„Die Trostbriefschreiberin“

von Michael Paul

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungstermin: Mai 2023
Verlag: Bunte Hunde
Ausgabe: Hardcover & eBook
ISBN: 978-3-947081-11-0
Seitenanzahl: 352 Seiten
Preis: 22,00€
https://www.michael-paul.eu/bücher/

Klappentext:
Als die Freiburger Reporterin Mel Burger den Auftrag erhält, in ein aufgelöstes Kloster in der Eifel zu fahren, ahnt sie nicht, was sie damit auslöst. Die 99-jährige, sehr angesehene und beliebte ehemalige Priorin weigert sich, als Letzte das Kloster zu verlassen. Niemand weiß, warum.
Als der Investor eine Millionenspende für die klamme Stadt auslobt, überschlagen sich die Ereignisse. Während die Bürger vor dem Kloster demonstrieren, erzählt die Nonne Mel Burger ihr Leben. Aber es gibt ein schreckliches, dunkles Geheimnis im Lebenslauf der Nonne. Was hat sie 1940 gemacht, über das sie nicht sprechen will?
Nach dem Erfolg von „Versteckt im Schwarzwald“ greift Michael Paul in diesem packenden Roman das Thema Schuld aus verschiedenen Perspektiven auf, auch wenn diese mehr als 80 Jahre zurückliegt.“

Hinweise:
-Das Buch habe ich freundlicherweise über den Autor Michael Paul als vorzeitiges und kostenloses Rezensionsexemplar (eBook) zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension vom Autor keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Da ich dieses Buch als eBook gelesen habe, werden die angegebenen Zitate nicht mit einer Seitenzahl versehen.

Coverrechte: Michael Paul

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Das Buch „Die Trostbriefschreiberin“ von Michael Paul ist ein Roman, welcher größtenteils im Jahr 2022 spielt und das Thema und die Frage der Schuld in den Fokus stellt.

Nach einem schweren Schicksalsschlag hat die Reporterin Mel Burger ihrer Heimatstadt Freiburg den Rücken gekehrt und lebt und arbeitet in Köln. Ihr Schwerpunkt liegt in der Lokalredaktion, eine Arbeit, welche sie nur mäßig begeistert. Doch dann erhält Mel den Auftrag in ein aufgelöstes Kloster in der Eifel zu fahren und dort eine 99jährige ehemalige Priorin zu interviewen. Diese weigert sich vehement das aufgelöste Kloster zu verlassen. Niemand weiß warum, die Priorin lässt bisher niemanden an sich und ihre Lebensgeschichte heran.
Mel schafft es, dass Vertrauen der im Ort angesehenen und beliebten ehemaligen Priorin zu gewinnen und bekommt Einblicke in ein Leben, welches von einem schrecklichen und dunklen Geheimnis überschattet wird. Doch als der Investor, welcher das Kloster zu einem Luxushotel umbauen will, eine Millionenspende für den Ort in Aussicht stellt, überschlagen sich die Ereignisse.

Nachdem ich die Bücher „Wimmerholz“, „Das Haus der Bücher“ und „Versteckt im Schwarzwald“ gelesen hatte und diese mich sehr beeindruckt hatten, freute ich mich auf das neue Buch von Michael Paul. Er schreibt sehr präzise und lebendige Bücher gegen das Vergessen, welche mir noch immer im Gedächtnis sind.
Das Buch „Die Trostbriefschreiberin“ erhielt ich vom Autor als vorzeitiges Rezensionsexemplar, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.

Da ich das eBook gelesen habe, kann ich in dieser Rezension das Hardcover nicht beschreiben – aber eines ist klar: Wie auch die anderen historischen Romane von Michael Paul, wird auch dieses als gebundenes Buch den Weg in mein Regal finden. Das sind Bücher, die ich einfach besitzen muss.
Das stimmungsvolle Cover zeigt eine Person im Habit, welche mir nach vorne verschränkten Armen mit dem Rücken zum Betrachter steht. Sie steht vor einem Fenster, welches aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist und mit der nach oben spitz förmig zusammenlaufenden Form an ein gotisches Kirchenfenster erinnert. Die Verdunklungen sind geöffnet und die Person steht im hellen Tageslicht, in welches sie schaut. Jedoch scheinen vor den Fenstern Gitter zu sein. Sie schaut in eine Welt, aus der sie ausgesperrt ist.
Das Buch beginnt mit einem Gedanken von Dietrich Bonhoeffer (geb. 1906, ermordet 1945), dann folgt ein Vorwort von Kurt Schrimm (leitendet Oberstaatsanwald a.D.). Mit dem Prolog des Buches befinden wir uns im Jahr 1940 in Mosbach. Dieser Prolog trieb mir schon direkt die Tränen in die Augen und ich musste schwer schlucken. Das erste Kapitel setzt dann im Jahr 2022 an und der Leser/ die Leserin lernt die junge Reporterin Mel, ihren Chef, den Erzabt und einen Cellerar kennen. Die weiteren 17 Kapitel, spielen größtenteils im Jahr 2022, gehen aber auch zeitlich zurück in die 1930er und 1940er Jahre. Das Nachwort ist dann das ‚Vorwort zum Schluss‘ und wird dann mit einem informativen, eindringlichen und erschreckenden Bericht zu „Grafeneck 1940 – »Euthanasie«-Verbrechen in Baden und Württemberg“ von Thomas Stöckle (Historiker und Politologe) ergänzt. Es folgen Angaben zum Autor, die Danksagungen und eine Übersicht über die bisherigen Werke von Michael Paul.

Mel, die junge Reporterin, ist eine der Figuren, welche im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Nach einem schweren Schicksalsschlag lässt sie ihr Leben und ihre Karriere in Freiburg hinter sich und fängt in Köln ein neues, einfacheres Leben an. Doch sie kann ihre Vergangenheit nicht gänzlich hinter sich lassen und wird auch immer wieder von dieser eingeholt. Auch wenn sie mitunter sehr taff wirkt, ist sie doch sehr vom Leben gezeichnet und hat Ängste und Schwächen, welche sie sich auch eingesteht. Dazu verfolgt sie ein unerträgliches Schuldgefühl, welches sie immer wieder aus der Bahn wirft. Somit ist dieser Auftrag ins Kloster zu gehen für Mel auch eine Art des Heilungsprozesses. Sie muss sich nun sich selbst und ihren Gefühlen stellen. Mels ehrlicher Charakter und ihre sehr authentische und dramatische Lebensgeschichte konnten mich sehr schnell überzeugen und in den Bann ziehen.
Neben Mel steht die ehemalige Priorin Schwester Scholastika im Zentrum der Handlung. Mit ihren 99 Jahren hat sie in ihrem Leben schon vieles erlebt, gesehen und durchgemacht. Zu Beginn des Buches wirkt sie mit sich und ihrem Leben im Kloster sehr beherrscht und zufrieden. Es wird aber schnell klar, dass sie etwas zu verbergen versucht und damit eine Last und ein Geheimnis mit sich trägt, welches schwer auf ihr lastet. Diesem Geheimnis und dieser Bürde möchte Mel auf die Schliche kommen. Schwester Scholastika hat sich in ihrem Leben noch keinem Menschen geöffnet, Mel findet einen Zugang zu ihr und ihrem Geheimnis.

„Kathrin hatte recht gehabt, Schwester Scholastika war eine außergewöhnliche Frau. Und sie trug ganz sicher mehr als nur ein Geheimnis in sich, das es wert war, angemessen erzählt zu werden.“

[Kapitel 4]

Es ist zu Beginn auch für die Leser/ Leserinnen völlig undurchsichtig, wie und warum Schwester Scholastika nicht aus dem Kloster ausziehen möchte. Ihre Lebensgeschichte enthüllt sich erst im Laufe der Handlung Stück für Stück.
Neben Mel und Schwester Scholastika gibt es noch einige weitere fiktive Figuren in diesem Roman, welche aber eher am Rande stehen – trotzdem aber für den Fortgang der Geschichte immens wichtig sind. Hier sind zum Beispiel Kathrin und ihr Mann Stefan zu nennen, welche sich ganz rührend um Schwester Scholastika kümmern. Mels Chef Joe ist ein mitunter knallharter Vorgesetzter, agiert sehr impulsiv, ist aber trotzdem für Mel da. Aber auch die weiteren Charaktere wie der Erzabt Christian, der Cellerar Johannes, der Investor Konradi und der Bürgermeister Wittkamp konnten mich mit ihren äußerst lebensechten Darstellungen überzeugen. Sie alle haben ihre Ecken und Kanten und vieles aus ihrer Lebensgeschichte offenbart sich erst im Laufe der Handlung. Dies sorgt für einen guten Lesefluss, da man einfach wissen will und muss, wie und warum es so gekommen ist und wie es weitergeht.

Michael Paul hat einen sehr eindrücklichen, lebendigen und detaillierten Sprachstil, welcher nie langatmig wird und mich, wie bereits in seinen vorherigen Romanen, sofort mit in die Handlung genommen hat. Aber auch seine bildhaften Beschreibungen des leerstehenden Klosters sorgten bei mir für die oder andere Gänsehautmomente und ich konnte mir die Handlungsorte sehr gut vorstellen.

„Gespenstisch kam es ihr vor. Das gesamte Kloster, ein riesiges Gebäude, oder besser eine Ansammlung von mehreren zusammenstehenden Gebäuden, stand komplett leer, nur hier in den Zimmern war so eingerichtet, als hätte sich die letzten mindestens fünfzig Jahre nicht verändert. Steven King hätte an der Kulisse für »Shining 2« seine wahre Freude, war sich Mel sicher und verspürte ein Unwohlsein.“

[Kapitel 4]

Was ich als sehr gelungen empfand, waren auch die wiedergegeben Einblicke in das Klosterleben. Der Autor hat einige Zeit im Kloster Maria Hilf in Bühl/ Baden verbracht und dort den größten Teil seines Romans verfasst. Für viele Menschen ist ein Kloster und das Leben darin völlig aus der Zeit gefallen, weshalb auch immer mehr Klöster geschlossen werden müssen. Jedoch würden mit einem Wegfall dieser Einrichtungen ein einzigartiger Teil unserer Kultur verloren gehen.

„Ein Kloster war eine Kommune, eine eigene Art der Gesellschaftsform, eine eigene Lebensrealität, abseits der Welt, außerhalb der Klostermauern. Ein Leben in Bescheidenheit und Demut, weitab von Ehrgeiz und Karrieredenken, Hektik und Stress, in Bedeutungslosigkeit von Geld und Statussymbolen. Was auf den ersten Blick wie ein Verlust von Freiheit aussah, war in Wirklichkeit vielleicht genau das Gegenteil, eine Befreiung. Schwester Scholastika hatte mit ihrem Gang ins Kloster ihre Freiheit nicht aufgegeben, sie hatte eine neue, geschützte Freiheit gewählt.“
[Kapitel 7]

Den geschichtlichen Hintergrund bildet das Jahr 1940 und die damit beginnenden Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus. Diese systematischen Morde kosteten von 1933 bis 1945 etwa 216.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen das Leben.
Allein in der Tötungsanstalt Grafeneck (im heutigen Baden-Württemberg) wurden 10.654 Menschen mit Behinderung ermordet. Diese Zahlen machen mich immer wieder fassungslos, da sich hinter diesen Zahlen Menschen befinden. Menschen mit Gefühlen, Gedanken und Geschichten. Michael Paul greift hier ein Thema auf, welches immer wieder für enormen Zwiespalt sorgt: Ab wann ist ein Mensch mitschuldig an diesen Taten? Hat man als reine Schreibkraft eine Mitschuld an tausenden Toten? Hätte man diese Tötungen verhindern können?

„»Zuletzt wurden Wachleute, denen keine direkte Tat nachgewiesen werden konnte, trotzdem wegen Beihilfe zum Mord angeklagt und verurteilt. Der letzte Fall liegt noch nicht so lange zurück. Und die Angeklagten sind mittlerweile alle über fünfundneunzig Jahre alt. Aber welches Rad soll ich aus der Uhr nehmen? Läuft sie nur richtig wegen der großen Rädchen? Die kleinen winzigen Zahnrädchen oder Federn sind ebenso notwendig, damit das Uhrwerk präzise funktioniert, oder?«“

[Kapitel 14]

Diese Frage wird von dem Autor nicht vorgebend beantwortet, sondern es wird dem Leser/ der Leserin selbst überlassen, diese Antwort für sich selbst zu beantworten. Immer wieder legte ich das Buch zur Seite und fragte mich: „Schuldig oder unschuldig?“ und „Wie hätte ich mich in dieser Zeit verhalten?“
Die geschichtlichen Hintergründe und Themen stellt Michael Paul völlig ungeschönt da und verbindet diese Fakten gekonnt mit den Geschichten und Lebensgeschichten seiner fiktiven Charaktere.
Sehr interessant, aber auch erschreckend empfand ich die Darstellung, wie schnell die Medien dabei sind, die die Menschen mit teilweise ungesicherten Informationen aufzuschrecken und auch gegeneinander aufzubringen.

Zum Schluss dieser Rezension möchte ich mich ganz herzlich bei Michael Paul für dieses intensive, berührende aber auch stellenweise sehr bedrückende Leseerlebnis bedanken. All seine Bücher sind etwas Besonderes … dieses Buch ist etwas ganz besonders Besonderes. Vielen Dank.

Fazit: Was für eine Geschichte – ich bin mir sicher, dass diese mich noch lange nach Beendigung des Buches beschäftigen und begleiten wird. Es ist ein Buch, welches zum Nachdenken anregt und gleichzeitig bestens und spannend unterhält. Ein absolutes Highlight – unbedingt lesen!

*Ich habe für diese Rezension vom Verlag Autor keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

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