von Astrid Fritz
Erschienen am 19.Mai 2020 im Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3499001192
https://www.rowohlt.de/taschenbuch/astrid-fritz-der-turm-aus-licht.html
Hinweis: Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.
Das Buch „Der Turm aus Licht“ von Astrid Fritz erstreckt sich über eine Zeitspanne von 60 Jahren und zeigt den Bau des Freiburger Münsters im 13. und 14. Jahrhundert.
Freiburg im Breisgau, im Jahre 1270: Gerhard von Straßburg kommt als neuer Baumeister in die Stadt. Sein großes Ziel ist es, den Bau des Freiburger Münsters voran zu bringen. Euphorisch, und mit viel Unterstützung des Neuen Rats beginnt er sein Werk. Doch nach dem Tod des alten Grafen Konrad I., der dem Bau und den Bürgern der Stadt wohlgesonnen war, wird mit der Herrschaft seines Sohnes Graf Egino II. alles schwieriger: Immer wieder facht er neue, kostspielige Kriege an, gegen den König aber auch gegen die Freiburger selbst.
Immer wieder müssen die Freiburger Räte, die Baumeister und die Bevölkerung für den Weiterbau kämpfen, das Leben von Baumeister Gerhard reicht nicht aus, um das Werk zu vollenden.
Mit Baumeister Heinrich aus Straßburg und dem Steinmetzen Josef kommt die nächste Generation der Baumeister nach Freiburg. Doch der Weg zu einem fertigen Münster ist lang und steinig und auch im Leben der Erbauer des Münsters geht es drunter und drüber.
Mit dem Buch „Die Hexe von Freiburg“ von Astrid Fritz begann meine Liebe zu Historischen Romanen. Sie zeigte mir, dass Geschichte nicht nur Daten sind, sondern Geschichte überall und lebendig ist. Seit diesem Buch sah ich meine Heimatstadt Freiburg mit anderen Augen.
Ende des letzten Jahres entdeckte ich auf ihrer Homepage den Hinweis, dass im Mai 2020 ein neues Buch mit dem Titel „Der Turm aus Licht“ veröffentlicht wird. Ein Buch, welches in Freiburg angesiedelt ist und über den Bau des Münsters erzählt. Da waren meine Neugier und Vorfreude gleich geweckt – das Buch musste ich unbedingt lesen.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Rowohlt Verlag für die Zusendung des Buches als Rezensionsexemplar in Form eines eBooks.
Der Einstieg in das Buch fiel mir sehr leicht: Wenn ich Namen wie „Martinstor“ oder „Große Gas‘“ lese, habe ich gleich Bilder vor Augen, weiß, wo sich die Figuren aufhalten und wie es dort aussieht. Aber auch ohne die Ortskenntnisse, nimmt uns Astrid Fritz mit ihrer starken und atmosphärischen Sprache gleich mit in die Geschichte.
Am Anfang schreckte mich das sehr umfangreiche Namensregister etwas ab. So viele Namen, so viele Personen. Das Buch hat aber auch fast 800 Seiten, erstreckt sich über 60 Jahre, damit kommen eben auch viele Personen zusammen. Ich kann in meiner Rezension nur auf einen Bruchteil der Charaktere eingehen, da es hier ansonsten den Rahmen sprengen und auch viel von der Handlung vorweg nehmen würde.
Astrid Fritz beschreibt ihre Figuren nicht sehr ausgiebig, lässt diese eher in Situationen agieren, dadurch kann sich der Leser ein gutes Bild machen. Anfangs lernt man den Baumeister Gerhard, seine Frau und seine Truppe Steinmetze kennen. Wirkt dieser Baumeister am Anfang etwas griesgrämig und eher unzufrieden, wird er im Laufe der Handlung immer sympathischer und euphorischer. Auch seine Frau Odilia, die im Gegensatz zu Gerhard nicht historisch belegt ist, habe ich gleich ins Herz geschlossen. Sie ist ein herzensguter und ehrlicher Charakter.
Über das Baumeister-Paar lernt man dann immer mehr Charaktere kennen. Hier sind besonders der fiktive Kaufmann Ulrich Wohlleb, seine Frau Anna und der Sohn Anselm zu nennen. Ulrich Wohlleb sitzt im Neuen Rat (ein Rat, der im 13. Jahrhundert entstand und aus jährlich neu gewählten Bürgern bestand und damit den Alten Rat der auf Lebenszeit gewählten Patrizier ergänzte). Dieser Neue Rat unterstützte den Bau des Freiburger Münsters, war aber auch gegen die kostspielige Kriegstreiberei des Grafen Egino II., wodurch es zu großen Konflikten mit der Grafenfamilie kam.
Der Alltag auf der Burg unter der Herrschaft Egino wird vor allem an dem fiktiven Charakter Hannes Kirchbeck beschrieben. Als Junge wird er auf die Burg gebracht und fängt dort in der Burgbäckerei an. Er ist ein fleißiger Junge und arbeitet sich schnell hoch. Doch als er sein Herz an die junge Burgmagd Marie verliert, muss er lernen, was für Rechte sich die Grafen selbst nehmen. Hannes macht in diesem Buch eine sehr heftige Wandlung durch. Seine Tochter Thea entwickelt sich zu eine der Haupfiguren des zweiten Teils des Buches.
Ein Charakter, der mir sehr ans Herz gewachsen ist, ist der junge Stadthirte Jecklin. Ein zutiefst zerrissener Charakter, der mir mit seiner Geschichte sehr nahe gegangen ist, auch wenn diese nicht historisch belegt ist.
Auch die anderen Figuren in diesem Buch sind alle sehr lebensecht gezeichnet, historisch belegte und fiktive Figuren werden unter der Feder von Astrid Fritz lebendig. Aus Namen werden Figuren mit vielen Eigenheiten und Erlebnissen, jeder Charakter hat Ecken und Kanten. Es mangelt in diesem Buch nicht an starken Frauenfiguren, die in die Geschichte Wärme bringen, leider aber zu dieser Zeit nicht viel zu sagen hatten, was immer wieder deutlich klar wird.
Anhand einzelner, wenn auch teilweise fiktiven, Lebensgeschichten wird große Geschichte erzählt und damit greif- und erfahrbar.
Zur Handlung: Der Roman hat einen recht großen zeitlichen Handlungsraum, insgesamt 60 Jahre, ich konnte trotzdem gut folgen.
Allerdings störte mich, dass viele Ereignisse im Nachgang erzählt wurden – z.B. wurde der Tod einer wichtigen und sympathischen Figur in einem Absatz rückblickend erzählt. Leider ist das bei diesem Buch oft der Fall, was wahrscheinlich an dem Umfang der Ereignisse liegt. Ganz oft gibt es große Zeitsprünge zwischen den Kapiteln, teilweise über mehrere Jahre hinweg. Das störte mitunter meinen Lesefluss und auch die Atmosphäre in dem Buch.
Den geschichtlichen Hintergrund bildet Freiburg im Breisgau des 13. und 14. Jahrhundert. Man merkt, wie sehr und intensiv Astrid Fritz recherchiert hat, aber auch, wie sehr sie sich in in Freiburg und mit der Geschichte dieser Stadt auskennt.
Der Bau des Freiburger Münsters erstreckte sich über 350 Jahre – das Buch deckt davon gerade einmal 60 Jahre ab. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es den Bau und die Architektur des Münsters dem Leser so viel näher bringt. Mit welch einfachen Mitteln und Elan die Menschen damals etwas für die Ewigkeit geschaffen haben, welche Menschen hinter diesem fantastischen Bau standen.
„Der Turm wird sich weit, weit höher in den Himmel recken, als ursprünglich gedacht. Dabei verwandelt sich der Unterbau scheinbar wie von selbst in ein Achteck, und das in aller Zierlichkeit und Leichtigkeit. Dieses Achteck wiederum geht über in einen Turmhelm, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat, einen durchbrochenen Helm aus nichts als himmelwärts strebende Rippen und Maßwerk, von Licht und Luft durchwirkt.“ [Seite 371, Zeilen 22-29]
Der Konflikt und die Spaltung zwischen dem Grafen Egino II. mit der Freiburger Bevölkerung ist verständlich erklärt und fließt gut in die Handlung der Geschichte ein. Dadurch das der Bau des Münsters allein durch Spenden der Bevölkerung bewerkstelligt wurde, nimmt das Freiburger eine besondere Stellung unter den Kathedralen in Europa ein.
Seit dem Erscheinen von „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett gibt es viele Bücher, die sich mit dem Bau von Kathedralen beschäftigen. „Der Turm aus Licht“ ist aber kein Abklatsch dieses Buches, auch wenn es in beiden Büchern um den Bau einer Kathedrale geht.
Doch auch wenn das Münster im Mittelpunkt der Handlung steht, erfährt man auch einiges aus der Geschichte der Stadt und der Region.
Das Buch „Der Turm aus Licht“ bietet einen guten und authentischen Einblick in einen wichtigen Teil der Freiburger Stadtgeschichte. Auch wenn vieles rückblickend erzählt wurde, was sehr schade ist, fühlte ich mich mit dem Buch bestens unterhalten. Die Vielzahl der lebensechten Charaktere machten das Buch zu einem großen Lesevergnügen.
Fazit: Ein großes Lesevergnügen. Spannende Unterhaltung mit vielen Charakteren und einem guten Einblick in die Geschichte und Architektur des Freiburger Münsters.
Bemerkung: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt Verlag als Rezensionsexempar in Form des eBooks zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.