„Josephine Baker und der Tanz des Lebens“

von Juliana Weinberg

Erschienen am 29. März 2021 im Ullstein-Verlag
ISBN: 978-3548064987
https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/josephine-baker-und-der-tanz-des-lebens-ikonen-ihrer-zeit-3-9783843724906.html

Hinweise:
– Das Buch habe ich freundlicherweise von der Autorin als kostenloses Rezensionsexemplar (eBook) zur Verfügung gestellt bekommen . Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder.
– Die Zitate beziehen sich auf das eBook (deshalb ohne Seiten- und Zeilenangabe).

Das Buch „Josephine Baker und der Tanz des Lebens“ von Juliana Weinberg erzählt die Lebensgeschichte der berühmten Sängerin und Tänzerin Josephine Baker (1906 – 1975), die ein aufregendes Leben zwischen weltweiter Ikone und Segregation führte.

Coverrechte: Ullstein-Verlag

Der Prolog des Buches setzt im Jahr 1917 in der Stadt East St. Louis an: Hier lernen wir die elfjährige Josephine kennen, die mit ihren drei Geschwistern, ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in einem sogenannten ‚Schwarzenviertel‘ der Stadt lebt. Das Leben ist hart und entbehrungsreich. In einer Nacht wird das Viertel überfallen, die Häuser in Brand gesetzt und ein Großteil der afroamerikanischen Bevölkerung von weißen Arbeitern getötet. Josephine und ihre Familie überleben, die Bilder dieser Nacht werden sie aber ihr Leben lang verfolgen.
Der erste Teil des Buches setzt im Jahr 1925 an: Josephine ist inzwischen 19 und arbeitet in einem Club in New York als Hintergrund-Tänzerin. Sie träumt von einer großen Bühnenkarriere und diese scheint zum Greifen nah, als die Pariserin Caroline Regen sie entdeckt und sie für ein „Revue Nègre“ (schwarzes Revue) mit nach Paris nimmt.
Doch die Welt steht vor einer großen Katastrophe: Der Zweite Weltkrieg bricht aus und dringt auch in das Leben von Josephine.

Ende des letzten Jahres habe ich das Buch „Audrey Hepburn und der Glanz der Sterne“ von Juliana Weinberg gelesen und war von dieser Geschichte und dem lebendigen Sprachstil total begeistert. Als mich die Autorin fragte, ob ich ihr neues Buch vorab lesen möchte, musste ich nicht lange überlegen, da dieses Buch auf meiner „Unbedingt-Lesen-Liste“ stand.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an die Autorin Juliana Weinberg für die Zusendung des eBooks.

Bereits als kleines Mädchen, als sie in Großmutters alten Roben und Hüten für die Nachbarschaft aufgetreten war, wusste sie, dass dies ihr vorgezeichneter Weg war. Sie war geboren, um zu tanzen.“
[Teil 1, Kapitel 1]

Der Name Josephine Baker war mir schon länger ein Begriff, aber so richtig auseinandergesetzt hatte ich mich mit ihr bisher nicht.
Dank dieses Buches konnte ich nun völlig in dieses spannende Leben abtauchen.
Josephine ist eine Frau, die genau weiß, was sie will. Für sie ist klar, dass sie auf die Bühne gehört. Sie lässt Freunde, Familie und ihre Heimat zurück, um sich diesen Traum zu erfüllen. Selbst den Umzug auf einen anderen Kontinent scheut sie nicht.
Sie ist ein exzentrischer Mensch, die ihre Ziele nie aus den Augen verliert, dabei aber ihre Wurzeln und ihre Familie nie vergisst.
Sie arbeitet sich von ganz unten nach ganz oben. Halt in ihrem mittlerweile chaotischen Leben geben ihr ihre Tiere, ihre Garderobe gleicht einem Zoo.

»Und des halb sind Tiere mir so wichtig. Sie sind liebevolle und dankbare Geschöpfe. Ihnen ist es egal, wie ich aussehe. Tiere machen keine Unterschiede zwischen den Menschen.«“
[Teil 1, Kapitel 3]

Im Zweiten Weltkrieg ermutigt sie in Nordafrika französische Soldaten, welches ihr die Auszeichnung mit dem „Lothringer Kreuz“ (ein Symbol des freien Frankreichs) einbringt.
Einen Kampf trägt Josephine aber ihr komplettes Leben aus: Der Kampf gegen Rassismus. Als dunkelhäutige Frau hat sie es, vor allem in den USA, immer wieder schwer. Sie darf dort nicht in Hotels einchecken, die Weißen vorbehalten sind. Da hilft auch ihre Berühmtheit nicht weiter. Neben Martin Luther King ist sie eine der tragenden Rollen auf dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung im August 1963.

»Auf jeden Fall muss sich etwas ändern – warum sollen dunkelhäutige Menschen schlechter angesehen sein, als weiße? Wieso wird uns, zumindest in den USA, der Zutritt zu Cafés und Restaurants und zu den meisten Berufen verwehrt? Sind wir nicht alle gleich, gehören wir nicht alle zur gleichen Familie – dem Menschengeschlecht?«“
[Teil 1, Kapitel 9]

Juliana Weinberg beschreibt Josephines Leben detailliert, aber ohne Langweile aufkommen zu lassen. Ich konnte völlig in dieses spannende und ereignisreiche Leben abtauchen und habe eine Menge Neues gelernt. Josephine ist mit richtig ans Herz gewachsen: Was für eine tolle, bewundernswerte Frau. Eine wahre Wunderfrau, auch wenn sie manches Mal egoistisch handelt und sich schlecht auf die Gefühle anderer Menschen einstellen kann.
Es gibt in diesem Buch noch einige Figuren, die um und neben Josephine agieren. Sie sind alle wunderbar und lebensecht beschrieben, haben Ecken und Kanten und leben in ihr Leben in ihrer Zeit. Alle zusammen geben ein tolles Gesellschaftsbild dieser Zeit ab. Ich möchte in dieser Rezension aber nicht zu sehr auf einzelne Personen eingehen, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme.

Die bildhafte und lebendige Sprache von Juliana Weinberg hat mich von der ersten Seite an gleich in die Geschichte mitgenommen. Auf keiner Seite kam Langeweile auf, die Geschichte rund um Josephine Baker geht immer weiter und trägt den Leser durch viele spannende und ereignisreiche Zeiten.
Leider endet das Buch ziemlich plötzlich, es wäre noch einiges spannendes aus Josephines Leben zu erzählen gewesen. Aber das hätte wahrscheinlich den Umfang des Romans gesprengt und somit finden sich diese Ereignisse im ausführlichen Nachwort der Autorin wieder.

Das große Thema dieses Buch ist der Lebensweg der berühmten Josephine Baker. Anhand ihres Lebens wird das Thema „Segregation“ (Rassentrennung) in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt und der Kampf dagegen. Unvorstellbar, dass eine der berühmtesten Sängerinnen Frankreichs in den USA Hotels nicht betreten durfte, weil sich sonst andere Gäste gestört hätten fühlen können und die Hotel um ihre Lizenz bangen mussten. Oder sie einfach in Clubs nicht bedient wurde. Das Thema hat mich schon immer fassungslos gemacht. Und leider ist Rassismus ein Thema, welches uns bis heute begleitet.

Fazit: Das Buch ist ein absolutes Highlight. Die Lebensgeschichte der Josephine Baker machte mich an einigen Stellen fassungslos, an anderen Stellen einfach glücklich, Eine tolle, einzigartige und starke Frau. Juliana Weinberg hat diese Lebensgeschichte wunderbar und lebhaft beschrieben. Unbedingt lesen!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise als kostenloses Rezensionsexemplar von der Autorin erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen – meine Meinung wurde nicht beeinflusst.

„Das Grand Hotel – Die mit dem Feuer spielen“

von Caren Benedikt

Erschienen am 15. März 2021 im Blanvalet-Verlag
ISBN: 978-3764507084
https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Das-Grand-Hotel-Die-mit-dem-Feuer-spielen/Caren-Benedikt/Blanvalet/e554884.rhd

Hinweise:
– Dies ist der zweite Teil einer Reihe, von daher bitte diese Rezension nicht lesen, wenn ihr den ersten Teil „Das Grand Hotel – Die nach den Sternen greifen“ noch nicht kennt und lesen möchtet, da diese Rezension Spoiler enthält.

– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier.
– Das Buch habe ich als kostenloses Rezensionsexemplar vom Blanvalet-Verlag über das Bloggerportal.de erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen. Diese Rezension spiegelt mein persönliches Lese-Empfinden wieder.
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die Seiten- und Zeilenzahl der gedruckten Ausgabe.

Das Buch „Das Grand Hotel – Die mit dem Feuer spielen ist der zweite Teil einer Reihe, die in Binz und Berlin in den 1920er Jahren angesiedelt ist und über die fiktive Hoteliers-Familie von Plesow und ihre Geheimnisse erzählt.

Coverrechte: Blanvalet-Verlag

Das Buch beginnt mit einem Brief von Karl von Plesow aus dem Jahre 1912. Er beichtet hier seiner Frau Bernadette ein großes Geheimnis, welches auf keinen Fall aufgedeckt werden darf.
Dreizehn Jahre später, im Mai 1925, steht Bernadette vor drei Gräbern: Das ihres Ehemannes Karl und die ihrer Söhne Maximilian und Alexander. Neun Monate sind seit dem plötzlichen Tod von Alexander vergangen und Bernadette kann sich nicht verzeihen, dass sie damals im Streit mit ihm auseinander gegangen ist.
Bernadette führt das Grand Hotel in Binz weiterhin mit ruhiger und strenger Hand, auch wenn der Verlust und die Trauer tiefe Spuren hinterlassen haben.
Da steht plötzlich ihre Tochter Josephine vor der Tür und möchte mit ihr zusammen im Hotel arbeiten. Ihre Schwiegertochter Margrit macht ihr das Leben nicht leicht und als dann auch noch der ihr unbekannte Johannes Blumberg im Hotel eincheckt, wird Bernadettes Leben komplett auf den Kopf gestellt.
Ihr Sohn Constantin in Berlin, der sich ein Leben zwischen Macht und organisierter Kriminalität aufgebaut hat, sucht die Versöhnung mit seiner Mutter Bernadette.
Doch eine Gefahr schwebt immer über der Familie: Die Aufdeckung eines großen Geheimnisses, welches das Leben der Familie von Plesow zum Einstürzen bringen könnte.

Vor etwa einem Jahr habe ich den ersten Teil dieser Buchreihe gelesen und mir war nach Beendigung des ersten Teiles klar, dass ich auch den zweiten Teil unbedingt lesen muss. Diese Mischung aus Geheimnissen, Intrigen, Insel-Feeling, Großstadt-Flair und jeder Menge Geschichte machen diese Reihe besonders und versprechen eine ausgezeichnete Unterhaltung.
Das Buch habe ich freundlicherweise vom Blanvalet-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar erhalten – an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.

«Ich meine es ernst Bernadette. Auf den ersten Blick wirkst du so unnahbar, ja fast schon kalt. Doch in Wahrheit liegt in jeder deiner Entscheidungen mehr Mitgefühl und Verständnis, als ich je bei einem Menschen erlebt habe.«“
[S. 200, Z. 11 -14]

Bernadette ist eine der Hauptfiguren in diesem Buch und ich bin von diesem kantigen Charakter absolut begeistert. Im ersten Teil wirkt Bernadette einfach nur streng und kalt – in diesem Teil hat sie sich authentisch weiterentwickelt, wirkt nicht mehr ganz so kühl. Sie bleibt sich aber selbst treu und steht zu ihren Prinzipien, ist aber trotzdem von tiefer Trauer gezeichnet. Gefühle offen zu zeigen, vor allem in der Öffentlichkeit, fällt ihr noch immer sehr schwer, aber immerhin kann sie sich im privaten Umfeld ihren Kindern und Johannes Blumberg öffnen. Der plötzliche Tod von Alexander gibt ihr immer wieder zu denken und sie kann sich nicht verzeihen, dass sie im Streit auseinander gegangen sind. Auch wenn Bernadette nach außen hin noch immer die große Dame von Binz ist und eine harte Schale nach außen trägt, so ist sie im inneren doch eine sensible und feinfühlige Person, die große Schicksalsschläge verkraften muss.
Wie schon im ersten Teil spielen ihre Kinder Josephine und Constantin eine große Rolle: Josephine hat auch eine große Wandlung durchgemacht, sie ist erwachsen geworden, möchte nun etwas aus ihrem Leben machen. Constantin, der noch immer die Berliner Unterwelt regiert, möchte sich mit seiner Mutter aussprechen und gesteht sich damit auch Fehler ein. Die beiden haben sich, wie ihre Mutter Bernadette, auch authentisch weiterentwickelt, was mir sehr gefallen hat.
Johannes Blumberg ist eine Figur, die ich nie vergessen werde. Er hat eine ganz besondere Geschichte, die unter die Haut geht und einen feinen Charakter, den man so schnell nicht mehr vergisst.
Margrit, Bernadettes Schwiegertochter ist eine sehr schwierige, durchtriebene und falsche Person. Während des Lesens habe ich einen regelrechten Hass auf sie entwickelt.
Alle Figuren in diesem Buch sind authentisch und lebensecht gezeichnet, sie haben Ecken und Kanten, machen Fehler und leben ihr Leben in einer aufregenden Zeit. Sie sind mir sehr ans Herz gewachsen und ich bin sehr gespannt, wie es mit ihnen im dritten Teil weitergeht.

Ich hatte anfangs etwas Bedenken, ob ich wieder in die Geschichte rein finde, da seit dem Lesen des ersten Teil schon fast ein Jahr vergangen war und ich in der Zwischenzeit viele Bücher gelesen habe, die in dieser Epoche spielen. Diese Bedenken waren aber schnell vom Tisch – ich war sofort wieder in der Geschichte angekommen und konnte den Charakteren und den Ereignissen gut folgen.
Die flotte und bildhafte Sprache von Caren Benedikt ließen mich in vergangene Zeiten abtauchen und diese lebendig werden. Sie beschreibt detailliert, aber trotzdem mit hohen Tempo, auf keiner Seite kam Langeweile auf. Teilweise konnte und wollte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Caren Benedikt hat hervorragend den geschichtlichen Hintergrund recherchiert und ihre Geschichte gekonnt hineingesetzt. Nachgespürt hat die Autorin auch dem Aufbau und der Organisation der Unterwelt und reist den Leser/ die Leserin mit in diesen Strudel aus Intrigen und Gewalt.

Die Ausstattung des Buches ist, wie beim ersten Teil auch, wieder eine sehr hochwertige Klappbroschur. Das Cover passt wunderbar zum ersten Teil und sie sehen wunderschön zusammen im Regal aus.

Jetzt freue ich mich sehr auf den dritten Teil, der im Frühjahr 2022 erscheinen soll und bin schon sehr gespannt, wie es mit der Familie von Plesow weitergeht.

Fazit: Eine spannende und bildgewaltige Fortsetzung. Ein Buch, welches man unbedingt zu Ende lesen möchte, aber nicht möchte, dass es endet. Das Buch, und damit auch die Reihe, bekommt eine absolute Lese-Empfehlung!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise als kostenloses Rezensionsexemplar vom Blanvalet-Verlag über das Bloggerportal.de erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen – meine Meinung wurde nicht beeinflusst.

„Glückskinder“

von Teresa Simon

Erschienen am 08.Februar 2021 im Heyne-Verlag
ISBN: 978-3-453-42406-7
https://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Glueckskinder/Teresa-Simon/Heyne/e564766.rhd

Hinweise:
– Das Buch habe ich als kostenloses Rezensionsexemplar vom Heyne-Verlag erhalten. Ich habe für diese Rezension keinerlei finanzielle Gegenleistungen seitens des Verlages oder der Autorin bekommen. Diese Rezension spiegelt mein persönliches Lese-Empfinden wieder.
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die Seitenzahn der gedruckten Ausgabe

Das Buch „Glückskinder“ von Teresa Simon erzählt die Geschichte zweier Frauen, die in München nach Ende des Zweiten Weltkriegs zwischen Trümmern und großen Entbehrungen einen Neuanfang suchen.

Coverrechte: Heyne-Verlag

Der Prolog des Buches setzt in Haarlem (Niederlande) im Oktober 1942 an: Eine junge Frau, sie ist Jüdin, muss sich auf dem Dachboden vor den Nazis verstecken. Eine Frau, deren Namen sie nicht kennt, bietet ihr Schutz – doch diese Frau ist kurze Zeit später tot.
Zweieinhalb Jahre später, im April 1945, befindet sich die junge Frau mit dem Namen Griet auf einem Gewaltmarsch vom KZ Giesing in Richtung Wolfratshausen. Sie hat eine schreckliche Zeit hinter sich und ist am Ende ihrer Kräfte. Kurz darauf ist der Krieg zu Ende, Griet und die anderen Frauen werden von Angehörigen der US-Armee befreit. Griets Weg führt sie nach München. Doch große Teile dieser einst prächtigen Stadt liegen in Trümmern.
Währenddessen in München: Hier wohnt die junge Antonia, von allen Toni genannt, mit ihrer Schwester, Mutter, Tante und Cousin bei ihrer Großtante Vev. Die Wohnverhältnisse sind beengt, das Essen ist rar. Tonis Mutter bangt zudem um ihren Mann und ihren Sohn, die irgendwo im Krieg sind.
Als die US-Armee München befreit, dauert es nicht lange, bis die Wohnverhältnisse in der Wohnung noch beengter werden. Eine junge Frau wird bei ihnen einquartiert, Toni und ihre Familie sind voller Vorurteile. Aber auch die junge Frau kann und will ihren eigenwilligen Vermietern nicht trauen.

Teresa Simon ist das Pseudonym der erfolgreichen Autorin Brigitte Riebe. Ich lese, egal ob unter dem Namen Teresa Simon oder Brigitte Riebe, die Bücher der Autorin sehr gerne. Sie packt Geschichte in so wunderbare Romane und erschafft immer wieder wunderbare Figuren, die man so schnell nicht vergisst.
Bisher habe ich alle Bücher unter dem Namen Teresa Simon gelesen, daher wollte ich auch das neue Buch „Glückskinder“ unbedingt lesen.
An dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön an den Heyne-Verlag, die mir das Buch als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben.
Dies ist das erste Buch von Teresa Simon, welches nicht auf zwei Zeitebenen spielt, sondern nur in der Vergangenheit. Anfangs war ich etwas skeptisch, ob mich das Buch genau so begeistern kann, wie die vorherigen Bücher. Ich liebe es sehr, wenn Vergangenheit und Gegenwart in Büchern aufeinandertreffen. Die Skepsis war aber schnell verflogen und ich kam direkt in der Geschichte an.

Griet, eine der Hauptfiguren in „Glückskinder“ ist ein zutiefst verletzter Charakter. Sie verbrachte Monate in Konzentrationslagern, wurde gedemütigt und nicht mehr als Mensch gesehen. All ihre Träume und Wünsche sind nicht mehr.

[…] ‚Wo waren ihre Hoffnungen und Träume? Wo war das Leben, das sie sich als Kind in den schönsten Farben ausgemalt hatte?‘ […]
(Seite 101, Zeilen 12-1)

Doch Griet gibt nicht auf. Auch wenn sie ein großes Geheimnis in sich trägt, kämpft sie sich durch, immer auf der Suche nach sich selbst, einem Neuanfang und ihrem persönlichen Glück. Sie ist in einem Land, deren Bewohner eigentlich ihre Feinde sind, die ihr alles genommen haben. Sie hegt gegen die Deutschen einen tiefen Groll, möchte das Land aber trotz allem erst mal nicht verlassen. Griet empfand ich einen sehr interessanten Charakter, da sie zwar schreckliches erlebt hat, ein großes Geheimnis mit sich führt, sich aber nie aufgibt.

Toni Brandl, ebenfalls eine junge Frau, ist Münchnerin mit Leib und Seele. Hier ist sie aufgewachsen, hat aber auch die Zerstörung ihrer geliebten Stadt miterlebt. Sie richtet sich ihr Leben zwischen Trümmern und Nahrungsmittelknappheit und dem erblühenden Schwarzmarkt ein. Ihr Beruf bei einem Verlag und ihre Familie geben ihr Halt und Zuversicht, auch wenn es in der Wohnung ihrer Großtante Vev sehr beengt ist. Doch als nach Ende des Krieges die junge Griet bei ihnen einquartiert wird, weiß Toni nicht recht, wie sie mit der jungen Frau umgehen soll. Sie und ihre Familie sind zersetzt von Vorurteilen gegenüber Griet. Dabei sind Toni und Griet, die grundverschieden sind, sich ähnlicher als sie sich anfangs zugestehen möchten.

[…] ‚ „Ihr Deutsche beklagt euch über kalte Wohnungen und zu wenig Essen. Was sollen erst die sagen, die ihr in euren KZs gequält und ermordet habt?“ Er räusperte sich. „Vergangenes kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Aber starten Sie wenigstens mit dem Ansatz einer Wiedergutmachung – hier in dieser Wohnung.“ ‚ […]
(S. 241, Z. 28- 30, S. 242 Z. 1-4)

Auch Toni hat mich mit ihrer Charaktertiefe sehr überzeugt, sie ist eine wahre Kämpferin, die ihre Träume und Ziele verfolgt und sich nicht unterkriegen lässt.
Neben Griet und Toni gibt es noch viele Figuren, die eine große Rolle in diesem Buch spielen:
Captain Walker, ein Angehöriger der US-Armee und ein herzensguter Charakter, der immer zur Stelle ist, wenn Hilfe benötigt wird.
Die Familie Brandl, mit Großtante Vev als Familienoberhaupt, Tonis Mutter Rosa, Bibi, Tonis jüngerer Schwester, Tante Annemie Lochner nebst Sohn Benno. Ein bunter Haufen Menschen, die notgedrungen zusammen leben und überleben müssen. Hierbei habe ich Großtante Vev ganz besonders ins Herz geschlossen. Sie ist noch immer respekteinflößend aber trotz Krieg und Zerstörung eine Dame geblieben. Sie ist der Fels in der Brandung für die Menschen um sie herum.
Jede Figur ist lebensecht und authentisch gezeichnet, sie haben alle ihre Eigenheiten und leben ihr Leben in einer schweren und entbehrungsreichen Zeit. Sie machen teilweise große Entwicklungen durch und verändern ihre Sicht- und Denkweisen. Man leidet mit den Figuren mit und sie kommen dem Leser mit ihren Geschichten sehr nah. Und eines treibt alle an: Die Hoffnung auf einen Neuanfang.
Tonis Freund Louis ist ein Charakter, der mir sehr viele Rätsel aufgab und durch das gesamte Buch hindurch schwer zu durchschauen ist. Er hat zudem etwas Geheimnisvolles an sich. Seine persönliche Geschichte ist aber auch äußerst spannend und tragisch, was ihm eine tiefe Charakterzeichnung gibt.
Es spielen noch einige Figuren mehr mit, auf die ich aber nicht näher eingehen möchte, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme.

Die Sprache von Teresa Simon ist, wie auch in den vorherigen Büchern, lebendig und äußerst bildhaft. Sie konnte mich mit den Beschreibungen des zerbombten Münchens und dem Aufbau des Schwarzmarkts in die Handlung mitnehmen. Ich nahm das Buch immer wieder gerne in die Hand und konnte es dann nur schwer wieder zur Seite legen. Von der ersten Seite hat mich das Buch begeistert und ich wurde in die Zeit kurz vor Ende und nach Ende des Zweiten Weltkrieges gezogen.

Der geschichtliche Hintergrund bildet das Ende des Zeiten Weltkrieges mit dem Schwerpunkt München. Gut die Hälfte des Wohnungsbestandes dieser Stadt war vernichtet, die Nahrungsmittel knapp. Doch das Leben musste weitergehen und so entstand der Schwarzmarkt in der Münchener Möhlenstraße. Hier war alles Nötige zu bekommen war, teilweise auch im Tausch gegen andere Güter. Ich fand es sehr spannend zu erfahren, wie dieser Schwarzmarkt damals entstand und wie dort und mit was gehandelt wurde. Er war zwar illegal, wurde aber geduldet und sorgte für einen Großteil der Versorgung der Bevölkerung.
Grausam waren die Beschreibungen, wie es den Menschen in KZs erging und wie sie behandelt wurden. Sie wurden nicht mehr als Menschen gesehen.

Fazit: Das Buch „Glückskinder“ ist ein Buch, welches sehr authentisch die Nachkriegszeit beschreibt. Durch facettenreiche und lebensechte Charaktere bringt uns Teresa Simon die Nachkriegszeit näher und beschreibt sie eindrücklich. Es ist eine Geschichte die zeigt, wie wichtig es ist, Vorurteile zu überwinden und seine Träume und Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Unbedingt lesen!

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Heyne-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.


„Grandhotel Odessa – Die Stadt im Himmel“

von Charlotte Roth

Erschienen am 12. Januar 2021 im Droemer-Verlag
ISBN: 978-3426308028
https://www.droemer-knaur.de/buch/charlotte-roth-grandhotel-odessa-die-stadt-im-himmel-9783426308028

Das Buch „Grandhotel Odessa – Die Stadt im Himmel“ von Charlotte Roth ist der erste Teil einer zweibändigen Reihe um ein luxuriöses Hotel in der Stadt Odessa am Schwarzen Meer zwischen 1886 und 1918.

Coverrechte: Droemer-Verlag

Oda Liebenthal wächst im Grandhotel Odessa auf – ein Hotel, welches ihr Vater allen Widrigkeiten zum Trotz gegründet hat.
Als kleines Kind lernt Oda durch ihren Vater die gleichaltrige Belle aus Berlin kennen, die Patentochter ihres Vaters. Den beiden so unterschiedlichen Kindern wird eine Freundschaft geradezu aufgenötigt, diese Freundschaft entwickelt sich über die Jahre dann aber doch noch zu einer Art der Verbundenheit. Odas Vater schätzt Belle sehr, erfüllt ihr alle Wünsche. Seine eigene Tochter Oda scheint für ihn, neben der wunderschönen Belle, wie unsichtbar zu sein. In Oda erwächst das Gefühl, dass ihr Vater Belle viel lieber hat.
Auch an Odas 21. Geburtstag, der im Grandhotel Odessa gefeiert wird, ist Belle mit von der Partie. Oda möchte diesen Tag aber anders nutzen, als alle anderen vermuten: Sie möchte mit ihrer heimlichen Liebe Karel, einem gefeierten Balletttänzer, durchbrennen. Alles ist penibel durchgeplant, Oda möchte endlich ihrem lieblosen Vater, der die Liebe seiner Tochter als nicht standesgemäß erachtet, entfliehen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Doch es kommt anders als geplant: Karel erscheint nicht am vereinbarten Treffpunkt. Enttäuscht und verletzt stürzt sie sich in die Arbeit, um jedem Gast einen unvergesslichen Aufenthalt im Grandhotel Odessa zu ermöglichen.

Ich mag die Bücher von Charlotte Roth sehr gerne und ich warte immer gespannt auf ihre Neuerscheinungen. Charlotte Roth entführt mich mit ihrer intensiven Sprache und starken Charakteren immer wieder in vergangene Zeiten und lehrt mich sehr oft Neues.
Als die Autorin Mitte des Jahres 2020 ihr neues Buchprojekt vorstellte, war mein Interesse gleich geweckt – zum einen wegen des wunderschönen Covers, aber auch wegen des Klappentextes. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg interessiert mich sehr, hier kommt noch ein eher ungewöhnlicher Handlungsort hinzu. Davor hatte ich noch nie etwas über die Stadt Odessa gelesen.
Das Buch habe ich mir direkt am Erscheinungstag gekauft und ein paar Tage später mit der Lektüre begonnen.

Das Buch hat eine Vielzahl von Charakteren, die aber alle facettenreich und liebevoll beschrieben sind. Sie alle haben ihre Eigenheiten und Eigenschaften, gute Seiten, aber auch Schattenseiten.
Oda, die Hauptfigur dieses Werkes, ist ein Charakter, der mir sehr in Erinnerung bleiben wird. Von Anfang an wird klar, dass sie sich von ihrem Vater ungeliebt und zurückgesetzt fühlt. Sie tut sich schwer damit, sich selbst zu mögen, hat Komplexe und vergleicht sich oft mit, der in ihren Augen perfekten, Belle. Doch ihr Herz möchte lieben und so läuft sie direkt in die Arme des begehrten Junggesellen Karel. Er gibt ihr ein Stück Selbstbewusstsein und Stärke zurück. Vom Personal des Grandhotel Odessa, aber auch von vielen Gästen erhält Oda Anerkennung, die sich aber hart erarbeiten muss. Das alles kann die Übergehung von Seiten ihres Vaters nicht ungeschehen machen. Oda möchte in ihrem Leben Eines erreichen: Sie möchte auf der selben Stufe mit ihrem Vater stehen und das Hotel übernehmen.
Belle, ein verträumter Charakter, ist, nicht nur äußerlich, das komplette Gegenteil zu Oda: Ihr scheint im Leben alles zuzufliegen, von allen Seiten bekommt sie Liebe entgegen. Sie bekommt alles im Leben, was sie sich wünscht, ohne dabei etwas zu tun. Aber wer hoch fliegt, kann auch sehr tief fallen.
Philipp Liebenthal, Odas Vater, ist ein Charakter, der es dem Leser/ der Leserin von Anfang an schwer macht, ihn sympathisch zu finden. Es wird schnell klar, dass er für sein Hotel alles Mögliche getan hat, sich allen Widrigkeiten widersetzt hat und ein Kämpfer ist. Sein Umgang mit Oda und auch anderen Menschen, ist aber eher abstoßend und teilweise schwer zu ertragen. Im Laufe der Geschichte, die auch in seine Jugend zurückführt, wird aber auch einiges klar und sein Verhalten nachvollziehbarer.
Es gibt neben diesen Hauptfiguren noch eine Vielzahl an Charakteren, die mich alle mit ihren Lebensgeschichten und ihrer tiefen Charakterzeichnung überzeugt haben. Da wäre zum Beispiel der Balletttänzer Karel zu nennen. Er scheint in seinem Leben angekommen zu sein, ist aber eigentlich eine gequälte Seele. Er traut sich nicht, Wahrheiten auszusprechen, wird von vielen nicht für voll genommen und scheitert dann an seinen Entscheidungen.
Die russische Fürstin Lidija Petrowna, die für Oda eine enge Vertraute wird, findet ihren Platz in der Geschichte und spricht vieles direkt aus, was andere sich nicht trauen. Ein Charakter, den man einfach gerne haben muss.
Eine andere Figur, die am Rande mitspielt, aber trotzdem wichtig ist die Kaltmamsell Katjuša. Sie wird mir mit ihrem Schicksal in Erinnerung bleiben.
Viele Charaktere erscheinen erst wenig, ihre Geschichte wird dann aber rückblickend wichtig und unentbehrlich für weiteren Verlauf der Geschichte. Sie alle agieren lebensecht und fügen sich perfekt in die Geschichte ein.

Die Handlung findet größtenteils in der Stadt Odessa statt. Aber auch Berlin und Rom sind wichtige Handlungsorte. Später im Buch wird auch von der Kriegsfront berichtet.
Das Buch beginnt 1893 in Odessa, springt dann vor in das Jahr 1910 und von da zurück in das Jahr 1886. Diese Erzählstränge werden nach und nach gekonnt miteinander verflochten. Viele Fragen werden mit Begebenheiten aus der Vergangenheit beantwortet und damit einiges klarer, was der Leser vorher nicht zuordnen konnte.
Charlotte Roth hat sich der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges angenommen und erzählt über eine Zeit, die mit dem Ersten Weltkrieg untergegangen und nie wieder zurückgekehrt ist. Eine Epoche, in der alles möglich war und der Luxus in vollen Zügen genossen werden konnte.
Den Alltag eines Luxushotels zu dieser Zeit hat Charlotte Roth perfekt recherchiert und sie nimmt uns mit in dieses Hotel. Für eine kurze Zeit wurde dieses Hotel auch mein Zuhause.
Die Siedlungen rund um Odessa waren Siedlungen der sogenannten ‚Schwarzmeerdeutschen‘. Odas Familie stammt aus einer dieser Familien, die das Bild Odessas prägten.

Ab der ersten Seite konnte mich Charlotte Roth mit in ihre Geschichte nehmen. Ihre intensive und bildhafte Sprache ließen den Handlungsort, die wunderbare Stadt Odessa und das Luxushotel, vor meinen Augen lebendig werden.
Ich konnte das Buch teilweise sehr schwer aus der Hand legen, da gerade zum Ende hin, alle Fäden zusammenlaufen.
Und: Ich habe ein weiteres Reiseziel gefunden: Irgendwann möchte ich auch mal nach Odessa reisen. Irgendwann…

Fazit: Ein opulentes Buch, welches mich sehr gut unterhalten hat. Starke und facettenreiche Charaktere, ein perfekt recherchierter geschichtlicher Hintergrund und eine intensive und bildhafte Sprache machen dieses Buch zu einem wahres Erlebnis. Absolut lesenswert!

Hinweis: Das Buch habe ich mir selbst gekauft. Es gab für diese Rezension keine Gegenleistung des Verlages oder der Autorin.

„Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals“

von Maria Nikolai

Erschienen am 12. Oktober 2020 im Penguin-Verlag
ISBN: 978-3-328-10407-0
https://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Die-Schokoladenvilla-Zeit-des-Schicksals/Maria-Nikolai/Penguin/e544571.rhd

Hinweise:
– Bitte lest diese Rezension nicht, wenn ihr die ersten beiden Teile der Reihe noch nicht gelesen habt, es besteht sonst Spoiler-Gefahr!
– Meine Rezensionen zu den ersten beiden Teilen findet ihr hier:
„Die Schokoladenvilla“
„Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre“

– Alle angegebenen Zitate beziehen sich auf die Seitenzahl der gedruckten Ausgabe
– Das Buch habe ich freundlicherweise vom Penguin-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar erhalten, dies hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

Das Buch „Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals“ von Maria Nikolai ist der dritte Teil um die Familie Rothmann/ Rheinberger, die in Stuttgart während der 1930er Jahre um ihre Schokoladenfabrik kämpfen muss.

Coverrechte: Penguin-Verlag

Anfang Juni 1936: Viktoria, die Tochter von Judith und Victor, weilt in Frankreich. Dort ist sie eine gefragte Chocolatière und sie geht völlig in ihrer Arbeit auf. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters Victor, erreicht sie aus ihrer Heimatstadt Stuttgart einen Hilferuf ihrer Mutter Judith. Victoria macht sich auf den Weg, um ihrer Mutter beizustehen und zusammen mit ihr die Schokoladenfabrik Rothmann zu führen. Doch das neue Regime in Deutschland duldet das ‚Mutter-Tochter-Gespann‘ absolut nicht an der Spitze eines Unternehmens. Der Familie droht der Verlust ihres Lebenswerkes.
Da taucht plötzlich der Amerikaner Andrew Miller auf. Er zeigt der Familie einen Ausweg aus ihrer Misere und bringt das komplette Leben, vor allem von Victoria, gehörig durcheinander.
Währenddessen befürchtet Judith, dass ein lang gehütetes Familiengeheimnis ans Licht kommen könnte und damit alles Dagewesene in Frage stellt.


Vor zwei habe ich den ersten Teil „Die Schokoladenvilla“ von Maria Nikolai gelesen. Vor einem Jahr dann den zweiten Teil „Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre“. Ich freute mich schon seit einiger Zeit auf den dritten Teil, da ich unbedingt wissen wollte, wie es mit der Familie Rothmann/ Rheinberger weitergeht. Endlich konnte ich das Buch in den Händen halten.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Penguin-Verlag, für die Zusendung des Buches als Rezensionsexemplar.

Seit dem ersten Teil sind mir die Charaktere sehr ans Herz gewachsen. Da immer einige Jahre nach dem Ende des vorherigen Bandes zum Anfang des neuen Bandes vergangen sind, bekommt man einen sehr breiten Einblick in das Leben der Charaktere.
Judith, zu Beginn des ersten Teils noch eine junge Frau, im zweiten Teil eine liebende Mutter, aber auch gute Geschäftsfrau, im dritten Teil eine trauernde Witwe, die um das Lebenswerk der Familie bangt. Aber eines begleitet Judith in allen drei Bänden: Die Leidenschaft für Schokolade und die tiefe Liebe und Verbundenheit zu ihrer Familie. Sie ist der Anker der Familie und immer für andere da. In diesem letzten Teil muss sie aber auch lernen, Hilfe anzunehmen. Die Hilfe, die sie Jahre zuvor jedem zu Teil gelassen hat, bekommt sie nun zurück, sie muss nicht alleine kämpfen. Auch wenn Victor nicht mehr da ist, ist er trotzdem noch sehr präsent. Immer wieder erinnert sich Judith liebevoll an die glücklichen Zeiten mit ihm.
Ihre Tochter Victoria hat sehr viel von ihrer Mutter: Sie lässt sich nicht unterkriegen und kämpft für ihre Träume und Ideen. Immer wieder wird sie sich dem plötzlichen Verlust des Vaters bewusst, aber auch ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Mutter.
Als der Amerikaner Andrew Miller Victoria kennenlernt, erkennt er schnell eine Tatsache, mit der er sich auch auseinander setzen muss. Er führt zwar auch eine Süßwaren-Fabrik in New York, sein Großvater traut ihm aber nicht viel zu. Ähnlich ist bei Victoria: Auch sie stößt mit ihren Ideen und Vorschlägen des Öfteren mit ihrer Mutter Judith zusammen.

„Andrew erkannte eine unerwartete Gemeinsamkeit zwischen Viktoria und sich selbst. Es schien das Los jener zu sein, die aus der Familie heraus in die Unternehmensnachfolge eintraten, dass sie zu lange als Kind betrachtet wurden.“
[S. 161 Z. 24 – 28]

Andrew ist ein Charakter, der anfangs sehr schwer zu durchschauen ist: Einerseits wirkt er bedrückt, die Reise nach Deutschland ist für ihn sehr wichtig. Da er aber auch nicht immer alles erzählt, umgibt ihn etwas geheimnisvolles.
Viele Charaktere kennt der Leser schon aus den vorherigen Bänden, zum Beispiel Judiths Zwillingsbrüder Anton und Karl und Victorias großer Bruder Martin. Serafina, die im zweiten Teil die Hauptrolle spielte, kommt auch in diesem Teil wieder vor. Es fühlte sich wunderbar an, diese vielfältigen und liebenswerten Charaktere wieder zu treffen, sie wieder ein Stück in ihrem Leben zu begleiten. Alle Charaktere agieren authentisch, sie haben ihre Ecken und Kanten. Sie sind alle an ihrem Leben und an ihren Aufgaben gewachsen, aus Kindern sind Erwachsene geworden.
Es gibt auch weniger gute Charaktere, die aber auch einen großen Teil der Geschichte mittragen.

Von der ersten Seite an war ich wieder in der Geschichte angekommen. Zum einen, weil es sich wie ein ‚nach Hause kommen‘ angefühlt hat, zum anderen aber auch durch die wunderbare bildhafte Sprache von Maria Nikolai. Auf keiner Seite kam Langeweile auf. Als Leser/in merkt man, wie sehr die Autorin ihre Geschichte, aber auch ihre Charaktere und das Thema liebt.
Ich habe wieder einiges zum Thema Schokoladenherstellung dazu gelernt. Ein wunderbares, süßes Lesevergnügen.
Maria Nikolai lässt ihre Charaktere vor einem gut recherchierten geschichtlichen Hintergrund agieren und nimmt den Leser damit mit auf eine Zeitreise. Durch die liebgewonnen Charaktere wird Geschichte leicht zugänglich und einfühlsam erzählt. Auch wenn die Zeit, in der das Buch spielt, alles andere als schön war, versprüht das Buch eine Leichtigkeit, ohne aber kitschig zu sein. Die Charaktere leben ihr Leben in einer Zeit, als alle bisherigen Werte und Ansichten in Frage gestellt wurden. Hitler an der Macht, der drohende Krieg, Judenhass, drohende Enteignung und Emigration: Die Familie Rothmann/ Rheinberger nimmt die großen Themen dieser Zeit mit und der Leser erlebt sie durch die Charaktere hautnah.

War das wirklich die Zukunft? Die völlige Unterdrückung durch ein Regime, das jede Menschlichkeit vermissen ließ?“
[S. 220, Z. 22 – 23]

Ein zentrales Motiv in diesem Buch ist die Vergebung von Schuld. Wie und wann kann man Menschen vergeben? Und kann man das überhaupt?

Fazit: Das Buch „Die Schokoladenvilla – Zeit des Schicksals“ ist ein wunderbarer Abschluss einer Trilogie, die mich seit dem ersten Teil in ihren Bann gezogen hat. Mit Wehmut denke ich, dass ich die lieb-gewonnen Charaktere nun nicht weiter begleiten kann. Bild-gewaltig, mit vielen Details und einem tollen Nachwort der Autorin. Ganz wunderbar. Eine wertvolle, lesenswerte Buchreihe. Danke an Maria Nikolai für die wunderbaren und lehrreichen Lesestunden.

Hinweis: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Penguin-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Weihnachten am Ku’damm“

von Brigitte Riebe

Erschienen am 13. Oktober 2020 im Wunderlich-Verlag
ISBN: 978-3-8052-0073-8
https://www.rowohlt.de/pappbilderbuch/brigitte-riebe-weihnachten-am-ku-damm.html

Hinweise:
– Alle angeführten Zitate beziehen sich auf die gedruckte Ausgabe.
– Meine Rezensionen zu den Teilen findet ihr hier:
Teil 1 „Die Schwestern vom Ku’damm: Jahre des Aufbaus“
Teil 2 „Die Schwestern vom Ku’damm: Wunderbare Zeiten“
Teil 3 „Die Schwestern vom Ku’damm: Tage der Hoffnung“

Das Buch „Weihnachten am Ku’damm“ von Brigitte Riebe spielt während des Jahrhundertwinters 1946/1947 in Berlin und ist damit ein kleines Zusatzbuch zu der 50er-Jahre-Trilogie um die Familie Thalheim.

Coverrechte: Rowohlt-Verlag

Das Buch beginnt am 17. Dezember 1946: Berlin liegt, zwei Jahre nach Ende des Krieges, noch immer in Schutt und Asche. Aber nicht nur das belastet die Bevölkerung, auch eine ungewöhnliche Kälte stellt die Menschen vor große Herausforderungen.
Das ‚Modehaus Thalheim‘, einst ein prächtiges und modernes Kaufhaus ist nur noch eine Ruine, Rike führt das Modehaus in einem kleinen düsteren und kalten Ladengeschäft provisorisch weiter. Vom früheren Glanz ist nichts mehr zu spüren.
Kurz vor Weihnachten kochen bei allen Mitgliedern der Familie Thalheim die Emotionen hoch: Jeder möchte ein schönes Weihnachtsfest, Florentine besteht auf einen Weihnachtsbaum. Doch ein opulentes Weihnachtsfest ist für die Familie Thalheim in weiter Ferne.
Da findet Rike einen kleinen Jungen vor der Ladentür. Er heißt Erich und ist der Sohn von Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten. Erich erkrankt schwer und die drei Thalheim-Schwestern Rike, Silvie und Florentine sind sich in einem einig: Er soll ein wunderschönes Weihnachtsfest bekommen, egal wie.

Ich habe die 50er-Jahre-Trilogie von Brigitte Riebe, die in den Jahren 2018, 2019 und 2020 erschien sehr gerne gelesen und war nach dem dritten Teil sehr traurig, dass die Reihe beendet war. Die vielfältigen Charaktere der Familie Thalheim sind mir sehr ans Herz gewachsen.
Als Brigitte Riebe ankündigte, dass es noch mal eine kleine zusätzliche Geschichte über die Familie Thalheim geben sollte, war ich sehr glücklich und es war klar, dass ich dieses Buch direkt lesen wollte.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Wunderlich-Verlag (Rowohlt), die mir ein Exemplar als kostenloses Rezensionsexemplar zugeschickt haben.

Was habe ich die Familie Thalheim vermisst: Ein bunter Haufen Menschen, alle mit Ecken und Kanten. Sie streiten sich, sie lieben sich und sie sind immer füreinander da.
In dieser Geschichte kommt man ihnen allen noch einmal näher und spürt, wie sehr sie sich nach den vergangenen Zeiten sehnen, wie ihnen ihre Villa, aber auch ihr ‚Modehaus Thalheim‘ fehlen.
Rike ist die Vernünftige, Silvie das Herz und Flori ist die Künstlerin in der Familie. Aber auch Miri, eine gute Freundin der Thalheims, trägt ihren Teil zu dieser Familie bei. Das Familienoberhaupt Friedrich, seine Frau Claire und sein Bruder Carl: Alles Charaktere, die man einfach gerne haben muss.
Erich, ein kleiner Junge, den Rike halb erfroren vor ihrem Ladengeschäft findet, erobert das Herz der Familie Thalheim, aber auch des Lesers im Sturm. Ein kleiner Junge, dem seine Kindheit geraubt wurde, er versprüht aber trotzdem eine solch ansteckende Lebensfreude. Seine Geschichte und die seiner Eltern sorgte bei mir für Gänsehaut. Flucht und Vertreibung, die Heimat für immer verloren und nirgendwo wurde man gerne gesehen.

Was haben wir unseren Kindern mit diesem furchtbaren Nazi-Regime, mit Krieg, Bomben, Hunger, Flucht und Vertreibung nur angetan? Die Kindheit haben wir Ihnen gestohlen, ihre jungen Leben ruiniert! Das ist nicht vorbei, sobald man die weiße Flagge hisst, sondern eine Schuld, die schwer auf uns allen lastet. Noch Generationen nach uns werden damit zu kämpfen haben…“
[S. 52, Z. 9-15]

Brigitte Riebe beschreibt ihre Charaktere mit einer beeindruckenden Tiefe und Authentizität, auch die weniger guten Figuren.

Die Sprache von Brigitte Riebe ist detailliert, dabei aber niemals langatmig oder gar langweilig. Sie beschreibt diesen furchtbaren Winter, die Heimatlosigkeit aber auch den Mut und die Zuversicht der Menschen zu dieser Zeit einfühlsam aber auch ungeschönt.
Die Hoffnung auf ein schönes Weihnachtsfest, der Wille, die Stadt wieder aufzubauen und der Glaube, dass alles wieder gut wird – all das beinhaltet dieses Buch. Es geht sehr ans Herz, stellenweise machte es mich sehr traurig, aber die Hoffnung der Menschen überwog und war sehr spürbar .

Wie schon erwähnt, ist das große Thema in diesem Buch der Jahrhundertwinter, der ‚Hungerwinter‘ in den Jahren 1946/1947: In diesem Winter gefror das Wasser in den Leitungen, der Mangel an Heizmaterial ließ viele Menschen in ihren Betten erfrieren. Allein in Deutschland erfroren mehrere hunderttausend Menschen, die durch die Mangelernährung sehr geschwächt waren. In der Sowjetunion starben in den Jahren 1946 bis 1948 etwa zwei Millionen Menschen in der Folge von Hunger und den extremen Wetterbedingungen.
Ein anderes Thema ist die Vertreibung und Flucht aus den ehemaligen Ostgebieten. Diese Menschen kamen mit einem Koffer und den Sachen, die sie am Leib trugen an. Auch sie mussten versorgt werden und wurden in Wohnungen einquartiert, in denen noch andere Familie wohnten. Viele wollten das nicht und stellten sich gegen die Flüchtlinge und machten ihnen das Leben noch schwerer.
Flucht und Vertreibung: Ein (leider) nach wie vor aktuelles Thema.

Fazit: Das Buch ist mit 158 Seiten sehr übersichtlich, geht aber mit einer sehr intensiven Geschichte ans Herz. Es ist unvorstellbar, was die Menschen durchmachen mussten. Mich hat es sehr berührt, dass es aber auch zu dieser Zeit Hoffnung gab und Menschen, die nicht weggeschaut haben.
Danke Brigitte Riebe, dass ich noch einmal zu der Familie Thalheim zurück kehren durfte.

Das Buch habe ich freundlicherweise vom Rowohlt-Verlag als Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre“

von Maria Nikolai

Erschienen am 14. Oktober 2019 im Penguin-Verlag
ISBN: 978-3328104063

Hinweise:
– Das Buch ist der zweite Teil der Reihe „Die Schokoladenvilla“
– Lest diese Rezension bitte nicht, wenn ihr den ersten Teil noch nicht kennt.
– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier.

Das Buch „Die Schokoladenvilla – Goldene Jahre“ von Maria Nikolai ist der zweite Teil um die Familie Rothmann, die in Stuttgart im Jahre 1926 mit ihrer Schokoladenfabrik vor große Herausforderungen gestellt werden.

Coverrechte: Penguin-Verlag

Das Buch beginnt mit der Handlung einige Jahre nach dem Ende des ersten Teils.
Es ist das Jahr 1926: Wir lernen die junge Serafina kennen, die zu ihrem Halbbruder Victor von Berlin nach Stuttgart zieht. Dort erwartet sie das prächtige Familienanwesen, eine Villa, die alle „Die Schokoladenvilla“ nennen. Ihre Wurzeln zu Berlin kann sie nie ganz vergessen, so richtig heimisch fühlt sie sich nicht.
Mit ihrer Abenteuerlust und ihrem Charme erobert sie sofort die Herzen der Familie Rothmann, aber auch von Anton, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Doch Anton ist auf dem besten Weg, sich mit einer anderen Frau zu verloben.
Währenddessen läuft es für Judith und Victor in ihrer Schokoladenfabrik nicht ganz rund: Maschinen werden sabotiert und damit steht die Produktion und ihr gesamtes Lebenswerk auf dem Spiel.
Da taucht ein dunkles Kapitel aus Serafinas Vergangenheit auf, welches sie eigentlich für immer vergessen wollte…

Vor etwa einem Jahr habe ich den ersten Teil „Die Schokoladenvilla“ von Maria Nikolai mir großer Begeisterung gelesen. Ich liebe Schokolade, und wenn es dann noch einen historischen Roman gibt, der von dieser süßen Versuchung handelt, muss ich dieses Buch einfach lesen.
Klar, dass ich auch den zweiten Teil direkt lesen wollte und meine Vorfreude auf die Fortsetzung war enorm. Und erst die Freude, als ich das Buch endlich in den Händen halten konnte.

Das Cover ist mal wieder ein absoluter Hingucker. Verspielt und mit leichtem Glitzer-Effekt auf Vorder- und Rückseite, dazu im Hintergrund die Villa, die schon im ersten Teil eine Art zuhause wurde.

Ich hatte auch keine Probleme, wieder in die Handlung zu finden, sie zog mich ab der ersten Seite wieder in ihren Bann.
Maria Nikolai hat einen sehr detaillierten Schreibstil, der aber niemals langweilig wird. Man merkt, wie sehr sie recherchiert hat und sich auch in Stuttgart auskennt. Für mich war Stuttgart nie die interessanteste Stadt, durch ihre Bücher bin ich der Stadt doch etwas näher gekommen. Auch zum Thema „Schokoladenproduktion“ hat sie wieder akribisch recherchiert und hat mir so einiges an neuem Wissen vermittelt.

Da doch einige Jahre nach dem Ende des ersten Teils und dem Beginn des zweiten Teil vergangen sind, konnte man die Charaktere noch einmal fast neu kennen lernen. Sie alle haben sich weiter entwickelt, vor allem die kleinen Zwillingsbrüder von Judith.
Victor hat sich zusammen mit Judith zu einem guten Gespann entwickelt, die mit viel Engagement und Wissen ihre Schokoladenfabrik führen und gut zusammen arbeiten, privat aber auch ein gutes Team bilden.
Mit Serafina hat dieser Teil eine neue Hauptfigur, die mich sehr begeistert hat. Schon auf den ersten Seiten wirkt sie sympathisch, auch wenn sie ein Geheimnis zu umgeben scheint.
Alle Charaktere in diesem Buch handeln und agieren authentisch, sie wirken absolut lebensecht. Mit ihren Figuren hat Maria Nikolai das Leben in Stuttgart im 20. Jahrhundert sehr gut eingefangen und lässt es vor den Augen des Lesers lebendig werden.

Fazit: Eine wunderbare Fortsetzung, die dem ersten Teil in Nichts nachsteht. Die sympathischen und lebensechten Charaktere sind in einen akribisch recherchierten Hintergrund eingebettet, der mich sehr fasziniert hat. Ein Buch, welches den Alltag vergessen lässt. Ich freue mich sehr auf den dritten Teil, der im Oktober 2020 erscheinen soll.

„Das Kaffeehaus – Bewegte Jahre“

von Marie Lacrosse

Erschienen am 28. September 2020 im Goldmann-Verlag
ISBN: 978-3-442-20597-4
https://www.randomhouse.de/Paperback/Das-Kaffeehaus-Bewegte-Jahre/Marie-Lacrosse/Goldmann/e560711.rhd

Das Buch „Das Kaffeehaus – Bewegte Jahre“ von Marie Lacrosse ist der Auftakt einer Trilogie, die in Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielt und die ‚Affaire Mayerling‘ als Hauptthema hat.

Coverrechte: Goldmann-Verlag

Ende des 19. Jahrhunderts in Wien: Die junge Sophie von Werdenfels leidet unter dem frühen Verlust ihres Vaters, noch mehr aber leidet sie unter dem strengen und lieblosen Regiment des Stiefvaters. Immer wieder flieht sie zu ihrem bürgerlichen Onkel Stephan Danzer, der ein prächtiges Kaffeehaus besitzt. Hier, zwischen Mandelmelage und Prinzentorte, findet Sophie Bestätigung und Anerkennung.
Mit Mary Vetsera, einer Tochter von Adel, verbindet Sophie eine tiefe Freundschaft.
Doch diese Freundschaft wird durch zwei Männer aufgemischt: Richard von Löwenstein und Rudolf, dem Kronprinzen. Richard, ein persönlicher Freund von Rudolf, verliebt sich in Sophie. Mary hingegen beginnt für den verheirateten Kronprinzen zu schwärmen und schlägt alle Warnungen ihrer Freundin in den Wind – sie beginnt sogar eine Affäre mit Rudolf. Diese Affäre, und vor allem das Ende, wird die gesamte Habsburgermonarchie tief erschüttern.

Mit großer Begeisterung habe ich die „Weingut-Saga“ von Marie Lacrosse gelesen. Als sie in den Sozialen Medien vor einigen Monaten ihre neue Buchreihe vorstellte, war mein Interesse direkt geweckt. Die ‚Affäre Mayerling‘ interessiert mich schon sehr lange, genauso wie die Zeit, in der das Buch spielt. Durch die „Sissy-Filme“ mit Romy Schneider bin ich dieser Zeit, aber auch der österreichischen Kaiserfamilie verfallen. Meine Vorfreude auf den Auftakt der Reihe war enorm und ich konnte den Erscheinungstag kaum erwarten.
Freundlicherweise bekam ich das Buch als vorzeitiges Rezensionsexemplar vom Goldmann-Verlag zugesendet, da Marie Lacrosse mich auf ihrer „Bloggerliste“ aufnahm.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Goldmann-Verlag und an Marie Lacrosse für die Zusendung des Buches.

Viele der Figuren in diesem Buch sind historisch belegte Persönlichkeiten. Diesen Figuren, die ich oft nur aus dem Geschichtsbuch kannte, haucht Marie Lacrosse Leben ein. Sie agieren neben fiktiven Figuren, eingebettet in einem akribisch recherchierten geschichtlichen Hintergrund. Alle Figuren, egal ob real oder fiktiv, bestechen durch Tiefe und Authentizität. Sie haben ihre Ecken und Kanten, sie leben ihr Leben in ihrer Zeit, auch wenn es für sie nicht immer leicht ist.
Beginnen wir mit der fiktiven Sophie von Werdenfels, welche aber einer wahren historischen Persönlichkeit nachgestellt wurde: Durch den Tod ihres Vaters und ihres Bruders muss die junge Frau nun ihren strengen Stiefvater erdulden. Diesen hat ihre Mutter aus unerfindlichen Gründen geheiratet und macht damit nicht nur ihre Kinder unglücklich, sondern auch sich selbst. Sophie ist ein gescheite und vernünftige Frau, die aber nicht nur perfekt ist. Ihr unterlaufen Fehler, sie verliebt sich unglücklich, ist aber trotzdem für andere da: Für ihre Freundin Mary ist Sophie eine wichtige Stütze, auch wenn die Freundschaft nie ganz rund läuft. Aber auch Sophies jüngere Schwester kann sich auf Sophie verlassen.
Mary Vetsera, ist eine der vielen historischen Persönlichkeiten ist in dem Buch, und übernimmt eine der Hauptrollen. Sie ist eine junge und äußerst naive Frau, die in ihrem Leben noch nicht angekommen ist, sie weiß nicht recht, wo ihr Platz ist. Was als Schwärmerei für den Kronprinzen Rudolf beginnt, endet in einem Wahn, sie erliegt Rudolf völlig, lässt sich von ihm mitreißen. Marie Lacrosse hat den Charakter der Mary Vetsera sehr genau herausgearbeitet, ihre Geschichte hat mich sehr beeindruckt und ich erlebte mit ihr ein Wechselbad der Gefühle. Marie Lacrosse hat gezeigt, wie es dazu kommen konnte, dass Mary sich Rudolf völlig ergab.
Kronprinz Rudolf wird von Marie Lacrosse ebenfalls sehr lebendig und sehr psychologisch tiefgründig beschrieben. Ein tief verletzter Mensch, der schon früh in seinem Leben auf die Ablehnung seiner Eltern stieß und sich zurückgesetzt fühlte. Zudem noch in einer unglücklichen Ehe gefangen und körperlich und seelisch krank. Auf der einen Seite ein Opfer, auf der anderen Seite wird er dann selbst zum Täter. Rudolf ist, neben Mary, eine Figur, die noch sehr lange nachklingen wird.
Richard von Löwenstein, Rudolfs persönlicher Freund, ist ein fiktiver Charakter, der aber dazu beiträgt, dass der Kronprinz dem Leser noch näher kommt. Richard ist mit sich selbst nicht im Klaren, er wird zu einigem gezwungen, was ihm zu Wider ist. Auch wenn er Konflikte scheut, wirkt er auf mich in vielen Szenen stark und authentisch, da er eher unperfekt ist. Ich bin sehr gespannt, wie es mit ihm im zweiten Teil weitergehen wird.
In diesem Buch gibt es viele, sehr viele Charaktere. Auf jeden einzeln einzugehen, würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Eingehen möchte ich aber noch auf Stephan Danzer, der Onkel von Sophie. Er bringt Wärme und Geborgenheit in das Buch. Auch wenn er selbst einen großen Verlust erlitten hat, fängt er seine Nichte Sophie immer wieder auf, schenkt ihr Zuwendung und vor allem Anerkennung. Ein fiktiver Charakter, der mich sehr beeindruckt hat.
Wirklich alle Charaktere bestechen durch eine außerordentlich facettenreiche und authentische Charakterzeichnung. Historische Persönlichkeiten, wie das Kaiserpaar oder Stephanie von Belgien (Rudolfs Frau), sind für mich greifbarer geworden.
Anfangs war ich mit den vielen Figuren etwas überfordert, aber das ausführliche Personenregister am Anfang des Buches hilft bei Unsicherheit weiter.

Der Sprachstil von Marie Lacrosse ist sehr lebendig und detailliert, ohne jemals langatmig zu sein. Ab der ersten Seite war ich in der Handlung angekommen. Durch Einstreuung des Wiener Dialekts und den vielen Beschreibungen und Details der Stadt und ihrer Menschen, ist das Buch eine wahre Zeitreise. Ich tanzte auf Bällen, bestaunte die Kleider der Frauen, saß in pompösen Theatern, traf die Kaiserfamilie und saß mit Sophie in dem prächtigen Kaffeehaus. Wann immer ich das Buch in die Hand nahm, war ich in der Handlung gefangen und wollte das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Auch wenn ich wusste auf was alles unweigerlich hinausläuft, musste ich immer weiter lesen.

Das große Thema in „Das Kaffeehaus – Bewegte Jahre“ ist die ‚Affäre Mayerling‘, sie sich am 30. Januar 1889 ereignete. Marie Lacrosse hat diesen Sachverhalt akribisch recherchiert, auch wenn sich viele historische Quellen, die sie studiert hat, widersprechen. Im ausführlichen Nachwort geht die Autorin gut auf ihre Recherchen ein.
Die ‚Affäre Mayerling‘ wird wahrscheinlich nie restlos aufgeklärt werden können, da viele Dokumente vernichtet wurden. Der Roman stützt sich auf die neusten Erkenntnisse und zeigt, wie es wohl abgelaufen sein könnte.
Eine Affäre, die die Habsburgermonarchie erschütterte und tiefe Spuren hinterließ. Diese Spuren versuchte man zu verwischen, was aber (zum Glück) nicht komplett gelang.

Fazit: Das Buch „Das Kaffehaus – Bewegte Jahre“ von Marie Lacrosse ist ein facettenreicher und bildgewaltiger Auftakt einer vielversprechenden Trilogie. Mit Authentische Charakteren, die in einen spannenden geschichtlichen Hintergrund eingebettet sind, ist das Buch Kopfkino pur. Ich bin schon sehr gespannt auf den zweiten Teil, der im April 2021 erscheint. Danke für die lehrreichen und unterhaltsamen Lesestunden liebe Marie Lacrosse.

Hinweis: Dieses Buch habe ich vom Goldmann-Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.

„Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“

von Melanie Metzenthin

Erschienen am 14. September 2020 im Diana-Verlag
ISBN: 978-3453292444
https://www.randomhouse.de/Paperback/Die-Hafenschwester-2-/Melanie-Metzenthin/Diana-Verlag/e565629.rhd

Anmerkungen:
– Bitte lest diese Rezension nicht, wenn ihr den ersten Teil der Buchreihe „Die Hafenschwester“ von Melanie Metzenthin noch nicht kennt – ihr könntet euch sonst spoilern.
– Die angeführten Zitate beziehen sich auf die Seitenzahl der gedruckten Ausgabe.
– Meine Rezension zum ersten Teil findet ihr hier.

Das Buch „Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“ von Melanie Metzenthin ist der zweite Teil um Martha Studt, die mit ihrer Familie in Hamburg wohnt und erlebt, wie der Erste Weltkrieg Chaos und Verderben ins Leben aller Menschen bringt.

Coverrechte: Diana-Verlag

Im April 1913 ist das Leben von Martha Studt und ihrem Ehemann Paul noch in bester Ordnung: Ihre drei gemeinsamen Kinder gedeihen bestens und Paul hat eine gut bezahlte Arbeitsstelle, mit der sie sich eine großzügige Wohnung leisten können. Martha kümmert sich ehrenamtlich um die Menschen, die es im Leben nicht so gut haben und vermittelt Hilfe – sie genießt im Hamburger Gängeviertel einen guten Ruf.
Eine Überfahrt auf dem luxuriösen „Imperator“ nach Amerika zu ihrer Freundin Milli scheint dem Familienglück noch die Krone aufzusetzen doch kaum zurück in Europa bricht der Erste Weltkrieg aus. Paul wird eingezogen und kehrt schwer verwundet zurück. Paul muss sich zurück ins Leben kämpfen und Martha versucht alles, um ihn zu unterstützen und wieder eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.

Den ersten Teil um Martha und Paul „Die Hafenschwester – Als wir zu träumen wagten“ von Melanie Metzenthin (meine Rezension findet ihr hier) habe ich im September 2019 mit großer Begeisterung gelesen und wartete fieberhaft auf die Fortsetzung. Melanie Metzenthin hat einen wunderbaren lebendigen Erzähstil und ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Martha und Paul in Hamburg weitergeht. Auf Facebook machte mich die Autorin auch mit Postings zu ihrem Recherche-Material neugierig. Mittlerweile gehört Melanie Metzenthin zu meinen Lieblingsautorinnen, da mich ihre Bücher immer wieder fesseln und bestens recherchiert sind.
Endlich konnte ich nun die Fortsetzung in den Händen halten und fing gleich an zu lesen.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Diana-Verlag, für die Zusendung des Buches als Rezensionsexemplar.

Auch wenn zwischen dem Ende des ersten Teils und dem Beginn des zweiten Teils einige Zeit vergangen war ich von der ersten Seite an wieder in der Handlung angekommen.
Die Charaktere haben sich weiter entwickelt, bleiben sich und ihren Idealen aber immer treu.
Martha darf als verheiratete Frau zwar nicht mehr als Krankenschwester im Krankenhaus arbeiten, mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit kann sie aber trotzdem den Armen und Kranken der Stadt helfen. Dabei hat sie keinerlei Berührungsängste – sie ist eine Frau der Tat. Für fast jedes Problem hat sie eine Lösung, Sie ist aber auch gleichzeitig eine liebevolle Mutter und Ehefrau, die ihrer Familie ein liebevolles Zuhause bietet. Ihre Wurzeln hat sie nie vergessen.
Paul, Marthas Ehemann, arbeitet viel, fast schon zu viel. Er liebt seine Arbeit, noch mehr liebt er aber seine Kinder und seine Frau. Der Erste Weltkrieg setzt diesem harmonischen Familienleben ein jähes Ende. Paul wird im Gesicht schwer verwundet, aber auch an der Seele. Ohne seine Frau Martha und seine Kinder hätte Paul sich aufgegeben, so kämpft er sich wieder zurück. Er ist überzeugter Sozialdemokrat und kann vor sozialen Ungerechtigkeiten nicht die Augen verschließen. Seine Verwundung lässt ihn stärker werden.
Es kommen noch einige neue Charaktere hinzu, zum Beispiel Li-Ming. Sie ist die Ehefrau von Marthas jüngerem Bruder Heinrich. Li-Ming hat in ihrer Heimat China ein schreckliches Schicksal erfahren, welches sie nie wieder loslassen wird. Mit ihrem kulturellen Hintergrund sorgt sie für einigen Wirbel in der Familie. Heinrich, ein Mann der in seinem Leben schon die halbe Welt gesehen hat, vermittelt zwischen den beiden Kulturen.
Der Vater von Martha und Paul agiert immer sehr im Hintergrund, ist aber für alle Figuren der Fels in der Brandung. Bei Problemen und Unstimmigkeiten wird er aufgesucht und wirkt immer wieder beruhigend auf alle Figuren ein.
Fast alle Charaktere, die man im ersten Teil der Reihe kennen gelernt hat, machen in diesem Buch eine tolle und lebensechte Entwicklung durch. Melanie Metzenthin zeichnet ihre Charaktere mit einer beeindruckenden Tiefe. Immer wieder müssen die Figuren Rückschläge erleiden, sie müssen kämpfen und lassen sich trotz aller Widrigkeiten nicht aus der Bahn werfen und stehen immer wieder auf.
Einzig mit Milli, Marthas Freundin, die in Amerika lebt, kam ich nicht wirklich klar. Sie hat etwas aus ihrem Leben gemacht, ist gesellschaftlich sehr aufgestiegen – allerdings hat sie wohl komplett ihre Wurzeln vergessen (wollen) und kümmert sich nur noch um sich und ihre Familie. Mit der Armut von anderen Menschen möchte sie nichts zu tun haben. Sie ist das komplette Gegenteil zu Martha, die immer für alle da ist.
An der Seite von Martha, Paul und Heinrich erlebt man den Ausbruch, Verlauf und das Ende des Ersten Weltkrieges fast schon so, als wäre man dabei gewesen. Man spürt die Verzweiflung, als der Krieg eben nicht nach ein paar Monaten vorbei ist, sondern über Jahre hinweg tobt und Tod und Verzweiflung mit sich bringt. Das Buch zeigt anhand von einfachen Menschen, wie sie ihr Leben damals lebten und wie sich das Leben dann mit dem Ausbruch des Krieges komplett veränderte.


„Wie weit war es nur mit ihnen gekommen? Was war aus der modernen, glücklichen Stadt geworden, in die Hamburg sich in dem Jahren nach der Cholera verwandelt hatte? Hatte der Krieg ihnen inzwischen jeden Überlebenswillen geraubt?
Wie lange konnte das noch so weitergehen? Was wäre am Ende des Krieges überhaupt noch von der Welt übrig, für die sie immer gekämpft hatte?“
[S.456, Z. 6 – 13]

Melanie Metzenthin hat einen sehr lebendigen und flotten Erzählstil, der auf keiner Seite Langeweile aufkommen lässt. Mit vielen Details zu Hamburg und den Menschen lässt sie eine vergangene Zeit wieder aufleben.
Akribisch recherchiert hat Melanie Metzenthin den Aufbau des Imperator, ein Luxusliner, der im Juni 1913 in See stach. Das Schiff galt bis 1914 als größtes Schiff der Welt. Ich empfand es als sehr spannend, mit Martha und ihrer Familie die Jungfernfahrt zu erleben an Bord zu und das Schiff vor allem durch die Augen der Kinder zu entdecken.
Mit „Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“ konnte ich den Ausbruch, aber vor allem das Ende des Ersten Weltkriegs noch einmal sehr viel bewusster wahrnehmen. Dieser Prozess von der Kriegsfreudigkeit und Siegestaumel zu Kriegsmüdigkeit Revolution wird sehr deutlich nachgezeichnet. Auch wie es zu dem berühmten Matrosenaufstand 1918 kam, erzählt die Autorin ganz wunderbar.
Spannend fand ich auch, welche Fortschritte die Medizin in dieser Zeit machte. Intensiv und einfühlsam beschreibt Melanie Metzenthin diverse Operationen. Hier merkt man, dass die Autorin über ein großes Fachwissen verfügt.
Ebenfalls fand ich das Thema „Frauenvereine“ sehr interessant. Auch wenn Frauen zu dieser Zeit wenig Mitspracherecht in der Politik hatten – den Mund haben sie sich nicht verbieten lassen.

Das Buch „Die Hafenschwester – Als wir wieder Hoffnung hatten“ ist eine sehr gelungene Fortsetzung der Reihe um Martha. Tiefe und feinsinnige Charaktere, die in einen gut recherchierten geschichtlichen Hintergrund eingebettet sind. Ich habe es sehr gerne gelesen und wollte es teilweise nicht mehr aus den Händen legen. Nun freue mich jetzt schon auf den dritten Teil der Reihe, den ich auch direkt nach Erscheinen lesen werde. Ein großes Dankeschön an die Autorin für die vielen neuen Eindrücke und geschichtlichen Erkenntnisse.

Fazit: Absolut lesenswert. Intensiv und lebensecht mit viel geschichtlichem Hintergrundwissen.

Anmerkung:
Das Buch habe ich freundlicherweise vom Diana-Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen – es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.


„Großstadtflüstern“

von Karin Joachim

Erschienen am 08. Juli 2020 im Gmeiner-Verlag
ISBN: 978-3-8392-2718-3
https://www.gmeiner-verlag.de/buecher/titel/grossstadtfluestern.html

Hinweis: Dies ist eine Rezension zu dem zweiten Teil der Reihe um Karolina. Lest diese Rezension bitte nicht, wenn ihr den ersten Teil „Domschattenträume“ noch nicht kennt und lesen möchtet. Ihr könntet sonst gespoilert werden!

Das Buch „Großstadtflüstern“ von Karin Joachim ist der zweite Teil um die junge Karolina Offermann, die im Berlin der 1920er Jahre ihren Traum als Schauspielerin verwirklichen möchte.

Coverrechte: Gmeiner-Verlag

Köln und Berlin im Jahr 1927: Karolina Offermann ist ihrem Traum Schauspielerin zu werden ein Stück näher gekommen. Der große Durchbruch in Form einer ersten Hauptrolle lässt aber weiterhin auf sich warten.
Sie pendelt zwischen Köln und Berlin: Köln, ihre Heimatstadt, in der nach wie vor ihre Familie wohnt, und Berlin: Die Stadt, in der ihr Träume Wirklichkeit werden sollen. Karolina steht zwischen den Forderungen ihrer Familie und dem Wunsch, ihren eigenen Weg zu gehen.
Als dann der mysteriöse Tod ihrer Mutter erneut in das Interesse der Polizei rückt und auch die ersten Verdächtigungen gegen ihren Bruder und ihren Vater im Raum stehen, treten Karolinas Träume und Wünsche in den Hintergrund. Die Ermittlungen bringen Unglaubliches ans Tageslicht.
Und dann ist da noch Rudolf, ihre große Liebe. Eine Liebe, die sich Karolina nicht eingestehen möchte und und zu verlieren droht.

Mir hat der erste Teil „Domschattenträume“ schon sehr gefallen, da musste ich den zweiten Teil direkt im Anschluss lesen. Mir ist Karolina mit ihrer Geschichte sehr ans Herz gewachsen und ich wollte unbedingt wissen, wie es mit ihr und ihren Träumen weitergeht.
Meine erste Rezension findet ihr hier.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an die Autorin Karin Joachim für die Vermittlung eines Rezensionsexemplars und an den Gmeiner-Verlag für die Zusendung des Buches.

Alles beginnt wieder mit einem Prolog, der Fragen aufwirft. Wie kam es zu dieser Situation, in der Karolina in diesem Prolog ist.
Ich war sofort wieder in der Geschichte angekommen und freute mich, Karolina und all die anderen Charaktere wieder zu treffen. Das erste Kapitel fängt im August 1927 an: Karolina ist mit ihrer Bekannten Gertrud (Freundin möchte ich sie nicht nennen) auf dem Weg von Köln nach Berlin. Die Beiden möchten einer Filmpremiere beiwohnen, sind aber recht schnell zerstritten. Zu unterschiedlich sind die beiden Charaktere.
Auch wenn sich Karolina weiterentwickelt hat, steht sie nach wie vor sehr unter der Fuchtel ihres Vaters: Sie ist noch nicht volljährig, hat in Sachen Schauspielerei noch nicht sehr viel erreicht und ist mitunter von seinem Geld abhängig. Auch wenn Vater und Tochter Momente haben, die sie wieder näher zueinander bringen, ist das Verhältnis der Beiden eher schwierig. Karolina gibt aber nicht auf – wie im ersten Teil macht sie alles, um ihren Träumen näher zu kommen. Eine Kämpferin. Leider vergisst sie dann auch so manch guten Vorsatz, bleibt sich selbst nicht immer treu und gerät in eine andere, gefährliche, Abhängigkeit. Den Verlust ihrer Mutter hat sie nie überwunden, deshalb macht sie auch alles, um ihren Tod aufzuklären und Licht ins Dunkle zu bringen. Ihre Seele ist verwundet, auch wenn sie es nach außen hin gut verbergen kann.
Karolinas Vater hat, wie schon erwähnt, eine leichte Wandlung durchgemacht. Er ist nicht mehr ganz so cholerisch, wie im ersten Teil, von Lob und Anerkennung seiner Tochter gegenüber ist er aber noch weit entfernt. Er weiß noch immer, wie er Karolina unter Druck setzen kann.
Es kommen einige neue Charaktere dazu, viele Charaktere aus dem ersten Teil sehen wir aber wieder. Alle Charaktere machen Entwicklungen durch, sie machen aber auch Fehler. Dadurch wirken sie authentisch und lebensecht. Ein bunter Blumenstrauß an Charakterzügen. Ganz toll fand ich, wie reale Persönlichkeiten neben den fiktiven Charakteren agieren und in die Handlung eingeflochten sind.
Eine meiner Lieblings-Figuren ist Felix – Karolinas Cousin. Auch wenn er nur am Rande eine Rolle spielt, ist er für Karolinas Leben unendlich wichtig. Zusammen mit Karolinas Halbbruder Alexander bilden die zwei jungen Männer für Karolina den Fels in der Brandung. Sie sind für sie da, wenn sie nicht mehr weiter weiß und fangen sie auf.
Dadurch, dass sehr oft der Kölner Dialekt, ab und zu auch Berliner Dialekt, eingebunden wurde, kam ich den Figuren nochmal näher und spürte den Flair der Städte noch einmal mehr.

Die Sprache von Karin Joachim ist detailreich ohne langweilig zu sein. Mit wunderschönen Beschreibungen von Plätzen, Orten und Menschen hat sie mich in die Geschichte mit rein genommen. Ich konnte völlig abschalten und mich fallen lassen. Teilweise wurde es richtig spannend, da wollte und konnte ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen.
Ich habe noch einmal viel über das Filmhandwerk und die Technik dahinter gelernt. Wahnsinn, was es innerhalb von ein paar Jahren für Entwicklungen im Film gab.
Karin Joachim hat akribisch recherchiert und sich intensiv mit dem Thema Film aber auch der Zeit auseinandergesetzt. Sie lässt die Filme vor unserem Auge wieder aufleben und sie uns durch Karolinas Augen sehen. Auch wenn es hinter den Kulissen alles andere als schön war – wie überall gab und gibt es dort Neid und Missgunst.

Das große Thema in diesem Buch ist die Filmindustrie der 1920er Jahre. Eine Zeit, die auch als „Die goldenen 20er“ bekannt ist. Glamour und Elend lagen in diesem Jahrzehnt sehr nah beieinander. Das wird in diesem Buch sehr deutlich.
Außerdem ist die Emigration vieler Schauspieler und Regisseure in die USA ein großes Thema. Einerseits hofften sie dort auf einen Duchbruch, aber auch auf bessere Arbeitsbedingungen und mehr Selbstverwirklichung und Kreativität. In Deutschland wurde es politisch für viele Künstler immer gefährlicher, ihr Schaffen wurde eingegrenzt. Viele Künstler nutzen noch die Möglichkeit rechtzeitig all dem zu entgehen.
In diesem Teil wird die Hauptfigur Karolina endlich volljährig und kann sich damit etwas dem Einfluss ihres Vaters entziehen. Brauchte sie davor immer noch sein Einverständnis kann sie nun eigenständig Verträge unterzeichnen. Eine Ehe würde sie wieder ein eine Abhängigkeit zu einem Mann bringen.
Das Buch „Großstadtflüstern“ hat mich wieder bestens unterhalten und mir viel geschichtliches Wissen vermittelt.

Fazit: „Großstadtflüstern“ steht dem ersten Teil „Domschattenträume“ in Nichts nach. Es war wunderschön, sich mit Karolina in den 1920er Jahren aufzuhalten und sie zu begleiten. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte: Bitte einen dritten Teil – es gibt noch so viel zu erzählen.

Bemerkung: Das Buch habe ich freundlicherweise vom Gmeiner-Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, es hat meine Meinung aber nicht beeinflusst.