vater hat, wie schon erwähnt, eine leichte Wandlung durchgemacht. Er ist nicht mehr ganz so cholerisch, wie im ersten Teil, von Lob und Anerkennung seiner Tochter gegenüber ist er aber noch weit entfernt. Er weiß noch immer, wie er Karolina unter Druck setzen kann.
Es kommen einige neue Charaktere dazu, viele Charaktere aus dem ersten Teil sehen wir aber wieder. Alle Charaktere machen Entwicklungen durch, sie machen aber auch Fehler. Dadurch wirken sie authentisch und lebensecht. Ein bunter Blumenstrauß an Charakterzügen. Ganz toll fand ich, wie reale Persönlichkeiten neben den fiktiven Charakteren agieren und in die Handlung eingeflochten sind.
Eine meiner Lieblings-Figuren ist Felix – Karolinas Cousin. Auch wenn er nur am Rande eine Rolle spielt, ist er für Karolinas Leben unendlich wichtig. Zusammen mit Karolinas Halbbruder Alexander bilden die zwei jungen Männer für Karolina den Fels in der Brandung. Sie sind für sie da, wenn sie nicht mehr weiter weiß und fangen sie auf.
Dadurch, dass sehr oft der Kölner Dialekt, ab und zu auch Berliner Dialekt, eingebunden wurde, kam ich den Figuren nochmal näher und spürte den Flair der Städte noch einmal mehr.

Die Sprache von Karin Joachim ist detailreich ohne langweilig zu sein. Mit wunderschönen Beschreibungen von Plätzen, Orten und Menschen hat sie mich in die Geschichte mit rein genommen. Ich konnte völlig abschalten und mich fallen lassen. Teilweise wurde es richtig spannend, da wollte und konnte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen.
Ich habe noch einmal viel über das Filmhandwerk und die Technik dahinter gelernt. Wahnsinn, was es innerhalb von ein paar Jahren für Entwicklungen im Film gab.
Karin Joachim hat akribisch recherchiert und sich intensiv mit dem Thema Film aber auch der Zeit auseinandergesetzt. Sie lässt die Filme vor unserem Auge wieder aufleben und sie uns durch Karolinas Augen sehen. Auch wenn es hinter den Kulissen alles andere als schön war – wie überall gab und gibt es dort Neid und Missgunst.

Das große Thema in diesem Buch ist die Filmindustrie der 1920er Jahre. Eine Zeit, die auch als „Die goldenen 20er“ bekannt ist. Glamour und Elend lagen in diesem Jahrzehnt sehr nah beieinander. Das wird in diesem Buch sehr deutlich.
Außerdem ist die Emigration vieler Schauspieler und Regisseure in die USA ein großes Thema. Einerseits hofften sie dort auf einen Duchbruch, aber auch auf bessere Arbeitsbedingungen und mehr Selbstverwirklichung und Kreativität. In Deutschland wurde es politisch für viele Künstler immer gefährlicher, ihr Schaffen wurde eingegrenzt. Viele Künstler nutzen noch die Möglichkeit rechtzeitig all dem zu entgehen.
In diesem Teil wird die Hauptfigur Karolina endlich volljährig und kann sich damit etwas dem Einfluss ihres Vaters entziehen. Brauchte sie davor immer noch sein Einverständnis kann sie nun eigenständig Verträge unterzeichnen. Eine Ehe würde sie wieder ein eine Abhängigkeit zu einem Mann bringen.
Das Buch „Großstadtflüstern“ hat mich wieder bestens unterhalten und mir viel geschichtliches Wissen vermittelt.

Fazit: „Großstadtflüstern“ steht dem ersten Teil „Domschattenträume“ in Nichts nach. Es war wunderschön, sich mit Karolina in den 1920er Jahren aufzuhalten und sie zu begleiten. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte: Bitte einen dritten Teil – es gibt noch so viel zu erzählen.

Bemerkung: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Gmeiner-Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Domschattenträume“

von Karin Joachim

Erschienen am 05. September 2018 im Gmeiner-Verlag
ISBN: 978-3-8392-2305-5
https://www.gmeiner-verlag.de/buecher/titel/domschattentraeume.html

Das Buch „Domschattenjahre“ von Karin Joachim ist ein Familiendrama, welches in den 1920er Jahren in Köln spielt.

Coverrechte: Gmeiner-Verlag

Es ist das Jahr 1926: Die junge Karolina Offermann, Tochter eines Fabrikanten, lebt wohlbehütet in einer Villa in Köln-Marienburg. Zu ihrer Mutter pflegt sie ein inniges Verhältnis – im Gegensatz zu ihrem Vater. Dieser bevormundet sie ständig und scheint mit ihr unzufrieden zu sein, da ihre Sehnsüchte nach einem selbstbestimmten Leben als Schauspielerin mit seinen Vorstellungen nicht zusammenpassen. Mit dem Wissen ihrer Mutter nimmt Karolina Schauspielunterricht, was aber vor dem Vater geheim gehalten wird.
Als ihr Vater hinter dieses Geheimnis kommt, gerät das komplette Familienleben aus den Fugen und mündet in einer Tragödie, die Karolina den Boden unter den Füßen entreißt. Ihre Pläne, zum Film zu gehen, scheinen für immer verloren. Doch Karolina gibt nicht so schnell auf.

Das Buch habe ich bei Erscheinen im September 2018 schon auf meine Wunschliste gesetzt, da mich das Cover sehr ansprach. Es geriet leider etwas in Vergessenheit, bis mir die Autorin letzten Monat auf Facebook eine Freundschaftsanfrage stellte. Sie vermittelte mir beim Verlag ein Rezensionsexemplar.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an die Autorin und an den Gmeiner-Verlag für die Zusendung des Buches als Rezensionsexemplar.

Das Buch beginnt mit einem Prolog, der einen kurzen Blick auf Karolinas Kindheit wirft. In einem Flugzeug sitzend erinnert sich Karolina zurück, als sie mit ihrem Vater zum ersten Mal auf den Kölner Dom gestiegen ist. Es wird klar, dass sie mit ihrem Vater besser auskam, als ihre Sehnsüchte nach einem selbstbestimmten Leben noch nicht im Raum standen.
Der Prolog hat mich direkt neugierig gemacht, da Karolina mit dem Flugzeug auf dem Weg zurück zu ihrem Vater ist. Wie kam es dazu, dass Karolina ihren Vater für längere Zeit nicht mehr gesehen hatte? Wie kam es zu diesem Zerwürfnis? Diese Fragen sorgten dafür, dass ich direkt weiter lesen musste.
Wir lernen die junge Karolina kennen. Mit vielen Träumen und Ideen im Kopf hat sie ihren Platz im Leben noch nicht gefunden. Sie liebt das Kino, die Filme und ihr wird klar, dass es für sie nur einen Lebenstraum gibt: Sie möchte Schauspielerin werden. Doch der Weg dorthin ist steinig und hält unüberwindbare Hürden bereit. Karolina lässt sich aber nicht entmutigen und geht diesen Weg.
Sie ist eine sehr mutige Frau, die alles für ihre Träume gibt. Sie träumt zwar oft davon, wie es wäre, eine berühmte Schauspielerin zu sein, aber zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Tante tut sie viel dafür, dass ihre Träume Wirklichkeit werden.
Ich mochte Karolina direkt. Sie setzt sich nicht ins gemachte Nest, sie geht ihren Weg. Auch wenn der Vater sie immer wieder zurückzieht und an der kurzen Leine hält, lässt sie sich nicht von ihren Sehnsüchten abbringen. Karolina ist ein sehr lebendiger und authentischer Charakter, sie macht Fehler, sie leidet, sie fällt und sie steht auf. Ich konnte all ihre Handlungen und auch ihre Gefühle nachvollziehen und wollte unbedingt wissen, wie es mit ihr und ihren Träumen weitergeht.
Karolinas Familie ist für sie kein Fels in der Brandung. Allein ihre Mutter sorgt bei Karolina für familiäre Geborgenheit. Ihr kann sie sich anvertrauen, mit ihr nehmen ihre Träume Gestalt an.
Der Vater, der ein großes Geheimnis mit sich herum trägt, sieht in Karolina noch immer ein kleines Mädchen, das nicht mal einen eigenen Haustürschlüssel bekommt. Er ist teilweise sehr cholerisch, geht in seiner Arbeit auf und kümmert sich wenig um seine Familie. Immer wieder kollidieren Karolinas Sehnsüchte und seine sehr konservativen Ansichten und Pläne. Er möchte sie verheiraten, sie möchte Freiheit. Die Kälte, die er Karolina zukommen lässt, er ignoriert sie mitunter, jagte mir immer wieder einen Schauer über den Rücken.
Arnold, Karolinas Bruder, steht am Anfang der Handlung sehr im Schatten, er macht aber eine große und erstaunliche Entwicklung durch.
Ein Lieblings-Charakter von mir ist Felix – ein Cousin von Karolina. Auch wenn er einer Arbeit nachgeht, die ihm keine große Freunde bereitet, ist er für Karolina da, er hört ihr zu, und gibt ihr Tipps. Er ist für Karolina die große Stütze in ihrem Leben.
Auch wenn Karolina wenige Freundinnen hat, auf die Familie ihres Onkels kann sie zählen. Der Onkel beschäftigt sie in seiner Buchhandlung und verhilft ihr damit auch zu einer Flucht aus dem Alltag. Die Arbeit in der Buchhandlung ermöglicht Karolina auch sich weiterzubilden.
Alle Charaktere in dem Buch „Domschattenträume“ sind authentisch gezeichnet und machen eine lebensechte Entwicklung durch. Sie haben ihre Schwächen und Stärken. Viele Charaktere sprechen Kölner Dialekt, was mir sehr gefallen hat. Somit konnte ich noch mehr in das Lebensgefühl abtauchen und dem Handlungsort und den Figuren näher kommen.

Die Sprache von Karin Joachim hat mich sehr begeistert. Mit vielen Details zu der Städten Köln und Berlin hat sie mich direkt mit in die Geschichte rein genommen. Es kam auf keiner Seite Langeweile auf, ich wollte immer wissen, wie es weitergeht.
Karin Joachim brachte mir die Filmgeschichte der 1920er Jahre sehr nahe. Ich saß mit Karolina im Kino und lernte durch sie so manche Filmgröße kennen. Hier merkt man, wie intensiv Karin Joachim recherchiert hat.

„Domschattenträume“ von Karin Joachim zeigt, wie es in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts noch um den gesellschaftlichen Stand der Frau bestellt war. Das Wahlrecht war in greifbarer Nähe, sie durften arbeiten, sie standen aber noch immer unter dem Mann. Karolina möchte selbstbestimmt leben, kann das aber nicht, da ihr Vater andere Pläne hat. Das Leben als Schauspielerin bot eine Gelegenheit aus diesem Käfig auszubrechen. Hier konnten sich Frauen selbst verwirklichen.
Karin Joachim hat den geschichtlichen Hintergrund sehr gut in die Handlung des Buches eingebettet. Ich habe mit diesem Buch wieder einiges an geschichtlichen Wissen dazu gelernt und mich bestens unterhalten gefühlt.

Fazit: Ein authentisches und lesenswertes Buch mit einer tollen und starken Hauptfigur. Eine wahre Zeitreise.

Bemerkung: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Gmeiner-Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.



„Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück“

von Sophie Villard

Erschienen am 10. August 2020 im Penguin-Verlag
ISBN: 978-3-328-10488-9
https://www.randomhouse.de/Paperback/Peggy-Guggenheim-und-der-Traum-vom-Glueck/Sophie-Villard/Penguin/e555147.rhd

Das Buch „Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück“ von Sophie Villard zeigt das Leben von Peggy Guggenheim in den Jahren 1937 bis 1942, eine Zeit, in der sie auf der Suche nach persönlichem Glück ist, aber auch im Kampf für die Kunst alles aufs Spiel setzt.

Coverrechte: Penguin-Verlag

Das Jahr 1937 neigt sich dem Ende zu. Auch die Zeit in Paris geht für Peggy Guggenheim zu Ende – sie möchte in London eine Gallerie, ihre „Guggenheim Jeune“, eröffnen. Der Abschied von der Stadt, von den Menschen fällt ihr schwer. Die Beziehung mit dem Schriftsteller Samuel Beckett macht den Weggang auch nicht gerade leichter.
Doch am Horizont ziehen unaufhaltsam die dunklen Wolken des Krieges auf und bedrohen viele Künstler in ihrer Existenz. Niemand kann einschätzen, wie es weitergeht – Peggy Guggenheim schreitet zur Tat. Sie verhilft vielen Künstlern zur Flucht, kauft aber auch Kunstwerke der Künstler, um die Kunst dieser Zeit zu bewahren – ihre Familie und ihre große Liebe bringt sie damit aber in immer größere Gefahr.

Das Buch habe ich auf dem „Bloggerportal von Randomhouse“ entdeckt. Cover und Titel weckten sofort mein Interesse. Ich habe schon so einiges von Peggy Guggenheim gehört, aber noch nichts gelesen. Der Name Guggenheim stand für mich lange mit dem Untergang der Titanic in Verbindung, da Peggys Vater bei diesem Unglück sein Leben verlor. Es wurde also mal Zeit, etwas mehr über Peggy Guggenheim zu erfahren.
Das Buch habe ich dann freundlicherweise vom Penguin-Verlag als Rezensionsexemplar zugesendet bekommen.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an den Penguin-Verlag für die Zusendung.

Ab der ersten Seite hat mich das Buch „Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück“ in seinen Bann gezogen. Vor meinen Augen wurden Abendgesellschaften in Paris lebendig, ich nahm an Diskussionen teil und lernte viele Künstler kennen, die ich bisher nur mit Namen kannte.
Peggy mochte ich von Anfang an – auch wenn sie anfangs sehr zielstrebig wirkt, plagen sie doch auch immer wieder Selbstzweifel. Ihr gelingt nicht alles, was sie sich vornimmt, sie muss auch Rückschläge hinnehmen. Sie ist mutig, wagt einen Neuanfang in London, bleibt aber Paris immer treu. Im Nachwort wird sie als erste „Weltbürgerin“ bezeichnet. Und genau so nahm ich sie auch wahr: Sie liebt Paris über alles,kommt auch immer wieder dorthin zurück, fasst aber auch in anderen Ländern Fuß und findet dort auch immer das Schöne.
In ihrem Privatleben geht alles etwas drunter und drüber: Ihre Mutter ist noch nicht lange tot, sie ist geschieden, ihre Kinder in Internaten. Ihr Ex-Mann hat sich eine neue Familie aufgebaut, Peggy kann sich treiben lassen. Mit dem Erbe ihres Vaters kann sie sich selbst verwirklichen, aber eines fehlt ihr… oder auch nicht: Ein Mann. Sie hat viele kurze Affären, verliert auch oft ihr Herz, aber ob sie wirklich einen Mann in ihrem Leben braucht weiß sie nicht. Sie liebt ihre Unabhängigkeit, sehnt sich aber auch nach Liebe und Geborgenheit.
Und als sie den Entschluss fasst, den Künstlern zu helfen, die Kunst zu bewahren, hat sie bei mir noch mehr Sympathie-Punkte hinzugewonnen. Eine Frau der Tat, die auch vor Gefahren nicht zurückschreckt und sich nicht unterkriegen lässt. Sie ist für immer andere Menschen da.
Peggy Guggenheim steht in diesem Buch sehr im Mittelpunkt, aber auch die anderen Charaktere, die um sie herum agieren, empfand ich sehr lebendig und authentisch beschrieben. Jeder Charakter wurde äußerlich beschrieben, durch seine Eigenheiten und seine Handlungen konnte ich dann den Menschen richtig kennen lernen. Es machte Spaß, so manche historische Figur auf diese Weise näher zu kommen.

Die Sprache von Sophie Villard empfand ich als sehr angenehm und farbenfroh. Sie beschreibt Menschen mit so viel Gefühl und so vielen Details, dass ich ein genaues Bild vor Augen hatte. Aber auch Städte, hier allen voran Paris, und auch Landschaften beschreibt sie mit so viel Liebe. Paris, eine Stadt, die ich noch nie real besucht habe, habe ich mit diesem Buch besucht und durch Peggys Augen kennen und lieben gelernt.
Aber auch die anderen Orte, an denen das Buch spielt, wurden vor meinem inneren Auge lebendig. Die Ruhe an einem abgelegenen Strand in Portugal, der Tumult in New York, wo sich Menschenmassen rastlos durch die breiten Straßen drängen. In New Orleans hörte ich Bands zu, spürte die Lebensart der Bevölkerung.

Das große Thema in diesem Buch ist die Kunst des 20. Jahrhunderts. Peggy Guggenheim lebte für die Kunst – vor allem für die Moderne Kunst.
Ihr ist es zu verdanken, dass viele Kunstwerke überlebt haben. Das machte sie nicht, um sich daran zu bereichern, ihr war wichtig, dass diese Kunst bewahrt wird und für die Öffentlichkeit zugänglich wird.
Doch nicht nur Kunstwerke hat sie gerettet: Ein anderes großes Thema ist die Emigration der Künstler-Elite in die USA. Peggy Guggenheim hat einigen Künstlern diese Flucht überhaupt erst möglich gemacht. Anfangs wollte sie von der Politik nicht wirklich was hören. Doch je dunkler die Wolken am Horizont wurden, desto mehr wusste Peggy, dass sie handeln musste.
Mit Mut und Leidenschaft stand sie für die Künstler und deren Kunstwerke ein – eine beeindruckende Frau, die nie vergessen werden sollte.

Ein Buch, welches ich immer wieder gerne in die Hände genommen habe. Durch das Buch habe ich noch mal einiges in Sachen Kunst und die Künstler dazu gelernt. Ich habe Peggy Guggenheim und all die anderen Menschen um sie herum kennengelernt, spazierte mit ihr durch die verschiedensten Städte und Landschaften und begab mich mit ihr auf die Suche nach Kunstwerken.

Fazit: Ein Buch, was mich auf eine emotionale Reise mitgenommen hat, von der ich gehofft hatte, dass sie nie endet.

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Penguin-Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.