„Weihnachten am Ku’damm“

von Brigitte Riebe

Erschienen am 13. Oktober 2020 im Wunderlich-Verlag
ISBN: 978-3-8052-0073-8
https://www.rowohlt.de/pappbilderbuch/brigitte-riebe-weihnachten-am-ku-damm.html

Hinweise:
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die gedruckte Ausgabe.
– Meine Rezensionen zu den Teilen findet ihr hier:
Teil 1 „Die Schwestern vom Ku’damm: Jahre des Aufbaus“
Teil 2 „Die Schwestern vom Ku’damm: Wunderbare Zeiten“
Teil 3 „Die Schwestern vom Ku’damm: Tage der Hoffnung“

Das Buch „Weihnachten am Ku’damm“ von Brigitte Riebe spielt während des Jahrhundertwinters 1946/1947 in Berlin und ist damit ein kleines Zusatzbuch zu der 50er-Jahre-Trilogie um die Familie Thalheim.

Coverrechte: Rowohlt-Verlag

Das Buch beginnt am 17. Dezember 1946: Berlin liegt, zwei Jahre nach Ende des Krieges, noch immer in Schutt und Asche. Aber nicht nur das belastet die Bevölkerung, auch eine ungewöhnliche Kälte stellt die Menschen vor große Herausforderungen.
Das ‚Modehaus Thalheim‘, einst ein prächtiges und modernes Kaufhaus ist nur noch eine Ruine, Rike führt das Modehaus in einem kleinen düsteren und kalten Ladengeschäft provisorisch weiter. Vom früheren Glanz ist nichts mehr zu spüren.
Kurz vor Weihnachten kochen bei allen Mitgliedern der Familie Thalheim die Emotionen hoch: Jeder möchte ein schönes Weihnachtsfest, Florentine besteht auf einen Weihnachtsbaum. Doch ein opulentes Weihnachtsfest ist für die Familie Thalheim in weiter Ferne.
Da findet Rike einen kleinen Jungen vor der Ladentür. Er heißt Erich und ist der Sohn von Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten. Erich erkrankt schwer und die drei Thalheim-Schwestern Rike, Silvie und Florentine sind sich in einem einig: Er soll ein wunderschönes Weihnachtsfest bekommen, egal wie.

Ich habe die 50er-Jahre-Trilogie von Brigitte Riebe, die in den Jahren 2018, 2019 und 2020 erschien sehr gerne gelesen und war nach dem dritten Teil sehr traurig, dass die Reihe beendet war. Die vielfältigen Charaktere der Familie Thalheim sind mir sehr ans Herz gewachsen.
Als Brigitte Riebe ankündigte, dass es noch mal eine kleine zusätzliche Geschichte über die Familie Thalheim geben sollte, war ich sehr glücklich und es war klar, dass ich dieses Buch direkt lesen wollte.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Wunderlich-Verlag (Rowohlt), die mir ein Exemplar als kostenloses Rezensionsexemplar zugeschickt haben.

Was habe ich die Familie Thalheim vermisst: Ein bunter Haufen Menschen, alle mit Ecken und Kanten. Sie streiten sich, sie lieben sich und sie sind immer füreinander da.
In dieser Geschichte kommt man ihnen allen noch einmal näher und spürt, wie sehr sie sich nach den vergangenen Zeiten sehnen, wie ihnen ihre Villa, aber auch ihr ‚Modehaus Thalheim‘ fehlen.
Rike ist die Vernünftige, Silvie das Herz und Flori ist die Künstlerin in der Familie. Aber auch Miri, eine gute Freundin der Thalheims, trägt ihren Teil zu dieser Familie bei. Das Familienoberhaupt Friedrich, seine Frau Claire und sein Bruder Carl: Alles Charaktere, die man einfach gerne haben muss.
Erich, ein kleiner Junge, den Rike halb erfroren vor ihrem Ladengeschäft findet, erobert das Herz der Familie Thalheim, aber auch des Lesers im Sturm. Ein kleiner Junge, dem seine Kindheit geraubt wurde, er versprüht aber trotzdem eine solch ansteckende Lebensfreude. Seine Geschichte und die seiner Eltern sorgte bei mir für Gänsehaut. Flucht und Vertreibung, die Heimat für immer verloren und nirgendwo wurde man gerne gesehen.

Was haben wir unseren Kindern mit diesem furchtbaren Nazi-Regime, mit Krieg, Bomben, Hunger, Flucht und Vertreibung nur angetan? Die Kindheit haben wir Ihnen gestohlen, ihre jungen Leben ruiniert! Das ist nicht vorbei, sobald man die weiße Flagge hisst, sondern eine Schuld, die schwer auf uns allen lastet. Noch Generationen nach uns werden damit zu kämpfen haben…“
[S. 52, Z. 9-15]

Brigitte Riebe beschreibt ihre Charaktere mit einer beeindruckenden Tiefe und Authentizität, auch die weniger guten Figuren.

Die Sprache von Brigitte Riebe ist detailliert, dabei aber niemals langatmig oder gar langweilig. Sie beschreibt diesen furchtbaren Winter, die Heimatlosigkeit aber auch den Mut und die Zuversicht der Menschen zu dieser Zeit einfühlsam aber auch ungeschönt.
Die Hoffnung auf ein schönes Weihnachtsfest, der Wille, die Stadt wieder aufzubauen und der Glaube, dass alles wieder gut wird – all das beinhaltet dieses Buch. Es geht sehr ans Herz, stellenweise machte es mich sehr traurig, aber die Hoffnung der Menschen überwog und war sehr spürbar .

Wie schon erwähnt, ist das große Thema in diesem Buch der Jahrhundertwinter, der ‚Hungerwinter‘ in den Jahren 1946/1947: In diesem Winter gefror das Wasser in den Leitungen, der Mangel an Heizmaterial ließ viele Menschen in ihren Betten erfrieren. Allein in Deutschland erfroren mehrere hunderttausend Menschen, die durch die Mangelernährung sehr geschwächt waren. In der Sowjetunion starben in den Jahren 1946 bis 1948 etwa zwei Millionen Menschen in der Folge von Hunger und den extremen Wetterbedingungen.
Ein anderes Thema ist die Vertreibung und Flucht aus den ehemaligen Ostgebieten. Diese Menschen kamen mit einem Koffer und den Sachen, die sie am Leib trugen an. Auch sie mussten versorgt werden und wurden in Wohnungen einquartiert, in denen noch andere Familie wohnten. Viele wollten das nicht und stellten sich gegen die Flüchtlinge und machten ihnen das Leben noch schwerer.
Flucht und Vertreibung: Ein (leider) nach wie vor aktuelles Thema.

Fazit: Das Buch ist mit 158 Seiten sehr übersichtlich, geht aber mit einer sehr intensiven Geschichte ans Herz. Es ist unvorstellbar, was die Menschen durchmachen mussten. Mich hat es sehr berührt, dass es aber auch zu dieser Zeit Hoffnung gab und Menschen, die nicht weggeschaut haben.
Danke Brigitte Riebe, dass ich noch einmal zu der Familie Thalheim zurück kehren durfte.

Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt-Verlag als Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

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