„Fräulein Gold – Die Rote Insel“

von Anne Stern

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Bibliografische Angaben:
Erscheinungsdatum: 15. November 2022
Verlag: Rowohlt Polaris
ISBN: 978-3-499-00916-7
Seitenanzahl: 432 Seiten

Klappentext:
„Berlin, 1926. Hulda Gold musste ihre Stelle als Hebamme in der Frauenklinik aufgegeben und lebt nun in einem Arbeiterviertel fern von ihrem alten Kiez. Hier auf der sogenannten Roten Insel kann sie in der Praxis von Grete Fischer mitarbeiten. Gemeinsam kümmern sich die beiden Frauen um Menschen, die täglich gegen Armut und Not kämpfen – während in ganz Berlin die politischen Spannungen zunehmen. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Kommunisten, Anhängern der nationalsozialistischen Bewegung und den Ringvereinen. Auch das Viertel auf der Roten Insel ist von den Unruhen geprägt. Grete, die einer kommunistischen Gruppe anhängt, scheint es mit dem Gesetz nicht so genau zu nehmen. Als sich die brodelnde Stimmung in handfeste Gewalt entlädt, gerät Hulda zwischen alle Fronten. Und sie muss sich der größten Bewährungsprobe ihres Lebens stellen.“

https://www.rowohlt.de/buch/anne-stern-fraeulein-gold-die-rote-insel-9783499009167

Hinweise:
-Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank!
– Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Aufgrund der Gegenleistungen in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
– Rezension zum ersten Teil „Fräulein Gold – Schatten und Licht“
– Rezension zum zweiten Teil: „Scheunenkinder“
– Rezension zum dritten Teil: „Der Himmel über der Stadt“
– Rezension zum vierten Teil:
„Die Stunde der Frauen“

Coverrechte: Rowohlt Verlag

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Das Buch „Fräulein Gold – Die Rote Insel“ ist der fünfte Band um die Hebamme Hulda Gold, welche in Berlin der 1920er Jahre in die politischen Unruhen auf der Roten Insel gerät und privat vor der größten Umwälzung ihres bisherigen Lebens steht.

Berlin im Jahr 1926: Nachdem Hulda Gold ihre Stelle als leitende Hebamme in der Frauenklinik aufgeben musste und auch ihre geliebtes Zimmer in der Mansarde der Vergangenheit angehört, lebt und arbeitet sie auf der Roten Insel – einem Stadtviertel der Arbeiter, welche zum größtenteils rot wählen und damit diesem Stadtteil seinen Namen geben. Sie arbeitet in der Praxis der Ärztin Grete Fischer als Helferin mit und zusammen kümmern sich die beiden Frauen um die Menschen, welche in größter Not den Weg zu ihnen finden.
Grete gehört einer kommunistischen Gruppe an, bei welcher Huldas unpolitische Art auf Ablehnung und Missbilligung stößt. Als ein Mord an einem Bewohner der Roten Insel verübt wird, scheinen die Täter für den Großteil der Bevölkerung fest zu stehen: Die Anhänger der nationalsozialistischen Bewegung. Immer wieder kommt es zwischen diesen und den Kommunisten zu teils blutigen Konflikten. Doch auch ein Ringverein scheint in diesen Anschlag involviert zu sein.
Hulda gerät zwischen die Fronten, als sich der Konflikt in handfester Gewalt entlädt. Hulda muss sich für einen Weg entscheiden, dazu steht sie auch noch privat vor der größten Umwälzung ihres bisherigen Lebens.

Als ich im Mai 2020 den ersten Band „Fräulein Gold – Schatten und Licht“ las, war ich sofort ein riesiger Fan dieser äußerst eigenwilligen und energiegeladenen Hauptfigur Hulda Gold. Ihr außerordentlicher Dickschädel und ihre untrügliche Spürnase für Ungerechtigkeiten und Straftaten in Kombination mit jeder Menge Zeitgeschichte, konnten mich sehr begeistern. Jeder weitere Teil wurde mit großer Vorfreude erwartet und mit äußerster Zufriedenheit und viel Genuss gelesen.
Den hier vorliegenden fünften Band der Reihe bekam ich freundlicherweise vom Rowohlt Verlag als vorzeitiges Rezensionsexemplar zugesendet, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.

Auch in diesem Band steht die namensgebende Figur der Buchreihe im Mittelpunkt der Geschichte: Hulda Gold. Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass sie sich verändert hat, beziehungsweise verändern musste. Ihre Arbeitsstelle als leitende Hebamme ist passé und auch ihren Kiez musste sie schweren Herzens verlassen. Hulda treibt zwischen den Welten, hat Zukunftsängste, sucht ihren Platz im Leben und vermisst ihren über alles geliebten Beruf. In diesem Teil kam sie mir noch einmal um einiges näher, da sehr viel von ihrem Innenleben erzählt wird, viele ihrer Gefühle und Gedanken offen gelegt werden.

„Wo zum Teufel gehörte sie nur hin? Wo würde sie je akzeptiert werden – und gleichzeitig sie selbst sein können?“

[Seite 77, Kapitel 5]

„Und wie oft hatte sie in den vergangenen Monaten diese nagende Beklommenheit verspürt, nirgendwohin zu gehören, überall fremd zu sein und zwischen den Stühlen zu sitzen?“

[Seite 388, Kapitel 31]

Ihre Welt ist nun eine völlig andere geworden, in der sie zum ersten Mal nicht nur auf sich alleine aufpassen muss. Auch wenn ihr Charakter eine große Wandlung erfährt, ist sie nach wie vor die Hulda, welche ich in den ersten vier Bänden mit ihrer facettenreichen Zeichnung fest in mein Leseherz geschlossen habe: Sie hat stets ein gutes Gespür für die Menschen um sie herum und sagt auch sehr oft direkt, was sie denkt und fühlt und lässt sich sehr oft von ihrem Bauchgefühl leiten. Doch sie kann ihrer untrüglichen Spürnase in Sachen Verbrechen stets vertrauen und sieht die Ungerechtigkeiten, gegen welche sie vorgeht. Dies und ihr außerordentlicher Dickschädel führen sie immer wieder in brenzlige Situationen, in denen sie ihr eigenes Wohlbefinden immer wieder hinten an stellt.
Es bleibt sehr spannend, wie es mit ihr und ihrem weiteren Leben in den nächsten Bänden der Reihe weitergehen wird. Hulda ist eine so einzigartige Figur, welche für mich mit ihrer interessanten Geschichte und ihrem starken Charakter für immer unvergessen bleiben wird.

„Du bist doch eine Heldin Hulda Gold.“

[Seite 166, Kapitel 11]

Um Hulda Gold agieren wieder zum größten Teil die Charaktere, welche schon ab dem ersten Band dabei sind. Es ist wunderschön, diese lebensechten Figuren wieder zu treffen und auch deren authentische Weiterentwicklung zu sehen – mittlerweile spüre ich beim Lesen das Gefühl des ‚wieder Ankommen‘ – als ob man wieder liebgewonnene Freunde trifft. Hier ist vor allem der Kioskbesitzer Bert zu nennen, welcher noch immer Huldas Fels in der Brandung ist und nach wie vor mit seiner wunderbaren Art sehr viel Wärme und Geborgenheit in die Geschichte bringt.
Neben Bert ist Frau Wunderlich, Huldas ehemalige Vermietern, weiterhin an ihrer Seite und sorgt mit ihrem teils etwas schroffen, aber doch gleichzeitig liebenswerten Charakter, stets für eine sehr erheiternde Atmosphäre. Einige Figuren kommen neu hinzu, andere Figuren aus den bisherigen Bänden stehen teilweise mehr am Rande. Doch sie alle, egal ob sie liebgewonnene Freunde oder neue Charaktere sind, sie im Zentrum oder am Rande der Geschichte eine Rolle spielen – sie alle sind von Anne Stern authentisch gezeichnet und sie zeigt mit ihnen ein gutes Bild der damaligen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, welche politisch und sozial tief gespalten war. Die Kommunisten treffen auf die Nationalsozialisten, diese wiederum auf die Ringvereine und die organisierte Kriminalität.

Die Handlung des Buches wird fortlaufend erzählt und setzt ein paar Monate nach Ende des vierten Bandes an. Ich empfehle sehr, dass man die vorherigen vier Bände bereits gelesen hat, da immer wieder Bezug auf Geschehnisse in der Vergangenheit genommen wird und es ist auf jeden Fall ein größeres Lesevergnügen, da man dann auch die Entwicklungen der Figuren besser verstehen und nachvollziehen kann.
Den historischen Hintergrund bildet das Jahr 1926. Mittlerweile ist die Weimarer Republik etwa neun Jahre alt, nach den anfänglichen Krisenjahren 1919 bis 1923 (Kapp-Putsch, Ruhraufstand, politische Morde an Matthias Erzberger und Walther Rathenau, Hyperinflation) folgen von 1924 bis 1929 die Jahre der relativen Stabilisierung. Die neue Freiheit in Kunst und Kultur wird durch den Begriff der „goldenen Zwanziger“ geprägt, den sozialen und politischen Wandel reflektiert dieser Begriff allerdings nicht. Noch immer herrschen bei vielen Menschen bittere Armut, Not und Krankheiten, auf der anderen Seite gab es die reiche Bevölkerungsschicht. Auch politisch sind die Menschen in der Weimarer Republik tief gespalten: Die linken Parteien spaltet sich in SPD und KPD auf, welche den Nationalsozialisten verfeindet gegenüber stehen.
Der Haupthandlungsort des Buches ist die Rote Insel in Berlin. Ein Stadtbezirk der Arbeiter und ihrer Familien, welche damals fast komplett rot wählten.
Diese historischen Hintergründe hat Anne Stern wunderbar recherchiert, verwebt diese spannend mit Fiktion und den Schicksalen und Geschichten ihrer größtenteils fiktiven Figuren, was wiederum dafür sorgte, dass ich das Buch stellenweise gar nicht mehr aus den Händen legen wollte. Wie bei den vorherigen Bänden konnte ich ab dem ersten Kapitel wieder schnell in die Geschichte abtauchen. Mit ihrer wunderbaren, detaillierten, bildgewaltigen und flüssigen Sprache, lässt Anne Stern auf keiner Seite Langeweile aufkommen und sie entführte mich mit viel Ortskenntnis in das Berlin der 1920er Jahre.
In diesem Teil findet die Ermittler-Arbeit etwas im Hintergrund statt, dafür liegt der Schwerpunkt hauptsächlich auf der Entwicklung und den Gefühlen von Hulda Gold und Karl North, welche eine schwierige Zeit durchmachen müssen, dann aber über sich hinauswachsen und eine unfassbare Stärke zeigen – vor allem Hulda.

„Gefühle waren seltsame, flüchtige Wesen. Man konnte sie nicht erzwingen, nicht hinters Licht führen, nicht mit Gewalt festhalten und nicht fortscheuchen. Sie folgten ihren ganz eigenen Gesetzen.“

Seite 356 , Kapitel 28

Das Buch ist wieder eine hochwertige Klappbroschur mit einem wunderbar stimmigen Cover – beides passt perfekt zu den bisherigen Bänden der Reihe. Dies, ein ausführliches historisches Nachwort der Autorin und der farbige Stadtplan im inneren der Klappen vervollständigen das rundum perfekte Lesevergnügen, für welches ich mich bei Anne Stern ganz herzlich bedanken möchte.

Fazit: Nachdem ich den Vorgängerband „Fräulein Gold – Die Stunde der Frauen“ schon als sehr stark und emotional empfunden habe, toppt dieser fünfte Teil alle bisherigen Bände in Sachen Emotionalität und Intensität. Auch wenn Hulda in einigen Szenen einfach nicht mehr weiß wie es weitergehen soll, zeigt sie eine solche Stärke und charakterliche Tiefe, mit welcher sie mir noch einmal viel näher kam.
Dazu gibt es spannende Unterhaltung vor einem perfekt recherchierten historischen Hintergrund und die wunderbare bildhafte Sprache der Autorin. Einfach nur absolut lesens- und empfehlenswert – ein Highlight.

*Ich habe für diese Rezension von der Autorin und/ oder vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung des Verlages in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.

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