„Papierkinder“

von Julia Kröhn

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 18. Oktober 2023
Verlag: Blanvalet
Ausgaben: Hardcover und eBook
ISBN: 978-3764508364
Seitenanzahl: 560 Seiten
Preise: 24€ (Hardcover), 15,99€ (eBook)

Homepage:
https://www.penguin.de/Buch/Papierkinder/Julia-Kroehn/Blanvalet/e608505.rhd

Klappentext:
„Als die Zeit der Kinder kam … Ein mitreißender Roman mit aktueller Brisanz, den man nie mehr vergisst.
Berlin 1874: Im Armenhaus von Steglitz retten zwei Mädchen einen vernachlässigten Säugling vor dem Hungertod. Obwohl sie in einer harten, mitleidslosen Welt aufwachsen, eint sie die feste Überzeugung, dass jedes Kind wertvoll ist. Es ist der Beginn einer tiefen Freundschaft – und zugleich einer Bewegung, die unermüdlich Verständnis und Liebe, Respekt und Schutz für Kinder einfordert. Mutige, tatkräftige Frauen schließen sich ihr an. Und sie alle sind erst am Ziel, als 1924 in der Schweiz ein ganz besonderes Papier unterzeichnet wird: die erste Kinderrechtserklärung.
Der Sozialistin Emma Döltz, der Montessori-Lehrerin Clara Grunwald und der Wohltäterin Eglantyne Jebb ist es zu verdanken, dass 1924 die »Genfer Erklärung« verabschiedet wurde – die Grundlage für die UN-Kinderrechtskonvention von 1989.“

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Blanvalet Verlag als Rezensionsexemplar über das ‚Bloggerportal‘ zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension vom Verlag und von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistungen bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

Coverrechte: Blanvalet Verlag

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Der historische Roman „Papierkinder“ von Julia Kröhn spielt von 1874 bis 1925 in Berlin und Genf und zeigt den beschwerlichen und mutigen Weg unterschiedlicher Frauen, welche sich für die Rechte der Kinder stark gemacht haben.

„»Du hattest recht«, murmelte Mathilde, »Kinder kosten nichts. Ich fürchte, für viele Menschen haben sie überhaupt keinen Wert. Sonst würde man ihre Mütter nicht so darben lassen.«
»Dann müssen wir den Müttern eben helfen«, sagte Emma energisch. »Die Kinder haben den Wert, den man ihnen gibt.«“

[Seite 26, Kapitel 1]

Berlin im Jahr 1874: Die beiden Mädchen Emma und Mathilde wachsen in ärmlichsten Verhältnissen im Armenhaus Steglitz auf. Als die beiden einen Säugling vor dem Hungertod retten, entsteht zwischen den Mädchen eine tiefe Freundschaft und Verbundenheit, welche auch noch Jahre später besteht – auch wenn sich ihre Leben in verschiedene Richtungen entwickeln.
Emma, die schon immer leidenschaftlich gedichtet hat, erkennt das Unrecht, welches vielen Kindern widerfährt und möchte dagegen angehen, Mathilde ist in einer unglücklichen Ehe gefangen.
Doch als das Schicksal erbarmungslos zuschlägt, wird die Freundschaft der Beiden und auch die Zukunft ihrer Kinder auf eine harte Probe gestellt.

Schon seit einigen Jahren gehört Julia Kröhn zu meinen Lieblingsautorinnen, da sie mich mit ihren tief gängigen Geschichten immer sehr berührt. Die „Riviera-Saga“, welche 2020 erschienen ist, gefiel mir außerordentlich gut, ebenso die Reihe um die „Lehrerin von Hamburg“ (erschienen 2021) und auch Reihe um die „Die Buchhändlerinnen von Frankfurt“ aus den Jahren 2022/2023 konnte mich völlig begeistern.
Als die Autorin ihr neues Buch „Papierkinder“ vorstellte, war mir schnell klar, dass ich auch dieses Buch unbedingt lesen wollte und fragte im ‚Bloggerportal‘ ein Rezensionsexemplar an. Dieses bekam ich genehmigt und zugesendet, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.

Die Ausgabeart des Buches ist ein sehr schön und hochwertig gestaltetes Hardcover mit 560 Seiten. Neben dem vielversprechenden Klappentext sprach mich auch das schlichte, jedoch sehr ausdrucksstarke Cover direkt an. Der komplette Buchumschlag ist in einem dunklen rosa gehalten und zeigt auf der Vorderseite eine Sepia-farbene Fotografie eines jungen Mädchen, welches auf einem Sessel sitzt und konzentriert in einem Buch liest. Der untere Rand des Covers sieht aus, als wäre er vom Feuer angesengt worden.
Auf der vorderen Klappe des Buchumschlags befindet sich der Klappentext, welcher mit einem Zitat aus dem Buch beginnt. Auf der hinteren Klappe wird die Autorin mit einem Foto und einer kurzen Biographie dargestellt.
Die Handlung verteilt sich auf insgesamt 18 Kapitel und wird in drei Teile aufgegliedert:

  • „Teil 1: Die Dichterin, 1874 – 1905″
  • „Teil 2: Die Lehrerin, 1910 – 1920″
  • „Teil 3: Die Juristin, 1920 – 1925″

Nach einer außerordentlich schönen Widmung beginnt das Buch im Herbst 2023. Danach geht die Handlung mit Teil 1 zurück in das Jahr 1874. Nach dem dritten Teil, welcher im Jahr 1925 endet, befinden wir uns dann nochmals im Herbst 2023. Damit ist es eine sehr runde und in sich abgeschlossene Geschichte.
Dem erzählenden Teil schließen sich die historische Anmerkung und das Quellenverzeichnis an.
Da die Handlung fortlaufend und gleich zu Beginn mit hohen erzählerischen Tempo erzählt wird, fand ich mich sehr schnell in der Geschichte ein und zurecht. Auch der klare, bildhafte und detaillierte Sprachstil der Autorin zog mich schnell mit in die Geschichte und schon nach den ersten beiden Kapiteln war mir klar, was für einen Buchschatz ich da gerade in den Händen halte. Ein Gänsehaut-Schauer jagte den nächsten, immer wieder stiegen mir die Tränen in die Augen.

„Wie das kleine Kind von einst fühlte sie sich jäh, das so viele Fragen gehabt hatte, die Welt so gerne hatte begreifen wollen und das von allen stets abgebügelt worden war, bis es endlich geschwiegen hatte. Aber sie wollte kein Kind mehr sein, das vergebens gegen die Wände der Gleichgültigkeit rannte, und schweigen wollte sie erst recht nicht.“

[Seite 50, Kapitel 3]

Das Buch verfügt über kein Personenregister – welches ich jedoch auch zu keiner Zeit vermisst habe. Jede der zahlreichen Figuren wird sehr behutsam in die Handlung eingeführt und so beschrieben, dass ich mir die jeweiligen Hintergründe gut merken konnte.
Einige der Hauptfiguren sind fiktiv, andere Figuren hingegen sind historische Persönlichkeiten. Wobei die Autorin in ihrem Nachwort auch klarstellt, dass sie sich „bei der Schilderung der historischen Figuren nicht nur auf Fakten gestützt“ (Zitat ‚Historische Anmerkungen) hat, sondern sich auch ihrer Fantasie bedient hat.
So sind Mathilde Albrecht und ihre Familie fiktiv, verbinden aber die Geschichten der historischen Figuren Clara Grunwald, Eglantyne Jebb, Ottilie Baader und Emma Döltz, geborene Lehmann, mit- und untereinander.
Emma und Mathilde lernen sich im Kindesalter kennen, sind sich in vielem ähnlich und gleichzeitig doch sehr unterschiedlich. Sie stammen beide aus ärmlichen Verhältnissen und wachsen im Armenhaus in Steglitz auf. Sie verschließen ihre Augen nicht vor Ungerechtigkeiten und vor allem Emma bringt sich damit immer wieder in Schwierigkeiten. Beide möchten Kindern zu mehr Rechten verhelfen, verlieren dabei aber doch des Öfteren ihre eigenen Familien aus den Augen.
Julia Kröhn hat mit diesen beiden Figuren sehr lebensechte Charaktere geschaffen, welche der Leser/ die Leserin über 50 Jahre hinweg begleitet. Beide entwickeln sich äußerst glaubhaft von Mädchen zu jungen Frauen, hin zu Müttern und Großmüttern. Die ergreifenden Geschichten und Schicksale der Beiden, welche mir immer wieder die Tränen in die Augen trieben, werde ich so schnell nicht mehr vergessen.
Viele der weiteren Figuren in diesem Roman hängen unmittelbar mit dem Werdegang und den Schicksalen von Emma und Mathilde zusammen. Um nicht zu viel von der Handlung und Spannung vorwegzunehmen, möchte ich nicht detailliert auf diese Figuren eingehen.
Die ambivalenten Zeichnung und die teils sehr überraschenden Handlungen aller Figuren konnten mich sehr überzeugen. Außerdem ist es Julia Kröhn wieder vortrefflich gelungen, ihre fiktiven Figuren in einen hervorragend recherchierten geschichtlichen Hintergrund einzubetten und gekonnt mit den historischen Figuren und deren Schicksalen zu verbinden. Auch die Tragik, die Spannungen, Zerwürfnisse und Differenzen zwischen einigen der Figuren waren stets fass- und fühlbar und zogen mich schnell in die emotionale Geschichte hinein.
Mit ihren vielen und vielfältigen Figuren zeigt Julia Kröhn ein sehr authentisches Bild der sich rasch entwickelten Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhundert und des beginnenden 20. Jahrhunderts.

„»Es klingt, als wäre der Krieg eine dunkle Wolke, die der Wind ganz zufällig und ohne unser Zutun über uns getrieben hat«, hatte Clara bemerkt. »Dabei braut sich Krieg nicht am Himmel zusammen, sondern in den Herzen.«“

[Seite 301, Kapitel 16]

Den geschichtlichen Hintergrund bilden die Jahre von 1874 bis 1925. In dieser Zeit war die Gesellschaft sehr im Wandel und es gab einige bedeutende historische Begebenheiten.
Der erste Teil des Buches spielt im Deutschen Kaiserreich, welches drei Jahre zuvor gegründet wurde und von Beginn an ein Land voller Widersprüche war: Den Prachtbauten erfolgreicher Unternehmer und des Adels standen die dunklen Mietskasernen (mit ihren vielen teils dunklen Hinterhöfen) gegenüber. Armut und Reichtum klafften im Deutschen Kaiserreich weit auseinander. Infolge des großen Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklungen entstanden neue Eliten: Unternehmer gewannen immer mehr an Ansehen und Bedeutung. Während der Staat und die Gesellschaft von Aristokratie und Großbürgertum geprägt wurden, formierte sich in der Arbeiterklasse der Kampf um soziale und politische Emanzipation – und eben auch für die Durchsetzung von Kinderrechten. Mit der fortschreitenden Industrialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Einführung der Schul­pflicht veränderte sich auch die Diskussion um den Gehorsam und die Pflichten der Kinder. Es begann sich die Auffassung durchzusetzen, dass Kinder auch bestimmte Rechte haben. Das internationale Interesse an Fragen der Rechte von Kindern wurde immer größer und das führte dazu, dass schon früh völkerrechtliche Verträge zum Schutz und zur Wahrung der Rechte von Kindern zustande kamen. 
Im zweiten Teil der Geschichte, welcher von 1910 bis 1920 spielt, stehen die Zeiten vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg im Fokus. Viele Errungenschaften und Erneuerungen (vor allem in der Bildung) wurden durch diesen Krieg zunichte gemacht und es musste nach Kriegsende wieder vieles neu aufgebaut werden. In der gespaltenen Gesellschaft klafften tiefe Wunden, welche der Krieg hinterlassen hatte.
Auch im dritten Teil, welcher von 1920 bis 1925 spielt, wird deutlich, wie zerrissen und verwundet die Gesellschaft nach Ende des Ersten Weltkriegs war: Die bittere Armut, der Kampf um Lebensmittel, die vielen heimgekehrten und teilweise versehrten Soldaten, sowie auch der Unglaube der Bevölkerung an die Demokratie und damit die Wut auf die noch junge Weimarer Republik bildeten den Alltag zahlreicher Menschen. Viele hatten große Hoffnungen, dass es in einer Demokratie nur besser werden sollte, doch die Weimarer stand von Beginn an auf wackeligen Füßen. Die hohen Reparationszahlungen und die ‚Dolchstoßlegende‘ forderten ihren Tribut, wodurch sich viele Menschen von der Demokratie belogen und betrogen fühlten.
Bereits während des Ersten Weltkriegs griff der amerikanische Präsident Woodrow Wilson in seinem 14-Punkte-Pogramm vom Januar 1918 den Gedanken einer Friedensorganisation auf. Wilsons Forderung nach einer internationalen Gemeinschaft zur Sicherung des Friedens konnte auf der im Januar 1919 beginnenden Pariser Friedenskonferenz erfolgreich umgesetzt werden. Die teilnehmenden Staaten beschlossen die Gründung des sogenannten Völkerbunds. Dessen Satzung wurde als Artikel 1 bis 26 Bestandteil des Versailler Vertrags. Als der Vertrag am 10. Januar 1920 in Kraft getreten war, nahm der Völkerbund mit Hauptsitz in Genf seine Arbeit offiziell auf. Hier wurde auch die erste Satzung für Kinderrechte von Eglantyne Jebb entworfen: die ‚Children’s Charta‘. Am 24. September 1924 wurde die Charta von der Generalversammlung des Völkerbundes verabschiedet und als Genfer Erklärung bekannt. Die Erklärung enthielt grundlegende Rechte der Kinder in Bezug auf ihr Wohlergehen und sollte dazu beitragen, den Schutz bzw. die Versorgung der Kinder in der Zwischenkriegszeit zu sichern.
Diese vielen geschichtlichen Hintergründe hat Julia Kröhn sehr akribisch recherchiert und stellt diese sehr anschaulich in ihrem Roman „Papierkinder“ da. Ich habe viel Neues zu diesen Themen, vor allem aber über die Thematik und Entstehung der Kinderrechte, erfahren.

„»Ich weiß«, sagte Nelly, »es mag ein kühner Traum sein. Aber es ist kein unmöglicher. Save the Children hat es schon jetzt geschafft, die unterschiedlichsten Menschen zu vereinen, die für das Wohl der Kinder zusammenarbeiten. Weil die Kinder die Verletzlichsten sind. Und weil Kinder die Hoffnung auf eine bessere Zukunft sind.«“

[Seite 467, Kapitel 23]

Am Ende dieser Rezension möchte ich mich ganz herzlich bei Julia Kröhn für dieses erneute emotionale, unvergessliche und lehrreiche Lesevergnügen bedanken.

Fazit: Auch wenn das Buch nun beendet ist, bin ich noch nicht wirklich bereit Abschied von dieser großartigen Geschichte und den liebgewonnen Figuren zu nehmen.
Bereits nach den ersten Kapiteln war mir klar, was für einen Buchschatz ich da gerade lese. Ein Gänsehaut-Schauer jagte den nächsten, immer wieder stiegen mir die Tränen in die Augen.
Auch wenn die letzte Seite gelesen ist, wird diese starke und unvergessliche Geschichte, welche nichts von ihrer Brisanz verloren hat, noch lange nachklingen. Eine absolute Leseempfehlung
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*Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung des Verlages in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

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