Klappentext: „Wien 1976. Die junge Dozentin Katharina Adler sorgt bei den männlichen Kollegen regelmäßig für Schnappatmung. Selbstbewusst trägt sie knalligen Lippenstift und verbotenerweise im Hörsaal Hosen. Außerdem hat sie sich kein geringeres Ziel gesetzt, als die Geschichtswissenschaft zu revolutionieren. Dafür widmet sie sich Büchern, die von Frauen geschrieben wurden, speziell Kochbüchern. Als ihr dabei eine Rezeptsammlung aus der Feder ihrer Mutter Jule unterkommt, erkennt Katharina, dass sie erst die Geheimnisse ihrer eigenen Familie aufdecken muss, bevor sie die Welt verändern kann. Gemeinsam reisen sie und Jule nach Schlesien, an Katharinas Geburtsort. Dort lernt sie, dass es nichts Stärkeres gibt als Frauen, die zusammenhalten.“
*Hinweise: – Das Buch habe ich freundlicherweise vom Heyne Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank dafür. – Ich habe vom Verlag/ von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistungen erhalten, die Rezension spiegelt meinen persönlichen Lese-Eindruck wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars kennzeichne ich diese Rezension als Werbung.
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„»Wir Frauen müssen doch zusammenhalten.«“
[Seite 315]
In diesem aufwühlenden Roman „Der Pakt der Frauen“ verarbeitet Julia Kröhn Teile ihrer eigenen Familienbiografie, mischt dieser aber auch Fiktion bei. Dadurch, dass sich die Handlung auf zwei Zeitebenen aufteilt, baut sich ein immenser Sog auf, der mich mit in diese Geschichte hineingerissen hat und nicht mehr losgelassen hat, bis die letzte Seite gelesen war. Der erste Erzählstrang spielt in Wien in den 1970er Jahren, hier kämpft die selbstbewusste Historikerin Katharina in der von Männern dominierten Universität. Sie möchte die Geschichtswissenschaft revolutionieren, indem sie sich Büchern widmet, die von Frauen geschrieben wurden – speziell Kochbücher. Als sie dann auf ein Kochbuch trifft, welches ihre Mutter Jule verfasst hat, öffnet sie die Tür zu ihrer eigenen Familiengeschichte – und trifft auf eine Mauer des Schweigens. Der zweite Erzählstrang spielt größtenteils 1944/1945. Hier lernen wir die junge Jule kennen, welche mit ihrem Mann nach Hirschberg (Schlesien) zieht. Jule sieht menschliche Abgründe und kann eines nicht: Wegsehen. Gekonnt werden diese beiden Erzählstränge verwoben und somit Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden.
Julia Kröhn gehört schon seit vielen Jahren zu meinen absoluten Lieblingsautorinnen. Sie schreibt unter verschiedenen Namen, doch jeder ihrer Romane überzeugt mich durch die Tiefe und die Stärke vielfältigen Figuren und den historischen Hintergründen, welche akribisch recherchiert sind und mich emotional immer sehr mitnehmen. Außerdem kann mich Julia Kröhns bildhafter, detaillierter und klarer Sprachstil immer wieder begeistern.
„Sie hatte erwartet, dass die Beschäftigung mit ihrer Familiengeschichte vielleicht Unbehagen erzeugen würde, Verwirrung, Befremden, Überraschung. Aber nicht diesen Schmerz.“
[Seite 157]
Ein Roman, welchen ich mit klopfenden Herzen und einer Gänsehaut am gesamten Körper beendet habe.
Fazit: „Der Pakt der Frauen“ von Julia Kröhn ist ein Buch, welches ich mit Sicherheit so schnell nicht wieder vergessen werde. Berührend, aufwühlend, emotional, sehr lehrreich und definitiv ein Highlight im Lesejahr 2024. Ganz große Leseempfehlung!
*Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „Hamburg 1892: Während eine Choleraepidemie in der Stadt wütet, verlassen die junge Marga und ihre Cousine Rosie ihre Heimat für immer. Auf einem Auswandererschiff wagen sie die Fahrt nach Amerika in der Hoffnung auf ein Leben fern von Not und Armut. Während der langen Reise schließen die beiden Freundschaft mit zwei jungen Männern, Simon und Nando, die wie sie auf ein besseres Los in der Neuen Welt hoffen. Die vier beschließen, gemeinsam in New York das Glück zu suchen. Doch dann kommen Rosie und Simon einander näher. Ihre aufkeimende Liebe, aber auch dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit treiben einen Keil zwischen die Freunde, und die Gruppe droht schon bald nach der Ankunft zu zerbrechen …“
* Hinweise: – Das Buch habe ich freundlicherweise vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank dafür. – Ich habe von der Autorin und/ oder vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistungen erhalten, die Rezension spiegelt meinen persönlichen Lese-Eindruck wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars und der Verlinkung der Verlags-Homepage, kennzeichne ich diese Rezension als Werbung.
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Das Buch „Eine grenzenlose Welt – Aufbruch“ ist der Auftakt einer Trilogie und spielt zu Beginn der Handlung in Hamburg, im weiteren Verlauf hauptsächlich in New York des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
„Ein aufgeregtes Kribbeln hatte sie erfasst. Hier standen so viele unterschiedliche Menschen mit Träumen, mit Hoffnungen, mit einer Vergangenheit und einer Idee von der Zukunft.“
[Kapitel 8]
Hamburg 1892: Die Cholera wütet in der Stadt und fordert täglich mehr Opfer. Die junge Marga lebt zusammen mit ihrer Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Als sich für Marga die Gelegenheit zu einer Überfahrt zusammen mit ihrer Cousine Rosie nach New York bietet, zögert ihre Mutter nicht lange und schickt ihre Tochter in die Neue Welt und damit in ein neues Leben, fernab von Armut, Hunger und Krankheit. Auf der Überfahrt lernen Marga und Rosie die beiden jungen Männer Simon und Nando kennen. Später verbindet sie zusätzlich ein großes Geheimnis. Die vier beschließen auch in New York zusammen zu bleiben und sich gemeinsam ein neues Leben aufzubauen. Doch als Simon seine Gefühle für Rosie nicht mehr länger leugnen kann und auch die Vergangenheit die vier einzuholen droht, steht die Gemeinschaft und die Zukunft der vier jungen Menschen auf der Kippe.
Dieses Buch ist mein erstes Buch, welches ich von der Autorin Sonja Roos gelesen habe. Und soviel schon mal vorweg: Es wird definitiv nicht mein letztes gewesen sein. Im Februar 2024 fragte Sonja Roos an, ob ich den Auftakt ihrer Trilogie gerne lesen und rezensieren möchte. Nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, sagte ich ihr direkt zu. Ich mag Romane, die zur Zeit der großen Auswanderungswelle im ausgehenden 19. Jahrhunderts/ beginnenden 20. Jahrhundert spielen und ich liebe New York. Also sagte ich Sonja Roos zu und bekam das Buch dann Anfang März vom Goldmann Verlag als Rezensionsexemplar zugesendet. Dafür an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön.
Neben dem Klappentext hat mich auch das stimmungsvolle Cover angesprochen, welches perfekt zu der Geschichte passt: Das Cover wird von braunen Farbtönen dominiert und zeigt in der oberen Hälfte eine blondhaarige Frau, welche ein grünes Oberteil trägt und mit einem offenen Blick in die Kamera schaut. Mittig steht der Titel und Untertitel des Buches, darunter ist ein Hafengebäude und ein Schiff zu sehen.
Ich habe dieses Buch als eBook gelesen, weshalb ich zu der Ausstattung des Buches, wie zum Beispiel der Innengestaltung, an dieser Stelle keine Angaben machen kann. Insgesamt umfasst das Buch 416 Seiten und gliedert sich in zwei Teile auf: Der erste Teil der chronologisch erzählten Handlung beginnt im Jahr 1892 in Hamburg, der zweite Teil setzt dann vier Jahre später an. Beide Teile umfassen einige, in der Regel eher kurze Kapitel, was für einen guten Lesefluss sorgt. Mit einem ausführlichen Nachwort und der Danksagung der Autorin wird das Buch abgeschlossen.
In den einzelnen Kapiteln stehen abwechselnd die verschiedenen Charaktere und deren Geschichten im Mittelpunkt. Die einzelnen Geschichten der Figuren sind eng miteinander verknüpft und verbinden sich zu einer großen Geschichte, welche mich ab der ersten Seite mitgenommen hat. Mitunter waren mir die etwas komplizierten Liebesgeschichten, das ständige Hin und Her zwischen den Figuren, etwas zu viel. Die bildhafte und lebendige Sprache der Autorin ließen mich voll und ganz in die Geschichte und damit in längst vergangene Zeiten abtauchen: Sonja Roos beschreibt die unterschiedlichen Menschen und deren Eigenheiten sehr eindrücklich, streut hier und da Dialekte ein, welches alles nochmal lebensechter wirken lässt und sie baut eine sich kontinuierlich ansteigende Spannung auf. Dies und ihre gewissenhafte Recherche der geschichtlichen Hintergründe haben mich das Buch nur noch ungern aus den Händen legen lassen.
„Sie hatte nichts Schlechtes, Durchtriebenes oder Schmutziges an sich. Im Gegenteil, ihr Blick auf das Leben schien ungetrübt, warm, voller Güte.“
[Kapitel 17]
Marga lernen wir zu Beginn der Handlung kennen und ist eine der vier Hauptfiguren. Sie hat, trotz vieler Schicksals- und Rückschläge, nie ihren Lebensmut verloren. Mit ihrer Mutter lebt sie, nach dem plötzlichen und frühen Tod des Vaters, in ärmlichen Verhältnissen – doch die beiden sind sich vertrauensvoll verbunden. Deshalb fällt es Marga alles andere als leicht, ihre Mutter zurückzulassen und ohne sie in ein neues Leben aufzubrechen. Marga und ihren ehrlichen und gutmütigen Charakter mochte ich von Beginn an sehr gerne und fand sehr schnell zu ihr und ihrem Leben einen Zugang. Auch wenn sie oft nicht weiß, was sie genau möchte, was sie in ihrem Leben erreichen kann und will, mochte ich sie sehr. Sie gibt den Menschen in ihrer Umgebung (vor allem ihrer Cousine Rosie) Halt und auch Zuversicht. Rosie hat, ähnlich wie Marga, auch mit einigen Schicksalsschlägen zu kämpfen – vor allem aber mit ihrer Vergangenheit, welche sie nicht loszulassen scheint. Auch wenn sie immer wieder kleine Fortschritte macht, wird sie oft von Begebenheiten wieder zurück geworfen. Rosies tragische Lebensgeschichte nahm mich stellenweise sehr mit – und ich musste auch das ein oder andere Mal mit den Tränen kämpfen. Auch die Geschichten der beiden männlichen Hauptfiguren sind nicht weniger mitreißend: Simon lässt seine Vergangenheit und seine Eltern hinter sich und hofft auf eine Zukunft in der neuen Welt ohne Geldsorgen. Doch das Leben kommt dazwischen und wirft all seine wohlüberlegten Pläne durcheinander – aber der charismatische und vor allem sympathische Simon lässt sich davon so schnell nicht beirren. Nando ist der jüngste der vier Hauptfiguren. Nachdem er es mit Margas Hilfe auf das Auswanderschiff geschafft hat, hofft auch er auf ein neues Leben. Doch auch für ihn kommt alles anders als gedacht. Neben diesen vier Hauptfiguren spielen noch einige weitere Figuren mit. Sie alle konnten mich mit ihren vielfältigen (Lebens-)Geschichten überzeugen. Die vielen Verbindungen aber auch Konflikte und Dramen zwischen den Charakteren waren sehr greifbar – vor allem aber fühlbar. In ihrem Nachwort erklärt Sonja Roos, dass ihre „Protagonisten zwar fiktiv sind“, es ihr jedoch „ein Anliegen war, ihre Lebenswelt so authentisch wie möglich zu gestalten“, weshalb sie sich „die Freiheit genommen habe, reale Menschen, Geschichten, Begebenheiten und Ereignisse in die Handlung einzubauen.“ Und genau das habe ich auch beim Lesen gespürt: Diesen authentischen Zeitgeist, die vielen wahren Begebenheiten und Ereignisse, welche die Protagonisten erleben. Genau das macht das Buch zu einem gelungenen, unterhaltsamen und lehrreichen Lesevergnügen.
„»(…) Ich will etwas aus mir machen. Aber ich will nicht nur reich werden. Ich will einen Eindruck hinterlassen, das Land mitprägen und seine Geschichte auf den Seiten einer Zeitung mitschreiben.«„
[Kapitel 36]
Den geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrund von „Eine grenzenlose Welt – Aufbruch“ bildet das ausgehende 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wütete in Hamburg der letzte große Ausbruch der Cholera in Deutschland. Unter anderen führten verschmutztes Trinkwasser, die vielen ungesunden Kellerwohnungen und dass sich in der Innenstadt viele Menschen unter unhygienischen Bedingungen auf sehr engem Raum ballten, dazu, dass vor allem in Hamburg viele Menschen erkrankten. Insgesamt waren während der Epidemie 16.956 Menschen erkrankt und 8.605 Menschen gestorben. Zu dieser Zeit, und auch davor und danach, wanderten viele Menschen aus, wobei die Vereinigten Staaten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ein beliebtes Einwanderungsland waren. Neben wirtschaftlichen Gründen übte die USA auf viele Menschen eine große Anziehungskraft aus, denn hier gab es Siedler, die sich in einem freien Land niederlassen und ihren Traum von einem neuen Leben verwirklichen konnten. Viele Auswanderer wurden allerdings in den USA schnell wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt, denn auch hier gab es Wirtschaftskrisen und nicht jeder fand das schnelle Glück, das er für sich und seine Familie erträumte.
Zwischen 1816 und 1900 wanderten etwa 5 Millionen Deutsche nach Amerika aus. Für viele waren wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend: Sie fanden keine Arbeit mehr, da die Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt hatte und das Handwerksgewerbe immer weiter zurück drängte. Die meisten Deutschen, die im 19. Jahrhundert auswanderten, gingen nach Amerika – dort sahen sie das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Oft ließen sie ihr komplettes bisheriges Leben für immer zurück.
„Auswandererdenkmal in Bremerhaven“ (Bildquelle: Pixabay)
Ein weiterer gesellschaftlicher und geschichtlicher Hintergrund ist die Geschichte der Zeitungen in den USA und die Entwicklung der amerikanischen Presselandschaft: Diese war ganz anders als im europäischen Zeitraum und vor allem durch die sogenannte „Penny Press“ geprägt. Nach Ansicht des Journalisten James Gordon Bennett würde die Öffentlichkeit auf keinen Fall ein ernstes Blatt kaufen, sondern er war der Meinung, dass die große wahllose Neugier eher mit Klatsch als mit Diskussionen zu befriedigen war. In New York gab es im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Vielzahl an unterschiedlichen Zeitungen, welche das städtische Leben, Nachrichten und Kultur abdeckten und die Vielfalt und das lebhafte Medienumfeld widerspiegelten, das New York City im Jahr 1892 zu bieten hatte. Dieser gesellschaftliche Hintergrund dürfte wahrscheinlich im zweiten Band der Reihe ein noch größeres Thema sein. Die vielen unterschiedlichen Hintergründe und Themen hat Sonja Roos sehr akribisch recherchiert und stellt diese sehr deutlich mit den Geschichten ihrer Protagonisten da. Vor allem fand ich es sehr spannend darüber zu lesen, wie die Einbürgerung der Einwanderer am Hafen von New York ablief, aber auch durch die Einblicke in die journalistischen Tätigkeiten konnte ich meinen Horizont erweitern.
Am Ende dieser Rezension möchte ich mich ganz herzlich bei Sonja Roos für dieses mitreißende und vor allem lehrreiche Lese-Erlebnis bedanken. Ich freue mich schon auf den zweiten Band der Reihe „Eine grenzenlose Welt – Schicksal“ (ET: 19. Juni 2014) und bin sehr gespannt, wie es mit der Geschichte und vor allem den vielen liebgewonnen Figuren weitergehen wird. Da das Buch mit einem absoluten Cliffhanger endet, kann ich den ET kaum erwarten!
Fazit: „Eine grenzenlose Welt – Aufbruch“ ist der farbenprächtige und stimmungsvolle Auftakt zu einer Trilogie, welcher mich ab der ersten Seite mitgenommen hat und bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen hat. Zu den vielfältigen Charakteren habe ich schnell einen Zugang gefunden und zudem habe ich eine Menge zu der Geschichte der Auswanderung im ausgehenden 19. Jahrhundert gelernt. Ein sehr gelungenes, unterhaltsames und lehrreiches Lesevergnügen und deshalb eine ganz große Leseempfehlung. Top!
* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „Dresden, 1849: Elise lebt als gefeierte Violinistin und angesehene Ehefrau des Komponisten Adam Jacobi in Dresden. Doch eine schicksalhafte Begegnung mit dem Kulissenmaler Christian droht, das fragile Gleichgewicht ihres Lebens zu erschüttern. Mit dem aufstrebenden Künstler an der Semperoper verbindet sie eine große Sehnsucht, eine Leidenschaft für die Kunst – und eine romantische Erinnerung. Elise spürt, dass ihre Liebe auch nach Jahren noch stärker ist als alle Konventionen. Doch bevor sie das Unmögliche wagen kann, brechen blutige Aufstände in der Stadt aus. Unzufriedene Arbeiter und Dienstmädchen, Künstler und Intellektuelle, Männer und Frauen ziehen für ihre Rechte in den Kampf. Auch das prächtige königliche Hoftheater im Herzen der Stadt wird zum Schauplatz der widerstreitenden Gegner. Denn selbst Kapellmeister Richard Wagner und Gottfried Semper rufen zum Widerstand gegen die Obrigkeit auf. Dann bittet der König die preußische Armee um Hilfe. Es kommt zum Äußersten. Und Elise muss sich in den blutigen Wirren entscheiden, auf welcher Seite sie steht – und wie viel zu opfern sie bereit ist.“
*Hinweise: – Bitte lest diese Rezension nicht, wenn ihr den ersten Band „Dunkel der Himmel“noch nicht gelesen habt, dies aber noch möchtet – Spoilergefahr! – Das Buch habe ich freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank! – Ich habe für diese Rezension von der Autorin und/ oder vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
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Das Buch „Das Opernhaus – Rot das Feuer“ von Anne Stern spielt im Jahr 1849 in Dresden und ist der zweite Band der Reihe um die Geschichte der Semperoper.
„Ja, Elise hatte eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft, die sie selbst weitgehend zu bestimmen schien.“
[Seite 177]
Dresden 1849: Die junge und gefeierte Violinistin Elise scheint sich in ihrem Leben als Ehefrau des bekannten Komponisten Adam Jacobi eingefunden zu haben. Da dem Ehepaar leiblicher Nachwuchs nicht vergönnt ist , nehmen sie das Waisenmädchen Nette bei sich auf , welche einen Lichtpunkt in das sonst sehr eintönige Leben von Elise bringt. Als Elise nach Jahren wieder auf den Kulissenmaler Christian trifft, sind ihre Gefühle für diesen jungen Mann sofort wieder da. Ihre gegenseitige Anziehung und Liebe bringen das fragile Gleichgewicht von Elises liebloser Ehe durcheinander. Doch plötzlich brechen in Dresden blutige Aufstände aus. Die Menschen gehen gegen das immense gesellschaftliche Unrecht und für ihre Rechte auf die Straße – und Christian ist mitten im Geschehen.
Anne Stern gehört seit vielen Jahren zu meinen absoluten Lieblingsautorinnen. Ich lese ihre vielfältigen Geschichten sehr gerne und vor allem mit der Reihe um die „Hebamme Hulda Gold“ hat sie sich in meine Leseherz geschrieben. Wann immer sie eine Neuerscheinung ankündigt, weiß ich, dass ich diese auch direkt lesen möchte. Nachdem ich im Mai 2023 den Auftakt („Dunkel der Himmel“) der ‚Dresden-Reihe‘ mit großer Begeisterung gelesen habe, freute ich mich schon sehr auf den hier vorliegenden zweiten Band der Reihe. Auch diesen Band bekam ich freundlicherweise vom Rowohlt Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zugesendet, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.
„«Die Oper ist das schönste Kleinod, das wir in der Stadt haben. (…) Und auch noch erbaut von Gottfried Semper, dessen Herz ebenfalls für die Sache der Revolution schlägt.»“
[Seite 25]
Dieser zweite Band hat mir noch einmal besser gefallen als der erste Band der Reihe – und dieser war schon auf einem ganz ganz hohen Niveau. Ich empfehle jedoch, dass man den ersten Band unbedingt vor dem zweiten Band gelesen hat, da man dann die Entwicklung der Figuren besser einordnen kann. Die Spannung steigert sich in dieser Fortsetzung von Seite zu Seite und entlädt sich erst in den letzten Kapiteln, weshalb ich das Buch nur äußerst ungern aus den Händen legen wollte. Die vielfältigen Figuren (hier ist natürlich an erster Stelle Elise zu nennen) haben sich authentisch weiterentwickelt – und ich musste auch die ein oder andere Träne von meinen Wangen wischen, da es doch stellenweise sehr emotional (und traurig) wurde. Es bleibt spannend, wie es mit den vielen Figuren weitergehen wird. Dazu dieser wunderschöne und poetische Sprachstil von Anne Stern, mit dem sie die Gedanken und Gefühle ihrer Protagonisten direkt aus der Vergangenheit ins Hier und Jetzt transportiert. Dadurch werden längst vergangene Zeiten vor den Augen der Leser und Leserinnen wieder lebendig, Geschichte so greifbar… vor allem aber fühlbar. Mein einziger (und sehr persönlicher) Kritikpunkt ist das Cover: Dieses ziert, wie schon den ersten Band, ein Ausschnitt aus einem Gemälde von Ginette Beaulieu. Ich werde mit diesem Malstil nicht warm – und dementsprechend holt mich das Cover einfach nicht ab.
Fazit:Ja… Anne Stern hat mit diesem kraftvollen und gleichzeitig doch so feinfühligen Geschichte wieder einmal gezeigt, warum sie zu meinen absoluten Lieblingsautorinnen gehört. Sehr sehr lesenswert.
* Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplars durch den Verlag, der Titelbezeichnung/ Namensnennung und der Link zur Verlagshomepage muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „Eintauchen in die schillernden Goldenen Zwanziger. Richárd, Franz und Blanka aus dem ehemaligen Österreich-Ungarn träumen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von Ruhm und Erfolg. Das Emelka Filmstudio in München bietet dafür die geeignete Bühne. Während eine Hyperinflation die Weimarer Republik in die Mangel nimmt, scheint der Aufstieg der drei unaufhaltsam zu sein. Doch der Erfolg ruft auch Neider auf den Plan, die bis in die höchsten politischen Kreise reichen. So laufen der NSDAP die Menschen in Scharen zu. Für die jüdischstämmigen Franz und Blanka und den Autisten Richárd geht es bald um das nackte Überleben.“
*Hinweise: – Das Buch habe ich freundlicherweise von der Autorin als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank! – Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
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Das Buch „Glasvulkan – Schall & Rauch“ von Silvia Hildebrandt ist der Auftakt einer historischen Romanreihe, spielt von 1920 bis 1926 zu einem Teil im ehemaligen Österreich-Ungarn, zum anderen Teil in München und zeigt das Leben drei junger Menschen, welche in den Goldenen Zwanziger Jahren auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück sind.
„Den meisten war es fast gleich, was man eigentlich feierte, so schien es Richárd, sie waren traumatisiert von Krieg und Influenza, gelangweilt von den Winterbällen der Älteren, und hatten sich seit einer Woche in einen endlosen Rausch gestürzt. Sechs Jahre lang hatte man gelernt, dass das Leben von einem Tag auf den anderen enden konnte. Nun tanzte, trank und lebte man weiterhin so, als gäbe es kein Morgen.“
[Seite 87]
Temesvár, im ehemaligen Österreich-Ungarn: Während der junge Richárd nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter bei seinem Onkel und Cousin in ärmlichen Verhältnissen aufwächst, wachsen Blanka und ihr Bruder Franci als Kinder einer jüdischen Industiellenfamilie wohlbehütet und ohne Geldsorgen auf. Als Richárd in die Schulklasse von Franci kommt, freunden sich die Beiden an und kurze Zeit später verliebt Richárd sich in Blanca – doch ihre Liebe ist kompliziert. In absehbarer Zeit soll Franci die familieneigene Firma übernehmen – danach steht ihm so gar nicht der Sinn, denn er will nach seinem Schulabschluss nach München und in einem Filmstudio Karriere machen und das Leben in vollen Zügen genießen. Der autistische Richárd möchte in München Germanistik studieren. Die beiden jungen Männer schließen sich zusammen und beginnen in der fernen Stadt ein neues und aufregendes Leben. Richárd kann Blanka nicht vergessen und Blanka kann auch Richárd nicht vergessen. Doch die Hyperinflation nimmt die gesamte Bevölkerung der noch jungen Republik in die Mangel und die NSDAP bekommt immer mehr Zulauf. Dazu kommt, dass Franci sich mit seinem unkonventionellen Lebensstil nicht nur Freunde gemacht hat – sondern auch Feinde.
Im Juni 2021 habe ich das Buch „Trümmerland“ von Silvia Hildebrandt gelesen, welches mich vor allem mit dem spannenden und perfekt recherchierten geschichtlichen Hintergrund begeistert hat. Im Februar 2024 bot mir die Autorin ein Rezensionsexemplar von ihrem neusten Roman „Glasvulkan – Schall & Rauch“ an. Dieses Buch ist mir in den Sozialen Medien immer mal wieder begegnet, wobei das Thema und die Zeit mein Interesse geweckt haben. Diese Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und der Hyperinflation finde ich sehr interessant, da man nur mit diesem Vorwissen die NS-Zeit richtig einordnen kann. Auch wenn ich mittlerweile einige Romane gelesen habe, die in dieser Zeit spielen, wollte ich das Buch sehr gerne lesen. Also sagte Silvia Hildebrandt eine Rezension zu und bekam das Buch wenige Tage später zugesendet – an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön dafür.
Neben dem Klappentext weckte auch das sehr stimmungsvolle Cover meine Aufmerksamkeit. Es zeigt eine Collage der drei Hauptfiguren der Geschichte: Der Mann links schaut mit halbgeschlossenen Augen nach unten, der Mann auf der rechten Seite blickt mit einem wachen Blick zur Seite. Der offene Blick der Frau ist direkt in die Kamera gerichtet und zieht den Betrachter/ die Betrachterin direkt in das Cover hinein. Unterhalb der Collage befinden sich der Name der Autorin, der Titel und der Untertitel des Buches und das schwarz-weiß Bild eines historischen Automobils. Besonders schön und harmonisch finde ich den goldfarbenen Rahmen und den weißen Hintergrund, welche sich auf ebenfalls auf dem Buchrücken und der Buchrückseite befinden. Bei der Ausgabeart handelt es sich um ein einfaches Taschenbuch ohne Klappen mit insgesamt 352 Seiten. Nach zwei Zitaten, einem Überblick über die handelden Personen und ‚Hinweise zur Aussprache‘, beginnt der erzählende Teil im September 1920. Die Handlung des Buches gliedert sich in drei Teile auf: – „Teil I: Mein kleiner grüner Kaktus“ – „Teil II: Straße, Freiheit, Gegenwart“ – „Teil III: Heut‘ geh’n wir morgen erst ins Bett“ Diese Teile sind in einzelne Kapitel unterteilt, welche alle mit einer Überschrift und Zeit- und Ortsangaben versehen sind. Dies sorgt für eine gute zeitliche und örtliche Orientierung in der Geschichte. Mit dem Epilog befinden wir uns dann im Sommer 1926 – somit umfasst die gesamte Handlung etwa sechs Jahre. Mit einer ‚Bemerkung‘, der ‚Danksagung‘, der Trigger Warnung und einem Überblick über das Gesamtwerk der Autorin wird das Buch abgeschlossen.
In den einzelnen Kapiteln steht immer eine der Hauptfiguren im Mittelpunkt, es gibt jedoch auch noch weitere Figuren und Handlungen, welche immer mal wieder im Focus stehen. Die unterschiedlichen Erzählstränge und die einzelnen Geschichten der Figuren sind eng miteinander verknüpft und verbinden sich zu einer großen, runden und mitreißenden Geschichte. Zusätzlich nahm mich Silvia Hildebrandt mit ihrem lebendigen, bildhaften und mitunter rauen Sprachstil schnell mit in die Geschichte. Mit sehr viel Wissen über die Länder, die Eigenheiten der jeweiligen Menschen, den eingestreuten Dialekten und ihrer gewissenhafte Recherche der geschichtlichen Hintergründe, hat sie ein Buch geschrieben, welches mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert hat.
„»Es tut mir leid (…), so hast du mich noch nicht gesehen, aber es ist noch immer so, dass mir das alles zu viel wird, die Hitze, die Kälte, die Gerüche, der Lärm, der Schmerz. Kleinigkeiten manchmal, dann muss ich aus der Haut fahren, weil alles kratzt, beißt, sticht.«„
[Seite 287]
Es gibt drei Figuren, welche im Mittelpunkt der Geschichte stehen: Das Geschwisterpaar Blanka und Franci, welches aus einer reichen jüdischen Industiellenfamilie stammt und Richárd. Alle drei konnten mich mit ihren ungewöhnlichen und tiefgehenden Geschichten berühren. Doch ganz besonders Richárd hat es mir angetan. Nach dem Tod seiner Eltern zieht er zu seinem Onkel und Cousin in eine völlig fremde Stadt. Es wird schnell klar, dass Richárd anders ist – er ist Autist und nimmt dadurch die Welt ganz anders wahr und kämpft in einer Welt, die seine Besonderheit nicht verstehen kann und will. Die Autorin stellt Richárd besonders in den Mittelpunkt der Geschichte und zeigt sehr einfühlsam und authentisch, wie dieser die Welt und die Menschen um sich herum erlebt. Richárd ist ein Charakter, den ich mit seiner interessanten Geschichte und Hintergründen mit Sicherheit noch lange in meinem Herzen tragen werde. Seine Ausdrucksweisen, seine Stimmungsschwankungen und seine Wahrnehmungen beschäftigen mich, auch nach Ende des Buches, noch immer sehr. Blanka und Franci sind ebenfalls äußerst facettenreich dargestellt. Die Beiden entstammen einer jüdischen Familie, leben ihren Glauben nicht aktiv und sind trotzdem immer wieder Ausgrenzungen und Anfeindungen ausgesetzt. Ihr Verhältnis zu den Eltern ist als schwierig und unharmonisch zu bezeichnen und wird von einem (typischen) Generationenkonflikt gezeichnet: Die Mutter ist von ihrer Tochter, die noch immer nicht verheiratet ist, schwer enttäuscht. Der Vater muss hingegen erkennen, dass sein Sohn Franci kein Interesse an dem Familienunternehmen hat. Blanca und Franci haben beide ihre Schwächen, auch wenn sie stets taff und abgeklärt wirken möchten. Auch wenn die Beiden keine reinen Sympathieträger sind, fieberte ich mich mit ihren wechselvollen Geschichten mit und hätte vor allem Blanca gerne das ein oder andere Mal in den Arm genommen, gleichzeitig aber auch gerne mal fest geschüttelt. Wie bereits erwähnt, spielen in diesem Buch noch einige weitere Figuren wichtige Rollen. Allerdings möchte ich an dieser Stelle nicht näher auf diese eingehen, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme. Selten habe ich ein Buch gelesen, welches mich mit seinen anspruchsvollen, vielschichtigen und mitunter komplexen Figuren so begeistern konnte – gleichzeitig aber auch durch ihre Komplexität einen gewissen Anspruch an mich als Leserin stellten. Silvia Hildebrandt beschreibt ihre Figuren nicht in schwarz-weiß – ihre Figuren haben sehr viele unterschiedliche Nuancen. Die vielen Verbindungen aber auch Konflikte und Dramen zwischen den Charakteren waren sehr greifbar – vor allem aber fühlbar.
„»… Ich werde nicht dem Wunsch meines Vaters entsprechen. Stattdessen werde ich Musiker, nein besser noch, Schauspieler! Und du solltest diese Arthusgeschichten studieren! Für was haben die Männer denn im Krieg gekämpft, hm? Nicht damit nachher noch immer alles beim Alten bleibt. Sondern damit wir Jungen endlich unsere Träume verwirklichen können. Die K.-und-K.-Welt ist untergegangen!«„
[Seite 61]
Den geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrund bilden die Jahre 1920 bis 1926. Der Erste Weltkrieg war es vor wenigen Jahren zu Ende gegangen. Doch der Krieg und auch die unmittelbare Nachkriegszeit hatten in der Bevölkerung tiefe Wunden hinterlassen. Das Ende des ehemaligen Österreich-Ungarn, welches von 1867 bis 1918 bestand, besiegelten unter anderen der Erste Weltkrieg, der Zerfall Altösterreichs Ende Oktober 1918 durch die Gründung der Tschechoslowakei, der Austritt Ungarns aus der Realunion per 31. Oktober 1918 sowie 1919 der Vertrag von Saint-Germain und 1920 der Vertrag von Trianon. Ungarn musste mit den Vertrag von Trianon völkerrechtlich verbindlich zur Kenntnis nehmen, dass zwei Drittel des Territoriums des historischen Königreichs verschiedenen Nachbar- und Nachfolgestaaten zufielen. Insgesamt betrafen die Gebietsabtretungen mehr als zwei Drittel (von 325.411 km² auf 93.073 km²) des Reichsgebietes. Ein weiteres Thema ist die Hyperinflation: Zu Beginn der 1920er-Jahre hatte die noch junge Weimarer Republik bei den Siegermächten riesige Schulden. Dazu kamen die Schulden bei der eigenen Bevölkerung, die während der Kriegsjahre dem Staat Millionen von Mark (sogenannte Kriegsanleihen) für die Kriegskosten vorgestreckt hatte. So stand die deutsche Regierung vor gleich mehreren großen wirtschaftliche Probleme: – Das Land nach dem Krieg wieder aufrichten. – Geld für die Reparationsleistungen an die Sieger aufbringen. – Der eigenen Bevölkerung die Kriegsanleihen zurückzahlen, die eigentlich das Kaiserreich aufgenommen hatte. Im Jahr 1923 verspäteten sich die Reparationszahlungen an Frankreich – die Franzosen besetzten daraufhin das Ruhrgebiet. Die deutsche Regierung rief zu Sabotage, Streik und zum passiven Widerstand auf und zahlte die Löhne an die Streikenden weiter. Dies war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Deutschland geriet in den Strudel der dramatischsten Geldentwertung, die das Land je erleben sollte. Um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, brachte die Regierung mehr und mehr Geld in Umlauf, auch wenn es für die immer höhere Anzahl Banknoten keine materiellen Gegenwerte im Land gab. Dadurch begann der Teufelskreis der Inflation. Immer mehr Geld war bald immer weniger wert, Preise und Löhne explodierten. Geld war Spielgeld geworden. Wer seinen Lohn nicht sofort wieder ausgab, konnte sich schon Tage, manchmal Stunden später kaum mehr etwas davon kaufen. Auf dem Höhepunkt der Inflation wurde im November 1923 eine neue Währung geschaffen: die Rentenmark, ab Oktober 1924 schließlich die Reichsmark. Die alte Währung wurde abgeschafft. Mitte der 1920er-Jahre erholte sich die Wirtschaft und Deutschland war wieder zahlungsfähig. Die krisengeschüttelten und politikverdrossenen Menschen suchten Trost und Ablenkung. Schlagartig standen nun Glamour und Unterhaltung hoch im Kurs: Das Startsignal für die berühmten „Goldenen Zwanziger“, deren Aufbruchsgefühl auf Vergnügen und Ablenkung aus ist und neue Maßstäbe in Kunst und Kultur aus ist. Am 8. und 9. November 2023 scheiterte der sogenannte Hitlerputsch, welcher von der NSDAP unter Adolf Hitler und Erich Ludendorf unternommen wurde. Mit erwarteter Hilfe aus der rechtskonservativen bayerischen Landesregierung und Verwaltung sollte nach dem Vorbild Mussolinis die Reichsregierung in Berlin gestürzt werden. Das Ziel des Umsturzversuchs war die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie und die Errichtung einer nationalsozialistischen Diktatur. Diese vielen und vielfältigen geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründe lässt Silvia Hildebrandt gekonnt in ihre Geschichte mit einfließen und verbindet sie mit den Schicksalen und Lebenswegen ihrer Charaktere. Dabei zeigt sie, wie diese Ereignisse in das Leben der Menschen eingebrochen sind – so wird Geschichte erlebbar.
Am Ende dieser Rezension möchte ich mich ganz herzlich bei Silvia Hildebrandt für dieses gelungene und mitreißende Lese-Erlebnis, welches keine Wünsche offen gelassen hat, bedanken. Ich freue mich schon auf den zweiten Band der Reihe und bin sehr gespannt, wie es mit der Geschichte und vor allem den vielen liebgewonnen Figuren weitergehen wird.
Fazit: Das Buch „Glasvulkan – Schall und Rauch“ von Silvia Hildebrandt lässt keine Wünsche offen. Nach dieser außergewöhnlichen Geschichte war ich erstmal völlig geplättet und gleichzeitig von den vielseitigen Charakteren tief berührt. Ja, die Geschichte und die mitunter komplexen Figuren stellen an den Leser/ die Leserin einen gewissen Anspruch. Einerseits entwickelt die Geschichte von Beginn an einen Sog, der dafür sorgte, dass ich das Buch nicht mehr aus den Händen legen wollte, auf der anderen Seite wollte ich die Geschichte und jedes einzelne Wort genießen. Es ist kein heiterer und leichter Roman – sondern eine Geschichte, die noch lange beschäftigt und nachhallt. Absolute Leseempfehlung für dieses gelungene Highlight.
*Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „Rheinprovinz, 1850. Rose und Henri sind jung, ungestüm und träumen von einem besseren Leben. Als die australische Regierung im preußischen Köln neue Siedler anwirbt, ergreifen sie die Chance und brechen auf ins Ungewisse. Im sengenden Hinterland Australiens erleben sie zahllose Strapazen und Entbehrungen, doch scheinen ihrem Traum von Freiheit bald zum Greifen nah. Dann verschwindet Henri spurlos. Rose bleibt allein mit ihrer gemeinsamen Farm und den zwei Kindern zurück. Schon bald muss sie lernen, sich als einzige Frau unter den einflussreichsten Farmleitern der Gegend zu behaupten. Australien, 1875. Als Joshua als junger Mann einen rätselhaften Brief an seinen seit Jahren verschollenen Vater findet, bricht er auf, um diesen endlich zu finden. Seine Suche führt ihn zurück dorthin, wo alles begann: ins Deutsche Reich, die Heimat seiner Eltern. Die Geheimnisse, die er dort erfährt, zwingen ihn und seine Mutter Rose, sich den Schatten der Vergangenheit zu stellen. Und schon bald wird klar, dass nichts je so war, wie es schien …“
Hinweise: – Das Buch habe ich freundlicherweise von der Autorin als signiertes Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank! – Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
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Das Buch „Solange wir uns hatten“ von Leonie Wittkamp ist ein historischer Roman, welcher auf zwei Zeit-Ebenen erzählt wird: Auf der ersten Erzählebene geht es um ein Paar, welches sich als Siedler in den 1850er Jahren in Australien ein neues Leben aufbauen möchte, auf der zweiten Erzähl-Ebene sucht der Sohn des Paares Jahre später nach Antworten.
„»Nun gut. Vielleicht ist es an der Zeit. Weißt du, dein Vater und ich hatten eigentlich ganz andere Pläne, als wir damals aufbrachen. Ich hätte mir nie zu träumen gewagt, wie unsere Reise schließlich enden würde ...«„
[Seite 72]
Rheinprovinz in den 1850er Jahren: Rose und Henri sind seit früher Kindheit an eng miteinander befreundet und sind sich sicher, dass sie ihr Leben gemeinsam als Paar verbringen möchten. Als für Henri klar wird, dass er keine Zukunft im väterlichen Betrieb hat, sucht er, in Begleitung von Rose, in der nahegelegenen Stadt Köln nach Arbeit – doch auch hier findet sich keine Perspektive. Als ein Fremder sie anspricht und ihnen die Möglichkeit aufzeigt, im fernen Australien als Siedler ein neues Leben zu beginnen, begeben sie sich kurz entschlossen auf diese Reise, welche ihre Leben für immer verändern wird. Der Traum von Freiheit und Selbstbestimmtheit ist zum Greifen nah, als Henri plötzlich über Nacht verschwindet und nicht mehr heimkehrt. Rose bleibt alleine mit ihren zwei Kindern und in völliger Ungewissheit zurück . Australien in den 1875er Jahren: Joshua findet ein Fragment eines Briefes an seinen Vater, welcher seit Jahren vermisst wird. Er reist in das Land seiner Eltern zurück und begibt sich dort auf Spurensuche, mit dem Ziel seinen Vater wiederzufinden. Doch er stößt auf ein langgehütetes Familiengeheimnis, welches nicht nur seine, sondern auch die Vergangenheit und Zukunft seiner Eltern für immer verändert.
Auf das Buch wurde ich Mitte Dezember 2023 durch eine Nachricht der Autorin Leonie Wittkamp auf Instagram aufmerksam gemacht. In dieser Nachricht stellte sie mir ihr Buch vor und fragte eine Rezension an. Als ich den Klappentext gelesen hatte, war mein Interesse schnell geweckt, denn diese Zeit-Epoche, vor allem über den historischen Hintergrund ‚Auswanderung nach Australien‘, habe ich bisher noch keinen Roman gelesen. Deshalb sagte ich der Autorin zu und bekam das signierte Buch zusammen mit einem Lesezeichen, einer Postkarte und einer Visitenkarte zugesendet. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich für diese wunderschöne Buchpost bedanken.
Neben dem Klappentext hat mich auch das sehr ausdrucksstarke und passende Cover angesprochen, welches direkt vermittelt, wo die Handlung des Buches angesiedelt ist. Zu sehen ist eine Frau, welche schräg mit dem Rücken zum Betrachter vor einer typischen Outback-Landschaft aus Gräsern und rötlicher Erde steht. Sie trägt ein braunes Kleid, die rotblonden Haare sind offen, ihr Blick geht nach links. Vor ihr läuft ein kleines Mädchen in einem weißen Kleid in Richtung eines kleinen Weihers, hinter dem auf der rechten Seite eine Schafsherde steht. Dahinter erstreckt sich die Landschaft bis zu einem Berg in der Ferne. Auf dem endlos erscheinen Himmel stehen der Name der Autorin und der Titel des Buches. Das einfache Taschenbuch ohne Klappen hat insgesamt 316 Seiten, welche sich auf einen Prolog, 41 Kapitel und einen Epilog aufteilen. Der Prolog setzt im Jahr 1862 in New South Wales, Australien ein, die Handlung des ersten Kapitel beginnt dann im Jahr 1842 in Waldhütten, Rheinprovinz, Preußen und bildet den ersten Erzählstrang. Mit dem dritten Kapitel befinden wir uns im Jahr 1875 in New South Wales und damit im zweiten Erzählstrang der Geschichte. Diese beiden Erzählstränge wechseln sich in unregelmäßigen Abständen kapitelweise ab, wobei der erste Erzählstrang auf den zweiten zuläuft. Der erste Erzählstrang erzählt die Geschichte von Rose und Henri, der zweite handelt von ihrem gemeinsamen Sohn Joshua, welcher sich Jahre nach dem plötzlichen Verschwinden seines Vaters auf die Suche nach Antworten macht. Dadurch, dass die Geschichten der beiden Erzählstränge eng miteinander verwoben sind, bauen sich von Anfang an eine immense Spannung und auch eine sehr dichte Atmosphäre auf. Auch wenn mich die vielen Zeitsprünge zu Beginn etwas verwirrt haben, konnte ich den Geschichten und der Handlung gut folgen und wollte das Buch dann gar nicht mehr aus den Händen legen. Immer wieder konnten mich die vielen unvorhersehbaren Wendungen überraschen. Ab der ersten Seite hat mich die Handlung mitgenommen, nein… sie hat mich mitgerissen und erst auf der letzten Seite wieder losgelassen. Zudem hat mich der flüssige und bildhafte Sprachstil der Autorin ab der ersten Seite tief in die Geschichte eintauchen lassen.
„Kurz überkam sie die altbekannte Schwere, dieses Gefühl, ohnmächtig dabei zusehen zu müssen, wie ihr eigenes Leben ihr entglitt.“
[Seite 196]
Aber auch die vielen, vielfältigen und vor allem sehr ambivalent gezeichneten Figuren und deren mitreißende Hintergründe nahmen mich schnell mit. Es passiert nicht oft, dass ich ab der ersten Seite eine solch enge Verbindung zu den Figuren spüre und trotzdem nicht weiß, wohin mich die Reise mit ihnen bringen wird. Nichts an ihren Biografien ist so, wie es auf den ersten Blick erscheint, es kommt immer wieder zu dramatischen Wendungen und persönlichen Umbrüchen. Rose und Henri und ihre gemeinsame Geschichte bilden den Mittelpunkt des ersten Erzählstrangs. Den Beiden ist seit früher Kindheit klar, dass sie zusammengehören und ihr ganzes Leben zusammen bleiben möchten. Beide entfliehen der Enge ihres Heimatortes Waldhütten und beginnen im sehr fernen Australien ein neues Leben. Die Entwicklung der Beiden, von Kindern zu Jugendlichen hin zu mitunter leidgeplagten Erwachsenen ist Leonie Wittkamp außerordentlich authentisch und gut gelungen. Auch die Geschichte ihres sympathischen Sohnes Joshua konnte mich begeistern und mitreißen. Er begibt sich in die Vergangenheit seiner Eltern, wandelt auf deren Pfaden und spürt den Geschichten in deren Heimatdorf nach. Wie auch für seine Eltern ist die Reise ins ferne Deutsche Reich eine Art Flucht – nur in die andere Richtung. Während seine Eltern aus der Enge des Dorfes in der Rheinprovinz in die Freiheit nach Australien aufgebrochen sind, kehrt Joshua in dieses Dorf zurück, weg von der Weite Australiens und der gleichzeitigen Enge der elterlichen (mütterlichen) Farm.
„In Lukas‘ Haus hatte er sich den Vater nicht recht vorstellen können. Doch dieser Ort war durchtränkt von seiner Präsenz, von seiner und Mutters. Wie hielt sein Onkel es aus, hier zu leben und Tag für Tag an die Vergangenheit erinnert zu werden, die nie wiederkehren würde?“
[Seite 187]
Um nicht zu viel von der Handlung vorwegzunehmen, möchte ich nicht zu detailliert auf die einzelnen Charaktere eingehen. Wie bereits erwähnt, konnten sie mich alle mit ihren authentischen und wandlungsvollen Geschichten begeistern – ich hatte so einige Male die Tränen in den Augen. Die Tragik, vor allem aber die Spannungen, Zerwürfnisse, Differenzen aber auch die Anziehungen zwischen einigen der Figuren waren für mich fühl- und spürbar.
Den geschichtlichen Hintergrund bildet das 19. Jahrhundert – einmal in der deutschen Rheinprovinz und einmal in Australien. Die Rheinprovinz (auch Provinz Rheinland, Rheinpreußen oder Rheinlande genannt) war eine von 1822 bis 1945 bestehende Provinz Preußens am namensgebenden Rhein. Sie entstand 1822 als Fusion der Provinzen Jülich-Kleve-Berg und Großherzogtum Niederrhein. Nachdem sich in der Zeit zwischen 1850 und 1870 die Startphase der Industriellen Revolution vollzogen hatte, trat das Kaiserreich in die Phase der Hochindustrialisierung ein. Die Zentren der industriellen Produktion in Mittel- und Südwestdeutschland, um Berlin und vor allem im Ruhrgebiet wurden immer größer und ökonomisch dominanter. Hier fanden nicht nur die Überschüsse einer rasch wachsenden Bevölkerung Beschäftigung, die zwischen 1871 und 1910 von 41 auf 65 Millionen anstieg. Die Industrialisierung rief vielmehr auch eine enorme Mobilität hervor, denn viele Menschen zogen auf der Suche nach Arbeit vom Land in die expandierenden industriellen Zentren – oder sie wanderten gleich nach Übersee aus, wo sie die Unabhängigkeit und Freiheit lockte.
Erst 1770 prägte James Cook die australische Geschichte entscheidend, als er am 28. April die Ostküste betrat und das Land im Namen der Krone als britische Kolonie in Besitz nahm. Hiermit war New South Wales geboren – in dieser Kolonie ist der Roman „Solange wir uns hatten“ angesiedelt. Im Laufe der Jahre entstanden weitere wichtige Kolonien: 1792 Tasmania, 1829 Western Australia, 1836 South Australia, 1851 Victoria, 1859 Queensland und 1863 Northern Territory.
1851 war ein besonderes Jahr in der Geschichte Australiens, da in der Nähe von Melbourne Gold gefunden wurde, was einen mehrere Jahre andauernden Goldrausch auslöste, der dazu beitrug, dass immer mehr Menschen freiwillig einwanderten. Von 1855 bis 1890 erlangten die verschiedenen Kolonien eine immer größer werdende Unabhängigkeit vom britischen Empire, obwohl England nach wie vor Einfluss und Kontrolle (zum Beispiel Außenpolitik, Handel und Verteidigung) ausübte. Auf diese geschichtlichen Hintergründe legt Leonie Wittkamp in ihrem Roman nicht das Hauptaugenmerk, stellt diese aber anhand der Lebensgeschichten ihrer Protagonisten gut und verständlich da. Ganz besonders beeindruckt haben mich die detailliert dargestellten Hintergründe zur entbehrungsreichen und vor allem gefährlichen Überfahrt nach Australien und auch die Beschreibungen des Landes und der einzigartigen Flora und Fauna.
„Henris Gedanken rasten. Ein eigener Hof! Das Blut rauschte in seinen Ohren. Dann fiel ihm der Haken an der Sache wieder ein. In Übersee! Was meinte Rose – eine britische Kolonie? Das klang weit weg. Wo liegt Australien überhaupt? Hilfesuchend wandte er sich an Rose. In ihrem Blick erkannte er denselben Kampf, den auch er austrug. Stumm sahen sie sich in die Augen, in denen sich ihre wechselnden Gefühle spiegelten: Aufregung, Angst, Ablehnung, Hoffnung.“
[Seite 87]
Am Ende dieser Rezension möchte ich mich ganz herzlich bei Leonie Wittkamp für dieses unvergessliche Lese-Erlebnis bedanken. An meiner Arbeit als Buchbloggerin liebe ich es, solche starken und unvergesslichen Geschichten zu entdecken, die ich ohne Blog nicht gefunden hätte. Ich bin so dankbar für diese eindrucksvolle und unvergessliche Geschichte, aus der ich einiges mitnehme und in meinem Herzen bewahren werde.
Fazit: Ich bin von dieser unglaublich berührenden und dramatischen Geschichte tief beeindruckt. Sehr tief. Das ist ein Roman, welcher definitiv noch lange in meinem Kopf und Herzen bleiben wird – und somit das erste Highlight des noch jungen Lese-Jahres bildet. Ab der ersten Seite hat mich die Handlung mitgenommen, nein… sie hat mich mitgerissen und erst auf der letzten Seite wieder losgelassen. Immer wieder lief es mir während des Lesens eiskalt den Rücken hinunter, ich kämpfte mit den Tränen – und nehme trotzdem so viel an Lebensweisheiten und Positiven mit aus diesem absolut lesenswerten Roman. Eine ganz ganz große Leseempfehlung.
*Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „Reichsland Elsaß-Lothringen 1910: Im mittelalterlichen Moselstädtchen Diedenhofen führt die junge Lehrerin Pauline Martin inmitten einer bunt gemischten Bevölkerung aus Deutschen und Franzosen ein Pensionat für höhere Töchter, die sie zu eigenständigen und selbstbewussten Frauen erziehen will. Als ihr neuester Schützling Suzette sich heimlich mit einem Soldaten trifft und kurz darauf spurlos verschwindet, bittet Pauline den preußischen Hauptmann Erich von Pliesnitz um Hilfe. Ihre enge Zusammenarbeit droht, die strengen Konventionen der Kaiserzeit zu sprengen. Und dann ist da noch Paulines neuer Gärtner Vincent, der ein dunkles Geheimnis hütet. Kann Pauline Suzette finden und den guten Ruf ihres Pensionats bewahren?“
Hinweise: – Das Buch habe ich freundlicherweise vom Heyne Verlag als Rezensionsexemplar (eBook) zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank! – Ich habe für diese Rezension von der Autorin und/ oder vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein. – Da ich dieses Buch als eBook gelesen habe, sind die Zitate ohne Seitenangabe versehen.
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Das Buch „Das Pensionat an der Mosel – Töchter des Aufbruchs“ von Marie Pierre ist der Auftakt zu einer Buchreihe, welche ab dem Jahr 1910 hauptsächlich in der Stadt Diedenhofen (Thionville) im ehemaligen Reichsland Elsaß-Lothringen spielt und das mitunter nervenaufreibende Leben der jungen Lehrerin und Pensionat-Leiterin Pauline Martin zeigt.
„In diesem Moment glaubte Pauline, einen jener seltenen Augenblicke vollkommenen Glücks erleben zu dürfen. In ihrem geliebten Garten zu sitzen, von dessen Duft verwöhnt, von der Sonne beschienen, und dabei das zu tun, was ihr am meisten am Herzen lag: zu unterrichten, junge Mädchen auf ihrem Weg zu Bildung und Wissen zu begleiten.“
[Kapitel 21]
Reichsland Elsaß-Lothringen im Jahr 1910: Allen gesellschaftlichen und familiären Widerständen zum Trotz hat Pauline Martin das Mädchen-Pensionat in der Stadt Diedenhofen (Thionville) übernommen und unterrichtet ihre Schützlinge mit Hingabe und großer Leidenschaft. Denn sie möchte die ihr anvertrauten jungen Mädchen zu eigenständigen und selbstbewussten Frauen erziehen. Ein Ziel, welches sich bei der Schülerin Suzette als äußerst schwierig gestaltet: Diese ist nämlich zum ersten Mal verliebt und verschwindet plötzlich spurlos. Pauline findet Hilfe bei dem preußischen Soldaten Hauptmann Erich von Pliesnitz, der sie erst nur widerwillig unterstützt, da er seine ganz eigenen Erfahrungen mit sich trägt. Und auch Paulines neuer Gärtner scheint ein dunkles Geheimnis zu haben …
Marie Pierre ist das offene Pseudonym der Autorin Maria W. Peter, welche mich mit ihren starken und unvergesslichen Büchern wie „Die Festung am Rhein“, „Die Melodie der Schatten“ und zuletzt mit dem Buch „Eine Liebe zwischen den Fronten“ begeistert hat. Als die Autorin ihre neue Buchreihe ankündigte, wusste ich sofort, dass ich diese unbedingt lesen muss, da mich die Bücher und die tiefgründigen Geschichten dieser Autorin immer wieder beeindrucken und auch der spannend klingende Klappentext sprach mich an. Die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts empfinde ich als eine sehr spannende Zeit, aus der sich zudem vieles ableiten lässt, was dann im weiteren Verlauf des Jahrhunderts geschehen ist. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich beim Heyne Verlag für das vorzeitige Rezensionsexemplar bedanken. Da ich das Buch als eBook gelesen habe (das Paperback erscheint am 14. Februar 2024), kann ich an dieser Stelle keine Aussage zur Ausstattung des Paperbacks machen. Insgesamt hat das Buch 448 Seiten und gliedert sich in insgesamt 44 Kapitel auf. Dem ersten Kapitel sind ein Übersichtsplan der Stadt Diedenhofen (Thionville) und eine ausführliche Übersicht der Figuren der Handlung vorangestellt. An das letzte Kapitel schließen sich ein Epilog, ein ausführliches Nachwort, ein Glossar (Fachbegriffe), ein Glossar (Fremdsprachlich), ein Überblick über die wissenschaftliche Beratung und Reise- und Stöbertipps zu den Schauplätzen und Hintergründen an. Das erste Kapitel beginnt im Juni 1910, der Epilog setzt dann im Dezember 1910 an. Somit umfasst die gesamte Handlung des Buches also etwa sechs Monate, wobei sich die Haupthandlung (ohne Epilog) auf nur wenige Wochen verteilt.
Das stimmige Cover zeigt eine Collage aus drei jungen Frauen, von denen nur die mittlere direkt in die Kamera schaut. Ihr Blick ist hierbei offen, ein leichtes Lächeln umspielt ihre Lippen. Die Frauen links und rechts von ihr schauen in die Richtung der mittleren Frau, allerdings wirkt es so, dass diese Blicke gleichzeitig auch in die Ferne gehen. Nach der Lektüre sehe ich in diesen drei Frauen auch die drei weiblichen Hauptfiguren. In der Mitte des Covers befindet sich die Zeichnung eines herrschaftlichen Hauses, darunter der Titel und der Untertitel des Buches. Den unteren Bereich des Covers bildet die Ansicht einer kleinen Stadt, welche idyllisch an einem Fluss liegt und über der sich ein schier endlos erscheinender Himmel erhebt.
Wie in ihren bisher erschienen Büchern zeichnet sich auch dieser Roman durch die exzellente, ambivalente und authentische Zeichnung der Figuren aus. Marie Pierre hat auch in diesem Buch ganz besondere Charaktere geschaffen, welche auf der einen Seite stark sind, gleichzeitig aber auch vom Leben gezeichnet sind und ihre Schwächen haben.
„»Hier in meinem Institut stelle ich große Ansprüche an meine Schülerinnen, Ansprüche und auch Forderungen. Manche davon betreffen die Schulbildung, denn nur Bildung und Wissen erlauben es, sich später einmal selbstständig im Leben zurechtzufinden, sich nichts von anderen vormachen zu lassen. Fast noch wichtiger ist es mir jedoch, eure Persönlichkeiten zu fördern, eure Reife, und somit die Fähigkeit, Verantwortung für sich und das eigene Handeln zu übernehmen. Richtig von Falsch zu unterscheiden, Wahrheit und Lüge. Und das, genau das ist der entscheidende Schritt auf dem Weg zur persönlichen Freiheit. Eine Freiheit, die dir niemand nehmen kann.«„
[Kapitel 43]
Im Mittelpunkt steht hierbei die junge Lehrerin und Pensionat-Leiterin Pauline. Mit ihrer Familie hat sie, nachdem sie die Leitung des Mädchenpensionats übernommen hat, gebrochen. Pauline möchte aus ihren Schützlingen starke, selbstständige, selbstbewusste und vor allem freie Frauen machen, die sich in einer von Männern regierten Welt gut zurechtfinden. Pauline weiß genau, was sie will und setzt ihre Wünsche und Ziele auch schnell und zielgerichtet um. Auch wenn sie weiß, dass hinter vorgehaltener Hand viel über sie und ihr Pensionat geredet wird, gibt sie sich und ihre Einrichtung nicht auf. Innerlich ist die lebensfrohe Pauline durch und durch Französin und kann mit den nüchternen Preußen nicht wirklich etwas anfangen. Doch als sie den preußischen Soldaten Hauptmann Erich von Pliesnitz kennenlernt, wagt sie einen Blick hinter die Fassade des auf den ersten Blicks gefühllosen Preußen. Ich mochte die beiden gegensätzlichen Charaktere, auch wenn es bei dem eigenbrötlerischen Erich von Pliesnitz etwas länger gedauert hat. Pauline hat eine feine Beobachtungsgabe und ist eine so lebensbejahende und aufgeschlossene Figur, welche ich ab der ersten Seite fest ins Herz geschlossen habe. Durch ihre immense Bildung macht ihr so schnell niemand etwas vor.
„Diese natürliche Selbstsicherheit und Autorität, mit der sie die Dinge in die Hand nahm …“
[Kapitel 28]
Einige weitere Figuren stehen neben diesen Hauptfiguren im Mittelpunkt der Geschichte. Auch wenn ich anfangs etwas überfordert mit den vielen Namen und den Hintergründen der Figuren war, konnte ich der Handlung immer gut folgen. Auch gibt es am Anfang des Buches ein gut gegliedertes Personenverzeichnis, auf welches ich zurückgreifen konnte, falls mir doch ein Name und/ oder Hintergrund entfallen ist. Suzette ist eine der Figuren, welche neben Pauline und Erich im Zentrum der Geschichte steht. Sie ist ein junges, sehr eigenwilliges und mitunter auch lautes Mädchen, welche nicht viel auf Regeln gibt und zum ersten Mal so richtig verliebt ist. Neben ihr steht ihre Bettnachbarin Louise, welche eher ruhig und in sich gekehrt ist. Besonders gefallen hat mir der völlig undurchsichtige Charakter des Gärtners Vincent. Dem Leser/ der Leserin wird schnell klar, dass er ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt, welches sich erst nach und nach lüftet. Wie auch Pauline selbst, tappt auch der Leser/ die Leserin völlig im Dunklen. Neben diesen Figuren spielen noch eine Vielzahl an Figuren in dieser Geschichte kleine und große Rollen. Sie alle bilden mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Eigenheiten ein stimmiges Bild der bunt gemischten Bevölkerung aus Deutschen und Franzosen im ehemaligen Reichsland Elsaß-Lothringen ab. Besonders gelungen fand ich hier, dass Marie Pierre auch mit dem jeweiligen Zungenschlag ihrer Figuren arbeitet. Dadurch wirkt die Geschichte und auch die Figuren nochmals lebendiger und authentischer. Um nichts von der Spannung der Geschichte vorwegzunehmen, gehe ich an dieser Stelle nicht detailliert auf die zahlreichen Figuren ein. Marie Pierre verbindet die einzelnen kleinen Geschichten ihrer größtenteils fiktiven Figuren zu einer großen und spannenden Geschichte und verwebt alles mit den akribisch recherchierten historischen Hintergründen. Dabei waren auch die Tragik, die Spannungen, Zerwürfnisse und Differenzen, aber auch die Anziehungen zwischen den Figuren immer fühlbar und zogen mich tief in die Geschichte und die Geschehnisse hinein. Es bleibt spannend, wie es für einige der Figuren in den folgenden Teilen weitergehen wird. Der zweite Band erscheint am 14. August 2024 , der dritte Band am 12. Februar 2025 – und ich freue mich jetzt schon so sehr auf die Fortsetzungen.
Nicht nur die lebensechten Figuren und deren mitreißenden Lebensgeschichten sorgten für einen guten Lesefluss: Der bildgewaltige und wunderschöne Sprachstil der Autorin entführte mich ab der ersten Seite in vergangene Zeiten. Zudem herrscht schnell eine immense Spannung, welche bis zum Ende anhält und welche mich das Buch nur schwer aus den Händen hat legen lassen. Neben dieser Spannung hielt mich auch die dichte Atmosphäre des Buches gefangen. Zusammen mit dem akribisch recherchierten geschichtlichen Hintergründen ist hier ein historischer Roman der Spitzenklasse entstanden, welcher keine Wünsche offen gelassen hat.
„Zudem war hier, im sogenannten Reichsland Elsaß-Lothringen, das nach dem letzten Krieg im Jahr 1871 von Frankreich abgetrennt und dem Deutschen Kaiserreich zugeschlagen worden war, das Verhältnis zwischen der einheimischen Bevölkerung und den aus anderen deutschen Staaten zugezogenen Altdeutschen noch immer von Spannungen begleitet.“
[Kapitel 1]
Den geschichtlichen Hintergrund bildet das Jahr 1910 im damaligen Reichsland Elsaß-Lothringen. Nach der Niederlage Frankreichs im Deutsch-Französischen Krieg (19. Juli 1870 bis 10. Mai 1871), musste Frankreich das Elsass und Teile von Lothringen an Deutschland abtreten und eine Kriegsentschädigung von fünf Milliarden Franc zahlen. Für Frankreich bedeuteten die deutschen Annexionen eine tiefe Demütigung, für die Bewohner der Gebiete war es der Verlust der eigenen Identität, Kultur und Vergangenheit. Viele Bewohner Elsass-Lothringens nutzten die Möglichkeit, die französische Staatsangehörigkeit zu behalten und ihren Wohnsitz nach Frankreich zu verlegen. Bis zum Stichtag am 1. Oktober 1871 optierte rund 10 Prozent der Bevölkerung für Frankreich.
Bildquelle: Von F.E Bilz, Louis Gerstner Geographische Anstalt Leipzig, 1905
Während viele Elsässer und Lothringer ihre Heimat verließen, wanderten zahlreiche Deutsche ins „Reichsland“ ein, insbesondere Beamte und Militärs. Schon 1875 stellten die Einwanderer rund fünf Prozent der Gesamtbevölkerung, 1890 etwa zehn Prozent und 1910 rund 15 Prozent. Die neue deutsche Verwaltung, welche die französische auf allen Ebenen abgelöst hatte und häufig als Fremdherrschaft wahrgenommen wurde, verfolgte eine stark repressive Germanisierungspolitik, was immer wieder zu schweren Konflikten führte. Verboten war beispielsweise das Singen der Marseillaise und die Verwendung französischer Hoheitssymbole. An dieser Stelle empfehle ich euch das ausführliche Nachwort der Autorin, in dem sie die Zusammenhänge sehr gut zusammengestellt hat. Die damalige Gesellschaft war von den Männern geprägt und dominiert. Frauen durften zu dieser Zeit nicht wählen und auch in Sachen Bildung standen Mädchen den Jungen hinten an. Die sogenannten Mädchenpensionate wurden als Alternative zu den öffentlichen Schulen in Anspruch genommen, waren aber wegen des Schulgeldes nur für besserverdienende Familien eine Option. Erst im Jahr 1908 gab es in Preußen eine Bildungsreform, die es Mädchen fortan erlaubte zu studieren. Diese geschichtlichen, vor allem aber die gesellschaftlichen Hintergründe hat Marie Pierre in ihrem Roman sehr gut dargestellt und nachgespürt. Der Leser/ die Leserin bekommt anhand der lebensecht gezeichneten fiktiven Figuren und deren vielfältigen Hintergründen eine Ahnung davon, wie das Leben, vor allem das Zusammenleben, der unterschiedlichen Menschen im Reichsland Elsaß-Lothringen war und welche alltäglichen Konflikte zwischen den Menschen herrschten.
„Unwillkürlich flogen ihre Gedanken zur Geschichte ihrer Heimat, die vor fast vierzig Jahren entwurzelt, der eigenen Identität, ja sogar Teilen ihrer Bevölkerung beraubt worden war. Wo der Wunsch, wieder Frankreich anzugehören, als Landesverrat angesehen werden konnte. Wo der deutsche Kaiser das Land über einen von ihm eingesetzten Statthalter verwaltete, ohne die Bevölkerung nach ihrer Meinung zu fragen.“
[Kapitel 15]
Am Ende dieser Rezension möchte ich mich ganz herzlich bei der Autorin für dieses lehrreiche und gleichzeitig spannungsgeladene Lese-Vergnügen bedanken. Ich freue mich schon so sehr auf die Fortsetzungen und auf ein Wiedersehen mit den vielen (teils sehr liebgewonnenen) Figuren.
Fazit: Das Buch „Das Pensionat an der Mosel – Töchter des Aufbruchs“ von Marie Pierre ist einfach perfekt: Die Spannung, die tiefe und dichte Atmosphäre, die absolut gelungenen und vielfältigen Charaktere und der wunderbar dargestellten geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründe. Einfach rundum gelungen und ganz ganz großes Kino – ich habe so viel Neues gelernt und erfahren. Ein absolut lesenswerter und vielversprechender Auftakt zu einer Trilogie, den ich euch sehr ans Herz lege.
*Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „Florenz, 1494: Lisa Gherardini und Giuliano aus der mächtigen Dynastie der Medici sind heimlich ein Liebespaar. Als die Medici aus der Stadt vertrieben werden, zwingt Lisas Vater die junge Frau zur Heirat mit dem viel älteren Seidenhändler Francesco del Giocondo. Doch ihr Herz hängt an ihrem Geliebten. Venedig, 1495: Leonardo da Vinci ist der berühmteste Künstler seiner Zeit. Als Giuliano de‘ Medici ihn bittet, Lisa zu porträtieren, um seiner Geliebten auf diese Weise Nachrichten zukommen zu lassen, geht Leonardo auf das riskante Spiel ein. Dadurch gerät Lisa nicht nur in eine gefährliche Verschwörung – auch ihr Herz wird auf eine schwere Probe gestellt. Das mitreißende Schicksal der Frau mit dem geheimnisvollen Lächeln.“
Allgemeine Hinweise: – Das Buch habe ich freundlicherweise vom Lübbe Verlag und der Autorin Beate Rygiert als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank! – Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
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Das Buch „Das Geheimnis der Mona Lisa“ von Beate Rygiert ist ein historischer Roman, welcher im ausgehenden 15. Jahrhundert/ beginnenden 16. Jahrhundert vorwiegend in Florenz spielt und eine Geschichte erzählt, welche möglicherweise hinter dem berühmtesten und geheimnisvollsten Portrait der Welt stehen könnte.
„Nein, er fühlte, dass er (…) ein Werk schaffen könnte, das über alles hinausging, was bislang gemalt worden war. Etwas, das zukunftsweisend war. Weil er nicht einfach die physische Gestalt abbilden würde, sondern das Geheimnis, das diese Frau in sich barg.“
[Seite 340, Kapitel 8 „Nächtliche Schatten“]
Florenz 1494: Die Stadt ist in heller Aufregung, als die Mitglieder der Familie Medici vertrieben werden. Die junge Lisa, welche eine Liebesbeziehung zu Giuliano, dem drittgeborenen Sohn von Lorenzo de’ Medici, unterhält, möchte mit ihrem Geliebten die Stadt verlassen und mit ihm ein neues Leben beginnen. Doch ihre Flucht wird im letzten Moment vereitelt. Während Giuliano zusammen mit seinem Bruder Piero Florenz verlässt, wird Lisa von ihrer Familie in ein Kloster gesteckt. Kurze Zeit später muss Lisa auf Drängen von ihrem Vater den viel älteren Seidenhändler Francesco del Giocondo heiraten. Auch wenn sie mit den Jahren ihrem Ehemann Francesco näher kommt, gehört ihr Herz noch immer Giuliano, den sie nicht vergessen kann und will. Als Leonardo da Vinci, der berühmteste Künstler seiner Zeit, im Auftrag von Giuliano ein Portrait von Lisa anfertigen soll, geraten Leonardo und Lisa in eine gefährliche Verschwörung, welche nicht nur die Beiden in große Gefahr bringt.
Anfang des Jahres 2022 habe ich das Buch „Die Ullstein-Frauen“ von Beate Rygiert mit großer Begeisterung innerhalb von nur wenigen Tagen gelesen. Seit dem folge ich der Autorin in den Sozialen Medien und war sehr erfreut, als sie Ende Mai 2023 ihr neues Projekt „Das Geheimnis der Mona Lisa“ ankündigte. Der Erscheinungstermin wurde sofort notiert, da das Buch auf vielen Ebenen mein Interesse weckte: Zum einen fasziniert mich das Gemälde Mona Lisa schon seit ich denken kann (auch wenn ich es noch nie live gesehen habe), aber auch die Geschichten dahinter und die Epoche selbst üben seit jeher einen Reiz auf mich aus. Freundlicherweise vermittelte mir die Autorin ein Rezensionsexemplar, welches mir der Lübbe Verlag Anfang Dezember 2023 zusendete – an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön dafür.
Neben dem Thema sprach mich aber auch das stimmige Cover an, welches in roten, weißen und goldenen Tönen gehalten ist. Auf einer roten Leinwand-Struktur steht der Titel des Buches und der Name der Autorin in teilweise weißer und teilweise in goldglänzender Schrift. Im oberen linken Bildrand ist eine goldene Feder zu sehen, im Buchstabe ‚O‘ des Wortes ‚MONA‘ ist ein Ausschnitt aus dem gleichnamigen Gemälde zu sehen. Zusammen mit dem Titel wird so auf den ersten Blick das Hauptthema des Romans klar.
Bei der Ausgabeart des Buches handelt es sich um eine Klappbroschur mit 608 Seiten. Auf der vorderen Klappe befinden sich einige Zitate, welche die Hauptfigur beschreiben, auf der hinteren Klappe wird die Autorin mit einem Foto und einer kurzen Biografie vorgestellt. Außerdem wird auf beiden Klappen das Federmotiv des Covers aufgegriffen. Das Innere der vorderen und hinteren Klappen ist einem dunklen grün gehalten und es werden die einzelnen Figuren der Geschichte aufgeführt. Die Handlung des Buches beginnt nach einem Zitat von Leonardo da Vinci mit dem ersten Kapitel „Die Flucht“, welches im November 1494 ansetzt. Besonders schön fand ich, dass jedes Kapitel mit einer Feder illustriert und in Szene gesetzt ist. Das 15. und letzte Kapitel spielt im Jahr 1505 an, der Epilog im Jahr 1519 – somit umfasst die gesamte Handlung – inklusive des Epilogs – etwa 25 Jahre, wobei die Haupthandlung zwischen 1494 und 1505 stattfindet. Dem Epilog schließt sich ein ausführliches und sehr interessantes Nachwort der Autorin an. Die Geschichte wird chronologisch und sehr spannend und einfühlsam erzählt. Zu Beginn wechseln sich die beiden Hauptfiguren (Lisa und Leonardo) kapitelweise ab, in ungefähr der Mitte des Buches treffen sich ihre Lebenswege. Beate Rygiert baut, zusammen mit ihrem bildhaften und wunderschönen Sprachstil ab der ersten Seite eine immense Spannung auf. Zudem beschreibt ihre vielen und vielfältigen Figuren so detailliert und liebevoll, dass ich zu diesen sofort eine Beziehung aufbauen konnte. Schnell merkte ich, dass ich mir mit diesem Buch einfach Zeit lassen wollte, um die gesamte intensive Atmosphäre des Buches in mich aufzunehmen und die Figuren richtig kennenzulernen. Deshalb las ich die insgesamt 608 Seiten mit Bedacht und Genuss. Nach der letzten Seite fiel es mir dementsprechend sehr schwer, Abschied von all den liebgewonnen Figuren und der gesamten Geschichte zu nehmen.
„Lisa del Giocondos Schönheit war ungewöhnlich und nicht auf den ersten Blick zu erfassen. Diese Frau barg ein Geheimnis, vermutlich ein schmerzhaftes – konnte es sein, dass es die Liebe zu Giuliano de‘ Medici war, die sie noch immer tief in sich verbarg?“
[Seite 215, Kapitel 6 „Die Rückkehr“]
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen mehrere Figuren, von denen ein Großteil historisch belegt sind. Ob sich die Geschehnisse zwischen den Figuren allerdings genau so im wahren Leben abgespielt haben ist nicht grundlegend geklärt. In den nachfolgenden Charakterstudien spüre ich den Figuren und ihren Handlungen nach, wie diese im Roman dargestellt werden. Lisa Gherardini (später Lisa del Giocondo) wächst mit mehreren Geschwistern mitten in Florenz auf und genießt durch ihre Eltern seit früher Kindheit eine gute Bildung. Sie beginnt als fünfzehnjährige eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit dem fast gleichaltrigen Giuliano de‘ Medici. Als dieser jedoch, zusammen mit den anderen Mitgliedern der Familie Medici, aus Florenz vertrieben wird, steht für Lisa fest, dass sie Giuliano begleitet. Doch dieser Plan wird im letzten Moment vereitelt und Lisa wird von ihrem strengen Vater Antonmaria erst in ein Kloster gebracht und später dann zu einer Heirat mit dem viel älteren Seidenhändler Francesco del Giocondo gezwungen. Wie zu dieser Zeit typisch hat sie als junge Frau, ihrer eigenen Zukunft betreffend, keinerlei Mitspracherecht. Lisa ist zu Beginn sehr wissbegierig und bildet für ihre jüngeren Geschwister, später auch für ihre eigenen Kinder und die Kinder ihrer Schwager und Schwägerinnen einen sicheren Anlaufpunkt. Sie verfällt im Laufe der Handlung in eine Melancholie, wirkt stellenweise sehr niedergeschlagen und bedrückt und trauert ihrer großen und unterdrückten Liebe zu Giuliano hinterher, welche sie nicht so schnell aufgeben möchte. Mit der Hilfe von Leonarda da Vinci und anderen Freunden und Freundinnen wächst Lisa des Öfteren über sich hinaus und zeigt eine beeindruckende Stärke. Ich mochte Lisas sehr wechselvollen und ambivalenten Charakter und ihre starke Entwicklung von einem jungen Mädchen hin zu einer erwachsenen Frau und konnte mich sehr schnell in ihre Gefühlswelt hineinversetzen.
„Vielleicht stimmte es wirklich, und seine Augen nahmen die sichtbare Welt anders wahr als die seiner Zeitgenossen. Dass ein Maler sich nicht damit zufrieden geben durfte, Formen und Farben nachzubilden, wollte er die Illusion von Tiefe beispielsweise in einer Landschaft erzeugen, sondern dass er dafür auch das nahezu Unsichtbare malen musste, das sich zwischen den Gegenständen befand, hatte vor ihm noch keiner der großen Meister herausgefunden.“
[Seite 120, Kapitel 4 „Der Auftrag“]
Leonardo da Vinci ist neben Lisa eine weitere Figur welche im Zentrum der Geschichte steht. Der Autorin Beate Rygiert ist es hervorragend gelungen, diese historische Figur sehr zugänglich zu beschreiben. Sein ambivalent gezeichneter Charakter, seine Arbeitsweise, seine innere Unruhe, vor allem sein Arbeitsethos werden spür- und fühlbar. Er ist ein Universalgenie und mit seinen technischen Erfindungen seiner Zeit weit voraus. Dank diesem Roman nehme ich den Künstler, welchen ich schon immer sehr bewundert habe, noch einmal ganz anders war. Wie auch Leonardo in seinen Bildern das Unsichtbare sichtbar gemacht hat, hat Beate Rygiert vieles von Leonardos innerer (unsichtbarer) Gedanken- und Gefühlswelt sichtbar gemacht. Ich empfand Leonardos Hilfsbereitschaft gegenüber Lisa so rührend, aber auch, wie die Beiden sich gegenseitig Halt und Unterstützung geben – er ist eine Figur, die man einfach gerne haben muss. Die Hintergründe und Geschichten der vielen Charaktere zeigen sich erst nach und nach und so bleibt es immer spannend, wie und wohin sich die Figuren entwickeln. Vor allem Leonardos Charakter ist zu Beginn etwas schwer zu fassen und zu verstehen, im Laufe der Handlung wird aber immer klarer, warum er so ist, wie er ist. Neben diesen beiden Hauptfiguren stehen noch einige weitere Figuren, auf die ich nicht detailliert eingehe, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle jedoch unbedingt Caterina (eigentlich Kahina), welche als Sklavin im Hause del Giocondo lebt. Ihre mitreißende und unvergessliche Geschichte trieb mir immer wieder die Tränen in die Augen. Es gibt die guten und freundlichen Charaktere, die Wärme und Geborgenheit in die Geschichte bringen, aber auch die eher unliebsamen Figuren, wie zum Beispiel Lisas Vater. Sie alle, egal ob freundlich oder unsympathisch, tragen ihren Teil zum Fortgang der Geschichte bei, bringen die Handlung vorwärts und geben zusammen ein sehr stimmungsvolles und authentisches Bild der Gesellschaft des 15. und 16. Jahrhunderts ab. Beate Rygiert verbindet die einzelnen kleinen Geschichten ihrer historischen und fiktiven Figuren zu einer großen und mitreißenden Geschichte, erweckt Größen der Weltgeschichte gekonnt zum Leben und verwebt alles mit den akribisch recherchierten historischen Hintergründen. Auch die Tragik, die Spannungen, Zerwürfnisse und Differenzen zwischen den Figuren waren für mich immer fühlbar und zogen mich tief in die Geschichte und die Geschehnisse hinein.
Das ausgehende 15. Jahrhundert und das beginnende 16. Jahrhundert in Italien bilden den geschichtlichen Hintergrund des Romans. Das Land Italien, so wie wir es heute kennen, gab es 1494 nicht. Italien bestand aus einzelnen Markgrafschaften (z.B. Saluzzo, Monferrat), einzelnen Herzogtümern (z.B. Herzogtum Mailand, Herzogtum Savoyen, Herzogtum Modena), den Königreichen Sizilien und Neapel, einzelnen Republiken (z.B. Republik Venedig, Republik Genua, Republik Florenz, Republik Siena) und dem Kirchenstaat.
Zwischen 1494 und 1559 fanden eine Reihe von den sogenannten ‚Italienkriegen‘ oder ‚Renaissance-Kriegen‘ statt, die zu einem großen Teil auf dem Gebiet des heutigen Italiens ausgetragen wurden. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kämpften mehrere europäische Staaten um Italien und damit um die Vorherrschaft auf dem Kontinent. Das Schicksal der Halbinsel wurde durch ein ständig wechselndes Mächtegleichgewicht bestimmt. Die vielen Kriege zermürbten Italien und dauerten bis zum Frieden von Cateau-Cambrésis im Jahr 1559 an. Trotz dieser Kriege und Fremdherrschaften erlebte das Land die wirtschaftliche und kulturelle Blüte der Renaissance. Zu dieser Zeit erstrahlten die italienischen Kulturmetropolen, allen voran Rom, Florenz und Venedig, weit über Italien und Europa hinaus und es entstanden viele bis heute bewunderte und beachtete Kunstwerke und Bauten – auch durch die Finanzierung und Hilfe der Familie Medici. Die Familie der Medici aus Florenz sind eine vom 15. bis ins 18. Jahrhundert einflussreiche Dynastie, aus der Großherzöge der Toskana, drei Päpste und zwei Königinnen von Frankreich hervorgingen. Die Medici erwarben ihren Reichtum überwiegend im Textilhandel. Auf dieser Basis begründeten sie ein modernes Bankwesen und dominierten – unter anderen auch durch ihre Beziehungen zum Papsttum – die europäische Finanzwelt der frühen Neuzeit. Giulianos älterer Bruder Piero war nach dem Tod des Vaters Lorenzo von April 1492 bis November 1494 das Familienoberhaupt und damit der maßgebliche Politiker in Florenz. Giuliano war unter den Brüdern, als der Umsturz vom 9. November 1494 zur Vertreibung der Medici und ihrer Flucht in Richtung Bologna führte.
Unter den vielen in dieser Zeit entstandenen Kunstwerken ist das weltbekannte Ölgemälde ‚Mona Lisa‘ von Leonardo da Vinci, welches zwischen 1503 und 1506 entstanden ist. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, welche Frau auf dem Bild dargestellt ist. Beate Rygiert folgt in ihrem Roman der ‚Lisa-del-Giocondo-Theorie‘, welche ich persönlich auch für sehr wahrscheinlich halte. An dieser Stelle empfehle ich euch das ausführliche Nachwort der Autorin, in dem sie noch einmal detailliert auf diese Thematik eingeht.
All diese vielfältigen geschichtlichen und künstlerischen Hintergründe hat die Autorin akribisch recherchiert und erzählt äußerst lebendig und mit viel Leidenschaft darüber. Vor allem fand ich die Beschreibungen der Malerei und Kunst sehr spannend und ich habe einiges (vor allem zur möglichen Entstehungsgeschichte der ‚Mona Lisa‘) dazugelernt und meinen Horizont erweitert.
„»Um Euer Porträt zu malen«, sagte er und räusperte sich, »müsst Ihr mir also erlauben, einen Blick in eure Seele zu tun.«
[Seite 313, Kapitel 7 „Das Porträt“]
Am Ende dieser Rezension möchte ich mich ganz herzlich bei Beate Rygiert für dieses unvergessliche und lehrreiche Lesevergnügen bedanken.
Fazit: Ab der ersten Seite wusste ich, dass ich mir mit dieser Geschichte Zeit lassen wollte. Gerne hielt ich michlänger in dieser wunderschönen und atmosphärischen Geschichte auf und erfuhr und lernte viel Neues. Ja, es ist ein Roman, der eine „So könnte es gewesen sein-Geschichte“ erzählt. Und nach der letzten Seite lege ich das Buch mit einem Lächeln zur Seite und denke: „Ja… so könnte es tatsächlich gewesen sein..!“ Sehr lesenswert.
*Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „Zürich 1273: Dem begnadeten Schreiber und Buchmaler Bertram steht eine glänzende Zukunft im Grossmünsterstift bevor. Doch als er sich in die hübsche Pergamentertochter Fides verliebt, die bereits einem anderen versprochen ist, gerät sein Leben aus den Fugen. Auch Bertrams Ziehvater, der berühmte Gelehrte Konrad von Mure, hat Bedenken ob der Verbindung. Denn auf Bertrams Herkunft ruht ein Geheimnis. Eine Reise zum Konzil in Lyon soll dieses Rätsel lösen, bringt aber nicht nur Bertram in Lebensgefahr.“
Allgemeine Hinweise: – Das Buch habe ich freundlicherweise von der Autorin als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank! – Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Trigger-Hinweise: – Teile der Handlung enthaltengewaltvolle Todesfälle und einzelne Szenen körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt.
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Das Buch „Der Buchmaler von Zürich“ von Erika Weigele ist ein historischer Roman, der im 13. Jahrhundert in Zürich spielt und das Leben des jungen Schreibers und Buchmalers Bertram zeigt, welcher durch seine geheimnisvolle Herkunft in große Gefahr gerät.
„»(…) Es macht mir Freude, große Gedanken für die Nachwelt festzuhalten. Das ist in Euren Augen vielleicht nicht besonders heldenhaft, aber Ihr solltet die Macht des geschriebenen Wortes nicht unterschätzen.«“
[Seite 507]
Zürich im September 1273: Der junge Bertram wurde als Säugling vor einem Kloster ausgesetzt und von seinem Ziehvater Konrad liebevoll aufgezogen. Nun ist Bertram zu einem talentierten Schreiber und Buchmaler herangewachsen, dem das geschriebene Wort alles bedeutet. Ihm steht eine glänzende Zukunft im Großmünsterstift bevor. Doch dann verliebt Bertram sich in die junge Fides, die Tochter eines Pergament-Machers. Bertram stellt seine gesamte Zukunft in Frage, aber auch seine geheimnisvolle Herkunft, über die niemand mit ihm sprechen will, lässt ihm keine Ruhe. Als kurz vor seiner Volljährigkeit die Unterhaltungszahlungen an das Kloster ausbleiben und Bertram immer wieder das Ziel von Anschlägen wird, welche ihn um sein Leben fürchten lassen, stellt sich Bertram seiner rätselhaften Vergangenheit.
Der Roman „Der Buchmaler von Zürich“ ist bereits im August 2023 erschienen und völlig an mir vorbeigegangen. Dabei ist die Handlungszeit und auch das Thema für mich von großen Interesse. Umso mehr freute ich mich, als mir die Autorin im November 2023 eine Rezensionsanfrage zukommen ließ. Klappentext, Handlung und Handlungszeit sprachen mich direkt an. Wenige Tage später erreichte mich das signierte Buch zusammen mit mehreren Lesezeichen, einer Postkarte und einem Leselicht. An dieser Stelle möchte ich mich dafür und auch für den lieben Kontakt in den sozialen Medien ganz herzlich bedanken.
Neben der Handlungszeit und dem Thema sprach mich vor allem das stimmige und ausgefallene Cover an: Dieses zeigt einen Ausschnitt der insgesamt fünf Tafeln, von Hans Leu dem Älteren (* um 1460; † 1507 in Zürich) die er für die „Zwölfbotenkapelle“ des Grossmünsters malte. Im Mittelpunkt des gewählten Ausschnitts steht die Wasserkirche in Zürich.
Bei der Ausgabeart des Buches handelt es sich um eine Klappbroschur mit 544 Seiten. Auf der vorderen Klappe befindet sich ein ausführlicher Text zum Inhalt des Buches, auf der hinteren Klappe wird die Autorin mit einem Foto und einer kurzen Biografie vorgestellt. Das Innere der Klappen ist leer geblieben. Die Handlung des Buches beginnt mit einem Prolog, welcher im November 1253 ansetzt. Das erste von insgesamt 71 Kapiteln beginnt dann 20 Jahre später im September 1273. Mit dem Epilog befinden wir uns dann im April 1275 – somit umfasst die gesamte Handlung, inklusive des Prologs, knapp 22 Jahre, wobei die Haupthandlung zwischen September 1273 und November 1274 stattfindet. Die Geschichte wird fortlaufend und äußerst spannend erzählt. Erika Weigele hat ab der ersten Seite einen immensen Spannungsbogen aufgebaut, welcher bis zum Ende nicht abflacht – ganz im Gegenteil. Diese anhaltende und sich aufbauende Spannung, sowie ihr bildhafter, ruhiger und ausdrucksvoller Sprachstil sorgten dafür, dass ich das Buch nur ungern aus den Händen gelegt habe und ein Kapitel nach dem anderen förmlich verschlungen habe – im Nu waren die 544 Seiten gelesen. Stück für Stück lüftet sich das große Geheimnis, doch auch wenn ich dachte, dass ich die Lösung gefunden habe, wurde ich zum Ende hin völlig überrascht. Besonders gefallen hat mit, dass über den Kapiteln immer das genaue Datum und die Handlungsorte stehen – dadurch fand ich mich zeitlich und räumlich gut in der Geschichte zurecht. Abgeschlossen wird das Buch mit einem ausführlichen Nachwort der Autorin, welches verschiedene Fakten zum Codex und zu den Figuren enthält, einer Literaturauswahl und einem Glossar.
„Bertram konnte nicht verstehen, warum die meisten Schüler den Schreibdienst als lästiges Übel empfanden. Seit er als kleiner Junge zum ersten Mal die Schwelle des Skriptoriums überschritten hatte, war er dessen Atmosphäre verfallen. Er liebte den Geruch von Leder, Tinte und Kreidepulver, das gleichmäßige Geräusch der kratzenden Gänsefederkiele auf dem Pergament, und wenn er am Schreibpult saß, vergaß er alles um sich herum.“
[Seite 9]
Die Autorin hält in ihrem Nachwort fest, dass das Aussehen, Charakter und Handeln all ihrer Romanfiguren gänzlich ihrer Fantasie entsprungen sind. Während der Leser/ die Leserin in diesem Buch auch auf historische Persönlichkeiten trifft, sind einige der Figuren rein fiktiv. Bertram ist einer der fiktiven Charaktere – steht jedoch im Mittelpunkt der Geschichte. Als Säugling wurde er vor einem Kloster ausgesetzt, genoss durch seinen Ziehvater Konrad eine unbeschwerte und bildungsorientierte Erziehung. Seine Zukunft scheint vorgezeichnet und damit sicher zu sein. Doch es kommt alles anders, als sich Bertram in Fides verliebt und diese heiraten möchte.
„»Doch, ich bin mir sicher, ich liebe sie. Ich will sie heiraten. Sobald ich volljährig bin.«„
[Seite 115]
Bertram habe ich aufgrund seines ehrlichen, ruhigen und sanftmütigen Charakters schnell sehr gerne haben. Er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und entwickelt sich während der Handlung enorm weiter und überraschte immer wieder mit seinen Denk- und Sichtweisen. Ich spürte was er erlebte, konnte nachvollziehen, wonach er sich sehnt und vor allem was er fürchtet. Zusammen mit der ebenfalls fiktiven Fides bildet er eine starke Einheit und die beiden wissen genau, was sie wollen und was sie nicht wollen. Zudem konnte ich ihrer romantischen Liebesgeschichte nachspüren, da diese zu keiner Zeit übertrieben oder gar aufgesetzt wirkt. Fides wird mir mit ihrer wechselvollen und teils sehr emotionalen Geschichte und ihren Schicksalsschlägen noch sehr lange im Gedächtnis bleiben. Auch sie entwickelt sich lebensecht weiter und bleibt dabei sehr authentisch. Neben diesen beiden Hauptfiguren stehen noch einige weitere Figuren, auf die ich nicht detailliert eingehen möchte, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme. Es gibt die guten und freundlichen Charaktere, hier seien beispielsweise Konrad von Mure und seine Frau Hedwig genannt, die Wärme und Geborgenheit in die Geschichte bringen, aber auch die eher unliebsamen Figuren, wie zum Beispiel der Antagonist Pater Otto. Sie alle, egal ob freundlich oder unsympathisch, tragen ihren Teil zum Fortgang der Geschichte bei, bringen die Handlung vorwärts und bilden zusammen ein sehr stimmungsvolles und authentisches Bild der Gesellschaft des 13. Jahrhunderts ab Erika Weigele verbindet die einzelnen kleinen Geschichten ihrer Figuren zu einer großen und mitreißenden Geschichte und verwebt diese gekonnt mit den historischen Hintergründen. Zudem waren auch die Tragik, Spannungen, Zerwürfnisse und Differenzen zwischen einigen der Figuren stets fassbar und zogen mich schnell in die Geschichte hinein.
„Bertram traute seinen Ohren nicht. Seit er denken konnte, war das Reich ohne einen Regenten. Oder besser gesagt, es gab zu viele davon , aber keiner hatte das Sagen. Nach dem Tod des Stauferkaisers Friedrich II. und seines Sohnes Konrad vor knapp zwanzig Jahren waren zwar verschiedene Kandidaten gewählt worden, doch keinem war es gelungen, die allgemeine Zustimmung im Reich zu erlangen.“
[Seite 12]
Den historischen Hintergrund bildet das 13. Jahrhundert. In diesem Jahrhundert folgte dem Hochmittelalter (ca. 1050 bis 1250) das Spätmittelalter (ca. 1250 bis ca. 1500). Das zentrale Europa wurde in dieser Epoche vom Heiligen Römischen Reich dominiert. Dieses wurde von einem immer schwächer werdenden Königtum regiert, während die Eigenständigkeit der Territorien innerhalb des Reiches im Laufe des Jahrhunderts kontinuierlich größer wurde – allerdings kämpften diese untereinander in zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen um eine bessere Machtposition. Das Jahrhundert begann mit dem Deutschen Thronstreit zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen König Otto IV. Keiner der Beiden setzte sich in den 1210er Jahren als römisch-deutscher König durch – sondern es war Friedrich II. Der letzte große staufische Herrscher führte regelmäßige Auseinandersetzungen mit den Päpsten, da diese einen Machtverlust befürchteten – unter anderem durch eine Vereinigung von Friedrichs Erbreich Sizilien und dem Heiligen Römischen Reich. Ein Anliegen des Königs und späteren Kaisers war die Stärkung der Königsmacht – dieses Anliegen scheiterte. Friedrich musste den Reichsfürsten daraufhin umfangreiche Zugeständnisse machen. Zum Ende seiner Herrschaft hatte er mit seiner Absetzung durch den Papst und Gegenkönigen zu kämpfen. Friedrichs Tod im Jahr 1250 folgte eine Periode von machtlosen Königen. Erst im Jahr 1273 wurde Rudolf von Habsburg zum König gewählt und konnte seinen erblichen territorialen Besitz (Hausmacht) vergrößern und diesen zur Durchsetzung von politischen Zielen einzusetzen. Durch diese Hausmachtpolitik behauptete sich Rudolf von Habsburg als Monarch gegenüber den Fürsten. Eine seiner nachhaltigsten Leistungen gehörte die Errichtung der habsburgischen Hausmacht in Österreich. Die Ständegesellschaft, die jedem Menschen seinen Platz in der Gesellschaft zuwies, bildete die Grundlage der Menschen. Sie wird auch Drei-Stände-System genannt, weil sie aus drei Gruppen bestand: dem Adel, den Geistlichen („Klerus“) und den Bauern. Die christliche Religion spielte im Leben der einzelnen Menschen und in der gesamten Gesellschaft eine zentrale Rolle. Zu Beginn des Jahrhunderts wurde die Gegenkirche der Katharer bis auf kleine Reste vernichtet. Andere religiöse Bewegungen konnte die Kirche unter anderem in der Form von Bettelorden, wie die Dominikaner und Franziskaner, integrieren. Die Franziskaner, eine Bewegung aus Laien und Klerikern, entstand aus dem städtischen Milieu. Der klerikale Orden der Dominikaner, der sich der Gelehrsamkeit, der Glaubensvertiefung und -verbreitung widmete, brachte große Gelehrte wie Albertus Magnus und Thomas von Aquin hervor. Das Zweite Konzil von Lyon, das 1274 unter Leitung Papst Gregors X. stattfand, entschied über drei wichtige Fragen:
1. Die Möglichkeit der Beendigung des „Morgenländischen Schismas“. 2. Einen Kreuzzug und dessen Finanzierung. 3. Die Reform der Kirche.
Die Buchkunst im Hochmittelalter bildet den Schwerpunkt dieser Geschichte: Der Codex aus Pergament löste zwischen dem 2. und dem 4. nachchristlichen Jahrhundert die Papyrusrolle ab und markiert den Beginn der eigentlichen Buchmalerei. Für die Miniaturmalerei bedeutete das Buch vor allem, dass mit den einzelnen Seiten nun eine abgeschlossene Fläche den Rahmen für die Illustrationen vorgab. Die Möglichkeit, vor- und zurückzublättern, begünstigte eine textgliedernde Funktion der Buchmalerei. Vor allem diesem Thema galt mein großes Interesse und ich habe hier jede Menge neues Wissen gewonnen.
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Diese vielen und teils komplizierten Hintergründe hat Erika Weigele sehr akribisch recherchiert und baut diese gekonnt und verständlich in ihren Roman mit ein. Sie verwebt und verbindet die Schicksale ihrer Figuren mit diesen Hintergründen, vermittelt bildhaft geschichtliches Wissen und sorgt für einen leichten und greifbaren Zugang zu komplexen Themen und Ereignissen, welche etwa 750 Jahre zurückliegen.
Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich bei Erika Weigele für dieses lehrreiche und mitreißende Lese-Erlebnis bedanken. Es ist eine Geschichte, die ich noch lange in meinem Herzen tragen werde. Beenden möchte diese Buchbesprechung mit einem Zitat von Hedwig – eine meiner Lieblingsfiguren:
„»Glaub mir, Kind, man hat immer eine Wahl. Es ist nicht immer einfach und vielleicht macht man sich unbeliebt, aber man hat immer eine Wahl.(…)«„
[Seite 302]
Fazit: Diese mitreißende Geschichte hat mir außerordentlich gut gefallen. Ab der ersten Seite baut sich ein Spannungsbogen auf, der bis zur letzten Seite anhält. Es waren lese-intensive Tage und Nächte, in denen ich mir oft sagte: „Nur noch dieses eine Kapitel…“ Dabei blieb es selten. „Der Buchmaler von Zürich“ bietet großartige Unterhaltung, die mit authentischen Charakteren besticht und wunderbar erzählt ist. Lohnt sich! Große Leseempfehlung.
*Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „Wien, im ausgehenden 19. Jahrhundert: Schlittschuhfahren bedeutet Nikolett alles. Sobald die Kufen das Eis berühren, ist sie glücklich und frei. Doch sie kann ihrer Leidenschaft nur heimlich nachgehen, wegen eines Unfalls lebt sie ein zurückgezogenes Leben – so zurückgezogen, dass sie dreiundzwanzig Arten von Stille unterscheiden kann. Auf keinen Fall möchte sie daher auf dem Wiener Opernball debütieren und zum Gerede der Gesellschaft werden. Erst recht nicht, da sich János, in den sie schon lange insgeheim verliebt ist, mit Händen und Füßen dagegen wehrt, mit ihr zu tanzen. Als sie sich verzweifelt zu ihrem See flüchtet, stößt Nikolett auf eine Eislaufgruppe und ist fasziniert von den fließenden und anmutigen Bewegungen. Begeistert schließt sie sich ihnen an und ahnt nicht, dass diese Begegnung ihr Leben für immer verändern wird …“
Hinweise: – Das Buch habe ich freundlicherweise vom Penguin Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank! – Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
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Das Buch „Der Eispalast“ von Rena Rosenthal ist der Auftakt einer Trilogie, die im ausgehenden 19. Jahrhundert in Wien spielt und zeigt, wie sich mehrere unterschiedliche Menschen zu einer Eislaufgruppe zusammenfinden und beginnen den Eislauf zu revolutionieren.
„»Es liegt an der Schwergängigkeit der Zeit! Nur weil die Zeit noch nicht reif ist, heißt es nicht, dass wir alle falschliegen müssen.«“
[Seite 449]
Wien, im ausgehenden 19. Jahrhundert: Die junge Nikolett führt ein sehr zurückgezogenes und stilles Leben, denn ein dramatischer Unfall hat Spuren hinterlassen. Doch sobald Nikolett das Eis des nahen Sees unter ihren Kufen spürt, ist die Welt eine andere. Hier fühlt sie sich frei und ungebunden und die Sorgen eines Tages auf dem Wiener Opernball zum Gerede der Gesellschaft zu werden, sind weit entfernt. Eines Tages trifft sie am See auf eine Eislaufgruppe. Nikolett nimmt all ihren Mut zusammen und schließt sich ihnen an – und ihr Leben beginnt sich komplett zu verändern.
Im März 2021 habe ich den ersten Band von „Die Hofgärtnerin“ von Rena Rosenthal mit großer Begeisterung gelesen. Auch die folgenden zwei Bände der Trilogie haben mich sehr beeindruckt und ich war im Januar 2023 richtig traurig, als ich von dieser Buchreihe und den liebgewonnen Charakteren Abschied nehmen musste. Doch ich freute mich, als die Autorin mit „Der Eispalast“ den Auftakt ihrer neuen „Eiskunstlauf-Trilogie“ ankündigte. Wien und auch die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts üben eine große Faszination auf mich auf. Die Zeit ist so fern … und doch so nah. Über das Thema Eiskunstlauf habe ich bisher noch nichts gelesen und deshalb versprach die Geschichte in dieser Hinsicht meinen Horizont zu erweitern. Ich wollte dieses Buch also unbedingt lesen und fragte bei erster Gelegenheit ein Rezensionsexemplar beim Verlag an. Dieses bekam ich freundlicherweise genehmigt und zugesendet – ganz herzlichen Dank dafür.
Nicht nur der historische Hintergrund, das Thema und der Klappentext sprachen mich direkt an – sondern auch das schöne und romantische Cover. Dieses zeigt eine Winterlandschaft mit einem gefrorenen See, auf dem mehrere Menschen eislaufen. Im Vordergrund steht eine Frau, die mit einem beigen Wollkleid, einer grünen Jacke, einem roten Schal und weißen Handschuhen bekleidet ist. Ihr Blick geht leicht erhoben nach rechts, ein feines Lächeln umspielt dabei ihre Lippen. Der Winterhimmel verläuft nach oben hin in gelb-orangene Töne, auf dem der Titel „Der Eispalast“ steht, darüber steht der Name der Autorin. Der Buchrücken und die Rückseite des Buches greifen die landschaftlichen Elemente des Covers wieder auf – dadurch wirkt das Buch sehr harmonisch und edel.
Auch die Ausgabeart des Buches trägt zu dieser Wirkung bei: Es handelt sich um ein Taschenbuch mit Klappen mit insgesamt 544 Seiten. In der Klappe werden die Hauptfiguren kurz vorgestellt. Diese Vorstellungen sind graphisch wunderschön aufbereitet und wecken, zusammen mit dem Textauszug auf der vorderen Klappe, direkt die Lust auf diese Geschichte. Auf der hinteren Klappe wird die sympathische Autorin mit einem Foto und einer kurzen Biografie vorgestellt, im Inneren befindet sich eine Übersicht zu ihrer Trilogie „Die Hofgärtnerin“. Die Handlung des Buches beginnt mit einem Prolog, der Ende des 19. Jahrhunderts spielt und aus zwei Teilen besteht: Im ersten Teil lernen wir Nikolett kennen, im zweiten Teil das Waisenkind Julianna – beide erzählen aus der Ich-Perspektive. Das erste von insgesamt 61 Kapiteln setzt dann drei Jahre nach dem Prolog an. In den einzelnen Kapiteln wechseln sich die Protagonisten ab und erzählen in der Ich-Perspektive und im Präsens fortlaufend von ihren Erlebnissen. Ich bin – ehrlich gesagt – nicht so der große Freund von dieser Erzählform. Doch diese Geschichte lebt davon, da diese durch die direkte Perspektive eine beeindruckendd Tiefe bekommt, ich mich sehr in die Figuren hineinversetzen konnte und ihre Gedanken und Gefühle einfach genau nachvollziehen konnte. Mit einem Epilog endet der erzählende Teil des Buches. Abgeschlossen wird das Buch mit einem ausführlichen Nachwort der Autorin, einem Verzeichnis österreichischer Wörter, einer Übersicht über ‚Nikoletts wahrgenommene Arten der Stille‘, einigen historischen Bildern, einem Rezept für ‚Punschkrapfen‘ und einer Zusammenstellung der wichtigsten verwendeten Quellen. Rena Rosenthal hat einen sehr bildhaften, ruhigen und wunderschönen Sprachstil, welcher mich schnell mit in die Geschichte genommen hat.
„Allerdings will ich ohnehin kein Teil dieser Gesellschaft sein, die mir mein Leben immer so schwer macht. Und ich möchte lieber von der Gesellschaft verachtet werden, als junge Männer anzuflehen, mit mir zu tanzen. Ich werde einfach den Rest meines Lebens in meiner eigenen kleinen Welt aus Büchern verbringen. Dort ist es sicher.“
[Seite 44]
In dieser Geschichte stehen einige Figuren im Mittelpunkt, teilweise sind diese historisch oder von echten Personen inspiriert, teilweise sind sie rein fiktiv. Beginnen möchte ich mit Nikolett Finck von Ehrenbach, die der Leser/ die Leserin gleich zu Beginn der Geschichte kennenlernt. Nikolett ist eine sehr ruhige und nicht nur äußerlich verletzte junge Frau. Sie lebt zurückgezogen in ihrem Elternhaus, liest sehr gerne Bücher und geht nur ungern vor die Tür. Sobald es aber Winter ist und der See auf dem Grundstück ihrer Familie zufriert, blüht Nikolett auf. Für sie gibt es nichts schöneres, als über das Eis zu fahren und dabei all ihre Zweifel und tiefen Verletzungen hinter sich zu lassen. Ich mochte ich ihren interessanten Charakter sehr gerne. Sie ist so anders, als die typischen (weiblichen) Charaktere in Familiensagas. Eben nicht perfekt, sondern verletzt, voller Selbstzweifel und wenig Selbstvertrauen. Ich konnte mich stellenweise sehr gut mit ihr und ihren Gedanken identifizieren und habe sie und ihre herzensgute Art sehr schnell in mein Herz geschlossen. Auch ihre enorme Entwicklung während der Geschichte wird sehr authentisch erzählt. Neben Nikolett steht Julianna. Sie ist im Waisenhaus aufgewachsen, kennt ihre Wurzeln nicht und eckt mit ihrer Andersartigkeit und Schroffheit immer wieder an. Ihre Zielstrebigkeit und ihre Liebe zum Eislaufen bringen sie in Kontakt mit anderen Menschen – und sie kann diesen zeigen, dass sie nicht nur schroff ist, sondern auch eine sehr liebenswürdige und verlässliche junge Frau. Auch Julianna mochte ich sehr schnell, auch wenn sie mitunter sehr im Kontrast zu der ruhigen Nikolett steht: Während Nikolett sehr behütet (mitunter überbehütet) aufwächst, muss Julianna sich von Anfang in ihrem von harter Arbeit geprägten Leben alleine durchkämpfen. Neben diesen beiden Figuren stehen noch eine Vielzahl weiterer Charaktere: János, ein Freund von Nikoletts Bruder, hat schon früh seine Eltern verloren und ist ein häufig gesehener Gast im Hause von Ehrenbach. Leonard Lindenfels ist der Erbe einer Wachstuchfabrik, sein Herz schläft allerdings für das Eislaufen und Hochradfahren. Leonards Charakter und seine Intension sind vage an eine historische Figur angelehnt. Jackson Haines ist einer historischen Figur nachempfunden. Dieser Mann entwickelte den klassischen Eislauf zum Eistanz, hatte privat aber immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen und eckte auch an der Gesellschaft an. Da ich nicht zu viel von der Handlung vorwegnehmen möchte, gehe ich nicht zu detailliert auf die vielen Charaktere ein. Jede einzelne ihrer zahlreichen Figuren hat Rena Rosenthal sehr facettenreich, lebensecht und interessant dargestellt und zeichnet mit ihnen ein gutes Bild der damaligen Gesellschaft. Es sind (größtenteils) so liebenswerte Figuren, die ich noch gar nicht gehen lassen möchte. Sie verbindet die einzelnen kleinen Geschichten zu einer großen und mitreißenden Geschichte. Natürlich gibt es auch die etwas unliebsamen Charaktere, über die ich oft den Kopf schütteln musste – doch eine gute Geschichte lebt meiner Meinung nach auch von und durch unsympathische Figuren. Es bleibt spannend, wie es mit den Charakteren in den nächsten Bänden der Reihe weitergehen wird.
„Es ist ihnen einerlei, wie wir hier hausen und dass es oft nicht genug Essen für uns gibt. Wir können froh sein, dass unser Hausherr sich nicht an uns vergreift.“
[Seite 46]
Den historischen und gesellschaftlichen Hintergrund der Geschichte bildet das ausgehende 19. Jahrhundert. 1867 wurde das Kaisertum Österreich in die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn umgewandelt. Die Wurzeln hierfür liegen in der Auseinandersetzung des Kaisertums Österreich mit dem Königreich Preußen um die Vorherrschaft im Deutschen Bund. Flächenmäßig war Österreich-Ungarn somit nach Russland der zweitgrößte Staat Europas. Geographisch war die Doppelmonarchie ein Übergangsgebiet zwischen West- und Osteuropa – aber auch in Bezug auf das Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung. Charakteristisch war eine gewisse Verspätung im Prozess der Entstehung einer Industriegesellschaft. Die Industrialisierung erfasste das Reich im Vergleich zu Westeuropa mit einer Verspätung von zwei bis drei Jahrzehnten. Die Entwicklung war hier nicht vergleichbar mit der Weltmacht Großbritannien, die über ein transkontinentales Kolonialimperium verfügte. Auch war Österreich-Ungarn deutlich schwächer als Deutschland, das seinen neu erworbenen Status als führende Wirtschaftsmacht auf dem Kontinent nun auch mit Ansprüchen auf ein entsprechendes politisches Gewicht verband. Wirtschaftlich vergleichbar war Österreich-Ungarn am ehesten mit Frankreich, das ebenfalls ein industriell-agrarisches Mischgebiet darstellte. Die Gründung der Doppelmonarchie ist zu Beginn des Buches bereits seit vielen Jahren vollzogen und Kaiser Franz Joseph I. und seine Gemahlin Kaiserin Elisabeth von Österreich regierten. Wie auch im Deutschen Kaiserreich war auch die Bevölkerung in Österreich-Ungarn stark gespalten. Es gab den Adel, die Industriellen (Neureiche) und die Arbeiter. Zwischen diesen verschiedenen Gesellschaftsgruppen gab es nur wenige Berührungspunkte, was zum Beispiel auch durch die exklusiven Eislauf-Vereine deutlich wird. Hier hatten Arbeiter und Arbeiterinnen keinen Zutritt. Frauen in der gehobenen Gesellschaft hatten nur selten ein Mitspracherecht, wenn es um ihre Zukunft ging, oft wurde nur aus reinen Prestige-Gründen geheiratet. Um Armut und Zukunftssorgen mussten sich viele Mitglieder der höheren Gesellschaft keine Sorgen machen. Ganz anders sah es bei den Angestellten in Fabriken und bei dem Dienstpersonal aus: Lange und anstrengende Arbeit von morgens bis abends und das alles für wenig Geld und eine unsicherer Zukunft. Rena Rosenthal hat diese verschiedenen Gesellschaftsgruppen sehr gut und eingängig mit ihren Figuren dargestellt und verbindet diese gekonnt mit den jeweiligen Schicksalen. Auch die geschichtlichen Hintergründe lässt sie gekonnt mit einfließen, auch wenn die gesellschaftlichen Hintergründe in „Der Eispalast“ ganz klar im Vordergrund stehen. Vor allem wird jedoch die Begeisterung der Autorin für die Geschichte des Eis(kunst)laufens deutlich. Sie hat diese Hintergründe sehr akribisch recherchiert und mir damit einiges an neuen Wissen über die Entstehung des modernen Eiskunstlaufens vermittelt.
„»Ich freue mich auf das Eis«, sage ich zu Max. »Es knirscht so schön sachte, wenn ich darübergleite.« Und leises Knirschen übertönt jede einzelne der dreiundzwanzig Arten der Stille.“
[Seite 70]
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Am Ende dieser Rezension möchte ich bei Rena Rosenthal für dieses wunderschöne und lehrreiche Leseerlebnis bedanken. Auch wenn ich das Buch nur ungern beendet habe, bin ich sehr glücklich, dass ich mich auf diese Reise begeben habe, und: Ich freue mich schon auf den nächsten Band der Reihe.
Fazit: Mit dem Buch „Der Eispalast“ erzählt Rena Rosenthal eine so kraftvolle und wunderschöne Geschichte, welche ich mit Sicherheit noch lange in meinem Herzen tragen werde. Dadurch, dass die vielen unterschiedlichen und interessanten Figuren aus ihrer direkten Perspektive erzählen, entsteht eine ganz eigene und dichte Atmosphäre, in der ich mich ab der ersten Seite wohl gefühlt habe. Dieses Buch empfehle ich euch sehr gerne weiter.
*Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung des Verlages in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.
Klappentext: „München 1933: Eine eigene Kaffeemischung für das Hause Dallmayr – für Lotte Randlkofer sieht so die Zukunft aus. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als dass die Räume des Delikatessenhauses in der Dienerstraße erfüllt werden von dem Aroma der feinen Bohnen, die über die Weltmeere schon längst den Weg nach Hamburg und Bremen finden. Nun sollen sie ihren Zauber auch in München entfalten. Denn was könnte die erlesenen Pralinen aus Frankreich und der Schweiz, die im Mund wie zarte Butter zergehen, besser begleiten als der nussige Geschmack von Kaffee? Lotte ist überzeugt, genau das hätte sich ihre Schwiegermutter Therese Randlkofer für die Zukunft des Dallmayr gewünscht. Doch während Lotte wagemutig das große Erbe der Matriarchin antritt, beginnt der Schrecken von Deutschland Besitz zu ergreifen.“
Hinweise: – Falls ihr den ersten und zweiten Band der Reihe noch nicht kennt, aber lesen möchtet, solltet ihr diese Rezension NICHT lesen, da ihr euch sonst spoilern könntet. – Das Buch habe ich freundlicherweise vom Penguin Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen, ganz herzlichen Dank! – Ich habe für diese Rezension von der Autorin und vom Verlag keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. – Aufgrund der Gegenleistung in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein. – Hier findet ihr meine ausführliche Rezension zum ersten Band und zum zweiten Band.
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Das Buch „Dallmayr – Das Erbe einer Dynastie“ von Lisa Graf ist der dritte und abschließende Band der Buchreihe um das Delikatessen-Geschäft Dallmayr in München und spielt von 1933 bis März 1945.
„»Ich spüre, dass unser Kaffee ein großer Erfolg werden wird. Irgendwann werden wir ganz viele verschiedene Sorten haben, für jeden soll etwas dabei sein. (…)«“
[Seite 137]
München 1933: Nach dem Tod von Therese Randlkofer, welche das ‚Dalmayr Delikatessengeschäft‘ mit großer Leidenschaft auf- und ausgebaut hat, führt ihr jüngster Sohn Paul zusammen mit seiner Ehefrau Lotte das Geschäft. Die Beiden möchten etwas Neues wagen: Eigene und exklusive Kaffeemischungen sollen das Sortiment erweitern. Dafür holen sie sich die Unterstützung eines Kaffee-Spezialisten aus Bremen. Währenddessen verliebt sich ihr einziger Sohn in die junge Selma. Doch die Zeiten sind schwer und schwierig für die junge Liebe. Als die Nationalsozialisten an die Macht kommen, verändert sich das Leben für die Menschen in der Weimarer Republik komplett. Und in Paul werden schlimme Erinnerungen wach.
Im November 2021 habe ich den Auftakt „Dallmayr – Der Traum vom schönen Leben“ mit großer Begeisterung gelesen. Und auch der zweite Band „Dallmayr – Der Glanz einer neuen Ära“, welcher ein Jahr später im November 2022 erschien, konnte mich von der ersten bis zur letzten Seite überzeugen. Deshalb musste ich auch unbedingt den dritten Band lesen, da ich wissen wollte, wie es mit der Geschichte und den vielen interessanten Figuren weitergeht und wie diese wunderbare Buchreihe endet. Die Freude war riesig, als der dritte Band angekündigt wurde, welchen ich als Rezensionsexemplar auf dem ‚Bloggerportal’ anfragte und freundlicherweise vom Penguin Verlag genehmigt und zugesendet bekam. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.
Das Buch ist eine sehr schöne und hochwertig gestaltete Klappbroschur mit 496 Seiten. Auf der vorderen Klappe befindet sich ein Textauszug, in der Klappe findet sich ein Stillleben mit Kaffeebohnen, Kaffeetassen, Blumen und Gläsern vor einem Fenster. Auf der hinteren Buchklappe wird die Autorin Lisa Graf mit einer kurzen Biographie und einem Foto vorgestellt, in der hinteren Klappe findet sich ein grafisch schön aufgemachtes Rezept für ‚Affogato al caffè‘. Das Cover passt ganz wunderbar zu den ersten beiden Teilen der Reihe:
Es zeigt ein Paar von hinten, welches die Arme umeinander gelegt hat und in Richtung des berühmten Dallmayr-Hauses in der Dienerstraße in München schaut. Sie trägt einen pinkfarbenen Mantel, er einen blau-grünen Mantel und einen braunen Hut. Die Beiden wirken sehr innig und schauen voller Stolz auf ihren Laden – deshalb sehe ich ihnen Lotte und Paul. Rechts von ihnen ist eine vierköpfige Personengruppe zu sehen: Drei der vier Frauen schauen in die Richtung des Paares, eine Frau läuft Richtung Dallmayr. Hinter den Frauen ist ein Automobil zu sehen. Die Hauptfarbtöne des Covers, des Buchrückens und auch der Buchrückseite sind gelb-orange. Der Haupttitel ‚Dallmayr‘ ist mit einer geprägten Goldschrift aufgetragen, darunter steht der (nicht geprägte) Untertitel.
Nach einem Zitat von Fanny Gräfin zu Reventlow (1871 – 1918) beginnt die Handlung des Buches im Jahr 1933. Es gibt in diesem Buch keine wirklichen Kapitel, das Buch ist in Jahre gegliedert, wobei sich die einzelnen Jahre dann in kleinere Abschnitte aufteilen, in denen dann immer abwechselnd die verschiedenen Charaktere und deren Sichtweisen im Mittelpunkt stehen. Am Ende des Buches befinden wir uns im März 1945 – somit umfasst die gesamte und chronologisch erzählte Handlung des Buches etwa 12 Jahre. Allerdings werden nicht alle Jahre behandelt, einige Jahre werden dann rückblickend beleuchtet. Abgeschlossen wird das Buch mit dem sehr interessanten ‚Nachtrag‘ der Autorin und dem Quellenverzeichnis. Der dritte Band setzt rund 13 Jahre nach Ende des zweiten Bandes an. In diesen dreizehn Jahren ist einiges passiert und es gab einige (teils sehr unerwartete) Wendungen. Auch wenn man die ersten beiden Bände nicht gelesen hat, findet man wahrscheinlich gut in die Handlung hinein. Allerdings ist es aus meiner Sicht sehr empfehlenswert, dass man auch die ersten Bände gelesen hat, um die Charaktere und ihre Entwicklungen und Entscheidungen besser zu verstehen.
„»Aber wir haben ein Geschäft zu führen, wir haben eine Verantwortung für unsere Belegschaft und die Lieferanten, mit denen wir Verträge geschlossen haben. Wir sind für alle verantwortlich, Paul, das muss ich dir doch nicht erklären. Wir haben schließlich beide unter deiner Mutter gelernt. An erster Stelle kommt immer noch das Geschäft.«“
[Seite 91]
In diesem Roman gibt es nicht eine Hauptfigur, sondern es stehen einige Figuren und ihre Geschichten im Mittelpunkt der Geschichte. Viele der (größtenteils realen) Figuren sind bereits aus den vorherigen Bänden bekannt, es kommen jedoch auch einige neue Charaktere hinzu. Im ersten und zweiten Band steht die ausdrucksstarke und facettenreiche Therese Randlkofer sehr im Zentrum der Geschichte. Doch diese Zeit ist (leider) vorbei, denn Therese ist zu Beginn des Buches bereits vor einigen Jahren verstorben. Gerade am Anfang des Buches hat mit Therese sehr gefehlt, da sie mir doch sehr ans Herz gewachsen ist. Sie lebt allerdings in den vielen wertschätzenden Erinnerungen ihrer Familie weiter, welche immer mal wieder erzählt werden. Auf den Schultern ihres jüngsten Sohns Pauls lastet viel Verantwortung, denn er hat das Erbe seiner Eltern angetreten und möchten das Delikatessengeschäft in eine neue Zeit führen und eigene Kaffeemischungen anbieten. Doch nicht nur geschäftlich muss er viele Entscheidungen treffen, auch die Zukunft seines Sohns Georg macht ihm immer wieder Sorgen. Dieser hat noch nicht so wirklich seinen Platz im Leben gefunden, entwickelt sich aber während der Handlung enorm. Fest an seiner Seite steht seine Frau Lotte. Sie sprüht vor neuen Ideen und kann ihren Mann immer wieder mit ihrem Elan anstecken, wirkt aber auch gleichzeitig sehr beruhigend auf ihn. Die Beiden verbindet eine sehr respektvolle und ehrliche Liebe zueinander, die den jeweils anderen immer wieder auffängt und absichert. Mittlerweile haben viele der bereits bekannten Figuren ihren Platz im Leben gefunden: Pauls älterer Bruder Hermann und seine Familie und auch die Schwester Elsa haben sich ihre, sehr unterschiedlichen, Leben eingerichtet. Um diesen Hauptkern der Familie Randlkofer agieren noch einige weitere Familienmitglieder, auf die ich aber nicht detailliert eingehen möchte, da ich sonst zu viel von der Handlung vorwegnehme. Auch die außenstehenden Figuren hat Lisa Graf sehr gut in die Geschichte integriert und viele Figuren geschaffen, deren Entwicklungen und Schicksale ich so schnell nicht mehr vergessen werde. Es sind schwierige und schlimme Zeiten, in denen diese versuchen einfach ihr Leben zu leben, ihr Glück zu finden. Ich hatte immer wieder die Tränen in den Augen und verfolgte die vielen Schicksale der Figuren, aber auch die Momente des Glücks. Sie alle sind, wie auch die Hauptfiguren, lebensecht, facettenreich und authentisch gezeichnet und haben mir ein gutes Bild der Gesellschaft der 1930er und 1940er Jahre vermittelt.
„»Sie sagen, dass das Land gespalten ist zwischen den Klassen, den Parteien, den verschiedenen Religionen und so weiter. Und dass sie gekommen sind, um alle zusammenzuführen und ein starkes, vereintes Volk zu machen.« »Das ist doch nichts als Augenwischerei. (…) Eine einheitlich graue Masse aus all diesen Unterschieden zu formen, das geht doch nur mit Zwang und Einschüchterung.«“
[Seite 166]
Es ist eine Gesellschaft, die noch immer vom Ersten Weltkrieg, der Nachkriegszeit und der Weltwirtschaftskrise gezeichnet war und von einer Demokratie auf direkten Weg in eine Diktatur steuerte: Am 23. März 1933 tagte das Parlament in Berlin. Auf der Tagesordnung stand das sogenannte „Ermächtigungsgesetz“, welches Adolf Hitler ermöglichte, vier Jahre lang und ohne Einmischung des Reichspräsidenten, des Reichsrats und des Parlaments Gesetze zu erlassen. Mit 444 Stimmen dafür und 94 Gegenstimmen nahm das Parlament das Ermächtigungsgesetz an, welches bis 1945 die Grundlage der Nazidiktatur bildete. Nachdem Hitler so viel Macht hatte, wandelten die Nationalsozialisten die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen um- dieser Prozess wird als ‚Gleichschaltung‘ bezeichnet. Während jüdische und politisch unerwünschte Beamte aus dem Dienst entlassen wurden, wurden auch die Gewerkschaften aufgelöst und die existierenden politischen Parteien verboten. Ab Mitte Juli 1933 war Deutschland ein Einparteienstaat. Auch auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet fanden die sogenannten ‚Säuberungen‘ statt. Alles ‚Undeutsche‘ sollte verschwinden, worauf es in vielen Städten zu Bücherverbrennungen und der Verbannung ‚Entarteter Kunst‘ kam. Die jüdischen Bürger und Bürgerinnen Deutschlands wurden zum Opfer von Gewalt, Schikanen und Unterdrückung. Am 1. April 1933 verkündete das Regime einen landesweiten Boykott gegen jüdische Geschäfte. Es ist der erste Schritt in einer Reihe antijüdischer Maßnahmen, die im Holocaust endeten, der schlussendlich über 6 Millionen Menschen das Leben kostete. Diese vielen gesellschaftlichen, politischen und geschichtlichen Themen bilden den Hintergrund des Buches „Dallmayr – Das Erbe einer Dynastie“. Es wird deutlich, wie die Bevölkerung die Machtergreifung der Nationalsozialisten und auch den Ausbau der Diktatur erlebt haben und wie diese gespaltene Gesellschaft in den Zweiten Weltkrieg gesteuert wurde. Lisa Graf hat diese Hintergründe akribisch recherchiert und gekonnt mit den vielfältigen Geschichten und Schicksalen ihrer Figuren verwoben. Auch wenn sie die überlieferte Firmengeschichte des Dallmayr hier und da mit fiktiven Elementen und Figuren spickt, wirkt die gesamte Handlung rund. Mit ihrem sehr eingängigen, angenehmen und bildhaften Sprachstil nahm mich die Autorin mit auf eine gelungene Zeitreise und konnte mir so einiges an geschichtlichen Wissen und auch Wissen zum Anbau und Röstung der Kaffeebohnen vermitteln.
„Wieso mussten ausgerechnet sie die Generation sein, die zweimal in ihrem Leben einen Krieg mitmachte? Was für ein Fluch lastete auf ihnen? Was konnten sie denn dafür?“
[Seite 404]
Nun heißt es Abschied von den Figuren und dieser Geschichte zu nehmen, die mich über zwei Jahre lang begleitet und begeistert haben. Danke liebe Lisa Graf für dieses imposante und lehrreiche Lesevergnügen und für Figuren, die ich noch lange in meinem Herzen tragen werde.
Fazit: Ich habe Therese, die Hauptfigur des ersten und zweiten Bands, zu Beginn des dritten Bandes wirklich sehr vermisst. Trotzdem erzählt auch dieser Band eine spannende und mitreißende Geschichte – voller Wärme, Hoffnung und Genuss, aber auch mit viel Tragik und vielen Abschieden. Ich habe jede einzelne der fast 500 Seiten genossen und stelle das Buch sehr zufrieden ins Regal. Große Leseempfehlung.
*Ich habe für diese Rezension von der Autorin keinerlei finanzielle Gegenleistung bekommen, sie spiegelt mein persönliches Leseempfinden wieder. Aufgrund der Gegenleistung des Verlages in Form eines kostenlosen Rezensionsexemplars muss diese Rezension als Werbung gekennzeichnet sein.